Bekanntmachung, betreffend Vorschriften über das Arbeiten und den Verkehr mit Krankheitserregern, ausgenommen Pesterreger

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Titel: Bekanntmachung, betreffend Vorschriften über das Arbeiten und den Verkehr mit Krankheitserregern, ausgenommen Pesterreger.
Abkürzung:
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Geltungsbereich:
Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1904, Nr. 20, Seite 159–163
Fassung vom: 4. Mai 1904
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 9. Mai 1904
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(Nr. 3038.) Bekanntmachung, betreffend Vorschriften über das Arbeiten und den Verkehr mit Krankheitserregern, ausgenommen Pesterreger. Vom 4. Mai 1904.

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 28. April d. J. auf Grund des § 27 des Gesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, vom 30. Juni 1900 (Reichs-Gesetzbl. S. 306) die nachstehenden Vorschriften über das Arbeiten und den Verkehr mit Krankheitserregern, ausgenommen Pesterreger, beschlossen.

Berlin, den 4. Mai 1904.
Der Stellvertreter des Reichskanzlers.

Graf von Posadowsky.

[160]

Vorschriften über das Arbeiten und den Verkehr mit Krankheitserregern, ausgenommen Pesterreger.

§ 1.

Wer mit den Erregern der Cholera oder des Rotzes oder mit Material, welches solche Erreger enthält, arbeiten will, ferner wer derartige Erreger in lebendem Zustand aufbewahren oder abgeben will, bedarf dazu der Erlaubnis der Landes-Zentralbehörde. An Stelle der letzteren treten für das Kaiserliche Gesundheitsamt das Reichsamt des Innern, für Militäranstalten das zuständige Kriegsministerium, für Marineanstalten das Reichs-Marineamt. Die Erlaubnis darf nur für bestimmte Räume und nur nach Ausweis der erforderlichen wissenschaftlichen Ausbildung erteilt werden. Die den Leitern öffentlicher Anstalten erteilte Erlaubnis gilt auch für die unter ihrer Leitung in diesen Anstalten beschäftigten Personen.
Der Erlaubnis bedarf es nicht bei Untersuchungen, welche der behandelnde Arzt oder Tierarzt zu ausschließlich diagnostischen Zwecken in seiner Praxis bis zur Feststellung der Krankheitsart nach den üblichen diagnostisch-bakteriologischen Untersuchungsmethoden vornimmt.
Lebende Erreger der Cholera oder des Rotzes dürfen nur an Personen und Stellen, die von der zuständigen Behörde die Erlaubnis zur Annahme erhalten haben, abgegeben werden.

§ 2.

Wer mit anderen als den im § 1 bezeichneten Erregern von Krankheiten, welche auf Menschen übertragbar sind, oder von Tierkrankheiten, welche der Anzeigepflicht unterliegen, oder mit Material, welches solche Erreger enthält, arbeiten will, ferner wer derartige Erreger in lebendem Zustand aufbewahren will, bedarf dazu der Erlaubnis der zuständigen Polizeibehörde des Ortes, in welchem der Arbeits- oder Aufbewahrungsraum liegt. Die Erlaubnis darf nur für bestimmte Räume und nur nach Ausweis der erforderlichen wissenschaftlichen Ausbildung erteilt werden.
Auf Ärzte und Tierärzte finden die Vorschriften im Abs. 1 mit der Einschränkung Anwendung, daß sie der Polizeibehörde nur eine Anzeige von ihrem Vorhaben unter Angabe des Raumes nach Lage und Beschaffenheit zu erstatten und später jeden Wechsel des Raumes in gleicher Weise anzuzeigen haben. [161]
Weder der Erlaubnis noch der Anzeige bedarf es, wenn die Arbeit und die Aufbewahrung
a) in öffentlichen Krankenhäusern, welche mit den zur Verhinderung einer Verschleppung von Krankheitskeimen erforderlichen Einrichtungen versehen sind, oder
b) in staatlichen Anstalten, welche zu einschlägigem Fachunterrichte dienen oder behufs Bekämpfung der Infektionskrankheiten zur Anstellung von Untersuchungen oder zur Herstellung von Schutz- oder Heilstoffen bestimmt sind, oder
a) vom behandelnden Arzte oder Tierarzt ausschließlich zu diagnostischen Zwecken in seiner Praxis vorgenommen werden.

§ 3.

Wer lebende Kulturen von den im § 2 Abs. 1 bezeichneten Krankheitserregern oder Material, welches solche Erreger enthält, feilhalten oder verkaufen will, bedarf dazu der Erlaubnis der zuständigen Polizeibehörde des Ortes, in welchem das Geschäft betrieben wird. Die Erlaubnis darf nur für bestimmte Räume und nur an zuverlässige Personen erteilt werden.
Der Händler hat über die Abgabe von Kulturen oder Material ein Verzeichnis zu führen, in welches die Art der Krankheitserreger, der Tag der Abgabe, der Name und die Wohnung des Erwerbers sowie des etwaigen Überbringers sofort nach der Verabfolgung vom Abgebenden selbst einzutragen sind und zwar stets in unmittelbarem Anschluß an die nächst vorhergehende Eintragung. Das Verzeichnis ist drei Jahre lang nach Abschluß aufzubewahren.

§ 4.

