Benutzer:A. Wagner/Galeriewerk Hermann Lücke, Teil II (1897)

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DIE KÖNIGLICHE


GEMÄLDEGALERIE


ZU DRESDEN


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TEXT
VON
HERMANN LÜCKE


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T E I L II
DIE NIEDERLÄNDISCHE SCHULE DES 15. UND DIE DEUTSCHE DES 16. JAHRHUNDERTS. – DIE NIEDERLÄNDISCHE MALEREI DES 17. JAHRHUNDERTS. – DIE FRANZÖSISCHE SCHULE DES 17. UND 18. JAHRHUNDERTS. – DIE DEUTSCHE MALEREI DES 18. JAHRHUNDERTS


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MÜNCHEN
FRANZ HANFSTAENGL
ALLE RECHTE VORBEHALTEN

Vollbilder[Bearbeiten]

Bol, Ferdinand Jakobs Traum
Bol, Ferdinand Die Ruhe auf der Flucht
Bril, Paul Waldlandschaft mit Tobias und dem Engel
Brueghel der Aeltere, Jan Die Furt am Bache
Cranach der Aeltere, Lukas Markgraf Georg von Brandenburg
Dou, Gerard Der Meister in seiner Werkstatt
Dürer, Albrecht Der Dresdner Altar
Dürer, Albrecht Christus am Kreuze
Dürer, Albrecht Bildnis Bernhard van Orleys
Dyck, Anton van Henrietta von Frankreich, Königin von England
Dyck, Anton van Die Kinder Karl’s I.
Dyck, Anton van Bildnis eines Unbekannten
Dyck, Anton van Nach Anton van Dyck von Sir Peter Lely, Karl I. von England
Elsheimer, Adam Jupiter und Merkur bei Philemon und Baukis
Elsheimer, Adam Joseph im Brunnen
Everdingen, Allart van Der grosse Wasserfall
Eyck, Jan van Ein Flügelaltärchen
Goyen, van Sommer am Fluss
Graff, Anton Selbstbildnis des Künstlers
Hals, Frans d. Ä. Männliches Bildnis
Heem, Jan Davidsz de Stillleben mit dem Vogelnest
Helst, Bartholomäus van der Die Gattin des Bürgermeisters Andries Bicker von Amsterdam
Holbein d. Jüngere, Hans Bildnis des Morette
Holbein d. Jüngere, Hans Doppelbildnis des Sir Thomas Godsalve und seines Sohnes John
Holbein d. Jüngere, Hans Nach Hans Holbein d. J., Die Madonna des Bürgermeisters Meyer
Lorrain, Claude Landschaft mit der Flucht nach Aegypten
Lorrain, Claude Küstenlandschaft mit Akis und Galatea
Meister des Todes Mariae Die grosse Anbetung der Könige
Mengs, Anton Raphael Selbstbildnis des Künstlers
Metsu, Gabriel Der Geflügelverkäufer
Metsu, Gabriel Die Dame mit dem Klöppelkissen
Mieris, Frans van d. Ä. Die Liebesbotschaft
Mieris, Frans van d. Ä. Der Künstler eine Dame malend
Murillo, Bartolomé Estéban Der Tod der hl. Clara
Murillo, Bartolomé Estéban Maria mit dem Kind
Neer, Aert van der Mondschein am Fluss vor der Stadt
Netscher, Kaspar Gesang mit Klavierbegleitung
Orley, Barend van Heilige Familie
Ostade, Adriaen van Der Künstler in seiner Werkstatt
Rembrandt Rembrandt’s Gattin, Saskia van Uylenburgh, als junges Mädchen
Rembrandt Selbstbildnis des Künstlers mit seiner Gattin Saskia
Rembrandt Samsons Hochzeit
Rembrandt Saskia mit der roten Blume
Rembrandt Das Opfer Manoahs
Rembrandt Bildnis eines bärtigen Alten
Ribera, Jusepe de Die hl. Agnes
Ribera, Jusepe de Die Marter des hl. Lorenz
Rigaud, Hyacinthe König August III. als Kurprinz
Roymerswalde, Marinus van Der Geldwechsler mit seiner Frau
Rubens, Peter Paul Der hl. Hieronymus
Rubens, Peter Paul Die Krönung des Tugendhelden
Rubens, Peter Paul Eine Wildschweinjagd
Rubens, Peter Paul Merkur und Argus
Rubens, Peter Paul Eine Löwenjagd
Rubens, Peter Paul Die beiden Söhne des Rubens
Rubens, Peter Paul Der Liebesgarten
Rubens, Peter Paul Das jüngste Gericht
Ruisdael, Jacob van Die Jagd
Ruisdael, Jacob van Das Kloster
Ruisdael, Jacob van Der Judenkirchhof
Ruisdael, Jacob van Der Wasserfall vor dem Schlossberg
Silvestre, Louis de Reiterbildnis König August’s II.
Terborch, Gerard Die Lautenspielerin
Velazquez, Diego Bildnis des Oberjägermeisters Juan Mateos
Velde, Adriaen van de Eisbelustigung auf dem Stadtgraben
Vermeer, Jan, van Delft Die Briefleserin
Watteau, Antoine Gesellige Unterhaltung im Freien
Wouverman, Philips Der Gasthofstall
Wouverman, Philips Die Hirschjagd am Flusse

