Auf den Oelfeldern Galiziens

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Autor: C. Forst
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Titel: Auf den Oelfeldern Galiziens
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 762–765
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Sloboda rungurska.

Auf den Oelfeldern Galiziens.
Von C. Forst. Mit Zeichnungen von T. Rybkowski.

Hell und klar strahlt heute das stille Licht der traulichen Petroleummape über den abendlichen Familientisch. In der Geschichte dieses Lichtes ist der 27. August des Jahres 1859 ein denkwürdiger Tag, denn an ihm wurde mittels artesischer Brunnen bei Titusville in Pennsylvanien die erste unterirdische Oelader „angezapft“, die täglich 621/2 Centner Petroleum lieferte. Dieses Ereigniß rief ein wahres „Oelfieber“ hervor, man bohrte an hundert und tausend Stellen und das amerikanische Petroleum trat einen Siegeszug an, der durch seine fabelhafte Geschwindigkeit geradezu beispiellos in der Kulturgeschichte dasteht. In kaum einem Jahrzehnt wurde in der ganzen civilisierten Welt die Petroleumlampe zur Hauslampe, die ihr ruhiges helles Licht in Palästen wie in Hütten erstrahlen ließ.

Indessen, so wunderbar auch dieser Siegeszug ist, so muß man doch, ohne die Thatkraft der Amerikaner irgendwie bezweifeln zu wollen, hervorheben, daß das Petroleum bereits geebnete Wege vorfand. Die civilisierte Welt stand inmitten einer Revolution auf dem Gebiete der künstlichen Beleuchtung, als die Ströme des amerikanischen Erdöls der Menschheit eröffnet wurden.

Versetzen wir uns an den Anfang dieses Jahrhunderts! Bereits brannte das Leuchtgas in verschiedenen Städten, die Lichtkerzen waren außerordentlich vervollkommnet; aber die Hauslampe ließ noch viel zu wünschen übrig. Man bedenke nur, daß Flach- und Runddochte erst im Jahre 1783 auftauchten, und daß erst einige Jahre darauf über die rußende Flamme der Glascylinder gesetzt wurde! Wohl waren das schon beachtenswerthe Fortschritte, aber noch war das Brennmaterial nicht genügend. Das alte Rüböl, mit dem die Lampen gespeist wurden, war nicht nur theuer, sondern stieg auch ungenügend in dem Dochte empor; man mußte darum durch besondere Einrichtungen für die Zuführung des Oels zum Dochte Sorge tragen, und die Lampen waren infolgedessen in der Handhabung unbequem.

Um jene Zeit entdeckte nun die junge chemische Wissenschaft in den sogenannten Mineralölen Hydrocarbür, Photogen und Solaröl, Beleuchtungsstoffe, die billiger waren als Rüböl, leichter im Docht emporstiegen, in einfacher gebauten Lampen brannten und mehr Licht als die bisher benutzten fetten Oele gaben. Zu Anfang der fünfziger Jahre sah man in der That in Europa und Amerika an vielen Orten Mineralölfabriken entstehen und damals wurde auch der Grund zu der bedeutenden Mineralölindustrie der Provinz Sachsen gelegt, wo Paraffin und Solaröl aus der Schwelkohle, einer Art von Braunkohle, gewonnen werden.

Inmitten dieser Umwälzung auf dem Gebiete der künstlichen Beleuchtung geschah es, daß gegen das Ende des Jahres 1848 einige Geschäftsleute aus der Umgegend von Drohobycz bei dem Apotheker P. Mikolasz in Lemberg erschienen und diesem eine schwarzgrüne, ölige, dicke Flüssigkeit, welche sie aus stagnierenden Wassern und seichten Vertiefungen geschöpft hatten, zur chemischen Untersuchung überbrachten. Damals waren Ignaz Lukasiewicz und P. Zeh als Provisoren in der Apotheke thätig und sie erkannten in der Flüssigkeit rohes Bergöl oder Petroleum.

