BLKÖ:Mirani, Therese

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 18 (1868), ab Seite: 350. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Therese Mirani in der Wikipedia
Therese Mirani in Wikidata
GND-Eintrag: 1019424818, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Mirani, Therese|18|350|}}

Mirani, Therese (Kunststickerin, geb. zu Prag 2. December 1824). Tochter des Schriftstellers Joh. Heinr. Mirani [s. d. Vorigen]. Schon in ihrer Jugend zeigte sie ein ausgesprochenes Geschick in allen feinen weiblichen Handarbeiten, mit besonderer Vorliebe aber betrieb sie die Kunststickerei. Obschon sie nur zu ihrem Vergnügen als Dilettantin arbeitete, genügten ihr doch nicht die gewöhnlichen Chablonen, sie studirte daher die meisterhaften Vorbilder des Mittelalters und war bemüht, diesen nachzustreben. Bei diesen Arbeiten und Versuchen Neues zu schaffen, erfand sie eine neue Gattung Stickerei, die sie „Broderie-dentelle“ nannte, und die in Kennerkreisen Aufsehen erregte. Man erklärte diese Arbeit bald für eines der kunstvollsten Erzeugnisse, welche je von Frauenhänden geschaffen worden. Nicht minder Bedeutendes leistete sie in der bunten Flachstickerei, in welchen Arbeiten sie mit geschmackvoller Ausführung eine vollendete Technik verband. Bei der Ausstellung weiblicher Handarbeiten im Jahre 1862 wurde sie für diese Arbeiten mit dem Goldpreise ausgezeichnet. Ihre Majestät die Kaiserin Elisabeth kaufte ein Exemplar der neuerfundenen „Broderie-dentelle“ an und betraute die Künstlerin mit Aufträgen anderer Arbeiten. Für die „Broderie- dentelle“ interessirte sich auch die Frau Erzherzogin Sophie, in deren Besitz die meisten Arbeiten kamen, und darunter Altarspitzen, welche die hohe Frau im Jahre 1864 dem Domschatze zu St. Stephan verehrte. In Anerkennung ihrer Leistungen erhielt die Künstlerin mit Allerh. Entschließung vom 31. März 1865 den Titel einer k. k. Kammer-Kunststickerin. Als das k. k. österr. Museum für Kunst und Industrie eröffnet worden, benützte Therese M. diese Anstalt zu ihren Studien, und copirte dort mit großem Erfolge die berühmtesten figuralen Stickereien. Bald erfaßte sie auch die Zwecke des Museums, reinstylistische Formen in der Kunstindustrie einzuführen. Dieß gab denn auch ihren Studien eine eigene Richtung, und das Ergebniß derselben war die Erfindung einer Spitzengattung, welche sie „Points Imperial“ nannte, welche Spitzen alle bisher bekannten an Leichtigkeit und Zartheit übertreffen, da es der Künstlerin gelungen ist, auch den Dessin durchsichtig zu gestalten, was bisher bei keinem Spitzenfabricate der Fall war. Das erste Exemplar dieser Gattung wurde im Auftrage der Frau Erzherzogin Sophie und mit der ausdrücklichen Bestimmung, sie in der Pariser Weltausstellung vom Jahre 1867 sehen zu lassen, angefertigt. Therese benützte dazu ein eigens von dem Zeichner des österr. Museums, [351] Friedr. Fischbach, gezeichnetes stysisirtes Muster. Die sehr umfangreiche und mit einer bewunderungswerthen Technik ausgeführte Arbeit wurde von den Kunstrichtern als eine Bereicherung der österr. Kunstindustrie anerkannt, und Therese M. erhielt die Ernennung zur Deleguée der internationalen[WS 1] Jury bei der Pariser Weltausstellung. Es ist dieß der erste Fall einer Aufnahme von Damen in die Jury, indem bei keiner der früheren Weltausstellungen zu der Jury Damen beigezogen wurden. Ihr Urtheil wurde in der officiellen Berichterstattung aufgenommen. Was ihre Arbeit, die in Paris ausgestellten „Pointe Imperial“ betrifft, so wurden diese Spitzen von der Gesammt-Jury mit einer Medaille ausgezeichnet, und Kaiser Franz Joseph verlieh ihr in Anerkennung ihrer Bestrebungen für die Kunstindustrie das goldene Verdienstkreuz. Therese Mirani ist zur Zeit in der Kunststickerei die einzige Repräsentantin jener reformatorischen Richtung in der Kunst und in Allem, was mit ihr zusammenhängt, welche in neuerer Zeit von mehreren Seiten mehr und weniger ernstlich angestrebt, die aber nicht durch das Vorweisen von Kunstwerken und durch allfällige Vorträge, sondern nur durch eine gründliche Reform des Unterrichts von unten auf, welche das Interesse für die Kunst auch in den untersten Volksschichten weckt und fördert, vorbereitet und nur sehr allmälig erreicht werden kann.

Wiener Zeitung 1864, Nr. 202, S. 492; – dieselbe 1867, Nr. 56. – Wiener Zeitung 1868, Nr. 14, S. 178. [Daselbst heißt es über den Bericht, den sie als Delegirte über Stickereiwaaren erstattete: „daß derselbe, was Anordnung und Darstellung betrifft, am besten mit ihren feinen und durchsichtigen Spitzenarbeiten (points imperials), deren Erfinderin sie ist, zu vergleichen sei“.] – Fremden-Blatt, herausg. von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1863, Nr. 87; 1865, Nr. 39. – Neues Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1867, Nr. 59. – Neue freie Presse (Wiener politisches Journal) 1865, Nr. 238. – Constitutionelle Vorstadt-Zeitung (Wien) 1865, Nr. 40.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: internationellen.