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BLKÖ:Riedel, Joseph Gottfried Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Riedel, Karl
Band: 26 (1874), ab Seite: 95. (Quelle)
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Riedel, Joseph Gottfried Ritter von (Director der k. k. Irrenheilanstalt in Wien, geb. zu Friedland in Böhmen 17. Jänner 1803, gest. zu Wien 7. November 1870). Sein Vater betrieb das Tuchmachergewerbe und der Sohn erhielt den ersten Unterricht in der seiner tüchtigen Lehrer wegen damals allgemein geschätzten Friedländer Stadtschule; im Jahre 1814 kam er nach Prag, wo er das Gymnasium auf der Kleinseite besuchte und schon als Gymnasialschüler genöthigt war, Unterrichtsstunden zu geben, da die von seinen Eltern ihm gewährte Unterstützung für seinen Lebensunterhalt nicht ausreichte. Erst, als er die philosophischen und medicinischen Studien hörte, riß ihn die Munificenz des 1838 verstorbenen Grafen Christian Clam-Gallas aus der Sphäre der Schulmeisterei heraus, ermöglichte ihm, sich ausschließlich den Studien zu widmen und nach überstandenen Rigorosen zum Doctor der Medicin zu promoviren. Noch während seiner Vorbereitungsstudien zum Doctor wurde R. im Jahre 1828 als Secundararzt in der [96] k. k. Irrenanstalt zu Prag angestellt, wurde im folgenden Jahre Assistent des Professors der Augenheilkunde, Dr. J. N. Fischer, an der Prager Hochschule und erlangte im Jahre 1830 die Doctorwürde, bei welcher Gelegenheit er als Inaugural-Dissertation die Schrift: „Prags Irrenanstalt und ihre Leistungen in den Jahren 1827, 1828 und 1829, nebst den Anzeigen zur Einsendung in die öffentliche Anstalt, der Bedingungen zur Aufnahme in dieselbe, der Art der Transportirung und der Behandlung der genesenen Geisteskranken“ (Prag 1830, Calve, gr. 8°., mit 4 lith. Tafeln) veröffentlichte, an welche sich Nowak’s „Notizen über die Privat-Irrenanstalt“ anschließen. Als im Jahre 1831 die Cholera-Epidemie in Galizien ausbrach, wurde R. nach Lemberg entsendet, wo er durch sechs Monate das erste und größte Choleraspital zu St. Magdalena leitete und über 2000 Cholerakranke behandelte. Bei seiner Rückkehr nach Böhmen wurde ihm die Errichtung der Contumaz- und Rastell-Anstalten an der böhmisch-schlesischen Grenze zur Verhütung des Cholera-Einbruches übertragen, wobei er von der Ueberzeugung der Unzulänglichkeit dieser Anstalt eine Reduction der bereits beantragten und dadurch eine Ersparung großer, zwecklos zu verausgabender Summen erzielte. Ueberdieß gab er bei dieser Gelegenheit seine in Galizien bei Behandlung der von der Seuche Befallenen gemachten Beobachtungen in einer besonderen Schrift: „Die asiatische Brechruhr nach den in Galizien gemachten Erfahrungen und Beobachtungen“ (Prag 1832, Haase Söhne, gr. 8°.) heraus. Als die Cholera in Böhmen zum Ausbruche kam, wurde R. mit den Einleitungen der sanitätspolizeilichen Maßregeln in sechs Kreisen betraut, wobei er auch die Behandlung der Cholerakranken in mehreren Bezirken selbstständig leitete und über die Entstehung, Weiterverbreitung und den Gang der Epidemie in drei Kreisen den Bericht an das böhmische Gubernium erstattete. Nach dem Erlöschen der Seuche in Böhmen leistete R. als Kreisarzt in den Jahren 1835–1837 Dienste und wurde im letztgenannten Jahre als Primararzt in die Prager Irrenanstalt berufen. Nun befand er sich auf jenem Posten, für den er seit Beginn seiner Studien, in welchen ihn die praktische Psychiatrie vor allem Anderen fesselte und zu welchem Zwecke er noch als Student Reisen gemacht und die berühmtesten Irrenanstalten des Auslandes besucht hatte, eine besondere Vorliebe hegte. Von nun an als Primararzt und Director der Prager Irrenanstalt nahm er auf die Einrichtung und Organisation und auf die im Jahre 1842 vollzogene Trennung der Anstalt von dem allgemeinen Krankenhause den wesentlichsten Einfluß. Bei dem Baue des Prager neuen Irrenhauses waren seine Vorschläge und Anträge maßgebend, und allmälig gelangte eben unter seiner Leitung die Prager Irrenanstalt im In- und Auslande zu dem Rufe, eine der besten Irrenanstalten Deutschlands zu sein. Ueber seinen Antrag wurde die Einführung praktischer Vorträge über Psychiatrie – der ersten in Oesterreich – ferner vieler Einrichtungen genehmigt, welche als zweckmäßig in in- und ausländischen Anstalten Nachahmung fanden. Im Jahre 1847 wurde ihm noch die Supplirung der Direction aller Prager Kranken- und Wohlthätigkeits-Anstalten mit Beibehaltung der Irrenhaus-Direction übertragen und führte er dieselbe bis zu seiner im Jahre 1851 erfolgten Berufung nach Wien. Als Medicinalrath und Director der Wiener Irren-Anstalt leitete [97] er den schon