BLKÖ:Szaniawski, Joseph Calasanz
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 41 (1880), ab Seite: 153. (Quelle) | |||
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Kant’s hörte. Nachdem er zunächst das Amt eines Gerichts-Commissärs in der Wojwodschaft Kalisz verwaltet hatte, leistete er zwei Jahre Kriegsdienste in einem nationalen Reiter-Regiment unter General Luby. Erfüllt von dem Gedanken, wie sehr sein Vaterland Reformen bedürfe, nahm er ernstlich Theil an den Ereignissen des Jahres 1794 in Warschau, diente darauf in den polnischen Legionen, welche bei der französischen Armee in Italien standen, und später in dem zu Paris befindlichen Auswanderungs- Comité, wo er sich zugleich mit allem Eifer an den öffentlichen Angelegenheiten Frankreichs betheiligte. Bald aber begab er sich nach Warschau, wo ihn die eben erst ins Leben getretene Gesellschaft der Wissenschaftsfreunde sofort in ihren Schooß aufnahm. Nach Errichtung der höchsten administrativen Kammer für das Königreich Polen wurde er als Mitglied in dieselbe berufen und schon im folgenden Jahre zur Direction der Justizabtheilung übersetzt und nach Berlin entsendet, um daselbst die Acten, Pläne, Urkunden, überhaupt alle Archivalien zu übernehmen, welche auf das eben neugeschaffene Herzogthum Warschau Bezug hatten. Zum Danke für die glückliche Lösung dieser Aufgabe erhielt er die [154] Stelle eines königlichen Procurators am Cassationshofe, aus welchem er 1811 krankheitshalber schied. Zwei Jahre später, zur Zeit, als die russische Armee in das Herzogthum, von demselben Besitz nehmend, einrückte, wurde er vom Central-Comité des Departemental-Rathes in das Hauptquartier entsendet, um daselbst die Interessen der Nation wahrzunehmen. Darauf fungirte er als Mitglied des Comités in dem für das Land eingesetzten Reformrathe. Beim Zusammentritte des Wiener Congresses im Jahre 1815 befand er sich in der eigens für denselben gebildeten und unter den Vorsitz des Barons Anstett gestellten Commission, welche die polnischen und sächsischen Interessen zu berücksichtigen hatte. Nach Errichtung des Königreichs zum Referenten im Staatsrath, dann zum obersten Secretär in der damaligen Verwaltung, schließlich zum Referenten und obersten Secretär der allgemeinen Ständeversammlung ernannt, verblieb er in letzterer Stellung bis zu seiner Ende 1816 erfolgten Erhebung zum Präsidenten der General-Procuratur des Königreichs Polen. Im Jahre 1824 wurde er Staatsrath und Generaldirector der Unterrichtsabtheilung in der Staatscommission für Unterricht und Cultus, Präses der Gesellschaft zur Abfassung der Elementar-Unterrichtsbücher und zugleich Leiter der Censur. Im October 1830 reiste er nach Wien, wo ihn die Kunde von dem am 29. November ausgebrochenen Aufstand traf. Erst im November 1831 kehrte er ins Land zurück und fungirte als Mitglied des speciellen Criminalgerichtes, welches im Proceß der von der Amnestie Ausgeschlossenen den Urtheilsspruch zu fällen hatte. 1833 erfolgte seine Berufung in den Staats-und Erziehungsrath. 1839 bat der 75jährige Staatsmann um Enthebung von Amt und Würden. Vier Jahre später starb er, 80 Jahre alt, zu Lemberg. Neben seiner wechselnden und vielseitigen Verwendung im Staatsdienste wußte er noch immer Muße für wissenschaftliche Facharbeiten zu erübrigen, und sind von ihm folgende Schriften erschienen: „Co jest filozofija, niektóre myśli służyć mogące do porozumienia się względem odpowiedzi na to pytanie“, d. i. Was ist die Philosophie, etwelche Gedanken, die zur Verständigung rücksichtlich der Antwort auf diese Frage dienlich sein können (Warschau 1802); – „O znamienitych systemach moralnych starożytności“, d. i. Von