Aus dem Meer-Leben
So wie der Wallfischfänger über die Shetlands-Inseln hinausfährt bis in die höchsten Breiten, sieht er sich von dem entengroßen, weißgrauen Eissturmvogel oder Fulmar begleitet, der ewig wachsam sogleich auf Alles, was über Bord geworfen wird, pfeilschnell herabschießt. Der auf der Feste unbeholfene Vogel fliegt im stärksten Sturme gegen den Wind. Oft sieht man ihn zu Tausenden um einen todten Wallfisch versammelt; und so wie auf der peruanischen Hochebene Condore und Aasgeier aus unbegreiflichen Fernen um das gefallene Maulthier sich zusammenschaaren, so lockt auch aus allen Himmelsgegenden die leckere Riesenmahlzeit den Fulmar herbei. Wirft man einen Stein unter die Menge, so erheben sich die zunächst schwimmenden; und der Schrecken pflanzt sich fort, bis endlich die ganze Bande auffliegt, deren heiseres Geschrei mit dem Plätschern des Wassers zu einem ganz eigenthümlichen Concert sich verbindet. Die Gierigkeit des dummdreisten Vogels, der sich nicht wegjagen läßt, man mag noch so viele mit Boothaken erschlagen, gewährt den rohen Matrosen ein unterhaltendes Schauspiel. Wie neidisch sieht er den andern ein leckeres Stück davontragen, wie frech und verwegen stürzt er sich auf ihn, um ihm den Bissen zu entreißen, wie hastig verschlingt er das Seinige, um ja nicht auf dieselbe Weise gestört zu werden! Wenn das Aas selten ist, folgt der Fulmar auch dem lebenden Wallfische, als ob er schon auf dessen künftiges Loos speculirte, und zeigt dann durch sein eigenthümliches Hin- und Herfliegen dem erfahrenen Jäger an, wo er seine Beute zu suchen habe.
Der arktische Sturmvogel scheint dem Pole nicht so nahe zu rücken, wie der Fulmar. Er ist selten in Island und nistet viel auf Neufundland. Dasselbe ist der Fall mit der Procellaria Anglorum, welche auf den Faröern und den Orkaden häufig angetroffen wird. Die tropischen Petrels sind am wenigsten bekannt. Sie scheinen sich nicht truppweise zu versammeln und folgen selten den Schiffen. Gegen 45° S. B. zeigen sich die ersten Pintaden und fangen an, seltener zu werden, sowie man 60° überschreitet. Der Riesensturmvogel reicht bis an die Eisbänke der Südens, wo zuerst der antarktische und der Schneesturmvogel erscheinen, welche jenes rauhe Klima nicht verlassen und oft zu Hunderten auf dem Treibeis gesehen werden.
Die Nahrungsweise der Sturmvögel stimmt wenig mit ihrer äußeren Schönheit überein, sie sind die Raben des Oceans und leben von allen todten, thierischen Substanzen, die auf der Oberfläche umherschwimmen. Wo nur ein verwesender Wallfisch, von der Strömung getragen, das Meer in weiter Ferne mit einem Streifen faulenden Thranes überzieht, sieht man sie in den unreinen Gewässern beschäftigt. Alle Petrels haben die merkwürdige Eigenschaft, ein übelriechendes Oel aus ihren Nasenlöchern zu spritzen oder zu erbrechen, wenn man sie erschreckt.
Der Albatroß ist der eigentliche König des hohen Meeres, das Bild eines Helden, der unter den heftigsten Stürmen des Mißgeschicks den unerschütterlichen Gleichmuth eines starken Herzens bewahrt.
Stolz und edel schwimmt er auf seinem Elemente und Trotz bietet er jedem Toben der See und jedem Brausen des Sturmes; ohne das Wasser auch nur mit den Flügelspitzen zu berühren, erhebt er sich mit der steigenden Woge und senkt sich wieder in den nahen Abgrund hinab.
