Zum Inhalt springen

BLKÖ:Wiest (Garde-Schneidermeister)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Wiest, Franz
Band: 56 (1888), ab Seite: 97. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Wiest in Wikidata
GND-Eintrag: [1], SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Wiest (Garde-Schneidermeister)|56|97|}}

Wiest’s Vater, der kaiserliche Garde-Schneidermeister (geb. 1768, gest. in Wien im December 1865) überlebte um viele Jahre seinen Sohn und hat sich durch einen drastischen Rath, den er dem Allgewaltigen Oesterreichs kurz vor der Märzkatastrophe gegeben, eine Stelle in den anekdotischen Blättern der österreichischen Geschichte gesichert. Meister Wiest war nämlich der Leibschneider des Fürsten Metternich, der es liebte, mit dem alten Schneider, welcher ihn über ein Vierteljahrhundert bereits bediente, dann und wann in ein Gespräch sich einzulassen, das Wiener Zustände zum Gegenstande hatte. So erschien denn eines Tages in einer der ersten Wochen des Jahres 1848 Meister Wiest bei dem Staatskanzler, um demselben einen neuen Anzug anzuprobiren. Der Fürst war diesmal eben wenig bei Laune, ja sogar verstimmt, was der alte Gewerbsmann alsbald erkannte. „Durchlaucht“, begann nun Schneider Wiest, dem die Verstimmung des Staatsmannes zu Herzen ging, „darf ich mir eine Bitte auszusprechen erlauben?“ – „Nun meinte der Fürst. – „Durchlaucht“, fuhr Wiest fort, „haben ein großes mühseliges Geschäft, das gibt viel Verdruß. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, ich thät’ mich nicht mehr plagen und setzet mich zur Ruh! Zum Leben haben Sie ja genug, überlassen Sie das Geschäft jüngeren Leuten, Sie werden sehen, es wird besser sein.“ – „Wiest“, entgegnete der Staatskanzler, „aus Ihnen spricht ein Demagog. Ich werde mein „„Geschäft““ erst aufgeben, wenn mich der Tod abruft, sagen Sie das den Leuten.“ Die Kundschaft war verloren. Wiest hat dem Fürsten Metternich nie mehr ein Kleid gemacht, und als einige Wochen später Fürst Metternich, der Macht der Zeitereignisse weichend, dennoch das „Geschäft“ aufgab, sagte Wiest: „Ich hab’s vorausgesehen, wenn man zu alt wird, thut’s nicht mehr“ und ging aus Rache über die verlorene fürstliche Kundschaft unter die Studenten und wurde „akademischer Legionsschneider“. Nun, so lange der Trubel vorhielt, blühte das neue Geschäft. Wiest konnte mit den Uniformen der Legionäre nicht fertig werden. Als er aber die Conti anfertigte, brach die October-Revolution aus, und bald waren die Legionäre in alle Winde zerstoben. Wiest überlebte noch um viele Jahre die 1848er Katastrophe, als man ihn aber in den Sarg legte, wurde dieser mit lauter unbezahlten Contis aus dem Sturmjahre austapezirt.