BLKÖ:Schmid, Mathias
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 30 (1875), ab Seite: 299. (Quelle) | |||
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Steub, widmen ihren Pinsel vornehmlich den Feld- und Grabkreuzen und den Bildstöckeln und „Marterln“, das[WS 1] heißt den kleinen Erinnerungstafeln für fromme Christen, die im Freien verunglückt sind. Da auf solchen Denkmälern gewöhnlich die armen Seelen in ihrem Flammenpfuhle, umgeben von den höllischen Geistern, dargestellt werden, so nennt man diese Künstler gewöhnlich Tuifelemaler. Zu einem solchen, der in Tarrenz sein Atelier hatte, kam Mathias. Sein Meister ertheilte ihm zunächst nur Unterricht im Farbenreiben, ließ ihn aber desto fleißiger Wasser tragen, Holz spalten und andere häusliche Arbeiten verrichten. Nur einmal, wie uns sein Biograph Steub in drastischer Weise erzählt, gab ihm der Lehrherr einen ehrenden Beweis seines Vertrauens und überraschte ihn mit einem höchst delicaten Auftrage. Die Kirche in seinem Geburtsorte See war nämlich mit einem älteren Deckengemälde geschmückt, das den ersten Sündenfall darstellte. Mutter Eva trat nun auch am Plafond zu See in ihrer gewöhnlichen Tracht auf, welche allerdings nahezu gar keiner gleichkommt; allein viele Menschenalter hatten dort an dieser ihrer Erscheinung nicht den mindesten Anstoß genommen, und erst die neuere Ascese begann sie unerträglich zu finden, so ließ denn auch eines Tages der reizbare Dorfcurat den Maler von Tarrenz kommen, machte ihn auf den Scandal auf der Decke oben aufmerksam und verlangte, er solle mit seinem Pinsel Zucht und Anstand herstellen im Paradiese. [300] Der Apelles von Tarrenz versprach sein Möglichstes zu thun, wußte sich aber doch nicht recht zu helfen und übertrug die Aufgabe seinem Lehrlinge Mathias Schmid. Dieser ließ sich muthig in einem Kübel zur Decke hinaufziehen, und da er unserer Erzmutter doch weder Talar noch Burnus oder Regenmantel umhängen wollte, so tauchte er seinen Pinsel in hellgrüne Wasserfarben und malte eine saftige Staude hin, die sich über Eva’s weißen Leib bis zu dem Puncte hinaufrankte, den der Curat als die äußerste Grenze erlaubter Decolletirung bezeichnet hatte. Diese Arbeit errang sich zwar die volle Zufriedenheit des Seelenhirten, wie die des Lehrherrn, allein, um den Schüler nach solchen Erfolgen vor dem gewöhnlichen Hochmuthe der Künstler zu bewahren, ließ ihn Letzterer gleichwohl gemeinschaftlich mit dem Patznauner Maurergesellen auch noch die Kirche verputzen und herunterweißen. Als nun der Vater einmal herangereist war, um die Fortschritte seines Sohnes in Augenschein zu nehmen, hörte er nur dessen Klagen über verlorne Zeit und unwürdige Behandlung, sah aber auch selber ein, daß sein Mathias in dieser Lehre sich nicht entfalten könne und sandte ihn auf sein dringendes Bitten nach München. Hier trat Mathias zuerst als Gehilfe bei einem Vergolder ein, als er aber inne wurde, daß er auch da nicht auf dem rechten Wege sei, ging er als Schüler in die Akademie der Künste über. Dort offenbarte sich in kurzer Zeit sein Talent. Sein Bild: „Frau Ruth, wie sie nach Bethlehem zieht“, wurde von dem damaligen Statthalter von Tirol, Erzherzog Karl Ludwig, angekauft. Das war ein Erfolg, der mächtig anspornte und auch andere Kreise auf den vielversprechenden jungen Künstler aufmerksam machte. So gab der damalige Bürgermeister Karl Adam zu Innsbruck Schmid 1859 den Auftrag, im Friedhofe der Stadt ein größeres Gemälde: „Die drei Frauen am Grabe“, stereochromisch auszuführen, welche Aufgabe S. zu allgemeiner Zufriedenheit löste. So wurde Schmid immer bekannter und auch