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BLKÖ:Wörz, Johann Georg (Vater)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wörnle, Wilhelm
Band: 57 (1889), ab Seite: 227. (Quelle)
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Wörz, Johann Georg (Geschichtsforscher und Abgeordneter des constituirenden Reichstages im Jahre 1848, geb. zu Biberweier in Tirol 31. März 1797, gest. in Innsbruck 30. Juli 1868). Sein Vater, ein schlichter Tiroler Landmann, begann als Knecht, wurde darauf Schullehrer und bewirthschaftete dann vierzig Jahre hindurch ein Bauernanwesen. Aus seiner 1784 mit Euphrosine Angerer aus Breitenwang geschlossenen Ehe gingen neun Kinder hervor, von denen das achte unser Johann Georg ist. Dieser, vom Vater zum Studiren bestimmt, erhielt bei den Franciscanern in Reutte die erste Anleitung in den „Bettelstudent“ seine gelehrte Laufbahn fortzusetzen. 1817 bezog er die Universität, zuerst in Innsbruck, darauf in Wien, wo er sich den juridischen Studien zuwandte und am 5. März 1821 daraus die Doctorwürde erwarb. Im December 1820 trat er in die juridische Praxis, zunächst bei dem Hof- und Gerichtsadvocaten von Rosmini; sodann bei dem Wiener Stadtmagistrate, wurde im Februar 1822 Conceptspracticant bei der k. k. Hofkammerprocuratur und erlangte in kürzester Zeit die Wahlfähigkeitsdecrete zur Ausübung des Civil- und Criminalrichteramtes, des politisch-administrativen Dienstes und des Richteramtes in schweren Polizeiübertretungen. Es boten sich ihm unter solchen Verhältnissen ungemein günstige Aussichten für die Zukunft dar, aber dem Drange seines Herzens zu folgen und das Weib seiner Wahl baldigst in sein Heim zu führen, kehrte er in die Heimat zurück, wo er eine Actuarstelle bei dem Fürst Lamberg’schen Landgerichte in Kitzbühel im Juni 1822 annahm und am 19. November d. J. seine Elisabeth, Tochter des Hofbauamts-Materialienverwalters Waldburg Bernhart, heiratete. Nun begann unter den obwaltenden Verhältnissen ein langjähriger Kampf ums Dasein. 1824 kam er als Actuar zum k. k. Land- und Criminalgerichte Bregenz und von dort in kurzer Zeit zum Gubernium in Innsbruck, wohin ihn Graf Wilczek als Registraturadjuncten berief, um den bei den früheren Stellen als besonders befähigt bezeichneten Beamten für das Lehenwesen heranzubilden, das gerade in Tirol sehr verwickelt war und eines ganz dafür eingearbeiteten tüchtigen Beamten bedurfte. Und so wurde diese ausgezeichnete Befähigung die Ursache der Verwendung auf einem Posten, der, unter dem Niveau der vorangegangenen wissenschaftlichen Bildung stehend, mit Stillstand in der Beförderung nahezu gleichbedeutend war: denn am 28. Juni 1827 trat Wörz in diesen Manipulationsdienst ein und blieb, als graduirter Doctor für das Conceptfach vorbereitet und glänzend befähigt, durch 38 Jahre – innerhalb deren er 1848 Adjunct und endlich Director wurde – in einer Berufssphäre, für welche untergeordnete mit der Gymnasialbildung ausgestattete Manipulanten ausreichen. Aber in dieser Sphäre wurde er auch das wahre Ideal eines Registratur- und Archivbeamten. Wir wollen im Folgenden nur einen Ueberblick dessen geben, was Wörz während eines zwanzigjährigen Dienstes in einem Manipulationsamte Alles schuf. [228] 1827–1844 verfaßte er eine sehr ersprießliche Zusammenstellung von Cassa-Scontrirungsnormen sammt Repertorien, welche Sammlung viele umfangreiche Foliobäde umfaßt; 1839–1850 besorgte er die Redaction und Ausgabe der „Tiroler Provincial-Gesetzsammlung“; dann stellte er die politisch-administrativen Verordnungen der Jahre 1850–1854 zusammen und gab sie im höheren Auftrage im Druck heraus, auch legte er eine Sammlung der für Tirol und Vorarlberg erlassenen zerstreut gedruckten Gesetze und Verordnungen älterer und neuerer Zeit an, die bis auf die Gegenwart fortgeführt ist und 36 starke Fascikel füllt. Bei seinen mit diesen Arbeiten in Verbindung stehenden Forschungen in alten Acten machte er werthvolle, den Cardinal Cles betreffende Archivalien ausfindig, welche dann dem k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchive überwiesen wurden. Auch führte er die Ausscheidung der tirolischen Gubernialacten aus den Jahren 1815–1835 durch. Ferner vollzog er in musterhafter Weise die ihm übertragene Aufgabe, das Statthaltereiarchiv und die alte