BLKÖ:Schwizen, Christoph Freiherr von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schwind, C.
Band: 33 (1877), ab Seite: 191. (Quelle)
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Schwizen, auch Schwitzen, Christoph Freiherr von (k. k. Kreishauptmann, geb. zu Gratz 14. Juli 1755, gest. ebenda 23. September 1796). Ueber seine Familie, welche aus Krain stammt, vergl. S. 193 die Quellen. Sein Vater, Joseph Freiherr v. Sch., war Landrath zu Gratz und zweimal vermält, zuerst mit einer Baronin Wittorf aus Schlesien, welche ihm einen Sohn gebar, der in das Benedictinerstift St. Lambrecht eintrat. Seine zweite Frau, deren Name nicht bekannt ist, gebar ihm zwei Söhne, Sigmund, über den unten die Quellen Näheres berichten, und Christoph. Christoph, von Jugend auf talentvoll und geweckten Geistes, beendete zu Gratz die Gymnasial-, philosophischen und juridischen Studien, nach deren Vollendung er sofort in den Staatsdienst trat und bei den Landrechten in Gratz Praxis nahm. Bald definitiv [192] angestellt, wurde er in kurzer Zeit Kreiscommissär bei dem Marburger k. k. Kreisamte, schon 1786, im Alter von erst 31 Jahren, wirklicher Kreishauptmann des Gratzer Kreises, Ende des Jahre 1795 wirklicher Gubernialrath zu Gratz und als solcher mit dem Polizei- und Studienreferate betraut. Bei seiner Neigung zu starker Beleibtheit, wendete er zur Abhilfe dagegen zwei Mittel an, die seinen raschen Tod zur Folge hatten. Er gab sich nämlich mit Leidenschaft der Unterhaltung des Tanzes hin und trank täglich etliche Löffel scharfen Weinessigs. Er hatte mehr erreicht, als er eigentlich suchte. Bei völliger Aufzehrung aller Lebenskräfte starb er unter schweren Leiden im schönsten Mannesalter von erst 42 Jahren. Christoph v. Schwizen ist das treue Spiegelbild eines tüchtigen Verwaltungsbeamten aus der Josephinischen Periode mit allen Vorzügen und Schwächen, ein Autokrat, der, was er als gut erkannt, durchzusetzen wußte, alle Hindernisse besiegend, und dabei natürlich keinen Anstand nahm, zu brechen, was sich nicht biegen ließ. Daher war er von einer Seite eben so sehr gehaßt, als von der anderen geliebt. Unleugbare Verdienste erwarb er sich um das Schulwesen seines engeren Vaterlandes, das er mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln förderte und worin er nicht unbedeutende Resultate erzielte. Da die einzelnen Schulhäuser noch sehr weit von einander entfernt standen, wußte er den Eifer der Landbewohner für den Schulunterricht so mächtig zu beleben, daß im Winter die wohlhabenderen Insassen mit ihren Kindern auch die fremden auf Wagen, Schlitten und Moltern zur fernen Schule und aus derselben wieder nach Hause brachten, die Reicheren die Kinder armer Leute unentgeltlich in Kost und Wohnung behielten, ja ein wohlhabender Bauer in seinem eigenen Hause ein Zimmer zur Schulhaltung einräumte. Man muß solche Opfer in jener Zeit nicht gering schätzen, wo in der Regel der Bauer, wie noch heute, von der Schule so wenig wie möglich hören will. Die Gegenwart dürfte, bei dem von einer Seite künstlich organisirten und systematisch genährten Wiederstande gegen die Schule, ähnliche Opferwilligkeit kaum aufzuweisen haben. Man suche in der Gegenwart einen Bauer, ja einen Bürger, der in seinem Hause überhaupt und nun gar unentgeltlich eine Schulstube einräumt. Kaiser Joseph, fand sich auch veranlaßt, dieses Wohlverhalten der Bauern in auszeichnender Weise anzuerkennen, und indem er dem Pfarrer zum h. Kreuz und dem Verwalter der Herrschaft Mallegg die große goldene Medaille verlieh, wurden sieben Insassen der genannten Gemeinde im Marburger Kreise