„Es ist wunderbar,“ sagt Herr von Tessan, „wie die Albatrosse die Wuth der entfesselten Elemente verachten und gegen den furchtbarsten Wind anfliegen. „„Sie scheinen so ungenirt, als ob sie zu Hause wären,““ sagten unsere Matrosen. Und wahrlich, dieses Wort ist vollkommen bezeichnend, denn kaum daß man alle fünf Minuten, alle halbe Viertelstunden sogar einen einzigen Flügelschlag wahrnimmt; sonst schweben sie fast beständig in der Luft. Nur in der Nähe bemerkt das Auge eine leichte zitternde Bewegung am hintern Flügelrande und hört das Ohr ein schwaches Anstreifen der Federn gegeneinander. Wahrscheinlich muß man in dieser vibrirenden Bewegung der Schwingen, welche an die ähnliche des Fischschwanzes erinnert, die Ursache des so lange anhaltenden Schwebens suchen.“
Der Albatroß übertrifft den Schwan an Größe, wiegt 12 bis 28 Pfd. und erreicht eine Flügelweite von 10 bis 15 Fuß.
Wochen und Monate lang folgt er dem Laufe der Schiffe, doch glaubt Harvey, daß man die Dauer seines Fluges sehr überschätzt hat. Obgleich er, wie die Möve und die Seeschwalbe, kein Tauchvogel ist, so schwimmt er mit großer Leichtigkeit, und trotz der ungeheueren Weite seiner Flügel weiß er sich recht gut wieder in die Lüfte zu erheben. Es ist wahr, daß der gefangene Albatroß vom engen Raume des Schiffsverdecks nicht wieder auffliegen kann, woraus man voreilig geschlossen hat, daß die Vögel, welche wochenlang den Seefahrer begleiten, diese ganze Zeit in der Luft zubringen. Aber Niemand kann den wandernden Albatroß aufmerksam beobachtet haben, ohne zu sehen, daß er sich häufig auf’s Wasser niederläßt. Er lebt von thierischen Substanzen, die auf der Oberfläche schwimmen, und obgleich er manchmal seine Nahrung im Fluge erhascht, so faltet er eben so häufig seine Flügel und schwimmt wie eine Möve herum. Wünscht er sich dann zu erheben, so sieht man ihn laufen und mit den Flügeln auf’s Wasser schlagen, bis er den gehörigen Schwung bekommen und eine Welle von hinreichender Höhe gefunden hat, von deren Kamme er alsdann wie von einer Felsenkante aufspringt und seinen majestätischen Flug über eine weite Strecke des Oceans von Neuem beginnt. Der Albatroß wird selten im Norden gesehen; er gehört besonders der südlichen Hemisphäre an.
Alle Reisenden wissen, daß sie der Südspitze Afrika’s nicht mehr fern sind, sowie die Albatrosse in größerer Anzahl erscheinen. Diese Vögel sind die Geier des Oceans; ihr gekrümmter scharfkantiger Schnabel ist eher dazu geeignet, eine leblose Beute zu zerreißen, als den schnellen Fisch im Schwimmen zu erhaschen. Aus weiter Ferne riechen sie das todte Wallthier und versammeln sich bald in großen Schaaren um die riesige Leiche. Außer dieser mehr zufälligen Speise verschlingen sie auch Crustaceen und Pteropoden, besonders aber Kopffüßler, die auf offenem Meere sehr häufig vorkommen und, wie wir wissen, auch den riesigen Cachalot ernähren. Fast immer werden Cephalopodenreste in ihrem Magen gefunden, niemals Ueberbleibsel von Fischen. Die Aucklands- und Campbellinseln scheinen Lieblingsbrüteplatze des Albatroß zu sein. Während Sir James Roß im November sich dort aufhielt, waren sie so eifrig mit dem Brüten beschäftigt, daß sie sich ohne allen Widerstand fangen ließen. Das Nest besteht aus einem mit trockenen Blättern und Gräsern untermischten Sandhügel, der durchschnittlich 18 Zoll hoch ist und einen Durchmesser von 27 Zoll an der Oberfläche und von 6 Fuß an der Basis hat. Während des Brütens überragt der schneeweiße Kopf und Hals des Vogels die Gräser und verräth ihn aus weiter Ferne. Will man ihn von seinen Eiern vertreiben, so vertheidigt er sich herzhaft und klappert mit dem Schnabel, als ob er dem Angriffe Trotz bieten wollte. Sein größter Feind ist eine wilde Raubmöve, die immer auf der Lauer ist und, so wie der Vogel das Nest verläßt, darauf losschießt, um es zu plündern.
