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BLKÖ:Unterthiner, Margarethe

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Untersteiner, Joseph
Band: 49 (1884), ab Seite: 102. (Quelle)
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Unterthiner, Margarethe (Tiroler Landesvertheidigerin im Jahre 1797, geb. zu Latzfons in Südtirol in der zweiten Hälfte[WS 1] des 18. Jahrhunderts). Eine Bauerndirne aus Latzfons, gemeiniglich die „Tinner Greata“ genannt. Im Jahre 1797 brachen die Franzosen in Tirol ein. Nach den glücklichen Gefechten bei Trient und Salurn drangen sie das Etschthal hinauf und rückten, vom General Joubert geführt, im Eisackthale vor. Das Volk vom Ritten, von Völs, Kastelruth und der Umgegend bemühte sich zwar, ihnen im sogenannten Kunterswege den Durchzug abzusperren, und in der That fand ein nicht geringer Theil der Feinde durch losgehauenes Steingeröll und durch die wohltreffenden Kugeln der Schützen in den Fluthen der Eisack den Untergang. Nichtsdestoweniger drang Joubert’s Unterfeldherr Brigadegeneral Veau, rings von den Tirolern umschwärmt, vorwärts und besetzte das Dorf Kollmann. Als er aber vom „kalten Keller“ aus – so hieß ein an der Straße gelegenes Wirthshaus – den Säbenberg erblickte, vermuthete er in demselben mit Recht eine günstige Vertheidigungslage und besetzte im Sturmschritt diesen wichtigen Posten sammt dem an dessen Fuße gelegenen Klausen. Empört über das meuterische Wirthschaften der Franzosen, [103] strömten auf das Aufgebot der Gemeindevorsteher die Bewohner des Tinnerthales, Männer und Weiber, ja zwölfjährige Buben, die bisher nur Hasen und Eichkätzchen geschossen, herbei; mit alten verrosteten Musketen – nur der kleinste Theil besaß ordentliche Scheibenstutzen – mit Dreschflegeln, Ackergabeln, Knitteln und Baumästen bewaffnet, kamen sie heran, und das Ganze sah im ersten Augenblick mehr einem lustigen Aufzuge zur Alm, als einem feindlichen Anrücken gegen die Franzosen ähnlich. In Verdings versammelten sie sich und stellten sich auf dem Bühel, welcher sich hinter dem Dorfe hindehnt, förmlich corpsmäßig auf. Die Franzosen sahen mit befremdeten Blicken von Säben aus den Vorgang, und da sie in den Lodenrocken alsbald die Tiroler Bauern erkannten, sandten sie ihnen auch ohne Aufschub einige Kanonenkugeln zu. Plötzlich aber wurden sie durch ein neues Schauspiel gefesselt, als neben den Lodenröcken von allen Seiten die Weiber, in weiß wollene Wettermäntel gehüllt, erschienen. Nun kam ein eigener Wahn in die Franzmänner, sie hielten diese weißen Gestalten für Huszaren, die dem Landvolke zu Hilfe geeilt seien, und da sie das Terrain nicht kannten und besorgten, einerseits vom Tinnerthale her, andererseits von Klausen herauf auf ihrer eigenen Position abgeschnitten zu werden, so zogen sie sich kämpfend vom Säbenberge nach Klausen zurück, und sofort besetzten die Tiroler die verlassene Stellung. Als in Säben nun Alles ruhig blieb und kein französischer Adler mehr auf den Zinnen wehte, kamen die Latzfonser, welche von Klausen herauf die Flintenschüsse knattern gehört hatten, in freudiger Hast durch die Torgler Weinberge, im Rücken des abziehenden Feindes und von diesem unbeachtet gelassen, nach dem Säben hinüber, auf welchem sie völlig ungestört und um so sicherer, als den Franzosen die eben von Klausen herangerückten Villanderser