BLKÖ:Kántor, Franz

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 10 (1863), ab Seite: 444. (Quelle)
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Kántor, Franz (Major, geb. im nördlichen Ungarn im Jahre 1720, gest. im Jahre 1779). Eine jener merkwürdigen Heldenfiguren, die fast an die mythischen Gestalten der Nibelungen erinnert; aber, obgleich dieser Held eine [445] schöne Waffenthat um die andere vollbringt, meldet kein Lied, kein Heldenbuch von ihm und nur die Regimentstradition hat sein Andenken erhalten und es erst vor wenigen Jahren wieder aufgefrischt. Als am 11. September 1741 auf dem Preßburger Landtage der Ausruf: „Moriamur pro rege nostro“ die Losung war zur allgemeinen Bewaffnung, eilte Graf Haller, einer der reichsten Magnaten, alsbald in die nördlichen Comitate und brachte in einigen Wochen zwei Bataillone, beide 3000 Mann stark, vollkommen ausgerüstet zusammen. Darunter befand sich Franz Kántor, ein Sohn der Puszta, der seine Jugend als Bétyar bei den Pferden und Schafen ohne Schule und sonstigen Unterricht auf dem freien Felde verlebt hatte und nun Eltern und Braut verließ, um dem Rufe der Kaiserin zu folgen. Am 17. Mai 1742 marschirte das Regiment nach Böhmen und K. mit demselben, die erste Waffenthat vollbringt er am 15. September 1742 in der Nähe von Prag. Sechs preußische Huszaren sprengen auf ihn, der auf Vorposten steht, los. Den einen feuert er nieder, nun wirft er sich der Länge nach auf die Erde, so daß die im Galop ansprengenden Huszaren, welche die Pferde nicht pariren können, über ihn springen müssen. Alsdann rafft er sich empor, ergreift das Pferd des gefallenen Huszaren, reitet den übrigen nach, haut zwei vom Pferde, erhält aber selbst einen Hieb auf die Schulter und entkommt nur durch die Schnelligkeit seines Pferdes der Gefahr. Obgleich verwundet, wohnt er doch schon am nächsten Tage der Einnahme von Prag bei. Nun macht er auch alle folgenden Schlachten und Gefechte mit und bewährt eine solche Bravour, daß er zur Auszeichnung am 1. Mai 1747 in die neuerrichtete Grenadier-Division als Grenadier eingetheilt wird. Der Friede von Aachen machte allen Kämpfen ein Ende. Das Regiment verblieb jedoch in Böhmen. Im Jahre 1757 begann der Kampf von Neuem und K. befindet sich am 21. April mit der Grenadier-Compagnie beim Verhau von Reichenberg. Gegen zehnfache Uebermacht wird der Verhau lange gehalten, endlich müssen die Unseren, die großen Verlust erlitten hatten, sich zurückziehen. Beim Rückzuge fällt Hauptmann Jekel; auch die Leiche will Kántor dem Feinde nicht überlassen, er begeistert die Umstehenden, stürzt vor, faßt die Leiche und will sie mitnehmen. Da sieht sich die kleine Schaar mit einem Male vom Feinde umringt. Nur mit der größten Bravour gelingt es Kántor, der jedoch schon aus zwei Stichwunden blutet, sich mit einigen Grenadieren durchzuschlagen. Aber er gelobt hoch und theuer, den Verlust seines Hauptmannes zu rächen. Die Compagnie wird completirt und Kántor wird Corporal. Noch sind seine Wunden nicht geheilt und das Regiment besetzt am 15. Juni 1757 die Anhöhe bei Kolin. Die Grenadiere stehen in der Reserve. Als am 18. die Schlacht beginnt, nach mehrstündigem Kampfe auch das Regiment von dem Obersten Dezsö in den Kampf geführt wird, nach gegebener Decharge