Dieses Erdöl war ein längst geläufiges Ding. Seit uralten Zeiten quoll es ja in vielen Gegenden der Erde hervor und zahlreiche Ortschaften verdankten ihm ihre Namen; wir möchten nur an die deutschen Lokalbezeichnungen „Theerberg“, „Pechgraben“, „Oelbach“, „Pechelbronn“ u. s. w. erinnern. Auch in Galizien war es dem Volke unter dem Namen „Ropa“ seit alter Zeit bekannt, auch hier wurden Ortschaften nach ihm benannt, davon zeugen die Ortsnamen „Ropica“, „Ropianka“, „Ropagóra“, der Fluß „Ropa“ u. a. Wie in Deutschland wurde auch in Galizien das rohe Erdöl, das auf sumpfigen Wiesen, an den Ufern der Bäche oder Tümpel auf der Oberfläche des Wassers schwamm, vom Landvolke gesammelt und als Medizin für das Vieh, namentlich gegen die Räude, und als Wagenschmiere benutzt. Auch vermendete man es zum Wasserdichtmachen des Leders, und zu diesem Zwecke wurden kleinere Mengen dieses Oeles bereits in frühester Zeit aus Galizien nach Rußland verschickt.

In einigen Gegenden Galiziens kannte man seit lange auch eine einfache Art von Bergbau zur Gewinnung des Erdöls. Wie Strippelmann in seinem Werke „Die Petroleumindustrie Oesterreich-Deutschlands“ berichtet, wurden flache Gruben von 8 bls 10 Fuß Tiefe gegraben, in denen sich Wasser, zugleich aber auch auf dessen Oberfläche das aus tiefer liegenden Gesteinsschichten hervortretende Oel ansammelte.

Als nun Ignaz Lukasiewicz mit der Untersuchung des Erdöls beschäftigt war, kam er auf den Gedanken, daß diese rohe Masse gereinigt werden, daß aus ihr ein besserer Leuchtstoff als die bis dahin bekannten Mineralöle gewonnen werden könnte; er setzte [763] seine Arbeiten unermüdlich fort und es gelang ihm endlich im Jahre 1853, das Erdöl zu raffinieren und ein Erzeugniß zu liefern, welches das Hydrocarbür an Leuchtkraft weit übertraf und dabei billiger war als die damals vorhandenen Mineralöle. Die Direktion der Nordbahn in Wien, welche bisher ihr Photogen ausschließlich aus Hamburg bezogen hatte, deckte nunmehr einen Theil ihres Bedarfs in Galizien. Es bildeten sich kleine Gesellschaften von 8 bis 10 Personen, die in verschiedenen Gegenden auf Oelgewinnung ausgingen, und so konnte der Wiener Markt im Jahre 1854 mit etwa 300 Centnern beschickt werden.

Inzwischen fand aber der kunstlose galizische Oelbergbau einen mächtigen Förderer in Titus von Trzecieski, der in Bóbrka, südöstlich von Lemberg, sich nicht mehr mit dem Sammeln des oberflächlich hervorquellenden Oeles begnügte, sondern tiefere Schächte abteufen ließ. Die Schächte wurden mit mäßig starken Bohlen verzimmert, die losgearbeiteten Gesteinmassen mit einfachen Haspelwinden zu Tage gefördert, während ein der gewöhnlichen Getreideputzmaschine sehr ähnlicher Ventilator den in der Tiefe Arbeitenden frische Luft zubrachte. Solche Schächte rückten begreiflicherweise sehr langsam in die Tiefe vor und selbstverständlich drang durch die Zimmerung immer Wasser ein, so daß man immer nur Oel mit Wasser aus dem Schachte heben konnte. Dieses Gemisch trennte sich dann in Behältern, indem das Oel wegen seines leichteren spezifischen Gewichtes nach oben stieg und dort ablief, während das Wasser unten seinen Abzug fand. Es gelang Trzecieski auf diese Weise, einen Schacht abzuteufen, der einige Jahre hindurch täglich 32 Centner Oel lieferte.

Lukasiewicz und Trzecieski arbeiteten nun zusammen und gründeten im Jahre 1858 in Ulaszowice bei Jasło die erste größere Petroleumraffinerie Galiziens. Das Oel konnte erfolgreich gegen das Hydrocarbür aufkommen und im Jahre 1859 deckte die Nordbahn ihren 1100 Centner betragenden Bedarf vollständig aus Galizien. Um dieselbe Zeit verbesserte Dittmar in Wien die Einrichtung der Lampen für die Destillate von Lukasiewicz, die in Oesterreich immer mehr Anklang fanden.