Textillustrationen[Bearbeiten]

Bril, Paul Römische Ruinenlandschaft
Brouwer, Adriaen Bauernrauferei beim Würfelspiel
Cranach der ältere, Lukas Philipp Melanchthon
Cranach der ältere, Lukas Adam und Eva
Cranach der jüngere, Lukas Kurfürst Moritz von Sachsen
Dou, Gerard Ein Geiger am Fenster
Gelder, Aert de Die Ausstellung Christi
Jordaens, Jakob Alt und Jung
Kauffmann, Angelika Weibl. Bildnis als Vestalin
Koninck, Salomon Der Eremit
Liotard, Jean-Etienne Das Chokoladenmädchen
Mengs, Anton Raphael Die Sängerin Catarina Regina Mingotti
Millet, François Römische Berglandschaft
Netscher, Kaspar Der Briefschreiber
Ostade, Adriaen van Stammtisch in der Dorfschenke
Potter, Paulus Rinderhirt mit einer Heerde
Poussin, Nic. Ruhende Venus
Rembrandt Ganymed in den Fängen des Adlers
Rembrandt Der Rohrdommeljäger
Rubens, Peter Paul Das Urteil des Paris
Steen, Jan Die Hochzeit zu Kana
Teniers, David der jüngere Selbstbildnis des Meisters im Wirthshaus
Teniers, David der jüngere Die Kirmess im Halbmond
Watteau, Antoine Das Liebesfest
Werff, Adriaen van der Das Urteil des Paris

Die niederländische Schule des 15. und die deutsche des 16. Jahrhunderts[Bearbeiten]

In den Niederlanden vollzog sich zu Anfang des 15. Jahrhunderts – wir haben früher schon darauf hingewiesen – mit dem Auftreten der Brüder Van Eyck in der Malerei ein ähnlicher Umschwung und mächtiger Fortschritt, wie zu derselben Zeit in Florenz mit dem Auftreten Masaccios. Was Masaccio für die italienische Malerei, eben das waren Hubert und Jan van Eyck für die Malerei im germanischen Norden, sie bezeichnen hier, wie jener dort, das eigentliche Ende des Mittelalters, den Anfang der neuen Zeit.