zu den Säbeln greift und mit diesen auf den Feind eindringt, müssen endlich die Grenadiere, die bisher in der Reserve passiv standen, vorrücken und den feindlichen Garden, die sich eben auf sie werfen wollten, entgegen gehen. Mann für Mann wurde mit beispielloser Erbitterung gefochten. Kántor aber verrichtete Wunder der Tapferkeit. Schreiend „für den Hauptmann“ stürzte er in’s dichteste Kampfgewoge, alles um sich niederhauend. Als der [446] Fahnenträger fiel, ergreift er die Fahne, wird im Gedränge auf den Boden gedrückt und ihm die Fahne zu entreißen versucht. Heldenmüthig wehrt er sich mit dem Säbel und als dieser bricht, mit dem Griffe, bis seine Gefährten herbeieilen. Nun übergibt Kántor in Eile die Fahne dem Officier, stürzt aber sogleich auf den feindlichen Fahnenträger los, überwältigt ihn, entreißt ihm die Fahne und bringt, aus mehreren Wunden blutend, die Trophäe seiner Truppe. Der Feind hat großen Verlust erlitten, aber auch die Reihen des Regiments, zu dem Kántor gehörte, waren furchtbar gelichtet: 689 Mann lagen todt auf der Wahlstatt, außerdem waren der Oberst, 1 Major, 27 Officiere und 906 Mann blessirt. Von der erst completirten Grenadier-Division kam nur Corporal Kántor mit 16 Grenadieren lebend zurück, alle übrigen lagen todt oder schwer verwundet auf dem Schlachtfelde. Die Kaiserin Maria Theresia ernannte den Corporal Kántor zum Unterlieutenant und verlieh ihm aus ihrer Privatschatulle eine lebenslängliche jährliche Zulage von 200 fl. Kántor aber nahm nichts für sich, er schenkte die eine Hälfte den Eltern, die andere Hälfte seiner Braut und ließ beiden schreiben – denn er hatte, immer im Felde, nicht Zeit gefunden, Lesen und Schreiben zu erlernen – „sein Leben gehöre der Kaiserin, er werde die Armee nicht mehr verlassen, sie mochten seiner gedenken, seine Braut sich mit der reichen Zulage eine ordentliche Wirthschaft kaufen und nicht auf ihn warten, sondern einen Andern ehelichen“. Das Regiment wurde nun wieder ergänzt und wohnte schon am 5. September der Berennung von Gabel bei. Gabel ward genommen und die Avantgarde rückte nach Zittau vor, mußte aber umkehren, da ein starkes feindliches Corps heranmarschirte. Beim Abmarsche aus Zittau hatten die Zittauer die unmenschliche Idee, auf das abziehende Regiment zu schießen. Mehrere Mann wurden erschossen, viele verwundet. Da schlug am andern Tage die Stunde der Vergeltung für Zittau. Das Regiment rückte erneuert vor. Zittau, vom Feinde einige Zeit gehalten, wurde doch von den Unseren mit Sturm genommen. Lieutenant Kántor war an der Spitze der Stürmenden, aber ein Hieb auf den Kopf machte ihn kampfunfähig. Noch an den früheren Wunden leidend, war die neue bei Zittau erhaltene eine sehr schwere, er genas nur sehr langsam, woran die Trauer über die Nachricht, daß sein Oberst Dezsö bei Neunkirchen von einer Kanonenkugel getroffen worden und einige Tage darnach gestorben sei, wesentlich Schuld trug. Nachdem seine Heilung allmälig bewerkstelligt wurde und er die Zwischenzeit zur Erlernung des Lesens und Schreibens benützt hatte, kam er, zum Regiment eingerückt, alsbald wieder vor den Feind, machte mehrere Gefechte mit und zeichnete sich in der Schlacht bei Hochkirch, 13. October 1758, bei Erstürmung eine Redoute, bei welcher das Regiment 500 