seine Landsleute im Paznauner Thale wendeten ihm mehr Aufmerksamkeit zu. So geschah es, daß die Gemeinde seines Geburtsortes See ihm den Auftrag gab, für die Kirche ihres Dorfes drei Altarblätter zu malen. Er ging mit Eifer an die Zeichnung der Cartons und hoffte, wie Steub erzählt, für etliche Zeit vor Kummer und Noth gesichert zu sein. Die Cartons waren auch schon der Vollendung nahe, als ihr Schöpfer die Botschaft erhielt, daß in seinem Geburtsorte soeben eine heilige Mission der Ligorianer ihre Aufgabe begonnen und daß die Bußprediger die Männer der Gemeinde überredet hatten, die für jene Altarbilder gesammelten Gelder zur Stiftung einer Mission zu verwenden, welche alle zehn Jahre sich einfinden sollte. In anderem Falle stünde den Paznaunern bei ihren zahllosen Sünden und Lastern noch eher, als den anderen Tirolern, ewige Verdammniß in der Hölle in Sicht. Mit dieser Nachricht war S.’s Lebenshimmel plötzlich ganz verdüstert. Mit dem letzten Pfennige schlich sich der junge Maler nach Innsbruck, hatte sich aber dort durch einige unpolitische Aeußerungen über Staat und Kirche eher Verfolgung, als Unterstützung zugezogen. Als er auch bei seinen Freunden keine Hilfe fand, so blieb ihm nichts übrig, als sich in das väterliche Haus zu See zurückzuziehen. Aber der Vater war mittlerweile gestorben und da Mathias, der es seiner Zeit verschmäht hatte, ein [301] „Tuifelemaler“ zu werden, jetzt im Unglücke saß, so hatte er noch von seinen Verwandten und Landsleuten die bittersten Kränkungen zu erleiden. Zudem hetzte die Geistlichkeit seine Geschwister auf, ihm seine ketzerischen Bücher zu verbrennen, noch mehr: da er beim Gottesdienste bereits etliche Male gefehlt hatte, hatte sie nichts Geringeres im Sinne, als ihn am nächsten Sonntag zum warnenden Exempel durch die Gendarmerie abholen und in die Kirche bringen zu lassen. Mathias aber, der von diesem nichtswürdigen Anschlage noch rechtzeitig Kunde erhalten hatte, verließ, um solcher Beschimpfung zu entgehen, sofort Vaterhaus und Heimatsdorf, wo er ein Vierteljahr in eben nicht erquicklichen Verhältnissen verlebt hatte. Seine Lage wäre eine noch mißlichere gewesen, wenn nicht einer seiner Brüder das Herz am rechten Fleck gehabt und den verlassenen Bruder unterstützt hätte. So wurde es Mathias möglich, einige Wochen in Innsbruck zu verbleiben und sich dort um ein landständisches Stipendium zu bewerben, das ihm auch gewährt wurde. Das Stipendium war eigentlich für christliche Kunst verliehen, und um dieser Aufgabe gerecht zu werden, war S. auch beflissen, Madonnen, Heilige, Propheten und Apostel zu malen und sie als Belege seiner entsprechenden Thätigkeit von Zeit zu Zeit zur Einsicht vorzulegen. Aber so fleißig er diese heiligen Sachen malte, sie brachten ihm, da sie Niemand kaufte, kein Geld und S. mußte sich auf andere Weise helfen. Er fing also an, um sich Geld zum Unterhalte zu verdienen, für die Gartenlaube und andere illustrirte Zeitungen zu zeichnen, was ihm aber von den Clericalen in Innsbruck bald sehr übel vermerkt wurde. Nachdem er das Stipendium ein paar Jahre genossen, wurde ihm eine weitere Erstreckung abgeschlagen, und zwar nicht deßhalb, weil er des Stipendiums nicht mehr bedürfte, nicht, weil er in seinen Leistungen den gehegten Erwartungen nicht entsprochen, sondern, wie Steub schreibt, „weil er durch jene weltlichen Arbeiten aus der Art geschlagen und in Innsbruck auch einmal an einem Freitag Fleisch gegessen hatte“. Schmid ließ sich durch solche Erfahrungen nicht entmuthigen. Nachdem er im Mai 1867 in Salzburg eine junge Münchnerin geheirathet, schlug er in genannter Stadt seinen