BLKÖ:Neruda (Polka)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Nesek (Medailleur)
Band: 20 (1869), ab Seite: 191. (Quelle)
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Der Name Neruda steht noch in Verbindung mit dem Ursprunge eines Tanzes, der, kaum entstanden, die Runde durch die ganze tanzende Welt, also so ziemlich über den ganzen Erdball machte. Es diente nämlich im Jahre 1830 bei einem Bürger in dem etwa drei Stunden von Prag gelegenen Elbekosteletz ein Čechenmädchen, das sich eines Sonntags Nachmittag damit erlustigte, einen Tanz auszuführen, den es selbst erfunden und zu dem es sich auch die Melodie selbst gesungen. Der eben anwesende Schullehrer Joseph Neruda, er lebt wohl noch und war im Jahre 1866 Schullehrer zu Vodolka – brachte die von dem Mädchen ihm vorgesungene Weise zu Papier, der Tanz fand allgemeinen Anklang und sehr bald Verbreitung. Auch die Erfinderin desselben, jetzt Mutter von vier Kindern, lebt als Matrone von 67 Jahren zu Konetopy und heißt Anna Slezak, irrig hie und da Nezak genannt. Nach Einigen wäre die Tanzweise von ihr selbst Polka genannt worden; nach Anderen hätte sie diesen Namen erst erhalten, als der Tanz vier Jahre später nach Prag gelangte, wo derselbe bald Eingang fand, insbesondere, nachdem der Capellmeister des Prager Scharfschützencorps, Pergler, die Melodie für das Orchester instrumentirt hatte. Der Name selbst wird von dem bei diesem Tanze vorwaltenden Halbschritt – es heißt nämlich Pulka im Böhmischen Hälfte – abgeleitet. Im Jahre 1839 kam die Polka nach Wien, im folgenden Jahre nach Paris, wo aber anfänglich eine falsche, von dem Tanzmeister Cellarius erfundene Tanzweise der eigentlichen Polka unterschoben wurde. Erst als Raab, der ständische Tanzmeister von Prag, nach Paris kam, producirte er die erste böhmische Polka auf dem Theater de l’Opera, und nun machte sie ihre Wanderung über den Erdball. Jedenfalls hat der Schulmeister Joseph Neruda seinen Ehrenantheil an diesem im vollen Sinne des Wortes Alles bewegenden Ereigniß; denn hätte er nicht die Melodie der Magd zu Papiere gebracht, wer weiß, ob diese noch weiter daran gedacht hätte; was freilich auch kein Verlust [192] für die Menschheit gewesen wäre. [Wiener allgemeine Musik-Zeitung. Herausgegeben von Dr. August Schmidt (4°.) IV. Jahrg. (1844), S. 219. – Fremden-Blatt von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1866, Nr. 26, I. Beilage: „Die sämmtlichen Erfinder der Polka“.]