Belohnte Unwissenheit
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[23] Belohnte Unwissenheit. – August II., König von Polen und Kurfürst von Sachsen, hatte einst noch spät in der Nacht ein höchst wichtiges Dokument abgefaßt und es aus Versehen auf seinem Schreibtische liegen lassen. Viel hing von der Geheimhaltung dieses Papieres ab, und er bekam daher keinen geringen Schreck, als er sich, bereits in seinem Schlafzimmer angekommen, erinnerte, jenes Dokument nicht verschlossen zu haben.
Er eilte daher in sein Kabinett zurück, wo eben ein Kammerdiener mit dem Aufräumen beschäftigt war.
„Hast du dieses Schriftstück in der Hand gehabt?“
„Ja, Eure Majestät!“
„Kannst du lesen?“
Der Kammerdiener wurde verwirrt, sprach unzusammenhängende Worte, und erst als der König ihn anfuhr: „Du hast es gewagt, dieses Papier zu lesen?“ kam er wieder zu sich.
„Ach,“ meinte er kläglich, „da muß ich es denn Eurer Majestät gestehen: ich kann leider weder lesen noch schreiben! Ich kann aber wirklich nichts dafür! Gnade, Eure Majestät, Gnade!“
Jetzt mußte der König lachen, griff in die Tasche, schenkte dem Zitternden einen Taler und sagte: „Danke dem Himmel für deine Dummheit!“