Das Oelfeld von Wietrzno.

So konnte sich Galizien rühmen, vor den amerikanischen Triumphen aus eigener Kraft am Fuße der Karpathen eine lebenskräftige Leuchtölindustrie hervorgebracht zu haben, und mit Recht wird Ignaz Lukasiewicz als deren „Vater“ von den Galiziern geehrt.

Die Amerikaner hatten inzwischen ebenfalls selbständig dem Erdöl ihre Aufmerksamkeit zugewendet und im Jahre 1859 mit Erfolg Petroleum raffiniert; doch war die Gewinnungsart so unvollständig, der Mangel an rohem Erdöl so groß und der Preis so hoch, daß dieses Petroleumraffinat gegen die bisherigen Mineralöle nicht aufkommen konnte. Diese Verhältnisse änderten sich aber mit einem Schlage, als die von George H. Bissel angeregten Bohrungen bei Titusville von Erfolg gekrönt wurden und der Oelsegen über Amerika kam. Nunmehr erblühte dort an den Oelquellen ein neues Leben, in kurzer Zeit entstanden Städte, wurden neue Eisenbahnlinien nach früher menschenleeren Gebieten gebaut. Von einer derartigen phänomenalen Entwicklung war auf den Oelfeldern Galiziens nichts zu spüren; hier herrschte Mangel an technischen Kräften und Mangel an Kapital. Aber durch das Eingreifen der Amerikaner wurden die Gewinnung und das Raffinieren des Oeles vervollkommnet, die Lampen verbessert, und alle diese Fortschritte mußten schließlich auch dem galizischen Petroleum zugute kommen, das in seiner Zusammensetzung dem amerikanischen fast ganz gleich ist. Immerhin blieb Amerika das wichtigste Petroleumland der Welt; im Jahre 1885 betrug der Werth der nordamerikanischen Petroleumerzeugung ungefähr 81 Millionen Mark, der von Rußland 9 Millionen Mark, während Galizien nur für 51/2 Millionen Mark hervorbrachte. Es wird aber von verschiedenen Seiten behauptet, daß die galizische Erdölgewinnung einer beträchtlichen Steigerung fähig sei. In der That hat die Erfahrung der letzten Jahrzehnte gezeigt, daß die ölführenben Schichten sich auf verschiedenen Linien längs des Karpathengebirges durch West- und Ostgalizien und über die Bukowina bis nach Rumänien erstrecken; und als man nach amerikanischem Muster zu bohren anfing, wurden einige Quellen erschlossen, die in ihrer Ergiebigkeit den berühmten pennsylvanischen durchaus nicht nachstanden, und unter denen namentlich die in Sloboda rungurska erbohrten hervorzuheben sind.


Zu den bemerkenswerthesten Erfolgen gehören zweifelsohne die Bohrungen, welche in den achtziger Jahren der kanadische Schotte Mac Garwey ausgeführt hat. Dieser hatte eine Zeitlang erfolglos auf den hannöverschen Oelfeldern gearbeitet, als er im Jahre 1873 veranlaßt wurde, mit seinen Bohrmaschinen und seinen kanadischen Leuten nach Galizien zu kommen. Nach einigen beachtenswerthen Erfolgen in der Gegend von Gorlice wandte er sich im Jahre 1886 in die Nähe der berühmten, von uns bereits erwähnten Oelgruben von Bóbrka, und hier gelang es ihm, die berühmtesten Oelquellen Galiziens zu erschließen.

Auf einem kleinen Landstrich von 2 bis 3 Hektaren wurden in der Nähe des Dorfes Wietrzno Brunnen mit einer Anfangsergiebigkeit von 300 bis 2800 Barrels (zu 150 kg) in 24 Stunden erbohrt. Jeder dieser Brunnen gab also in den ersten Tagen seines Daseins innerhalb 24 Stunden 45 000 bis 420 000 kg Oel im Werthe von 1500 bis 15000 Gulden. Wohl gemerkt, nur in den ersten Tagen! Denn alle Quellen von so mächtiger Ergiebigkeit lassen in ihrer Fülle sehr rasch nach, liefern bald nur zwei Drittel oder die Hälfte der ursprünglichen Menge, halten einige Monate an, um wieder zu sinken und dann einige Jahre hindurch noch mäßig zu fließen. Um die gewaltigen Oelmengen möglichst rasch verfrachten zu können, ließ Mac Garwey später eine 14 Kilometer lange unterirdische Röhrenleitung nach der Eisenbahnstation Krosno anlegen.