Schnell fliegt der Albatroß, aber noch schneller durcheilt der Gedanke den Raum und führt uns plötzlich von den wüsten Inseln der Südsee in eine andere Hemisphäre. So bitten wir denn den Leser, dem wir gerne noch das Bild einer großen nordischen Seevogelrepublik vorführen möchten, uns nach Saint Kilda, der äußersten der Hebriden, zu begleiten, wo ihn zugleich die großartigste Felsenscenerie erfreuen wird. Das kleine, etwa eine Meile im Umfange messende Eiland steigt überall fast senkrecht aus dem Schooß des Oceans empor und bildet an seinem östlichen Ende, welches sich 1380 Fuß über dem Wasserspiegel erhebt, die höchste Felsenwand der britischen Inseln. Vom Rande dieses Abgrundes genießt man eine Aussicht, die alle Vorstellungen übertrifft, die man sich von der Erhabenheit eines wilden Steilufers hat machen können. Weit unten in der Tiefe sieht man die Brandung den schwarzen [724] Felsengrund heranklimmen und dessen Fuß mit breiten Schichten schneeweißen Gischtes überziehen. An vielen Stellen verschwindet das Gestein unter Myriaden von brütenden Seevögeln; die Luft ist mit ihren kreischenden Schaaren angefüllt und das Wasser scheint überall von den größeren Arten zu wimmeln, da die kleineren in der Entfernung verschwinden. Jede höher liegende Felsenplatte ist mit dreizehigen Möven, Alken und Guillemots dicht besetzt, von allen Rasenabhängen haben die Fulmars und Puffins Besitz genommen, während in der Nähe des Wassers auf den nassen, vom Wogenschwall tief ausgehöhlten Klippen Gruppen von Seeraben bewegungslos und aufrecht stehen, gleich unreinen Geistern, welche den Eingang einer dunkeln Zauberhöhle bewachen.
Läßt man einen gewaltigen Steinblock von der Höhe in’s Meer hinabrollen, so entsteht ein gar merkwürdiger Tumult. Vielleicht erschlägt der tückische Marmor zunächst einen unglücklichen, auf seinem Neste brütenden Fulmar, springt dann mit gewaltigen Sätzen und tausendfältige Echo’s erweckend, tiefer und tiefer in den Abgrund, hier gewaltige Furchen in die grasigen Abhänge reißend, dort an vorspringenden Felsennasen zerschellend, und treibt die erschreckten Vogelschaaren auseinander. Ihre aufsteigenden Wolken bezeichnen seinen verderblichen Pfad, bis er endlich, zahlreiche Opfer nach sich ziehend, unter den Fluthen verschwindet. Bald darauf kehren auch die gestörten Felsbewohner zu ihren Ruheplätzen zurück und der ungewöhnliche Tumult verhallt.
In unglaublicher Anzahl brütet der Fulmar auf Saint Kilda und ist für die Eingebornen bei weitem das wichtigste Product ihrer Heimath. Man trifft ihn auf den höchsten Felswänden und nur auf solchen, die mit kleinen grasbewachsenen Abhängen versehen sind. So wie man ihn ergreift, erbricht er ein klares bernsteinfarbiges Oel, welches von den Insulanern als ein Universalmittel gegen alle körperlichen Leiden, vorzüglich gegen chronischen Rheumatismus gerühmt wird, und auch zum Speisen ihrer Lampen dient. Das vorzüglichste wird von den alten Vögeln gewonnen, indem man sie Nachts auf dem Felsen überrascht und ihnen den Schnabel zudrückt. Hierauf läßt man sie ein paar Eßlöffel Oel in den getrockneten Magen eines Baßtölpels ergießen, den man als Behälter braucht.
