BLKÖ:Nagy, Ludwig

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 20 (1869), ab Seite: 62. (Quelle)
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Nagy, Ludwig (Honvéd-Officier und Banknotenfälscher, geb. in Ungarn im J. 1830). Er ist bekannter unter seinem magyarisirten Taufnamen Nagy Lajos, und hat durch seinen berüchtigten Lebenslauf, der an die Schicksale eines Cartouche erinnert, lange Zeit die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Zu Saros-Patak besuchte er das Gymnasium und erlernte dort das Zeichnen, worin er es in Anbetracht seiner Falsificate zu einer erstaunlichen Fertigkeit gebracht haben mußte. Er hatte, 17 Jahre alt, das Gymnasium beendet, als die 1848ger Revolution über Ungarn hereinbrach. Nagy trat in ein Honvéd-Bataillon ein, wurde Oberlieutenant in demselben und bald Adjutant des Baron Wolfgang (Farkas) Kemény [Bd. XI, S. 149, Nr. 9]. Nach Bewältigung der Revolution verließ er mit Kemény Ungarn und reiste mit ihm über die Türkei nach England, und im Jahre 1850 nach New-York. Später kehrten beide nach England zurück, wo Kemény in den ersten Tagen des Jänner 1852 plötzlich starb, Nagy einige Tausend Gulden vererbend. Mit dieser Summe lebte Nagy einige Jahre im Auslande; im Jahre 1858 kehrte er unter falschem Namen in sein Vaterland zurück und begann dort, nachdem er zuvor, jedoch vergeblich, auf dem Gebiete der Schriftstellerei sich versucht, seine verbrecherische Laufbahn, die man für einen Roman zu halten geneigt sein könnte, wenn sie nicht actenmäßig aus den mit ihm gepflogenen Verhandlungen festgestellt wäre. Es ist auch nicht die Aufgabe dieses Werkes, die merkwürdigen Abenteuer dieses Menschen, der seltene Kenntnisse und Fertigkeiten mit einer Verwegenheit und Ausdauer ohne Gleichen paarte, zu erzählen. Es sei nur so viel bemerkt, daß er unter den verschiedenartigsten Namen, so z. B. als Julius Kis, dann als Johann Reis, [63] Alexander Schütz, Ignaz Ballasch, Karl Stark u. s. w. sich bald in Ungarn, bald in anderen Ländern, in der Wallachei, in der Schweiz, in Neapel, Piemont u. s. w. befand. Selbst in Wien schlug er seine Werkstätte auf, und verfertigte in seiner Wohnung in der Schulerstraße seine Falsificate, die sich von der einfachen Gulden- bis zur Tausendgulden-Banknote erstreckten, und jedenfalls mit seltener Virtuosität ausgeführt worden sein mußten, da sie im Verkehre cirkulirten. Die Gesammtsumme der in Umlauf gesetzten Noten wurde nach den Untersuchungsverhandlungen auf circa 60.000 fl. angegeben. Die Hauptgenossen, die ihn bei seinen Unternehmungen unterstützten, waren Jonas Neufeld, Aron Gyöngy, dann Sandor Buda und seine Geliebte Julie Apagyi. Er wurde öfter verhaftet, entkam aber immer wieder durch die Flucht. Seine erste Verhaftung erfolgte im October 1860 zu Pesth. Nach Miskolcz zur Untersuchung gebracht, entsprang er dort im Jänner 1861. Nun wurde er, nachdem er sich längere Zeit in der Türkei, in Italien, dann in Wien und Ungarn herumgetrieben, in Pesth beim „rothen Ochsen“ zugleich mit seiner Geliebten Julie Apagyi festgenommen. Daselbst in der Karlskaserne in Haft gehalten, entsprang er zugleich mit seiner Geliebten und flüchtete nach Italien, wo er zuerst in Neapel verweilte, dann aber nach Genf ging. Mittlerweile erfuhr man aus seiner Correspondenz mit seinen Genossen in Ungarn seinen Aufenthalt, und so wurde es einem österreichischen Polizei-Agenten möglich, Nagy am 15. December 1862 in Genf zu verhaften. Die österreichische Nationalbank hatte, um dieses so gefährlichen Fälschers habhaft zu werden, über 11.000 fl. verausgabt. Nagy’s Proceß wurde vor dem Gerichtshofe zu Wien geführt und er von demselben am 18. September 1863 zu lebenslänglichem schweren Kerker verurtheilt. Wenn K. M. Kertbeny’s Nachricht in seiner Schrift: „Die Ungarn im Auslande. I. Namensliste ungrischer Emigration seit 1849“ (Brüssel und Leipzig 1864, Kießling u. Comp., 8°.) S. 42, Nr. 1166, richtig ist, so wäre Nagy im Jahre 1864 in seiner Haft zu Gitschin gestorben. Dieß sind nur die äußersten Umrisse einer „catilinarischen Existenz“, welche des Romanhaften, Abenteuerlichen und Merkwürdigen so viel bietet, daß sie bereits Gegenstand mannigfacher Bearbeitung geworden und noch werden wird, und worin neben der ohnehin fast kaum glaublichen Wahrheit dennoch auch Dichtung und Erfindung immer noch ihr Feld behaupten werden.

Böhmisch-Leipaer Anzeiger 1863, Nr. 39 u. 40: „Proceß des Banknotenfälschers Ludwig Nagy“. – Fremden-Blatt (Wien, 4°.) 1867, 1. Beilage Nr. 247: „Rosza Sándor, der Räuberhauptmann“. – Temesvárer Zeitung 1863, Nr. 215 u. f., im Feuilleton: „Proceß des Banknotenfälschers Nagy“. – Bohemia (Prager Unterhaltungs- und polit. Blatt, 4°.) Jahrg. 1863, Nr. 223, S. 717.