Schloß Kronborg
[675] Schloß Kronborg. (Zu dem Bilde S. 669.) Bei der dänischen Stadt Helsingör, an der Stelle, wo der Sund am schmalsten ist und die Küsten von Seeland und Schweden bis auf vier Kilometer einander sich nähern, liegt das stolze Schloß, das unsere Abbildung dem Leser zeigt. Vor mehr als 300 Jahren, 1577 bis 1585, von König Friedrich II. erbaut und stark befestigt, diente es lange Zeit dazu, die Erhebung des Sundzolls mit seinen Kanonen zu unterstützen und einem etwaigen Gegner die Durchfahrt zu versperren. Heute freilich ist das Schloß als Festung ohne Bedeutung, und der Sundzoll, der in früheren Jahren für Dänemark rund 71/2 Millionen Mark abwarf, ist 1857 um das hübsche einmalige Sümmchen von annähernd 70 Millionen Mark abgelöst worden. So ist das „Schloß am Meere“ zur prosaischen Kaserne geworden und nur die geschichtliche Erinnerung und schattenhafte Sagen erhalten ihm einen Schein seiner einstigen Bedeutung. Auf der „Terrasse vor dem Schlosse bei Helsingör“ läßt Shakespeare den Geist des ermordeten Dänenkönigs vor seinem Sohne Hamlet erscheinen und tief unten in den Kasematten sitzt Holger Danske, Dänemarks Schutzgeist, von dem Andersen uns erzählt und der hervortreten wird, wenn das Vaterland in Gefahr schwebt. Dem Reisenden aber, der heute Kronborg besucht, dem zeigt der Kastellan wohl auch die Zimmer, in denen die unglückliche Königin Karoline Mathilde, Christians VI. Gemahlin, gefangen saß, weil sie des sträflichen Einverständnisses mit dem Arzte und Kabinettsminister Struensee bezichtigt ward.
Es sind keine freundlichen Bilder, welche Geschichte und Sage aus Kronborgs Mauern hervorzaubern. Wer aber von ihren Schauern sich erholen will, der steige hinauf auf das platte Dach des südwestlichen Schloßthurms: da wird ihn die prachtvolle Aussicht über den Sund und hinüber nach der schwedischen Küste, wie landeinwärts über Seeland hinweg wieder erfrischen und das bewegte Treiben auf See zurückführen in die lebenswarme und lebensfrohe Gegenwart. =