Natürlich erzeugten diese Erfolge auch in Galizien ein Oelfieber gleich dem nordamerikanischen, und da zu erfolgreichem Bergbau außer Sachkenntniß und Ausdauer auch noch ein unbestimmtes Etwas, das Glück, nöthig ist, so konnte es nicht ausbleiben, daß viele in ihrer Spekulation schwere Enttäuschungen erlebten. Andererseits wurden die Bemühungen auch von Erfolg gekrönt. Auf dem alten Gebiete von Bóbrka, wo der Oelbergbau schon seit etwa 40 Jahren geblüht, aber sich mehr auf die Oberfläche beschränkt hatte, stellte man Tiefbohrungen an und stieß in der That in 300 Metern Tiefe auf eine neue ölführende Schicht, welche sich noch reicher als die oberflächliche zeigte und Quellen mit einer Anfangsergiebigkeit von 300 Barrels und darüber lieferte. In Równe, östlich von den Mac Garweyschen Feldern, wurden ähnliche Erfolge in Tiefen von 300 bis 370, ja bis 626 Metern erzielt.

[764] Früher, in den sechziger und siebziger Jahren, waren viele Herren verschiedener Nation nach Galizien gekommen, die sich als Bergbaukundige und Techniker ausgaben und versprachen, Oel zu erbohren; die wenigsten von ihnen waren ehrliche Leute, viele zählten zu der Klasse der Schwindler und Spekulanten. Sie haben den galizischen Oelbergbau eher in Verruf gebracht, denn gefördert. Die Kanadier, die zuletzt erschienen, waren doch bessere Leute!

Der kanadische Erdbohrer, den sie mitbrachten, war für Galizien wie geschaffen, denn er war von einer genialen Einfachheit, im wesentlichen nur aus Eisen und Holz gebaut, so daß selbst in entlegenen Gegenden Ausbesserungen mit einfachen Werkzeugen durchgeführt werden konnten. Ein scharfes Stahlstück, der „Meißel“, wird, indem man es langsam um seine Achse dreht, mit Hilfe eines sogenannten Balanciers in die Erde geschlagen. Meißel und Balancier sind durch das „Gestänge“ verbunden, welches natürlich mit dem Vordringen in die Tiefe immer länger werden muß und deshalb aus einzelnen 11 bis 12 Meter langen und zusammenschraubbaren Stücken besteht. Das auf der Schachtsohle von dem Meißel zerstampfte und zerschlagene Gestein, der „Bohrschlamm“, wird mittels eines herabgelassenen Blechrohres, welches am unteren Ende eine beim Aufziehen selbstthätig schließende Klappe hat und den Namen „Löffel“ führt, zu Tage gefördert. Das Einlassen und Ausziehen des Meißels, des Löffels und des Bohrgestänges geschieht mit Hilfe von Seilen. Dazu sind dann wegen der Länge des Gestänges die „Bohrthürme“ nöthig, die sich zu einer Höhe von 17 bis 18 Metern über die Erdoberfläche erheben.

Die polnischen Arbeiter lernten bald den Kanadiern ihre Kunstgriffe ab und so entstanden die sogenannten „falschen Kanadier“ oder eingeborene Bohrmeister, die ebensogut wie die Fremden, aber bedeutend billiger arbeiteten. Seitdem auf diese Weise dem Mangel an geeigneten Kräften abgeholfen wurde, ist auf der ölreichen Linie Bóbrka-Wietrzno-Równe eine ganze Stadt von Bohrthürmen entstanden die der von Sloboda rungurska nichts nachgiebt.

Oelschacht im Flußbett und Arbeitergruppe. 

