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BLKÖ:Schwarz, Johann Georg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 32 (1876), ab Seite: 296. (Quelle)
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Schwarz, Johann Georg (nordamerikanischer Consul, geb. zu Wien 11. Mai 1800, gest. ebenda 25. December 1867). Sein Vater war Rauchwaarenhändler, und im Geschäfte desselben arbeitend, erhielt er nebenbei die nothdürftigste Ausbildung. Sein frühzeitig erwachter Reisetrieb entwickelte sich nur um so mächtiger, nachdem er an Seite seines Vaters mehrere Reisen durch Deutschland gemacht. Nachdem die Lehrjahre [297] vorüber waren, ging er nun auf Wanderung, besuchte zunächst die Schweiz, wo er nach längerem Aufenthalte zu Gersau sich neuerdings auf die Beine machte und 1819 Oberitalien, Frankreich und England besuchte. In letzterem Lande hielt er sich in den Fabriksstädten auf und lernte dort eine ihm neue Welt kennen. In England schiffte er sich nach Amerika ein, landete in New-York und besuchte von da aus die vorzüglichsten Städte Nordamerika’s. Als er in denselben in Sitten, Bräuchen, Lebensweise nur eine Wiederholung des Continents fand, war seine Reiselust nichts weniger denn befriedigt, er wollte von der Cultur noch unbeleckte Gebiete und Menschen kennen lernen, und faßte sofort den Entschluß zu einer Reise in’s Innere Amerika’s. Nach einem kurzen Aufenthalte in Pittsburg schiffte er sich zu Erie ein und besuchte nun mehrere Ansiedelungen und Wohnstätten der verschiedenen Indianerstämme, deren eigenthümliche Sitten ihn besonders fesselten und mit deren Sprache er sich vertraut zu machen suchte. Seinem Reisedrange setzte die plötzliche Nachricht von dem Ableben seines Vaters augenblicklich ein Ziel. S. eilte zu Lande durch Illinois, Indiana, Ohio nach Philadelphia, dort aber erreichten ihn Nachrichten von Seite seines Bruders, der ihn überredete, vorderhand seine Rückkehr in die Heimat aufzugeben und in dessen Geschäften eine zweite Reise in das Innere des Landes zu unternehmen. So wenig günstig bei eingetretenem Regenwetter die Reise in das Innere des Landes – es war das in Amerika vor einem halben Jahrhundert – sich auch anließ, S. unternahm sie nichtsdestoweniger, durchzog im Winter 1820/21 Canada von Osten nach Westen und kehrte nach vielen Beschwerlichkeiten in die Vereinigten Staaten zurück. Seine Geschäfte mit den Indianern hatte er mit bestem Erfolge durchgeführt und war auf diesem Zuge an manchen Ort gekommen, den vor und wohl auch lange nach ihm noch kein Europäer betreten hatte. Vom Gestade der Hudsons-Bai trat S. nun seine Rückreise nach Europa an. Er landete glücklich in England, besuchte noch Irland, Schottland, Dänemark und Holland und kam, nachdem er sich noch im Norden Deutschlands umgesehen, nach mehrjähriger Abwesenheit in Wien an, wo er nun das Rauchwaarengeschäft seines Vaters übernahm und mehrere Jahre fortsetzte. Im Jahre 1829 wurde S. von dem Präsidenten der nordamerikanischen Staaten mit Einwilligung des Senats zum Consul derselben in Wien ernannt, und nun war es seine angelegentlichste Aufgabe, den Handel zwischen Oesterreich und der Union zu fördern. Auf den weiten Reisen, die er gemacht und auf denen er die merkwürdigsten und oft höchst interessanten Gegenstände, die meist mit geringen Kosten zu erlangen, oft gar nur einfach mitzunehmen waren, zu sehen Gelegenheit gehabt, war sein Sammeleifer geweckt worden, und die Muße seines Consulargeschäftes widmete er der Vermehrung seiner mannigfaltigen Sammlungen. Darunter war seine Sammlung nordamerikanischer Druckwerke zu jener Zeit sehr bemerkenswerth, da eine zweite, an Zahl und Auswahl ähnliche, damals in Wien kaum vorhanden gewesen sein mochte. Dabei war S. bei Besichtigung seiner Sammlungen sehr liberal, er gestattete gern den Zutritt