Zum Inhalt springen

BLKÖ:Wagenseil, Johann Christoph

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 52 (1885), ab Seite: 72. (Quelle)
Johann Christoph Wagenseil bei Wikisource
Johann Christoph Wagenseil in der Wikipedia
Johann Christoph Wagenseil in Wikidata
GND-Eintrag: 119090198, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Wagenseil, Johann Christoph|52|72|}}

In einiger Beziehung zu Oesterreich, namentlich zu Wien, insbesondere als Erzieher in mehreren hochadeligen Familien, steht der seinerzeit berühmte Professor an der Altdorfer Universität Johann Christoph Wagenseil (geb. zu Nürnberg 26. November 1633, gest. zu Altdorf 9. October 1705). Derselbe machte zu Stockholm, dann in Greifswalde, Rostock und zuletzt in Nürnberg so ausgezeichnete Studien, daß er, erst zwanzig Jahre alt, im Hause des Grafen Abensberg und Traun als Hofmeister aufgenommen wurde. Als solcher kam er auch 1657 in die gräflichen Häuser Stubenberg und Hardegg, 1659 ging er mit dem jungen Grafen von Hardegg nach Heidelberg und von da nach Straßburg; 1661 reiste er aber mit dem jungen Grafen Ferdinand Ernst von Traun-Abensberg [Bd. XLVII, S. 20, Nr. 8] durch ganz Deutschland, die Niederlande, England, Frankreich, Italien und Spanien und segelte von Cadix aus nach Africa. Sechs Jahre währte diese Reise, auf welcher er mit verschiedenen Gelehrten in näheren Verkehr trat und die bedeutendsten Bibliotheken besuchte, so daß er reiche Anschauungen und die mannigfachsten Kenntnisse gewann. Als er dann seine Erzieherstelle niedergelegt hatte, kam er 1667 als Professor der Geschichte an die Altdorfer Universität, 1673 aber trat er an derselben die Lehrkanzel für orientalische Sprachen an. 1676 wurde er Erzieher der pfälzischen Prinzen Adolph Johann und Gustav Samuel und. dann pfälzischer Rath. Im Jahre 1691 machte er wieder eine Reise nach Wien, wo er von Kaiser Leopold I. [73] sehr huldvoll in einer Audienz empfangen und auch beim hohen Adel auf das beste aufgenommen wurde. Ein Versuch, ihn für die Kaiserstadt zu gewinnen, in welcher er an der eben gegründeten Landschaftsakademie ein Lehramt übernehmen sollte, scheiterte. Von Wien begab sich Wagenseil nach Ungarn. Zuletzt bekleidete er das Lehramt des canonischen Rechtes und die Stelle des Bibliothekars in Altdorf, wo er auch im Alter von 72 Jahren starb. Er war ein Polyhistor in des Wortes bester Bedeutung. Die Zahl seiner Schriften, mannigfachsten Inhalts, ist sehr groß. Er war ein ausgemachter Gegner der Juden, gegen die er eine ganze Reihe von Schriften veröffentlichte, in denen sich eine genaue Kenntniß des Judenthums ausspricht. Wir gedenken von seinen Schriften, die zum größten Theile nur noch ein antiquarisches Interesse haben, blos seines für die österreichischen, insbesondere die Residenzstadt Wien betreffenden Zustände damaliger Zeit höchst interessanten Briefes, welcher zu Altdorf 1694 in 4°. erschien und den Titel führt: „Joh. Christophori Wagenseilii de Hydraspide sua, sive adversus extrema pericula aquarum munimento ac praesidio ad Petrum Valckenierium potentissimorum foederati Belgii ordinum ad S. R. J. Comitia Legatum epistola“. Außer Leichenreden, welche Christoph Sonntag und Adam Balthasar Werner auf ihn gehalten und 1705 in Folio haben drucken lassen, erschien noch sein Leben, beschrieben von Friedrich Roth-Scholz (Nürnberg 1819) und bald nach seinem Tode die Schrift: „Hamaxoschoenomnema s. memoria „Wagenseiliana““ (Altdorf 1709) mit einem Verzeichniß seiner Werke. Sein Porträt haben J. J. Haid und J. Sandrart (4°.), M. Fennitzer (kl.-Fol.) gestochen. Als eine Sonderbarkeit dieses Gelehrten sei erwähnt, daß er sich niemals die Nägel schnitt, wodurch dieselben die Größe von Adlerklauen erreichten. Daher trug er, um die Nägel an den Füßen nicht zu verletzen, sehr lange Schuhe. Kam er um ein Eckhaus herum, so riefen die Leute, ehe sie ihn noch sahen: „Wagenseil kommt, man sieht schon seine Schuhe“.