Aus dem oberen Donauthal
[675] Aus dem oberen Donauthal. (Zu dem Bilde S. 665.) Dort, wo bei Fridingen die Donau in ihrem ersten Laufe die Wasser der Beera in sich aufnimmt, stellt sich dem jugendlichen Ueberschäumen des jetzt schon stattlichen Flusses ein bedeutendes Hinderniß entgegen: es ist dies der steilabfallende südöstliche Rand der Schwäbischen Alb, durch dessen hochragende Jurakalkfelsen sich die Gewässer in vielgewundenem und tiefeingeschnittenem Thal ihren weiteren Weg zu bahnen haben. Der sich hier eröffnende Theil des oberen Donauthals ist eine der reizvollsten Gegenden unseres deutschen Vaterlandes und bietet eine unvergleichliche Fülle landschaftlicher Schönheiten. Die zerklüfteten Felsen der Alb erheben sich aus dem Schmuck prachtvoller Laubholzwälder zu bedeutender Höhe und sind vielfach mit Schlössern und Ruinen gekrönt, während tief unten das Wasser der Donau in seinem engen Bette wildschäumend über mächtige, moosbewachsene Steinblöcke dahinbraust. Schon vom Eingang der Thalschlucht glänzt uns hoch oben das Enzbergische Schlößchen Bronnen entgegen, welches, auf steilem Felsenriff erbaut, nur durch eine Zugbrücke mit der nahen Höhe verbunden ist. Eine herrliche Fernsicht eröfnet sich dem trunkenen Auge aus dem kleinen, noch erhaltenen Rittersaal des Schlosses, dessen Fenster, jäh über dem gründämmernden Abgrund gelegen, einen Ausblick über die vielzerklüfteten Felsmassen der näheren Umgebung bis zu den fernen Alpen gestatten.
Die Wände treten nun immer näher zusammen, prachtvoller Buchenwald nimmt uns auf, bis sich nach etwa zweistündigem Wandern die Schlucht öffnet und aus einer Thalmulde das Kloster Beuron mit seinen stattlichen Gebäuden in weltabgeschiedener Einsamkeit uns entgegenblickt. Die schöne Stiftskirche, noch heute ein sehr beliebter Wallfahrtsort, zeigt in sehr guten Freskogemälden die Sage von der Stiftung des Klosters und die Bildnisse seiner Patrone und Wohlthäter. Die Klostergebäude sind jetzt wieder mit Mönchen (Benediktinern) besetzt.
Von Beuron zieht sich die Straße über eine gedeckte Brücke auf das linke Ufer der Donau. Bald erscheint rechts auf großartiger Felsenhöhe, von starrenden Klippen umgeben, die stattliche Bergfeste Wildenstein. Ein abgesprungenes Felsenriff trägt auf besonderen Grundmauern ein Thor, von welchem eine Zugbrücke über einen gähnenden Abgrund den Zugang zu der Burg ermöglicht, und staunend betrachten wir die riesigen Mauern und Thürme dieses Edelsitzes, welcher in allen seinen Einzelheiten ein wohlerhaltenes Bild mittelalterlicher Befestigungsbauten bietet. Ein bis zur Sohle der Donau hinabreichender Brunnen, eine Mühle und ein Zeughaus machten in Verbindung mit der natürlichen festen Lage das Schloß geradezu uneinnehmbar. Von der gothischen Burgkapelle führte ein jetzt verschütteter Gang unterirdisch zu Thal. Im Hauptgebäude, dessen Räume sammt dem Rittersaal noch erhalten sind, befanden sich die Wohngemächer des jetzt ausgestorbenen Geschlechts der Herren von Wildenstein, der Erbauer dieses durch alle Stürme des Mittelalters mannhaft behaupteten Schlosses.
Unterhalb von Wildenstein, nach einer wiederholten Krümmung des Flusses, eröffnet sich ein prachtvolles Panorama: von beiden Seiten treten senkrecht aufsteigende Felswände bis an die Thalsohle heran und eine der großartigsten der riesigen Felsmassen zur Linken des Flusses trägt das alte fürstenbergische Schloß Werwag mit seinen stattlichen Giebeln und Thürmen, welches mit seinen alterthümlichen Innenräumen und Einbauten, die ganz ursprünglich erhalten sind, mit dem dazu gehörenden Gutshof und ausgedehnten Grundbesitz einer der schönsten Edelsitze des Landes genannt werden muß. Vorbei an dem Dorfe Hausen mit der stattlichen Ruine Wagenburg und einer großen gegenüberliegenden Felsenhöhle wälzt nun die Donau ihre grünen Fluthen thalabwärts. Manche stattliche Ruinen wie Gutenstein, Falkenstein und Dietfurth liegen noch an ihrem Ufer, und ihrem Laufe folgend, gelangen wir auf schöner, dem Felsen abgerungener Kunststraße mit mehreren Tunnels über Thiergarten nach dem Orte Laiz, von wo an die Felsmassen zurücktreten und der Fluß durch flachere Gefilde der „Burg Sigmars“ zustrebt, der ebenso hübschen wie malerischen Stadt Sigmaringen. R. Stieler.