Es ist besonders im Verfolgen des Fulmars, daß die Vogelfänger auf Saint Kilda ihr Leben so häufig auf’s Spiel setzen. Zwei von ihnen, mit langen Stricken versehen, begeben sich an den Rand des Abgrundes. Hierauf befestigt der Eine das stärkste der mitgebrachten Taue unter seinen Armen und, das Ende eines andern Strickes in die Hand nehmend, wird er vom Felsen hinabgelassen. Sein Gefährte steht von der Kante etwas entfernt, das Tragseil, dessen anderes Ende er ebenfalls um den Leib gebunden hat, mit beiden Händen festhaltend und langsam abgebend, während er das Signaltau unter dem Fuße weggleiten läßt. So wie der Vogler zu einem mit Fulmars besetzten Abhange gelangt, hält er seine Lese, rafft Eier und Junge auf und erschlägt die Alten mit einem kurzen Stocke oder fängt sie mit einer an eine lange schmale Ruthe befestigten Schlinge. Darauf bindet er die Vögel zusammen und sucht eine neue Colonie auf, bis er endlich, reich beladen, sich wieder hinaufziehen läßt.
Die Geschicklichkeit dieser Felsenbewohner ist erstaunlich. Die kleinste Platte genügt ihnen zum Stehen und sie kriechen auf Händen und Knieen, mit Vögeln beladen, die schmalsten Kanten entlang. So groß ist ihre Kraft, daß, wenn der hinabgelassene Vogler einen Fehltritt macht und die ganze Länge des Seiles in die Tiefe stürzt, sein Gefährte durch festes Anstemmen seinen Freund und sich noch rettet. Eine solche Mannesstärke erinnert an das heroische Zeitalter. – Noch Wunderbareres wird erzählt. Eines Morgens ging ein Vogler allein auf den Fang. Nachdem er das Seil oben am Felsen befestigt hatte, ließ er sich hinunter, bis er einen Abhang erreichte, wo er eine reiche Beute zu machen hoffte. Durch ein geschicktes Hin- und Herschaukeln kam er richtig zur Stelle, vergaß aber beim Landen, sich den Strick um den Leib zu binden. Ueber das eifrige Einsammeln entglitt dieser seinen Händen, schwankte einige Male hin und her und blieb endlich unbeweglich 6 bis 8 Fuß vom Abhange frei in der Luft schweben. Einen Augenblick stand der arme Vogler stumm vor Entsetzen da, durch das plötzliche Schreckniß seiner Lage fast aller Besinnung beraubt. Furchtbar war sie in der That: die Steinmassen über ihm senkrecht wie eine Mauer, das Meer unten gegen zackige Klippen anbrausend; keine Möglichkeit, daß aus der Tiefe, bis zu welcher er sich hinabgelassen hatte, sein Hülferuf durch das Wogengeräusch zu den Ohren der Menschen gelangen könnte. Nur eins blieb ihm übrig: ein gräßlicher Sprung konnte ihm das Seil wieder in die Hände geben und ihn retten. Verfehlte er ihn, so war der sichere Tod unfehlbar, aber noch besser dieser, als das langsame Verschmachten auf der Felsenplatte. Er faßte also einen herzhaften Entschluß, murmelte ein kurzes inbrünstiges Gebet, sammelte seine ganze Kraft und sprang in’s Bodenlose hinein. Er lebte, um die That zu erzählen; denn es gelang ihm, das rettende Seil zu greifen und zu den Seinigen zurückzukehren.
