Zum Inhalt springen

Avis für reiche Auswanderer nach Amerika

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Avis für reiche Auswanderer nach Amerika
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 65–66
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1853
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[65] Avis für reiche Auswanderer nach Amerika. Kaum glaublich ist es, wie gut gestellt und verwöhnt dort die Dienstmägde sind. Ist gleich keineswegs, wie von Manchen erwähnt wird, es allgemeiner Gebrauch, diese mit an dem Tische der Hausherrschaft speisen zu lassen, müssen sie vielmehr in den Häusern der Vornehmen ihre Mahlzeiten in der Küche verzehren, so wird doch für sie nicht besonders gekocht, sondern sie bekommen ihren Theil von den Speisen der Herrschaft, dazu einen Lohn, der mindestens monatlich drei Dollar beträgt. Ein Mädchen, das aber nur etwas gewandt ist, bekommt monatlich vier bis fünf Dollar. Versteht dasselbe dagegen das Kochen oder Nähen, so erhält es sechs bis acht Dollar. So ist es wenigstens in den östlichen Staaten. Ob sich’s im Innern anders verhält, weiß ich zwar nicht, bezweifle dieses aber, weil in den Küstengegenden durch die Menge von Einwanderern es nicht an Mädchen gebricht, wogegen es im Innern an solchen mangelt. Nur in den sklavenhaltenden Staaten tritt ein anderes Verhältniß ein, indem die Sklavinnen von den Eigenthümern als Dienstmägde gegen niedrigern Lohn vermiethet werden. Nun sind die Stoffe der Kleidungsstücke, namentlich die baumnwollnen und wollnen, in den Vereinigten Staaten fast wohlfeiler als in Deutschland; nur das Macherlohn ist theuer. Gleichfalls sind die Schuhe, [66] insbesondere die in Fabriken angefertigten, nicht genähten, sondern mit hölzernen Stiften versehenen, dessenungeachtet aber zierlich und dauerhaft gearbeiteten, beinah billiger als in Deutschland. Da nun die Mädchen weder grobe Arbeit noch viele Wege zu verrichten brauchen, weil alle Lebensmittel in der Nähe der Wohnungen zu haben sind, viele Ausrichtungen von selbst wegfallen, indem die Amerikaner wenig mit Andern im Verkehr leben, so zerreißen sie auch wenig Kleidungsstücke und haben Zeit genug, sie selbst anzufertigen, oder wenn sie dazu nicht im Stande sind, wenigstens sie auszubessern, und können daher fast allen Lohn sich ersparen. Freilich aber wollen sie im Aufwande hinter den Amerikanerinnen nicht zurückbleiben, und dann geht ein großer Theil ihres Lohnes in Luxusgegenständen wieder drauf. Das Widerlichste aber für die Herrschaft ist, daß alle Miethverträge nur auf einen Monat abgeschlossen werden, und daß das Mädchen vorher nicht zu kündigen braucht. Der Herrschaft steht zwar dasselbe Recht dem Mädchen gegenüber zu. Sie wird aber höchst selten davon Gebrauch machen, sobald die Magd nur einigermaßen gut ist, während das Mädchen, um höhern Lohn von der Herrschaft zu erpressen, oder um sie des erhaltenen geringfügigen Verweises wegen in Verlegenheit zu setzen, mit Ablauf des Monats anzeigt, daß es denselben Abend noch, oder am nächsten Morgen aus dem Dienst gehen werde. Dann mag die Herrschaft zusehen, woher sie sofort eine andere Magd bekommt. Ist die Magd frech oder faul, so muß man das über sich ergehen lassen, oder sie durch Auszahlung des vollen monatlichen Lohns sich vom Halse schaffen, da man nur wegen begangener Verbrechen sie ohne Lohnzahlung aus dem Dienste weisen kann. Schickt man sie fort wegen ein oder der andern Untugend, selten bekommt man bessere, da man sie immer aufs Geradewohl miethen muß, weil kein Mädchen Zeugnisse seines Wohlverhaltens mit sich führt. Das Verhältniß der Dienstboten zur Herrschaft allein kann dem, der an Aufwartung gewöhnt ist, den Aufenthalt in Amerika verleiden. Dem wird nun von Manchen entgegengehalten, daß es nicht auffalle, wenn man die Dienste der Mägde selbst verrichte: die Schuhe putze, Zimmer und Straße kehre u. s. w. In gewissen Kreisen, bis zum vermöglichen Mittelstande, sind solche Verrichtungen allerdings nicht anstößig. Indessen die Reichen hüten sich gar sehr sie vorzunehmen, und wer mit ihnen im Verkehr leben will oder muß, mag sich ebenfalls derselben enthalten, will er nicht in ihren Augen sich erniedrigen. Zugestanden aber, in solchen Verrichtungen liege nichts Anstößiges: ist ihre Vornahme für den, der in der Lage ist, eine Dienstmagd sich halten zu können, eine Annehmlichkeit, oder daß man sie, ohne Anstoß zu erregen, vornehmen kann, ein Vorzug der Vereinigten Staaten – wie manche wunderbarer Weise behaupten wollen?