Zum Inhalt springen

Bekenntnisse eines Dichters

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Red. / August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Bekenntnisse eines Dichters
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 706
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[706] Bekenntnisse eines Dichters. Glaßbrenner’s berühmtes Epos „Neuer Reineke Fuchs“ feiert im nächsten Jahre sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum. Ueber seinen ersten Erfolg avant la lettre (der zweite fand bei Th. Mundt in Berlin, der dritte bei Heinrich Laube in Leipzig 1845 statt) erzählt Hoffmann von Fallersleben, S. 241 im 4. Bande seines Werkes „Mein Leben. Aufzeichnungen und Erinnerungen.“ (Hannover.) Folgendes:

„Den 22. Mai 1845 gab Runge (der berühmte Chemiker in Oranienburg) eine große Gesellschaft, die er ‚ein großes Zauberfest‘ nannte. Es waren zweiundzwanzig Personen eingeladen, außer den Herren auch Frauen und Fräulein. Auch Glaßbrenner mit Frau, der erst Mittags mit der Strelitzer Post angekommen war, nahm Theil. Runge sorgte auch heute dafür, daß sich keine Langeweile blicken ließ, er wurde aber in seinem Streben, die Gesellschaft geistig anzuregen und zu beleben, heute überflügelt durch seinen Strelitzer Gast. Glaßbrenner las uns einige Abschnitte aus seinem neuesten Werke: ‚Neuer Reineke Fuchs‘. Der Erfolg konnte nicht glänzender sein, unser Genuß war ein großer, ein überraschender, wir waren Alle erfreut und gerührt. Als ich mit ihm allein war und noch ganz erfüllt von der schönen Wirkung seines Gedichts, reichte ich ihm die Hand: ‚Lieber Glaßbrenner, ich bin so freudig überrascht, ich weiß nicht, wie ich Ihnen meinen Dank besser kundgeben soll, als dadurch, daß ich Ihnen mein Du anbiete.‘ Ich sprach mich dann den folgenden Tag noch in einem Briefe an ihn abermals sehr theilnehmend über seinen Reineke aus.

Schon den 25. Mai antwortete er mir aus Berlin, wohin er sich von Oranienburg aus begeben hatte:

‚Dank, herzlichsten Dank, mein lieber Bruder. Ich bin tief gerührt über Deine schriftliche Anerkennung meines Gedichts, bei welcher Dich Dein Freiheitsgefühl zu so großen Worten hingerissen. Wie kann ein so kindlich reines Herz in einem so langen, bärtigen Körper wohnen! Wohl seit fünf Jahren klettre ich an Dir, Felsen, hinauf, und nun erst habe ich die Rose Deiner Seele gefunden, die für die Guten duftet, deren Dornen die Bösen treffen. Ach, Hoffmann, Du weißt gar nicht, was Du mit Deinem Lobe an mir gethan hast! Aus Deinen Thränen, die bei meinem Gedichte flossen, wird mein Ruhm emporblühen: ein kleines anmuthiges Blümchen. Schau’ mein ganzes literarisches Leben an und glaube, daß ich das ernst meine. Als mir das Gefühl der Freiheit in den Kopf stieg und dann wieder in’s Herz zurückkam, und mir fast die Brust zersprengte: da konnte ich mit meinem kleinen Talente und mit meinem noch kleineren Wissen den unendlichen Drang nicht bewältigen; ich schwamm und schwamm ohne festes Ziel, ohne innere Sicherheit, wohin die Wogen der Zeit mich trieben. Denke an das Meer in meinem Reineke Fuchs: ich hatte der Urkraft gegenüber den Gedanken, den bewältigenden, nicht gefunden; mein Witz unterdrückte die Poesie und diese blieb immer ungesehen zwischen den Zeilen liegen. Noch heute bin ich der Masse nichts mehr als ein Lustigmacher, als ein Hofnarr, der der Tyrannei unter der Maske des Scherzes bittere Wahrheiten zuruft. Das wäre nun schon, gut verstanden, Etwas, aber ich will die Tyrannei nicht belustigen, ich will nicht ihr Narr sein! Deine Lieder kamen, die so leicht scheinen, weil sie so leicht in Kopf und Herz gehen, und so schwer sind: da wurde es licht in mir, da fand ich den Gedanken für mein Talent, und:

auf dem geschnitzelten Splitter
zieht der kecke, tollkühne Ritter

auf und über das Meer dem Lande der Freiheit zu. Ich dichte ein Bändchen Lieder; sie finden Theilnahme bei den Besseren, aber das Volk wirft sie bei Seite, will das Gute darin gar nicht sehen, weil es den Lustigmacher nicht verlieren will. Was ist das? frage ich mich und fand bald die Antwort: Lieder sind immer nur noch einzelne Gedanken in Form gebracht; das Volk will ein Werk haben, ehe es an Dich glaubt. Nun schreibe ich in Neustrelitz, fern von der Welt des Heute, den ‚Fuchs‘. Ich packe das Werk ein, weiß aber nicht, ob es ein Werk ist; in banger Hoffnung (wahrhaftig wahr) reise ich und rutsche nach Preußen, das in der Welt liegt. Auf dem Markte in Oranienburg sehe ich Dich und augenblicks wird es mir klar, daß hier das immer mit bedeutenderen Menschen poetische Schicksal mitspielt. Aut – aut! ruft es mir in’s Ohr; faßt Dein Gedicht Diesen, so bist Du durch; wo nicht, so bleibst Du Lustigmacher!

Denke Dir nun, was in meiner Seele in der Zauberküche unseres Runge vorging.‘ …“