im Jahre 1849 begonnenen großartigen Neubau des Irrenhauses in Wien, die Organisation der inneren Einrichtung und die Reorganisation des noch aus der Josephinischen Periode stammenden Narrenthurms, der in eine Pflegeanstalt umgewandelt wurde. Als das neue Irrenhaus im Jahre 1853 zur vollen Benützung eröffnet wurde, gewann auch dieses bald den Ruf, den vor ihr die Prager erlangt hatte. Im Jahre 1851 wurde R. der im Ministerium des Innern errichteten Organisirungs-, späteren ständigen Medicinal-Commission beigezogen und ihm als Mitglied derselben das Referat über alle Arbeiten in Irrenangelegenheiten übertragen und wurden nach seinen Vorschlägen und Anträgen die projectirten Neubauten der Irrenhäuser in Pesth-Ofen, Hermannstadt, Venedig, Brünn, Ybbs, Agram, Lemberg ausgeführt. Im Verlaufe seiner Dienstleistung an der Prager und Wiener Irrenanstalt wurde R. auch mit der Begutachtung von ausländischen Neubauten in Berlin, Baden, Braunschweig betraut. Im Jahre 1859 erfolgte seine Ernennung zum Regierungsrathe. R. kann als der Reformator des Irrenwesens in Oesterreich, das vor ihm noch sehr im Argen gelegen, angesehen werden. Seine Reform bezieht sich vornehmlich auf die humanistische Richtung, welche in Behandlung der Irren Platz griff. Diese vordem ziemlich thierischen Wesen gleichgehalten, wurden nun in die Kategorie kranker Menschen versetzt, denen in Anbetracht ihres Leidens, das in der Regel ein schwereres als andere vorübergehende Krankheiten, und ein geheimnißvolleres, weil es die letzten Spuren der Menschlichkeit grausam verwischt, nur erhöhtere Sorgfalt und fast übermenschliche Geduld zugewendet werden muß. Riedel hat in seinen herrlichen Reformen den Forderungen des Staates, der Wissenschaft und Humanität Rechnung getragen. R.’s Verdienste um die leidende Menschheit wurden höchsten Orts durch die Verleihung des Ritterkreuzes des Franz Joseph- und des Ordens der eisernen Krone 3. Classe gewürdigt, welch letzterer im Jahre 1868 statutengemäß die Erhebung in den erbländischen Ritterstand folgte. Auch von Seite der Wissenschaft fehlte es nicht an Würdigung und Anerkennung seiner Verdienste; nicht nur, daß er Mitglied vieler gemeinnütziger und wohlthätiger Vereine war, haben ihn auch die Gesellschaften der Aerzte in Wien, Berlin, Freiburg und Lemberg, ferner jene der Gerichtsärzte in Baden und die wissenschaftliche in Erlangen in den Schooß ihrer Mitglieder aufgenommen; während seines Aufenthaltes in Prag wurde er Bezirks-Armendirector, Mitdirector des Armenhauses, im Jahre 1850 Communalrath und Ehrenhauptmann des Prager bürgerlichen Scharfschützencorps. Bald nach Erkrankung der unglücklichen Erzherzogin Charlotte, Kaiserin von Mexiko, wurde R. zu ihrer Behandlung berufen und ihm das Commandeurkreuz des Guadeloupe-Ordens verliehen. Seit 1833 mit Pauline Speer verheirathet, stammen aus dieser Ehe folgende Kinder: Marie (geb. 1835), vermält mit dem Arzte und Doctor der Medicin in Wien, A. Duchek, – Karoline (geb. 1836), – Johann (geb. 1839), Doctor der Medicin in Wien, – und Josephine (geb. 1842).

Ritterstands-Diplom ddo. 10. Februar 1868. – Erinnerungen (Prager Unterhaltungsblatt, 4°.) 1856, S. 248. – Wiener Zeitung 1870, in den Nummern zwischen 7.–14. November: „Nekrolog“ von Dr. Meynert. – Friedlandia (Taschenbuch, 12°.) 1854, S. 161: „Dr. J. G. Riedel biographische [98] Skizze von Isidor Wilfing“. – Genealogisches Taschenbuch der Ritter- und Adelsgeschlechter (Brünn, Buschak und Irrgang, 24°.) I. Jahrg. (1870), S. 359 [mit vielen Irrthümern: erstens schreibt er sich Riedel und nicht Riedl; dann ist das Wappen ganz unrichtig beschrieben; drittens ist er seit 1833, nicht seit 1811 verheirathet; viertens heißt der Mann der Tochter Marie: Duchek und nicht Duschek]. – Porträte. 1) Lithographie in den „Erinnerungen“ 1856; – 2) Unterschrift. Facsimile des Namenszuges: Medicinalrath Dr. Riedel. Lith. von Prinzhofer (gedr. bei J. Höfelich’s Wwe. in Wien, 8°., u. 4°.). – Wappen. Ein von Blau über Gold quergetheilter Schild. Oben ein Leuchtthurm, hervorgehend aus einem Zinnenthurme mit vierseitiger Umfassungsmauer, in offener bewegter See, Alles in natürlicher Gestalt und Farbe. Unten ein rother Pfahl, belegt mit fünf silbernen Sternen, wovon der größere über den anderen in’s Viereck gereiheten gestellt ist. Auf dem Schilde ruhen zwei zueinander gekehrte gekrönte Turnierhelme. Jede Krone trägt einen geschlossenen Adlerflug, der zur Rechten ist blau und von einem schräglinken silbernen, jener zur Linken ist golden und von einem schrägrechten rothen Balken durchzogen. Die Helmdecken des rechten sind blau mit Silber, jene des linken roth mit Gold unterlegt.