zu denselben und machte den beredten Cicerone. Zu bedauern ist nur, daß er über seine Wanderzüge in der neuen Welt keine Aufzeichnungen gemacht, er würde damit Nachrichten über nachmals bekannt gewordene [298] Gegenden und Volksstämme um Jahrzehnde früher gegeben und die Aufmerksamkeit wissenschaftlich gebildeter Reisender auf dieselben gelenkt haben. Wie bemerkt worden, lebte S. als nordamerikanischer Consul in Wien und machte als solcher, da er ein ansehnliches Vermögen besaß, ein großes Haus. Er bildete bei seiner Stellung als Mitglied des diplomatischen Corps, und doch ohne eigentliche Bildung, sondern nur mit den auf seinen weiten Reisen und im Verkehr mit Menschen aller Völker abgeschliffenen Manieren, in denen er aber niemals den einstigen Handwerker ganz zu verläugnen im Stande war, eine ganz eigenthümliche, durch sein sonst imposantes Aeußere Aufmerksamkeit erregende Erscheinung. Herausgeber dieses Lexikons, der, seinen vielen Aufforderungen, ihn zu besuchen, eines Tages nachkam, war überrascht von der Mannigfaltigkeit und dem Reichthum der Sammlungen, die ihm der Consul zeigte, und von der Weise, mit welcher derselbe seine für sich selbst sprechenden Kunst- und andere Schätze mit Worten noch mehr herausstaffirte. S. würde wohl trotz seiner diplomatischen Position und seines großen Vermögens, das er in seiner Art zur Schau trug, wohl kaum viel beachtet worden sein, wenn er nicht im Jahre 1848 aus seiner bisherigen Passivität getreten wäre. S. gründete nämlich im genannten Jahre mit J. Em. Veith den Wiener Katholiken-Verein. Es war das in Anbetracht der damaligen Verhältnisse ein ebenso muthiges als verdienstliches Unternehmen, denn es handelte sich dabei nicht um ein jesuitisches Angriffsheer auf Freiheit und Fortschritt, sondern um eine rein defensive Phalanx gegen die geradezu niederträchtige Terrorisirung, welche die damalige „Gassenjournalistik“ gegen die Kirche jeder Form ausübte. Deßhalb betheiligten sich damals an diesem Vereine auch alle fortschrittsfreundlichen Katholiken, die heute, wie es dem edlen Montalembert erging, verketzert werden. Erst später wurde aus dem ganz anständigen und Edles fördernden Katholiken-Vereine der bald anrüchig gewordene Severinus-Verein, aus dem sich nach und nach unter dem Hochdrucke der ultrarömischen jesuitischen Fanatiker alle denkenden Kräfte zurückzogen, so daß er nach und nach dem plärenden Blödsinn verfiel und endlich in der Michaelsbruderschaft aufging. Das Auftreten des Consuls Schwarz im Jahre 1848 bewies unter allen Umstanden Tapferkeit und offenen Freimuth, wofür er natürlich wenig Dank und von einer Seite, von der es am wenigsten zu erwarten war, schlimmen Lohn einheimste. Die Vereinigten Staaten in Nordamerika, die bei sich daheim einen Jeden in seiner Façon selig werden lassen, die sich daheim um Religion und was darum und daran hängt, nicht kümmern, machten bei Schwarz, sonderbar genug, eine Ausnahme, nahmen ihm die Consularvertretung ab und bewiesen mit diesem Vorgange eine Inconsequenz, die dem gelobten Lande der Freiheit nichts weniger denn zur Ehre gereicht. Freilich hatten die politischen Flüchtlinge das Ihrige dazu beigetragen, indem sie Schwarz, der mit vielen Tausenden gegen die überhand nehmende Anarchie furchtlos ankämpfte, als Reactionär verlästerten. Dabei muß ausdrücklich betont werden, daß der Ultramontanismus des Consuls Schwarz übrigens ein ganz österreichisch gefärbter war, der heute von den Römlingen gar nicht probehältig befunden würde, und wenn S. noch lebte, so würde ihm wohl das Mißgeschick widerfahren, zwischen zweierlei Stühlen [299] zu sitzen, zwischen dem liberalen und dem ultramontanen. Was nach S.’s Tode mit seinen reichen Sammlungen geschehen, ist mir nicht bekannt.

Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. IV, S. 612.