Gubernialregistratur, deren Acten und Urkunden theilweise im Schlosse Ambras, theilweise in einem Thurme der Innsbrucker Hofburg und anderswo im völlig ungeordneten Zustande aufbewahrt wurden, zu übernehmen und ihre Einordnung und Aufstellung in den neuerbauten Registratur- und Archivräumen durchzuführen. Wie schon früher bemerkt worden, hatte ihn Graf Wilczek aus der Justizpraxis in die Sphäre der politischen Administration hinübergezogen, um ihn im Lehenwesen heranzubilden, und was Wörz in diesem Geschäftskreise geleistet, erfahren wir aus einem von dem Statthalter Fürsten Lobkowitz 1865 an das Staatsministerium erstatteten Berichte, in welchem es wörtlich heißt: „Er leistete im complicirten tirolischen Lehenwesen die wesentlichsten Dienste, seine umfassenden detaillirten und gründlichen Kenntnisse der Lehenverhältnisse weisen ihm hierlandes unstreitig den ersten Platz unter den Fachmännern in diesem speciellen Zweige der politischen Verwaltung an und haben ihm mit vollem Recht den Ruf einer hervorragenden Lehencapacität erworben.“ „Man hatte ihm“, schreibt sein Biograph mit feiner Ironie: „freilich lange Zeit gelassen – in der Registratur sich zu bilden“, und erst 1863, als die tirolische Lehenallodialisirungs-Landescommission eingesetzt wurde, kam Wörz in die erfreuliche Lage, als Referent dieser Commission die entsprechende Stellung einzunehmen. Daß einem Manne von der wissenschaftlichen Veranlagung, wie er sie besaß, der schlichte Manipulationsdienst auf die Dauer nicht ausreichen konnte, begreift sich leicht, und so suchte er auf anderem Wege sein gründliches Wissen zur Geltung zu bringen; in den Jahren 1829 bis 1832, dann 1836 und 1845 docirte er als Supplent an der Innsbrucker Hochschule die meisten Lehrfächer des juridisch-politischen Studiums; und noch 1861, damals bereits 63 Jahre alt, habilitirte er sich an derselben Hochschule als Privatdocent der tirolisch-vorarlbergischen Rechtsgeschichte, in welcher er Kenntnisse, wie selten Einer, besaß. Aber auch auf schriftstellerischem Gebiete war er in seinen Fächern thätig; so gab er selbständig heraus: „Gesetze und Verordnungen in Bezug auf die Cultur des Bodens in Tirol und Vorarlberg“, 3 Theile (Innsbruck 1834, 8°.); – „Gesetze und Verordnungen über das in der Provinz Tirol und Vorarlberg“ (ebd. 1833, Fel. Rauch, 8°.); – „Congrua der Curatgeistlichkeit in der Provinz Tirol [229] und Vorarlberg“ (ebd. 1846, Wagner, 8°.) und „Der Tischtitel der Weltpriester in der Provinz Tirol“ (ebd. 1846, 8°.). Seine oberwähnte „Sammlung der Gesetze über die Bodencultur Tirols“ wollte er mit einem vierten Bände beschließen, welcher die Geschichte der darauf Bezug nehmenden Administration enthalten sollte. Bei der Bearbeitung dieses Gegenstandes aber wuchs ihm der Stoff derart unter den Händen, daß eine ganz neue Sammlung daraus hervorging, nämlich die von gedruckten und geschriebenen Normen und Notizen rechtshistorischer Art, welche sich auf die Gesetzgebung, Regierung und Verwaltung von Tirol und Vorarlberg in justicieller, politischer; financieller und administrativer Hinsicht beziehen, welche werthvolle unter dem Namen der „Wörz’schen Sammlung“ bekannt gewordene Collection oft bis ans Ende des funfzehnten Jahrhunderts und noch weiter zurückgreift und über 50 umfangreiche Fascikel umfasst, die einen wahren Schatz für Tirols Cultur- und Verwaltungsgeschichte bilden. Neben den vorgenannten selbständig erschienenen Schriften veröffentlichte aber Wörz innerhalb der letzten zwanzig Jahre eine unglaublich große Zahl rechtsgeschichtlicher Aufsätze in verschiedenen öffentlichen Blättern; so in der officiellen „Landeszeitung“, in der „Inn-Zeitung“, im Innsbrucker „Tagblatt“, in den „Katholischen Blättern aus Tirol“, in der „Bozener Zeitung“ und auch in Wiener Journalen, wie in der „Reform“, in der „Debatte“ u. d. m. Man wird, und nicht mit Unrecht, erstaunt fragen, wie es kam, daß er in Blättern aller Farben thätig war. Dies erklärt sich aber sehr einfach, weil er keiner einzelnen Partei, sondern nur der historischen Wahrheit huldigte. Da kümmerte es ihn auch nicht, ob die beamtliche Partei darüber die Nase rümpfte, er war vor Allem Patriot und nahm sich als solcher, wenn es galt, die Wahrheit zu sagen, kein Blatt vor den Mund. So brachten denn die „Katholischen