und Borbianer zu schaffen machten, sich festsetzen konnten. Auf diesem Zuge der Latzfonser hatte sich die kräftige, stämmige, an Größe das gewöhnliche Maß der Weiber weit überschreitende Bauerndirne „Tinner Greata“ (Margarethe Unterthiner) mit noch mehreren anderen stämmigen Weibern den Männern angeschlossen, sobald in Latzfons die Sturmglocke zum Aufbruch gegen die Franzosen zu läuten begonnen. Auf dem Säben stellten die Frauen in ihren weißen Wettermänteln sich muthig längs der Kreuzkirche hinter die locker gebildeten Reihen der Männer auf. Diese aber, theils von Mauern, theils von Gesträuch und in Eile herbeigebrachten Geräthschaften aller Art geschützt, brannten mit der bekannten Treffsicherheit der Tiroler ihr Blei ganz wirksam den Franzosen auf den Pelz hinunter. Buben, die kein Schießgewehr besaßen und den kämpfenden Eltern das Mittagessen brachten, blieben auch nicht müßig und schleppten emsig von allen Seiten Steine herbei, so groß, als sie solche im Stande waren fortzubringen, und rollten sie im Verein mit den Dirnen auf die vom „kalten Keller“ hervorbrechenden Franzosen über die Säbenwand hinab. Man setzte sich durch Abreißen unnöthiger Mauertheile auch in den Besitz ganz gewaltiger Steinmassen, und die Wirkung derselben war entsetzlich, da sie beim Hinunterstürzen immer gleich mehrere Franzosen kopfüber in die Eisack hinabrissen. Solchen Waffen war auf die Dauer nicht Widerstand zu leisten, das Schießen in Klausen wurde immer schwächer, und die Franzosen, aus diesem [104] Städtchen geworfen, befanden sich in voller Flucht auf dem linken Ufer der Eisack gegen Brixen. Indessen hatte General Veau das von den Bevollmächtigten des Landvolkes und einem französischen Capitän im Kloster Säben aufgestellte Friedensdocument unterzeichnet und die feierliche Versicherung gegeben, daß kein Franzose, unter welch immer einem Vorwande sich auf Pordell (Pradell) und den Anhöhen von Latzfons mehr sehen lassen werde. Das war ein großer Tag für die Latzfonser, der noch heute in der Erinnerung der dortigen Bewohner fortlebt. Zur lohnenden Anerkennung erhielt jede Compagnie von der tirolischen Landschaft eine eigene Fahne, mit dem fürstbischöflich-brixenschen und dem tirolisch-landschaftlichen Wappen sammt der großen Ehrenmedaille geziert, und heute noch sieht man diese Fahnen in der Kirche zu Latzfons und in jener zu Verdings. Der Margarethe Unterthiner, welche die Latzfonser Weiber und Mädchen angeführt – sie commandirte mit einem großen gebogenen Schwerte, das man in dem benachbarten Schlosse Garnstein gefunden – wurde „für den ebenso seltenen als rühmlichen Beweis ihres Muthes und ihrer treuen Anhänglichkeit an Religion, Fürst und Vaterland“ besonders, aber auch den anderen Latzfonserinen mit einem eigenen Decrete vom 23. Jänner 1800, das allerhöchste landesfürstliche Wohlgefallen zu erkennen gegeben. Dieses Decret befindet sich noch gegenwärtig im Pfarrwiddum zu Latzfons.

Unterhaltungsblätter des Pusterthaler Boten (Bruneck, kl. 4°.) 1856, Nr. 2 und 3: „Die Latzfonser Huszaren. Eine Tiroler Kriegsaffaire im Jahre 1707, mitgetheilt von J. P. Gosser. – Staffler (Johann Jacob). Das deutsche Tirol und Vorarlberg, topographisch mit geschichtlichen Bemerkungen (Innsbruck 1847, Felician Rauch, 8°.) Bd. II, S. 967 u. f.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Häfte.