Wohnsitz auf, sagte, wie sein Biograph schreibt, den lieben Heiligen Valet, verzichtete überhaupt auf die ganze christliche Mythologie und wählte sich seine Motive fortan aus dem Tiroler Volksleben und anderen populären Gebieten. Den Grundstein zu seinem irdischen Fortkommen legte jetzt aber, wie der Künstler selbst dankbar zu rühmen pflegt, Herr J. A. Ritter von Tschavoll, ein kunstliebender Edelmann, der ihm im Jahre 1867 den Auftrag gab, die Halle seines neuen prachtvollen Landsitzes auf dem Margarethenkopf bei Feldkirch mit Bildern aus den Vorarlberger Volkssagen zu schmücken. Davon sind einige in Photographien erschienen, wie: „Die drei Schwestern und ein sie verfolgender Zwerg“; – „Geisterpredigt am Lünersee“, auf gespenstischem Rosse erscheint ein Priester zweien Bauern. Um dem Orte einer mit Liebe gepflegten Thätigkeit näher zu sein, übersiedelte S. im Jahre 1869 nach München, wo er mit seinem Landsmann und Freunde Deferegger die in vergangenen Tagen geschlossene Freundschaft wieder erneuerte. Durch Deferegger kam er mit Professor Piloty in Verbindung, der Schmidt nun unter seine Schüler aufnahm. Unter Piloty’s Anleitung suchte der junge [302] Künstler seine letzte Ausbildung zu erwerben. Mit dieses Meisters Rath und Lehre machte er alsbald jene raschen Fortschritte, die ihm von allen Seiten warme Anerkennung, reiches Lob und überdieß ein sorgenfreies Leben gewährten. Mathias Schmid behandelt nun, wie Steub berichtet, mit Vorliebe heitere Gegenstände aus der clericalen Wirklichkeit seiner Heimat. Denn er hielt es für eine schöne Aufgabe, durch humoristische Darstellung der menschlichen Schwächen jener Herren, die ihn im Leben bereits genug drangsalirt, zu ihrer Besserung und Veredlung nach seinen Kräften beizutragen und ihnen so alle die Mühe, die sie vordem auf seine Erziehung und Correction verwendet haben, jetzt reichlich zu vergelten. So hat denn Schmid das kirchliche Gebiet, für welches sein Pinsel ursprünglich bestimmt war und auf welchem er doch nur darbte, durchaus nicht aufgegeben, nur hat er es von einer andern, nicht der verherrlichenden, sondern von der pädagogischen Seite erfaßt, er will jetzt weniger erbauen, als belehren und bessern, womit freilich die Getroffenen, die über ihre Schwächen den Mantel christlicher Liebe gebreitet sehen wollen, nicht eben einverstanden oder gar zufrieden sind. Dieser pädagogischen Richtung verdankt Schmid’s erstes größeres Oelbild: „Die Bettelmönche“, seine Entstehung. Als dieses ungemein gefiel, folgte ihm das mit köstlicher Laune entworfene Meisterstück: „Die Beichtzettel-Ablieferung“. Mehrere Arbeiten des Künstlers waren in den Monats-Ausstellungen des österreichischen Kunstvereins zu sehen, und zwar 1866, im Februar: „Die Grablegung Christi“ (1000 fl.), von welchem Bilde die „Illustrirte Zeitung“ 1865, Nr. 1137, eine hübsche Darstellung im Holzschnitte brachte; – „Verleihung der Schlüsselgewalt“, eine treffliche, wohlgeordnete, klare Composition, ganz im Geiste der Schraudolph-Schule, mit einer schönen Landschaft im Hintergrunde; von diesem Bilde, wie von der „Grablegung“, erschienen zwei große, von Albert in München ausgeführte Photographien; – 1867, im October: „Wanderung nach Emaus“ (250 fl.); – 1868, im December: „Ein Berchtesgadner Künstler-Atelier“ (250 fl.); – 1869, im Jänner: „Tiroler Gaisbuben“ (200 fl.); – im März: „Tiroler Nörgelen“ (Bergkobolde, 225 fl.); – im Mai: „Tiroler Bilderhändler“ (300 fl.); – 1871, im Mai: „Die Ueberraschung im Schlummer“ (500 fl.); – 1872, im April: „Karrenzieher in den Alpen“; – im December: „Die Strafpredigt“, Eigenthum des Grafen Joh. Pálffy. Auch