Wer eine Tätigkeit der im § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 bezeichneten Art in einem ihm zur Verfügung stehenden Raume einer anderen Person gestattet oder aufträgt, hat dies der zuständigen Polizeibehörde (§ 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1) unter Angabe des Raumes sowie der Wohnung, des Berufs, des Vor- und Zunamens dieser Person, ferner jeden Wechsel des Raumes sofort anzuzeigen. Diese Bestimmung findet auf Leiter der im § 2 Abs. 3 bezeichneten öffentlichen Krankenhäuser und staatlichen Anstalten keine Anwendung.
Die sich für die andere Person aus den Bestimmungen in §§ 1 bis 3 ergebenden Pflichten bleiben unberührt.

§ 5.

Die im § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und § 3 Abf. 1 bezeichnete Tätigkeit sowie die nach § 4 gestattete oder aufgetragene Ausübung solcher Tätigkeit durch andere ist einzustellen, wenn die Erlaubnis der Landes-Zentralbehörde oder Polizeibehörde zurückgenommen oder wenn die Tätigkeit von der zuständigen Behörde untersagt wird. Die Zurücknahme der Erlaubnis oder die Untersagung soll erfolgen, wenn aus Handlungen oder Unterlassungen der betreffenden Person [162] der Mangel derjenigen Eigenschaften erhellt, welche für jene Tätigkeit vorausgesetzt werden müssen.

§ 6.

Wer eine der im § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 bezeichneten Handlungen vornimmt, hat – auch wenn er von der Einholung der Erlaubnis oder von der Anzeigepflicht entbunden ist – die Erreger so aufzubewahren, daß sie Unberufenen unzugänglich sind; auch hat er sonst alle Vorkehrungen zu treffen, um eine Verschleppung der Krankheitserreger, insbesondere durch Versuchstiere, zu verhüten. Kulturen, infizierte Versuchstiere und deren Organe sowie sonstiges die Krankheitserreger enthaltendes Material müssen, sobald sie entbehrlich geworden sind, derart beseitigt werden, daß jede Verschleppung der Krankheitskeime tunlichst ausgeschlossen wird. Instrumente, Gefäße usw., welche mit infektiösen Gegenständen in Berührung waren, sind sorgfältig zu desinfizieren.

§ 7.

Die Versendung von lebenden Kulturen der Cholera- oder Rotzerreger hat in zugeschmolzenen Glasröhren zu erfolgen, die, umgeben von einer weichen Hülle (Filtrierpapier und Watte oder Holzwolle), in einem durch übergreifenden Deckel gut verschlossenen Blechgefäße stehen; das letztere ist seinerseits noch in einer Kiste mit Holzwolle, Heu, Stroh oder Watte zu verpacken. Es empfiehlt sich, nur frisch angelegte Agarkulturen zu versenden.
Material, welches lebende Krankheitserreger dieser Art enthält oder zu enthalten verdächtig erscheint, ist so zu verpacken, daß eine Verschleppung des Krankheitskeims tunlichst ausgeschlossen wird. Zur Aufnahme des Materials sind besonders geeignet starkwandige Pulvergläser mit eingeschliffenem Glasstöpsel und weitem Halse, oder in deren Ermangelung Gläser mit glattem zylindrischen Halse, zu deren Verschluß gut passende, frisch ausgekochte Korke zu verwenden sind. Nach der Aufnahme des Materials sind die Gläser sicher zu verschließen, der Stöpsel ist mit Pergamentpapier oder dergleichen zu überbinden; auch ist an jedem Glase ein Zettel fest aufzukleben oder sicher anzubinden, der genaue Angaben über den Inhalt enthält. Zum Verpacken dürfen nur feste Kisten – keine Zigarrenkisten, Pappschachteln und dergleichen – benutzt werden. Die Gläser und sonstigen Behälter sind in den Kisten mittels Holzwolle, Heu, Stroh, Watte und dergleichen so zu verpacken, daß sie unbeweglich liegen und nicht aneinander stoßen.
Die Vorschriften über die Entnahme choleraverdächtiger Untersuchungsobjekte behufs bakteriologischer Feststellung der Cholera und über die Versendung des Materials an eine Untersuchungsstelle werden durch vorstehende Bestimmungen nicht berührt.
Die Sendungen (Abs. 1 und 2) müssen mit starkem Bindfaden umschnürt, versiegelt und mit der deutlich geschriebenen Adresse sowie mit dem Vermerke „Vorsicht“ versehen werden. Bei Beförderungen durch die Post sind die Sendungen als „dringendes Paket“ aufzugeben und den Empfängern telegraphisch anzukündigen. Bei Versendung lebender Kulturen hat der Empfänger dem Absender den Empfang der Sendung sofort mitzuteilen. [163]

§ 8.

Die Versendung von lebenden Kulturen der im § 2 Abs. 1 bezeichneten Krankheitserreger hat in wasserdicht verschlossenen Glasröhren zu erfolgen. Diese Röhren sind entweder in angepaßten Hülsen oder, mit einer weichen Hülle (Holzwolle, Watte und dergleichen) umgeben, derart in festen Kästen zu verpacken, daß sie unbeweglich liegen und nicht aneinander stoßen. Der Empfänger hat dem Absender den Empfang der Sendung sofort mitzuteilen.
Material, welches lebende Krankheitserreger dieser Art enthält oder zu enthalten verdächtig erscheint, ist so zu verpacken, daß eine Verschleppung des Krankheitskeims ausgeschlossen wird.
Die Sendungen (Abs. 1 und 2) müssen fest verschlossen und mit deutlicher Adresse sowie mit dem Vermerke „Vorsicht“ versehen werden.