Diese Stätten rastloser menschlicher Thätigkeit bieten einen höchst eigenartigen Anblick. Schön kann man ihn gerade nicht nennen, denn die Bohrthürme sind kahl, die Menschen von Erdöl glänzend, die Schuppen und Wohnhäuser nur aus rohen Brettern errichtet, da man ja hier nur so lange zu weilen gedenkt, als die Quellen fließen. Ringsumher ist aller Pflanzenwuchs erstorben. Trotzdem macht das ganze rastlose Getriebe mit den schnaubenden und puffenden, ächzenden und pfeifenden Dampfmaschinen, mit dem Knarren der Pumpen, dem Klappern der Schmieden einen mächtigen Eindruck, und geradezu majestätisch ist der Anblick, wenn plötzlich aus einem im Bohren begriffenen Schachte durch die Gewalt unterirdischer Gase eine 4 bis 8 Zoll im Durchmesser haltende Säule dunklen Petrolenms 20, 25 und mehr Meter hoch in die Luft geworfen wird, daß es aus dem First des Bohrthurmes hervorspritzt. Von magischem Reize ist das Bild eines solchen Feldes bei Nacht. Dann deckt das Dunkel alles, was das Auge beteidigen könnte; aber auf den Oelfeldern leuchten, gleich den heiligen Feuern von Baku, die allabendlich angezündeten, den Bohrungen entströmenden und in Röhren aufgefangenen Petroleumgase. Bald brennen sie ruhig mit ihren gelb-bläulichen Flammen und erhellen weithin die ganze Gegend und das Himmelsgewölbe darüber, daß der Schein auf Meilenweite wahrgenommen wird; bald flackern sie im Nachtwind unruhig auf und nieder, einen Augenblick alles in Dunkel versinken lassend, aus dem dann bei plötzlichem Aufflammen die Gebäude auftauchen und die schwärzlichen Bohrthürme wie Riesen sich zum Himmel recken. Hier und da strahlt oben von diesen ein ruhiges weißblaues Licht, wie ein ferner, niedrig über dem Horizont stehender Stern. Das sind die elektrischen Glühlampen in den Bohrthürmen, wo die Arbeit auch bei Nacht fortgesetzt wird. Elektrische Beleuchtung wird der ausströmenden Gase wegen benutzt, die Anwendung von Petroleumlampen würde Explosionen nach sich ziehen. Gefahrlos ist das Arbeiten auf diesen Feldern durchaus nicht und trotz der strengsten Vorsicht ereignen sich dennoch Unglücksfälle. Ein dumpfer Knall, der Bohrthurm fliegt in die Luft, was von ihm stehen geblieben ist, brennt nieder und unter der Belegschaft giebt es Tote oder von Brandwunden arg Verstümmelte.

Oelführende Schichten haben ihre eigene Anordnung, welche nicht immer von der Gestaltung der Erdoberfläche abhängt. Sie sind unter Hügeln und Thälern, unter trockenem Lande und den Gründen von Seen, den Betten von Strömen vorhanden; man kann darum wohl auch ein Flußbett auf Petroleum anbohren. Ein derartiger Oelschacht inmitten des Stromes gewährt einen eigenartigen Anblick; in seiner Einfachheit erinnert er an die Pfahlbauten der grauen Vorzeit, aber es wohnt ein anderer Geist in diesen Holzhütten, die durch elektrische Leitungsdrähte mit der Außenwelt verbunden sind! Viele der Oelschächte Galiziens liegen weitab von den Eisenbahnen, die kleineren besitzen auch keine Rohrleitungen zu den nächsten Stationen, da wird der Versand des gewonnenen Erdöls vielfach durch gewöhnliche Oelfuhrwerke besorgt. Aber die [765] Strecken, welche die Leute mit den mächtigen Schmierstiefeln und dem dicken Schafspelz zurückzulegen haben, werden immer kleiner, die Röhrenleitungen immer zahlreicher, die neuzeitlichen Verkehrsmittel erobern stetig den Fuß der Karpathen, und immer häufiger begegnet man den eisernen Oelwagen, die auf eisernen Schienen den Leuchtstoff in die weite Welt hinaustragen.

Die galizische Petroleumindustrie muß hart mit dem fremden Wettbewerb, namentlich dem des russischen Petroleums, ringen, aber sie hat sich bis jetzt bewährt und darf einer günstigen Zukunft entgegensehen. Das ist auch zu wünschen im Interesse der lichtbedürftigen Menschheit.