Die niederländische und die florentinische Schule des 15. Jahrhunderts sind trotz aller nationalen Verschiedenheit in Wahrheit geistig verwandte Erscheinungen. In beiden geschieht gleichzeitig der entscheidende Schritt aus den konventionellen Formen des Mittelalters heraus zu einer natur- und lebenswahren Darstellung. Der neu erschlossene Sinn für Natur und Wirklichkeit, die Richtung aufs Individuelle ruft in beiden oftmals Werke von überraschend ähnlichem Charakter hervor. Die religiösen Gegenstände, die hier wie dort das Hauptthema der Darstellung bleiben, werden in ähnlicher Weise aufgefasst, in ähnlichem Sinne in realistischen Formen geschildert. Ueberall werden die mittelalterlichen Typen ins Individuelle umgebildet, die heiligen Gestalten erscheinen im Gewand der damaligen Zeit, auf dem Schauplatz des damaligen Lebens, das ganze Bereich des Sichtbaren wird in den Kreis der malerischen Darstellungen aufgenommen.

In der Verschiedenartigkeit der realen Stoffwelt, die dieser nordischen und südlichen Kunst zu Grunde liegt, beruht ihre Verschiedenheit natürlich zunächst; sie ist aber ebenso sehr in einer Verschiedenheit der künstlerischen Auffassung, des künstlerischen Empfindens begründet. Bestimmter noch und entschiedener, als in der florentinischen Kunst des 15. Jahrhunderts tritt bei den niederländischen Meistern dieser Epoche der Zug zum Individuellen und Charakteristischen hervor; er bleibt ein wesentliches Merkmal der ganzen germanischen Kunst. Welche Fülle und Mannigfaltigkeit individuellen Lebens, welche staunenswerte Schärfe und Feinheit in der Charakteristik der Köpfe zeigen sogleich die Gemälde der Brüder van Eyck. In der Wahrheit und Tiefe des physiognomischen Ausdrucks offenbart sich die Eigenart und Stärke der germanischen Kunst zunächst und vor allem. Die Körpergestalt, die die Italiener so rasch künstlerisch beherrschen lernen, erscheint hier häufig und lange als ein nur wenig entwickeltes Ausdrucksmittel. Im Verständnis des körperlichen Organismus, im Studium des Nackten, in den anatomischen Kenntnissen bleiben die nordischen Künstler – wenige Ausnahmen abgerechnet – lange Zeit gegen die Italiener weit zurück. Ihr künstlerisches Interesse ist von vornherein nicht in gleichem Maasse, wie das der Italiener, auf die Körperdarstellung gerichtet. Ergreifend aber gelingt ihnen, ein tiefes und inniges Empfinden in den Zügen des Gesichts zum Ausdruck zu bringen. Während in vielen ihrer Werke die Körperbewegung der Gestalten etwas gebundenes, zaghaft befangenes behält, redet das Antlitz oftmals eine um so lebendigere, rührendere, eindringlichere Sprache. Wo in der Bewegung der Figuren ein stärkerer Ausdruck erstrebt wird, verfällt er leicht in ungelenke Uebertreibungen, die den Mangel an künstlerischer Beherrschung der Körperformen nicht weniger deutlich erkennen lassen.

Zu den bedeutsamsten Eigenschaften jener niederländischen Meister gehört sodann die völlig neue Art, in der sie, wie mit neuen Sinnen begabt, die landschaftliche Natur und die ganze äussere Welt auffassen und schildern. Noch reicher und mannigfaltiger, noch eingehender, als in der gleichzeitigen italienischen Malerei, erscheint in ihren Bildern die reale Umgebung der Figuren, bis auf das geringste Beiwerk herab, vor allem aber das Landschaftliche gestaltet. Weit entfernt von einer gleichgiltigen Wirklichkeitskopie bekundet diese eingehende Schilderung der Aussendinge vielmehr die gleiche künstlerische Innigkeit, die sich in dem Gemütsausdruck, in den seelisch individuellen Zügen der Gestalten offenbart. Diese Schilderung der äusseren Welt, der stillen Wohngemächer, der schönen Kirchenhallen, der heimatlichen Fluren und Thäler geht liebevoll bis ins einzelnste, sie zeigt auch das kleinste gleichsam bestrahlt von der Liebe des Künstlers. In dieser sorgfältig feinen Detailbehandlung liegen mit die intimsten Reize der neu erblühten niederländischen Kunst. Nicht selten allerdings führt die Vertiefung ins einzelne zu einer Beeinträchtigung der Gesamtwirkung, die Ueberfülle gleichmässig betonter Einzelheiten lässt oftmals keine recht einheitliche Wirkung aufkommen. Oft fehlt hier der rechte Blick fürs Ganze der Komposition, der den Italienern so frühzeitig eigen ist.