den vorzüglichsten Moralsystemen des Alterthums (ebenda 1803, 8°.); – „System chrystyjanizmu, krótko wyłożony; pismo służące za dalszy ciąg wykładu systematów moralnych“, d. i. Das System des Christenthums kurz dargestellt und gleichsam eine Fortsetzung des Werkes über die Moralsysteme des Alterthums (ebd. 1803, 8°.); ist auch im zweiten Bande der Jahrbücher der Gesellschaft der Wissenschaftsfreunde abgedruckt; – „Rzut oka na dzieje filozofii od czasu jej upadku u Greków i Rzymian aż do epoki odrodzenia nauk, służący za przejście od wystawionych systemów moralnych starożytnych do wykładu nowoczesnych“, d. i. Ein Blick auf die Geschichte der Philosophie von der Zeit ihres Verfalles bei den Griechen und Römern bis zur Epoche des Wiederauflebens der Wissenschaften, dienend gleichsam als Uebergang von der Darstellung der älteren Sittensysteme zur Entwickelung der neueren (ebd. 1804, 8°.); – „Rady przyjacielskie młodemu czcicielowi nauk i filozofii, pragnącemu znaleść [155] pewniejszą drogę do prawdziwego i wyższego oświecenia“, d. i. Freundschaftliche Rathschläge für den jugendlichen Schätzer der Wissenschaften und der Philosophie, der einen sichereren Weg zur wahren und höheren Aufklärung zu finden bestrebt ist (ebd. 1805, zweite Auflage Lemberg 1823), Szaniawski’s seinerzeit am meisten geschätzte Arbeit; – „O naturze i przeznaczeniu urzędowań w społeczności, rzecz w krótkich napomknieniach z daleka wskazujących drogę do głębszego wywodu“, d. i. Von der Natur und dem Zwecke der gesellschaftlichen Einrichtungen; eine Darstellung in kurzen Winken den Weg zu einer tieferen Auseinandersetzung zeigend (ebd. 1808); – „Mowa o duchu klassyczności i romantyczności we względzie filozoficznym“, d. i. Rede von dem Geiste der Classik und Romantik im Hinblick auf den der Philosophie (ebd. 1822); – „Pochwała Cypryjana Godebskiego“, d. i. Gedächtnißrede auf Cyprian Godebski (1809). Kleinere Abhandlungen erschienen in dem von Ziemęcki redigirten „Pilgrim“ (Pielgrzym), als z. B. „Przygotowane uwagi do filozofii polemicznej w czasopismach polskich“, d. i. Vorbereitende Erwägungen zur polemischen Philosophie in den polnischen Zeitschriften [1842]; – „Prawdy najwyższe“, d. i. Die höchsten Wahrheiten [ebd.] u. a.; die Gesellschaft der Wissenschaftsfreunde veröffentlichte im Jahre 1807 seine und anderer Gelehrten Correspondenz in den eine Darstellung des polnischen Landes und Volkes betreffenden Materien. Ferner übersetzte er Rulhière’s Histoire de l’anarchie de Pologne et du démembrement de cette république, wovon jedoch 1808 nur der erste Band im Druck erschienen ist. Auf Anregung der Gesellschaft der Wissenschaftsfreunde bearbeitete er ein Handbuch der Logik in polnischer Sprache und beschäftigte sich überdies mit einer Geschichte der polnischen Legionen, doch sind beide Arbeiten ungedruckt geblieben. Szaniawski ist verschieden beurtheilt und in nicht geringem Maße verlästert worden. Der Umstand, daß er in seinen letzten Lebensjahren Pietist und ein Anhänger der Jesuiten wurde, hat den Blick Jener getrübt, welche über seine ganze Wirksamkeit abfällig urtheilen. Unzweifelhaft steht auch fest, daß er durch seine Reise nach Wien im October 1830 der Revolution aus dem Wege gehend, auf neutralem Boden den Ausgang abwarten wollte, um dann Stellung zu den Ereignissen zu nehmen. So theilte er das Schicksal aller bedeutenderen politischen Charaktere, die, in wild aufgeregten Zeiten gesellschaftlicher Erschütterungen zu wirken berufen, von dem Giftzahn der Schlange: Oeffentliche Meinung, begeifert werden. Ist dann die Zeit gekommen, in welcher ein ruhiger unbefangener Blick das Chaos überschaut, so wird auch diesen