BLKÖ:Mioduszewski, Michael Martin

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 18 (1868), ab Seite: 346. (Quelle)
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Mioduszewski, Michael Martin (gelehrter Mönch und Musikschriftsteller, geb. zu Warschau im Jahre 1787). M. trat 1804, in noch jungen Jahren, in den Orden der sogenannten Missionarier, einer im alten Polen ziemlich verbreiteten, der Ausbildung der Musik und des Gesanges sich widmenden geistlichen Genossenschaft. Daselbst vollendete er die theologischen Studien und erlangte im Jahre 1810 die Priesterwürde. Nun widmete er sich dem Lehramte, trug Theologie und Kirchenrecht an verschiedenen Lehranstalten vor, bis er im Jahre 1820 zum Professor am Diöcesan-Seminar zu Krakau ernannt wurde. Als in den Jahren 1830 und 1831 der Bischof von Krakau eine Visitationsreise durch seine Diöcese unternahm, fiel auf M. die Wahl als Begleiter des Bischofs. Auf dieser Reise überzeugte sich nun M., wie schlecht es auf dem Lande und in den einzelnen Pfarreien mit dem Kirchengesange bestellt war. Die Organisten hatten nicht einmal ein Gesangbuch, nach welchem die Gemeinde ihre Lieder hätte singen können. Es war ein die heilige Weihe der Kirche und ihres Dienstes wesentlich beeinträchtigender Zustand, der nicht länger so bleiben dürfte. Nun begann M. seine Nachforschungen nach alten Kirchenliedern. Die Archive der einzelnen Gemeinden, alte geschriebene und gedruckte Liederbücher, die sogenannten Cancyonalen, Sammlungen alter Kirchenlieder, welche sich in Kirchen und Capellen des vormaligen Königreichs fanden, unterzog er seiner sorgfältigsten eindringlichsten Prüfung, und nach einer mühevollen Arbeit von etwa acht Jahren krönte ein schöner Erfolg seinen regen, unermüdeten Eifer. Das Ergebniß seiner Forschungen veröffentlichte er durch den Druck; er gab das erste Gesangbuch unter dem Titel: „Spiewnik kościelni czyli pieśni nabożne z melodyami w kościele katolickim uzywane a dla wygody kosciolów parafijalnich zebrane“, d. i. Kirchliches Gesangbuch, oder Andachtlieder mit den Melodien, wie sie in der katholischen Kirche im Gebrauche sind, zur Benützung in Pfarrkirchen ... gesammelt (Krakau 1838, Cieszkowski, 8°.), heraus. Zu gleicher Zeit veröffentlichte er in demselben Verlage den Text dieser Kirchenlieder ohne Melodien. Diese Sammlung, so reich sie war, war aber noch lange nicht vollständig. M. setzte somit seine Nachforschungen emsig fort, componirte, da er selbst ein tüchtiger Musicus war, zu mehreren vorhandenen Liedern, zu denen die Melodien fehlten, eigene Melodien, und stellte zu den verschiedenen, in der polnischen Kirche üblichen Ceremonien den gesanglichen Theil her. So wurde seine im Jahre 1832 herausgegebene [347] Sammlung allmälig mit drei Supplementen, welche in den Jahren 1842, 1853, und das letzte 1854 in der librairie étrangère von J. N. Bobrowicz erschienen, bereichert. Aber dabei blieb M. noch nicht stehen, er veranstaltete noch eine zweite Sammlung alter polnischer Lieder, vornehmlich solcher, die zu Weihnachten gesungen zu werden pflegen, und gab sie unter dem Titel: „Pastoralky i Kolendy z melodyami, czyli piosnki wesole ludu“, d. i. Hirten- und Weihnachtslieder mit ihren Melodien, oder die fröhlichen Gesänge des Volkes (Krakau 1843, 8°.), heraus, von welcher Sammlung er auch eine Ausgabe ohne die Melodien, die mit einem Supplement bereichert war (Leipzig 1853, 8°.), besorgte. M. besitzt das unbestreitbare Doppelverdienst, durch diese beiden Sammlungen, der Erste den alten polnischen Kirchengesang in seiner ursprünglichen Schönheit und Form wiederhergestellt, dann aber die Aufmerksamkeit der Literaturfreunde auf ein wichtiges culturhistorisches Moment, nämlich auf die alten Lieder des Volkes, gerichtet, und die Lust zu weiteren Forschungen auf diesem Gebiete angeregt zu haben, welche auch nachgerade eine nicht geringe Ausbeute lieferten. Ebenso bilden seine beiden Sammlungen überhaupt einen werthvollen Beitrag zur Geschichte des polnischen Volksgesanges.

Sowiński (Albert), Les musiciens polonais et slaves anciens et modernes Dictionnaire biographique des compositeurs, chanteurs etc. etc. (Paris 1857, Adrien Le Clere & Co., gr. 8°.) p. 401 et s.Woycicki (K. Wl.), Historyja literatury polskiej w zarysach“, d. i. Geschichte der polnischen Literatur in Umrissen (Warschau 1845, Sennewald, gr. 8°.) Bd. I, S. 229. – Encyklopedija powszechna, d. i. Allgemeine Encyklopädie (Warschau 1864, S. Orgelbrand, gr. 8°.) Bd. XVIII, S. 642.