Blätter aus Tirol“ eine ganze Folge von kirchenrechtlichen Artikeln; der „Bote von Tirol und Vorarlberg“ deren über tirolisches Particularrecht; so 1862 „Rechtshistorische Bemerkungen über die österreichischen Toleranzgesetze“, von denen auch ein Separatdruck erschien. Wollte er aber seine socialpolitische Ueberzeugung zum Ausdrucke bringen, dannschrieb er in jene Blätter, die, sozusagen ex professo dem geistigen Fortschritte huldigten, und sprach sich darin aus ohne Rücksicht auf die Stellung, welche sie eben in Sachen der hohen Politik einnahmen. Wir haben bisher von Wörz dem Beamten und dem Fachschriftsteller gesprochen. Aber das Jahr 1848 war, wie für die politischen Verhältnisse, auch für den Einzelnen, der die Bewegung verstand und dem Vaterland ernstlich nützen wollte, das Jahr des Umschwungs, und als die Wahlen für den constituirenden Reichstag ausgeschrieben worden, ging Dr. Wörz im Wahlbezirke Imst als Deputirter hervor. Er blieb im Reichstage auch während der Octoberereignisse so lange, als derselbe noch beschlussfähig war, und begab sich dann nach Kremsier, wo er seinen Platz bis zur Auflösung des Reichstages einnahm. Hier aber war die Klippe, an welcher der subordinirte Staatsbeamte mit den bureaukratischen Traditionen in Conflict gerieth und wofür er auch – büßen mußte. Im December 1848 war Wörz endlich zum Gubernialregistratur- und Archivdirector ernannt worden. Als dann 1854 die Organisirung der politischen Behörden stattfand, erhielt der Mißliebiggewordene [230] eine Adjunctenstelle an der neu systemisirten Hilfsämterdirection der k. k. Statthalterei in Innsbruck, doch blieb ihm der bisherige Titel eines k. k. Directors. In dieser Stellung diente er bis zu seinem am 1. April 1865 erfolgten Uebertritt in den Ruhestand, vorher aber sollte an dem gemaßregelter Staatsdiener manches Unrecht noch gut gemacht werden, und so verlieh Seine Majestät der Kaiser demselben 1861 das goldene Verdienstkreuz mit der Krone, 1864 den Titel eines k. k. Rathes unt 1867 dem bereits seit Jahren im Ruhestande Befindlichen das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens. Denn Wörz blieb auch nach seiner Pensionirung noch immer als Lehenreferent und Privatdocent in Thätigkeit und erst 1867 erfolgte auf eigenes Ansuchen auch seine Enthebung vom Lehenreferate. Er war seit 1827 Mitglied des tirolischen Ferdinandeums; seit 1841 der k. k. Landwirthschaftsgesellschaft für Tirol und Vorarlberg; seit 1818 Mitgründer des Innsbrucker Musikvereines, zu dessen Ehrenmitgliede er noch wenige Tage vor seinem Tode anläßlich seiner 50jährigen Jubilarfeier ernannt wurde. Nur wenige Tage überlebte er diese Auszeichnung, denn am 30. Juli erlag er einer kurzen Krankheit im Alter von 71 Jahren. Wir berichteten, daß er sich bereits 1822 mit dem Weibe seiner Wahl vermält hatte. Die Geburt eines dritten Kindes kostete der Gattin am 31. December 1829 das Leben. Fortan widmete er sich der Erziehung seiner zwei am Leben gebliebenen Kinder, und erst nach einer Pause von 22 Jahren’ schritt er, am 29. September 1851, zur zweiten Ehe mit Crescenz Lener, die ihren Gatten überlebte. Wörz war als Beamter und Mensch ein Charakter in des Wortes voller Bedeutung. Als Beamter pflichttreu, als Mensch gediegen. Wenn die Geschichte sprach, ließ er kein Wenn und Aber gelten; sie war ihm der Wegweiser auf den Pfaden des Staatsbeamten und der Wissenschaft. Selbst aus den „unteren Schichten der Bevölkerung hervorgegangen, verleugnete er nie den Stolz auf diese seine Abkunft und fühlte sich Eins mit den Interessen des „gemeinen Mannes“. Als Politiker wenngleich durch und durch Tiroler, war er aber ein Tiroler des Fortschrittes, denn er sah in der Zunahme von Bildung und Freiheit das einzige Mittel, in seinem engeren Vaterlande Zustände herbeizuführen, in denen sich der Wahlspruch unserer Zeit: „Gleiches Recht für Alle“ verwirklichte.

Wörz (J. G. Dr.). Dr. Johann Georg Wörz, kaiserlicher Rath. Biographische Skizze verfaßt von dem Sohne u. s. w. (Innsbruck 1868, Wagner, 12°.) [diese Lebensskizze war zuvor abgedruckt im Boten für Tirol und Vorarlberg (Innsbruck. Fol.) 1868, Nr. 280 bis 287]. – Innsbrucker Tagblatt, 1868, Nr. 183: „Nachruf an Dr. J. G. Wörz“ (ein schwungvolles, alle Bürgertugenden des wackeren Volksmannes verherrlichendes Gedicht).