Mann verlor, besonders aus. Aber bei Torgau war es wieder, wo sein Name durch die von ihm bewiesene Tapferkeit obenan stand. Das Regiment hatte sich in dieser Schlacht (3. November 1760) lange gehalten, erst Ziethen mit seinen Huszaren, die an Zahl den Unsrigen weit überlegen, brachte es zum Weichen. Aber Kántor hielt Stand. „Lieber sich zusammenhauen lassen, als fliehen“, rief er mehreren seiner Leute zu, sammelte sie um sich und focht mit dieser Handvoll Tapferen, bis sie Alle von der vorstürmenden Uebermacht theils zusammengehauen, [447] theils erdrückt wurden. Am folgenden Tage kam K. unter den Händen eines preußischen Arztes, der seine schrecklichen Wunden verband, zur Besinnung: blieb, bis er geheilt wurde, in Gefangenschaft, worauf er zum Regimente einrückte. In demselben wurde er im Jahre 1768 Oberlieutenant, 1770 Hauptmann. Nach einigen Jahren meinte man, der damals fast 60jährige Hauptmann K. könnte doch in den Ruhestand sich versetzen lassen, und schon war es nahe daran, daß K. dem ihm voll Schonung gegebenen Winke Folge leistete. Als aber Kaiser Joseph Siebenbürgen, wo damals das Regiment lag, besuchte und ein paar ermunternde Worte dieses großen Fürsten den alten K. an seinen Vorsatz, „in den Reihen des Regiments zu sterben“, erinnerten, wollte dieser von einer Versetzung in den Ruhestand nichts weiter wissen. Der Türkenkrieg brach aus, das Regiment wurde in die Pässe zur Vertheidigung Siebenbürgens vertheilt. Am Törzburger Passe steht der wackere Hauptmann Kántor mit seiner Compagnie. Am 2. März rückte der Feind heran und wird geworfen; am 16. März greift er wieder an und erfährt dasselbe Schicksal. In der Nacht vom 25. auf den 26. März wird Kántor und die kleine Zahl von Leuten, die er noch hatte, von den Türken von allen Seiten überfallen, mit Macht angegriffen. Kántor scheint sich zu vervielfältigen, stürzt sich mit seiner kleinen, von ihm begeisterten Schaar mit aller Gewalt auf den Feind, metzelt links und rechts, was sich ihm entgegenstellt, nieder, so daß die Türken von dieser Handvoll Helden überwunden und zersprengt werden. Kántor selbst hieb den türkischen Fahnenträger nieder und entriß ihm die Fahne. Auch die weiteren, im Monat Mai erfolgten Angriffe der Türken wies K. siegreich zurück. Er wurde nun zum Major befördert. Nur einmal noch als Major, im Treffen beim Tömöscher Passe am Berge Predial, 15. Juli 1779, befehligte K. sein Bataillon, der Feind verlor an diesem Tage 5000 Mann. Major Kántor wurde blessirt und beschloß mit diesem Tage die Reihe seiner Heldenthaten. Diese letzte Wunde wollte nicht mehr heilen und K. war gezwungen, in den Ruhestand zu treten. Er genoss ihn aber gar nicht, ehe seine Pensionirung anlangte, wurde der Held zu Grabe getragen. Vom Gemeinen zum Stabsofficier hatte er sich durch seine Tapferkeit emporgeschwungen, 48 Jahre hatte er ununterbrochen gedient, 42 Schlachten und Gefechte mitgemacht, keinen Orden, aber was mehr gilt als alle Orden der Welt, 17 mitunter sehr schwere Wunden für Kaiser und Vaterland erhalten. Wer glaubt es wohl, von dieses Helden Großthaten schweigt Gedicht und Stein; so soll, was diese Zeilen melden, das Denkmal seiner Thaten sein.

Militär-Zeitung, herausg. von Hirtenfeld (Wien, 4°.) 1856, Nr. 103, S. 823: „Regiments-Tradition“.