BLKÖ:Wohlsberger, N.

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wohlwend, Fidel
Band: 57 (1889), ab Seite: 249. (Quelle)
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Wohlsberger, N. (Wiener Bürger, Geburtsjahr unbekannt, gest. in Wien Anfang April 1868). Dieser Wiener Bürger, der in der Rochusgasse auf der Landstraße ein wohlhabender Hausbesitzer war, hat sich durch seine wohlthätigen Zwecken gewidmete letztwillige Bestimmung ein Anrecht auf bleibende Erinnerung erworben. „So lange seine Gattin lebt“, verfügte er letztwillig, „fällt die Nutznießung des aus dem gedachten Hause, einigen Haussätzen und Barcapitalien bestehenden Vermögens seiner Witwe zu. Nach ihrem Tode aber wird eine Stiftung aus dem Gesammtvermögen gebildet mit der Widmung, daß aus dem Ertrage arbeitsunfähig gewordene arme Gemeindeangehörige unterstützt werden sollen.“ Diese letztwillige Verfügung machte an und für sich großes Aufsehen, noch mehr aber durch einen mit ihr in Verbindung stehenden Nebenumstand. Wohlsberger hatte vor einigen Jahren ein Testament aufgesetzt, worin zum Erben einer Haushälfte das Kloster der Elisabethinerinen eingesetzt war. Im Herbste 1867 wurde eine Schwester Wohlberger’s von einer nach dem Ausspruche der Aerzte langwierigen und unheilbaren Krankheit befallen. Da die schwer kranke Schwester im eigenen Hause keine genügende Pflege fand; so ersuchte Wohlsberger die Elisabethinerinen um die Aufnahme der Patientin. Als die Nonnen aber von dem Zustande derselben Kenntniß erhielten, verweigerten sie die Aufnahme. Nun ließ er einen der Pfarrgeistlichen zu sich bitten, zeigte ihm das Testament, erzählte ihm den Fall und erklärte, bei so bewandten Umständen werde er das Testament vernichten und ein anderes machen. Der geistliche Herr muß sich sofort in das Kloster der frommen Schwestern begeben und dort berichtet haben, was er eben bei Herrn Wohlsberger erfahren, denn schon in wenigen Stunden ließen die Elisabethinerinen unter Anwendung aller erdenklichen Sorgfalt die Kranke in das Kloster abholen, wo sie nach einiger Zeit auch von ihrem Leiden durch den Tod erlöst wurde. Wohlsberger vernichtete aber noch in derselben Nacht, in welcher seine Schwestern zu den Nonnen kam, sein Testament und errichtete ein neues, nach dessen im Eingang dieser Zeilen mitgetheilten Bestimmungen statt der Nonnen arbeitsunfähige arme Mitbürger zu Erben eingesetzt wurden. Die Bestattung des humanen Wiener Bürgers gestaltete sich unter den obwaltenden Umständen zu einer großen Leichenfeier.

Neues Wiener Tagblatt, 1868, Nr. 135 im Feuilleton: „Geschichte eines Testamentes“.