Sturmvögel, Lummen, Puffins und Alken kommen ebenfalls in großer Menge auf Saint Kilda vor. Bedenken wir nun, daß an allen Küsten und auf allen Inselgruppen des europäischen Nordmeeres ähnliche Vogelberge sich befinden, – die alle mehr oder weniger von muthigen Jägern ausgebeutet werden – so lernen wir die unendliche Fülle der Natur bewundern, die ein so reiches Leben auf nackte Felsen hinzaubert. Die ungeheuere Menge, in welcher manche Seevögel vorkommen, ist um so erstaunlicher, da viele Arten, wie die Lummen, Alken, Lunde, Fulmars, Tölpel und Puffins, nur ein einziges Ei ausbrüten, welches oft auf dem nackten Felsen in so bedenklicher Stellung liegt, daß man nicht begreift, wie das Bebrüten möglich ist. Seeadler, große Falken, Möven saufen die Eier aus und schleppen die Jungen weg; Lestris catarrhactes füttert seine Jungen sogar fast allein mit jungen Lummen, Alken, Tölpeln und Fulmars; selbst große Fische erschnappen manchen Vogel; Hunderte kommen bei strenger Kälte und in den arktischen Stürmen um; manche Brut geht sogar mit einem Schlage durch die Springfluthen verloren, welche die Eier und noch nicht flüggen Jungen mit sich fortreißen, und wie viel tödtet nicht der Mensch!
Dennoch bleibt ihre Anzahl und ihre Wichtigkeit für den Haushalt der nordischen Insulaner und Küstenvölker unverändert. Aber von ungleich größerer staatsökonomischer Bedeutung, als alles Oel und Fleisch, als alle Federn und Eier der hyperboräischen Vogelrepubliken, ist seit den letzten Jahrzehnten der Guano oder richtiger der Huanu für Europa geworden.
Fast auf allen Inseln und den meisten unbewohnten Vorgebirgen der ganzen Westküste Amerika’s, besonders der intertropischen, kommt dieser unschätzbare Dünger vor; seine ergiebigsten und berühmtesten Fundorte sind aber die Chincha-Inseln in der Nähe von Pisco, ungefähr 100 englische Meilen südlich von Callao, wo er ungeheuere, 50 bis 60 Fuß tiefe Lager bildet.
Die obersten Schichten sind von graubrauner Farbe, die tieferen rostbraun. Der Guano wird allmählich dichter und fester von oben nach unten, ein Umstand, der im zunehmenden Gewicht der oberen Schichten seine Erklärung findet. Bekanntlich wird er von den Excrementen verschiedener Seevögel gebildet, unter welchen Tschudi: Larus modestus (Tsoh.), Rhynchops nigra (Lions), Plotus Anhinga (L.), Pelecanus thayus, Phalacrocorax Gaimardii und albigula (Tsch.) nennt, besonders aber Sula variegata (Tsch.) als den bedeutendsten Huanu-Fabrikanten hervorhebt. Wer jemals die ungeheueren Schwärme dieser Vögel gesehen hat und sowohl die erstaunliche Gierigkeit als die Leichtigkeit kennt, mit welcher sie in jenem fischreichen Meere ihren Hunger befriedigen können, wundert sich nicht mehr über die Größe der Guanolager, welche durch die ununterbrochenen Anhäufungen von Jahrtausenden entstanden sind.
Der frische Guano ist weiß und wird von den peruvianischen Landleuten für den vorzüglichsten gehalten. Man sammelt ihn auf der Punta de Hormillas, auf den Inseln Islay, Jesus, Margarita etc. So wie man die Ausbeutung eines Guanolagers vornimmt, wird die Nachbarschaft von den Vögeln verlassen. Auch will man bemerkt haben, daß sie seit der Zunahme des Handels und der Schiffahrt sich von den Inseln, die in der Nähe der Häfen liegen, zurückgezogen haben.
Die Peruvianer kennen den Gebrauch des Guano’s seit vielen Jahrhunderten, unter den Incas wurde er als ein wichtiger Zweig des Nationalvermögens betrachtet. Es war bei Todesstrafe verboten, die jungen Vögel auf den Guanoinseln zu tödten. Jedes Eiland hatte seinen besondern Inspector und wurde einer bestimmten Provinz zur Benutzung angewiesen. Der ganze District zwischen Arica und Chaucay wurde in einer Länge von 200 nautischen Meilen ausschließlich mit Guano gedüngt. Unter der spanischen Herrschaft verlor das Land viel von seiner früheren Betriebsamkeit, [725] doch während der letzten 50 Jahre belief sich noch immer der jährliche Bedarf der Hacienda’s im Chancaythale auf 25 bis 30,000 Scheffel, die vorzüglich auf den Chinchainseln gegraben wurden.