In seinen Oelgruben besitzt Galizien noch eine hervorragende Besonderheit. Je weiter wir am Fuße der Karpathen gegen Osten vordringen, desto häufiger wird das Vorkommen paraffinreichen Erdöls, bis man schließlich auf das seltene Erdwachs trifft. Dieses Erdwachs bildet eine bräunliche bis dunkel-lauchgrüne Masse. Man fabriziert aus ihm durch Destillation Paraffin, welches viel besser ist als das aus der Schwelkohle gewonnene, oder durch Behandlung mit Schwefelsäure einen eigenartigen Stoff, das Ceresin, das sich ausgezeichnet zur Fabrikation von Kerzen eignet und in der That vielfach anstatt des Bienenwachses verwendet wird. Galizien besitzt in der Nähe von Boryslaw die bedeutendsten Fundstätten des Erdwachses. Das betreffende Feld ist sehr klein, es umfaßt nur etwa 125 Hektar, und doch sind auf diesem Raume mehrere tausend Schächte abgeteuft. Da das Erdwachs ein verhältnißmäßig fester Körper ist, wird es durch einen bergmännischen Schacht- und Streckenbetrieb gewonnen; oft wird es als dünne Schuppe zwischen Gestein gefunden, an den besten Stellen quillt es aber aus größeren Spalten als ein weicher Körper durch Gasdruck heraus, ja zuweilen kommt ein Ausbruch – dort zu Lande „matka“, d. h. Mutter, genannt – mit so großer Schnelligkeit und Gewalt, daß die Arbeiter sich nicht mehr retten können, vom Erdwachs umdämmt werden und elend umkommen.

Oelfuhrwerk.

Das galizische Erdwachs, das ohnedies mit der Nebenbuhlerschaft anderer ähnlicher Stoffe schwer zu kämpfen hat, wurde neuerdings von einem harten Schlage betroffen. Die orthodoxen Russen brauchen zu ihren heiligen Handlungen, namentlich während der Fastenzeit, viel Lichter. Diese Lichter durften nun bisher aus keinem thierischen Fett hergestellt werden, mußten vielmehr aus Bienenwachs gemacht sein, als dessen Ersatz auch das Erdwachs gewählt werden konnte. Zu Anfang dieses Jahres erließ aber der heilige Synod in Rußland eine Verordnung, daß fortan die Verwendung des Erdwachses – wohl wegen seines muthmaßlich thierischen Ursprungs zu Kirchenkerzen u. dergl. nicht mehr erlaubt sei, eine Verordnung, die in Boryslaw recht schmerzlich empfunden wird. Das galizische Erdwachs wird im Westen Europas neue Absatzgebiete suchen müssen und in Zukunft vielleicht noch häufiger, als dies schon jetzt der Fall ist, zu kleinen Kerzen verarbeitet werden, die in der fröhlichen Weihnachtszeit vom Baume strahlen.

Ehe wir von den Oelfeldern Gasiziens scheiden, wollen wir noch eine Naturmerkwürdigkeit aufsuchen, die mit ihnen zusammenhängt. Wir schreiten durch die prachtvollen duftenden Tannenwälder der Karpathen und wenden uns zu dem aufstrebenden Jodsoolbade Iwoniez, in dessen Nähe man ebenfalls Oelbrunnen erschlossen hat. Wir wenden uns zu einer natürlichen Wasserquelle, welche den Namen „Bełkotka“, d. h. „Murmlerin“, führt. Touristen und Badegäste suchen sie auf, denn mit ihr entspringen Petroleumgase dem Schoß der Erde, die angezündet in Flammen über dem Wasser tanzen, ja sogar unter demselben brennen. Auf einer Steinplatte neben dieser Quelle sind die schönen Verse des polnischen Dichters Wincenty Pol eingegraben. Sie lauten in freier deutscher Uebertragung:

„Du grüßt hier im Wald an schattigster Stelle
Heut’ wie vor Zeiten, hold murmelnde Quelle!
Wie durchzittern die Seele Begeisterungsgluthen,
So reines Feuer durchflammt deine Fluthen.
Hier stehn wir voll Ehrfurcht an deinem Herde,
Gott preisend im Wunder der heimischen Erde,
Dein heiliges Feuer, dein murmelndes Beben,
Sie beide entstammen des Erdinnern Thoren.
Wie gleichen sie beide unserm Herzen und Leben,
Die aus Flammen uns werden und Thränen geboren!“