für ihren Eifer und in Schulsachen freudig dargebrachten Opfer mit der silbernen Medaille am schwarzgelben Bande ausgezeichnet. Auch in Abschaffung der Religionsmißbräuche that Freiherr von Sch. das Seine und stieß dabei freilich an oft kaum zu besiegenden Widerstand. Aberglauben, Vorurtheile bekämpfte er mit aller Energie. Das gefährliche Wetterläuten war unter Kaiser Joseph II. mit Hof-Verordnung vom 26. November 1783 in für alle Mal untersagt worden, um – nach des Kaisers Tod – mit einer Hofkanzlei-Verordnung vom 5. August 1790 wieder erlaubt zu werden! Dagegen richtete nun Schwizen eine Vorstellung, in welcher er die großen Nachtheile dieser Unsitte klar darlegte, worauf denn auch eine Verfügung erfolgte, welche wenigstens der willkürlichen Anwendung dieses Mißbrauchs einen Riegel vorschob. In seinem Eifer, alles was ihm überflüssig erschien, [193] zu beseitigen, ging er sehr weit, einmal sogar zu weit, indem er, gestützt auf eine Verordnung, welche die Kreisämter verpflichtet, die Acten nur von zehn zu zehn Jahren aufzubewahren, alle geschriebenen Acten des Gratzer Kreisamtes bis zum Jahre 1780 sammt und sonders einstampfen und vertilgen ließ. Eine vorherige sorgfältige Durchsicht derselben und Ausscheidung jener, deren historischer Werth unbestreitbar, hätte seiner Maßregel den Charakter wohlbegründeter Umsicht gegeben, während sie so, stark dem brutalen Acte eines bureaukratischen Autokraten gleicht. Sch. war ein gebildeter, mit der Zeit fortschreitender Beamter, mit seiner Lust, sich durch die neuesten Erzeugnisse der Literatur fortzubilden, kämpfte sein amtlicher Beruf, der bei den Mißbräuchen, die es abzuschaffen, bei den Reformen, denen es den Weg zu ebnen galt, ihm nur wenig Zeit gestattete, seine reiche, in den verschiedensten Fächern des menschlichen Wissens gut vertretene Bibliothek, die nach seinem Tode durch Verkauf zerstreut wurde, wie er es wünschte zu benützen. Auch als Schriftsteller war Sch. thätig und hat er im Drucke herausgegeben: „Versuch einer Anleitung für junge Herrschaftsbeamte in Oesterreich, zur Kenntniss einiger der besten Bücher, die von den Hauptgegenständen einer Herrschaftsverwaltung handeln. Zum Besten des abgebrannten Marktes Ilz“ (Gratz 1789, 8°.); – „Actenstücke, die Wiedereinführung des alten Steuer- und Urbarialsystems im Herzogthume Steiermark betreffend. Mit vielen Tabellen“ (ebd. 1791); – „Ueber die Stallfütterung und Vertheilung der Gemeindeweiden; eine Widerlegung der von J. C. Kindermann in den Beiträgen zur Vaterlandskunde eingerückten Abhandlung über diesen Gegenstand“ (ebd. 1792, gr. 8°.). Eine sorgfältige, actenmäßige, biographische Schilderung Sch.’s, böte einen interessanten Commentar zur Verwaltungsgeschichte Steiermarks in der Josephinischen Periode. Sein Biograph schreibt über ihn: „Man würde ein ganzes Buch beschreiben müssen, wenn man alle die Vorfälle, Geschichten und Anekdoten, alle seine Auftritte und Streitigkeiten mit vorgesetzten Behörden und mit unteren Stellen erzählen wollte, die während seiner Kreishauptmannschaft durch seinen originellen Charakter, seinen kühnen Muth, seinen Stolz, seine ihm ganz eigene Handlungsweise veranlaßt, Statt gefunden haben. Unvergeßlich aber bleibt, was er für das Schulwesen im Marburger und Gratzer Kreise geleistet.

Meusel (Joh. Georg), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig 1808, G. Fleischer 8°.) Bd. XII, S. 643. – Kunitsch (Michael), Biographien merkwürdiger Männer der österr. Monarchie (Gratz 1805, Gebr. Tanzer, kl. 8°., Bd. III, S. 164. – Steiermärkische Zeitschrift. Neue Folge. VII. Jahrgang, Heft 1, S. 138.