Die Art, wie der Guano in Peru zum Dünger, besonders der Maisfelder, gebraucht wird, ist noch ziemlich unbekannt und dürfte wohl manchen Leser interessiren. Wenige Wochen nach dem Emporkeimen wird neben jedem Wurzelstocke ein kleines Loch gegraben, eine Prise Guano hineingethan und dann mit Erde zugedeckt. Höchstens zwölf bis achtzehn Stunden später wird das ganze Feld unter Wasser gesetzt und einige Stunden so gelassen. Von weißem Guano nimmt man weniger und bewässert darauf länger und schneller. Die Wirkung ist unglaublich rasch; schon nach wenigen Tagen erreicht die Pflanze das Doppelte ihrer früheren Höhe. Wird das Düngen später mit einer geringen Quantität wiederholt, so übertrifft die Ernte um das Dreifache diejenige, die auf einem nicht gedüngten Acker gewonnen wird. Das gleichförmige Klima an einer Küste, wo es niemals regnet, trägt viel dazu bei, daß der peruanische Guano einen schärfern Dünger gibt, als der afrikanische, weil bei jenem weniger Salztheile aufgelöst und verflüchtigt werden.
Reißend schnell nimmt der Gebrauch des Guano’s im westlichen Europa zu. Auf der Iquique-Insel bedeckte eine dreißig Fuß dicke Schicht eine Fläche von 220,000 Quadratfuß: in 27 Jahren war sie abgetragen. Viele kleinere Inseln sind schon rein ausgeplündert. 1854 wurden 250,000 Tonnen, in den drei ersten Monaten des folgenden Jahres 80,000 Tonnen auf den Chincha-Inseln ausgegraben und die jetzige Ausfuhr beträgt gewiß nicht weniger, als eine halbe Million. Der Antwerpener Agent des Londoner Hauses Gibbs und Co, welches schon seit vielen Jahren das Monopol der Guano-Ausbeute auf den Chincha-Inseln besitzt, erhält allein jährlich ein paar hundert Ladungen und lebt wie ein Fürst von den Procenten, welche der Vogeldünger ihm abwirft. Das Einkommen seiner Principale wird auf wenigstens 100,000 Pfd. Sterling geschätzt. Die Verdauungsproducte der Sula tragen der peruanischen Regierung größere Summen ein, als alle Silberschätze von Cerro di Pasco, und der Transport derselben beschäftigt unstreitig eine größere Handelsflotte, als diejenige war, die im vorigen Jahrhundert sämmtliche Verbindungen zwischen Spanien und allen seinen Colonien unterhielt.
„Die Chincha-Inseln,“ sagt Castelnau, „sind ganz wüste und pflanzenleer; ihr Granitboden zeichnet sich deutlich durch seine Farbe von der dicken Guano-Schicht ab, welche ihn bedeckt und deren Oberfläche von weitem wie Schnee aussieht. Die steilen, senkrecht abgeschnittenen Ufer erschweren das Landen, erleichtern aber zugleich die Gewinnung des Produktes, denn die Fahrzeuge ankern unmittelbar neben den Brüchen, und man hat weiter nichts zu thun, als den Guano durch einen langen Schlauch in den Schiffsraum hinablaufen zu lassen. Man gräbt an drei nahe bei einander liegenden Stellen, und der Reisende braucht nur die ungeheueren Lager mit der Kleinheit der in einiger Entfernung kaum wahrnehmbaren Aushöhlungen zu vergleichen, um sich von der Unerschöpflichkeit der Vorrathes zu überzeugen.
„Ein paar Hütten sind auf dem Eilande errichtet worden, wo unter ammoniakalischen Düften einige peruanische Beamte und Soldaten die Ausbeute der Guano-Schätze überwachen.“
- ↑ Mit Genehmigung des Herrn Verlegers aus der soeben erschienenen 4. Auflage des Prachtwerks: „Hartwig, das Leben des Meeres“ entnommen, eins der empfehlenswerthesten populär-naturwissenschaftlichen Werke, das sich eben so sehr durch seine poetisch-warme Sprache, wie durch seine schöne Ausstattung auszeichnet. D. Redact.