eine Landschaft in großem ernsten Style hat Mathias Schmid gemalt: „Die Bantenbrücke im Canton Glarus“, im Vordergrunde hat er sich selbst als Touristen staffirt, der mit einem sitzenden Mädchen plaudert. Außer den bisher angeführten Oelgemälden lieferte er, wie bereits erwähnt, mehrere Zeichnungen für stark verbreitete Unterhaltungsblätter, von denen hier angeführt seien für die bereits genannte Illustrirte Zeitung: „Ein Sonntagstanz im Zillerthale“ (1866, Nr. 1175); – „Eine ländliche Frohnleichnams-Procession in Tirol“ (1869, Nr. 1352); – für Hallberger’s Illustrirte Welt: „Die verstiegene Ziege“ (1871, Nr. 40); – für Ueber Land und Meer: „Das Leben des Gemsjägers in Tirol“, eine Gruppe von 9 Bildern; – für die Keil’sche Gartenlaube: „Das Rautenholen in Tirol“ (1865, S. 493); – „Italienische Arbeiter an der Brennerbahn“ (1866, S. 13); – „Arme Leute, fromme Leute“ (1873, S. 619); – „Abgabe der Beichtzettel“ [303] (1874, S. 175). Herausgeber dieses Lexikons möchte auch „Die Herrgottshändler“ (1865, S. 596), „Die Wildheuerinen“ (1866, S. 252) und „Heimliche Kirchweih“ (1866, S. 789) für Mathias Schmidt’s Arbeiten halten. Ueber die jüngsten Arbeiten des Künstlers und ihren Preis, der im Jahre 1866 für die in ihren Dimensionen große „Grablegung“ nicht mehr denn 1000 fl. bezog, erfahren wir aus einem der so inhaltreichen Wiener Briefe (XLIV, 1875, Nr. 133, Beilage), daß der Künstler für sein Bild: „Der Ehrenschub“, wo eine prächtig gezeichnete Dirne an ihrem Annentage sich eben anschickt, alle Neune zu werfen, um den Preishammel zu gewinnen, die Summe von 9000 fl. begehrt. Nun, bemerkt Herr v. V. treffend dazu, das Ganze ist in der Mode, und in einer Zeit, wo ein winziger Fortuny oder Gerome mit 60 bis 80.000 Francs – freilich in Paris – bezahlt wird, dürfte Schm. voraussichtlich seinen Mann finden.
88. Schmid, Mathias (Maler, geb. im Dorfe See im Thale Paznaun im Oberinnthale Tirols am 14. November 1835). In zarter Jugend gab Mathias unwiderlegliche Beweise seines ausgesprochenen Zeichentalents, denn, noch ein zartes Knäblein, zeichnete er nicht selten auf die schwarze Rechentafel in der Schule mit weißer Kreide sein gutmüthiges Schulmeisterlein, wenn dieses eben nicht da war, und so ähnlich, daß seine Mitschüler sofort im Conterfei das Original erkannten. Als Mathias fünfzehn Jahre alt war, stand sein Entschluß fest, Maler zu werden, und endlich entschloß sich der Vater, ihm seinen Willen zu lassen und gab ihn in Tarrenz als Lehrling zu einem „Tuifelemaler“. Die Tuifelemaler in Tirol, schreibt- Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) 1865, Nr. 1137: „Schmid’s Grablegung Christi“; 1866, Nr. 1175: „Ein Sonntagstanz im Zillerthale“; 1869, Nr. 1352: „Eine ländliche Frohnleichnams-Procession in Tirol“. – Die Künstler aller Zeiten und Völker. Begonnen von Prof. Fr. Müller, fortgesetzt von Dr. Karl Klunzinger (Stuttgart 1860, Ebner u. Seubert, gr. 8°.), im Anhange S. 385. – Tiroler-Stimmen (Innsbruck. 4°.) 1865, Nr. 285: Kunstnotiz. – Bote für Tirol und Vorarlberg 1865, Nr. 80, S. 325: „M. Schmid’s Atelier in München“; Nr. 162, S. 677: „Die Grablegung Christi“ von Mathias Schmid. – Steub (Ludwig), Kleinere Schriften. Dritter Band: Tirolische Miscellen (Stuttgart 1874, Cotta, 8°.) S. 372 u. f.: „Mathias Schmid“. – Monats-Verzeichnisse des österreichischen Kunstvereins, 1866, Februar Nr. 16; 1868, December Nr. 100; 1869, Jänner Nr. 50, März Nr. 140, Mai Nr. 106; 1871, Mai Nr. 69; 1872, März-April Nr. 49. – Porträt. In Photographie bei Jos. B. Scherer um das Jahr 1866 gemacht.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: daß