Männern, die demselben einen Damm zu setzen bemüht waren, wieder ihr Recht. Szaniawski war der Erste in Polen, den die Werke Kant’s und Fichte’s auf die Erforschung der Principien der neueren Philosophie führten. Leider wurde er durch die Wirren seiner Zeit für Jahre der wissenschaftlichen Thätigkeit entzogen; aber auch im öffentlichen Dienste leistete er Bedeutendes, und wo immer er Partei nahm, er stand ernst und entschieden zum Rechte. Als er Generaldirector des Schulwesens im Ministerium des Unterrichts war, wurde der öffentliche Unterricht in allen Zweigen erweitert, die höheren Lehranstalten [156] reichlich ausgestattet und junge talentvolle Männer auf Staatskosten in das Ausland geschickt, um daselbst ihre Bildung zu vollenden. Die Früchte dieser gemeinnützigen Einrichtungen zeigten sich auch bald, vorzugsweise aber in den technischen und naturhistorischen Wissenszweigen, indem man die Mehrzahl der Lehrkräfte in diesen Fächern mit tüchtigen Kräften besetzt sah. Er selbst war gründlich wissenschaftlich gebildet und von einer geradezu Staunen erregenden Belesenheit. Mochnacki in seiner Geschichte der polnischen Revolution und Chodzko in jener der polnischen Legionen haben den falschen Schein, unter dem er in der Beurtheilung der Zeitgenossen gelitten, abgestreift und ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen. Obwohl er dem Lande, das ihn geboren, nicht unmittelbar nützen konnte, so kann es doch seinen Namen mit Ehren nennen, denn die Wirkungen der guten und zweckmäßigen Einrichtungen, die er in Congreßpolen getroffen, reichten auch über die Grenze in seine Heimat herüber. Ueberdies ist Szaniawski der Erste, dem sein Volk die Begründung und Feststellung einer polnischen philosophischen Terminologie, welche bis dahin schwer vermißt ward, zu verdanken hat. Seine reiche, namentlich in philosophischer Richtung glänzend ausgestattete Bibliothek wurde vom Staate angekauft und der Staatsbibliothek in Warschau einverleibt.
Szaniawski, Joseph Calasanz (polnischer Staatsmann und philosophischer Schriftsteller, geb. zu Kalvaria Zebrzydowska, einem berühmten Wallfahrtsorte im Wadowicer Kreise Galiziens im Jahre 1764, gest. in Lemberg am 16. Mai 1843). Es ist eine eigenthümliche Fügung, daß Szaniawski, der auf österreichischem Gebiete das Licht der Welt erblickte und die Augen für immer in der Landeshauptstadt Galiziens schloß, doch in der ganzen übrigen Zeit seines thätigen Lebens dem Kaiserstaate entrückt blieb, wenngleich seine gelehrten Arbeiten auch im österreichischen Antheil Polens ihre Würdigung und ihre Verehrer fanden. Nur die Kinderjahre brachte er in dem Wallfahrtsorte zu, den jährlich über 300.000 Pilger zu besuchen pflegen, dann kam er auf die Schule zu Kalisz und beendete seine Studien an der Universität Breslau, wo er rechts- und staatswissenschaftliche und philosophische Vorträge der besten Schüler- Rycharski (Łucyan Tomasz), Literatura polska w historyczno-krytycznym zarysie, d. i. Polnische Literatur im historisch-kritischen Umriß (Krakau 1868, Himmelblau, gr. 8°.) Bd. II, S. 87, Nr. 2. – Bentkowski (Feliks), Historija literatury polskiey, d. i. Geschichte der polnischen Literatur (Warschau und Wilna 1814, Zawadzki und Comp., 8°.) Bd. II, S. 32, 96 und 781. – Allgemeine Literatur-Zeitung, 1806, Nr. 159. – In dem von Rieger und Maly herausgegebenen „Slovník naučný“ werden Bd. VIII, S. 1198 Szaniawski und alle anderen Träger dieses Namens unter dem falschen Namen Szaniowski angeführt.
- Porträt. Dasselbe befindet sich als Titelbild in der zweiten in Lemberg erschienenen Auflage seines oben in der Biographie angeführten Werkes „Rady przyjacielskie młodemu czcicielowi...“.