BLKÖ:Purgstall, Johann Wenzel Graf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Purgstall, Wenzel Johann Gottfried Graf | ||
Band: 24 (1872), ab Seite: 89. (Quelle) | |||
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Wenzel Karl [s. d. S. 88, Nr. 26] aus dessen Ehe mit einer Gräfin Mörssperg, erhielt er eine sorgfältige Erziehung, worauf er auf Reisen geschickt wurde, wodurch seine angeborne Wissbegierde gesteigert, seine Erfahrung bereichert und seine Kenntnisse geläutert wurden. Er trat dann in den Staatsdienst und diente in demselben mehrere Jahre unentgeltlich, mußte aber wegen zunehmender Schwäche des Gehöres denselben verlassen, worauf er sich ganz der Förderung industrieller, vornehmlich landwirthschaftlicher Interessen widmete und in dieser Richtung eine wahrhaftig segensvolle Thätigkeit entfaltete. Im Jahre 1768 ernannte ihn die Kaiserin Maria Theresia zum Commerzienrathe und Beisitzer bei der Landesstelle in Dingen, wo das Urtheil Sachverständiger maßgebend war, im Jahre 1769 zum Protector des Lehramtes der Polizei- und Commerzwissenschaft, und im Jahre 1773 berief ihn die steiermärkische Landwirthschafts-Gesellschaft an ihre Spitze, welchem Amte er durch acht Jahre vorstand. Sein Nekrolog meldet von ihm, dass es wenige staats- und landwirthschaftliche Gegenstände seiner Heimat gibt, welche der Graf nicht durch treffliche Ausarbeitungen erörtert, nicht als Entdecker oder Verbesserer erweitert, nicht durch Lehren und Beispiel, Wort und Schrift, That und Opfer beharrlich und darum auch glücklich unterstützt hätte; nämlich Viehzucht und Weinbau, Obstbaumzucht und Färbekräuter, Maulbeerbäume und (schon 1766) Ahornzucker, Krapp und Kartoffeln, Seidenerzeugung und Bienenzucht, Vertheilung der Gemeindeweiden und Austrocknung der Sümpfe (im Ennsthale); so wie er die [90] Preisfragen über Verhütung der Viehseuche, über die Schafzucht, über den Erdapfelbau – von Scopoli, von Wagner, von Unteregger – zum Theile vortrefflich gelöset. Er widmete seine Meierhöfe zu Musterhöfen. Er ließ Maschinen, Werkzeuge und Modelle auf eigene Kosten aus England und Frankreich kommen. Seine gehaltvolle Darstellung setzte endlich den freien Austrieb des Zug- und Mastviehes durch und bewirkte die Abschaffung der verderblichen Schlachtvieh- und Holzwidmung der ganzen Umgegend, bloß für den Bedarf der Provinzhauptstadt Gratz. Mit vielseitiger Fachkenntniß und großer Umsicht entwarf P. den weitläufigen Plan der Colonisirung des von Trümmern der Römerwelt erfüllten öden Pettauer Feldes und ein Hauptgegenstand, der seine Seele beschäftigte, war, man wird dieß in unseren Tagen der stetigen Erfindungen neuer Steuern kaum glauben, die Vereinfachung der Steuern. Deutschlands gelehrte Gesellschaften wählten ihn zu ihrem Mitglied und auch das Ausland würdigte durch ähnliche Diplome seine segensvolle Thätigkeit. Voll Eifer für alles Große, Gute und Nützliche, war er ein großer Freund der Wissenschaften und ein Gönner der Gelehrten. Philosophie war sein Lieblingsstudium, aber auch die anderen Wissenschaften erfreuten sich seiner sorglichen Pflege, ja selbst Theologie blieb ihm nicht fremd, und mit dem Augustiner Johann Baptist Cortivo, der von 1760–1765 Lehrer der Theologie an der Hochschule zu Gratz war, hielt er öfter theologische Disputationen. In seinen wissenschaftlichen Neigungen wurde er durch die reiche, mehr als 10.000 Bände der besten Werke aller Literaturzweige zählende Bibliothek mächtig unterstützt. Auf seiner Reise hatte er vielfach mit gelehrten und sonstigen ausgezeichneten Männern Verbindungen angeknüpft, welche er durch einen fleißigen Briefwechsel aufrecht erhielt und wodurch er zur Kenntniß vieler wichtiger Dinge gelangte, die er dann zum Besten seines Landes in Anwendung brachte. Güte des Herzens, Edelmuth, Wohlthätigkeit und Leutseligkeit im Umgange waren die Hauptzüge seines sittlichen Charakters. Seine Unterthanen verehrten ihn wie ihren Vater und sein Nachruf legt ihm den herrlichen Namen: „Der Rumford Oesterreichs“ bei. Vier Decennien nach seinem Tode weihte ihm ein hochsinniger kaiserlicher Prinz, der Erzherzog Johann, in der Eröffnungsrede der wiederauflebenden steierischen Landwirthschafts-Gesellschaft am 28. März 1819 ein ruhmvolles Gedächtniß. Im Jahre 1771 erhielt der Graf die päpstliche Dispens zur Vermälung mit seiner Nichte, der verwitweten Gräfin Julie Gondola, gebornen Gräfin Rindsmaul, welche ihm den einzigen Sohn Wenzel Johann Gottfried [s. den Folg.] gebar. Der Graf starb plötzlich am Schlagflusse im Alter von 61 Jahren. Seine Gemalin überlebte ihn 17 Jahre und starb zu Gratz am 14 Juli 1802.
Purgstall, Johann Wenzel Graf (Humanist, geb. zu Gratz 7. März 1724, gest. auf der Reise von Hainfeld nach Gratz auf der Höhe des Schemmels 4. November 1785), der Sohn des Grafen- Kunitsch (Michael), Biographien merkwürdiger Männer der österreichischen Monarchie (Gratz 1805, Tanzer, 8°.) Bdch. V, S. 126. – Steiermärkische Zeitschrift. Redigirt von Dr. G. F. Schreiner, Dr. Albert von Muchar, C. G. Ritter von Leitner, A. Schrötter (Grätz 1844, Damian n. Sorge 8°.) Neue Folge, VII. Jahrgang, Heft 1 (1842), S. 70. – Hammer (Joseph v.), Denkmal auf das Grab der beiden letzten Grafen von Purgstall (Wien 1821, 238 S. gr. 8°.). – Der Aufmerksame (Gratz, 4°.) 1812, S. 47. – Porträt. Lithographie im oberwähnten „Denkmal“ Hammer’s.