Was aber die Werke der niederländischen Schule des 15. Jahrhunderts zuletzt noch aufs allerglänzendste auszeichnet, was sie in ihrer Art einzig erscheinen lässt, das ist die Behandlung der Farbe. Indem die van Eycks die Öltechnik in einer Weise vervollkommneten und verfeinerten, die für die Tafelmalerei die Bedeutung einer grossen epochemachenden Erfindung hatte, schufen sie sich für ihre neue malerische Anschauung sogleich das gemässeste und glänzendste Darstellungsmittel. Mit der bisher üblichen Temperatechnik waren ihre neuen künstlerischen Ziele nicht zu erreichen. Die feine realistische Durchbildung der malerischen Form, die sie erstrebten, die damit geforderte feine Abstufung und Verschmelzung der Farbentöne ward erst möglich durch die Mittel dieser neuen Öltechnik; zugleich ermöglichte sie erst jenen tiefen Glanz, jene Leuchtkraft und Schönheit der Farbe, die wir in den Werken der van Eycks und ihrer Schule bewundern. Wie das Streben nach einer reicheren, lebenswahren Ausgestaltung der malerischen Erscheinung, so war es vor allem auch die Stimmung einer gesteigerten poetischen Farbenlust, die in dieser neuen Technik das entsprechende Ausdrucksmittel fand.

In der dresdner Galerie finden wir die niederländische Schule des 15. Jahrhunderts nur durch ein einziges Originalwerk vertreten, dieses eine aber, der kleine dreiteilige Flügelaltar von Jan van Eyck, gehört zu den kostbarsten Werken aus dieser glänzenden Frühzeit der niederländischen Malerei. (S. d. Abb.) Das Mittelstück zeigt in dem Chorraum einer schön geschmückten Kirchenhalle Maria mit dem Kinde unter hohem Thronhimmel sitzend; die Stufen des Thrones und ein Teil des zierlich getäfelten Fussbodens sind mit einem prächtigen Teppich bedeckt; ein mildes gedämpftes Licht dringt durch die buntfarbigen Fenster der Kirche. Auf der Innenseite des linken Altarflügels ist in einem Nebenschiff der Kirche der Stifter des Bildes dargestellt, knieend mit betend erhobenen Händen, hinter ihm sein Schutzheiliger, der Erzengel Michael in glänzender Rüstung, mit grossen buntgefiederten Fittichen an den Schultern, auf der Innenseite des rechten Altarflügels in einer zweiten Nebenhalle der Kirche die heilige Katharina. Aufs feinste, miniaturartig fein, mit einer unvergleichlichen, man möchte sagen, zärtlichen Sorgfalt sind die drei Bilder durchgeführt. In jeder Einzelheit, in jedem Stück des Kostüms, in jedem Zierat der Architektur, in dem Muster des Teppichs, in den Ornamenten des Baldachins, in jedem Zug bekundet sich die liebevoll sorgfältige Hand des Künstlers. Von welcher Feinheit, vor allem im Gesichtsausdruck, sind die ganz individuellen Gestalten: die schlichte, sanft blickende Madonna mit der reinen, unschuldsvollen Stirn, die demütig fromme Katharina, die anmutige Jünglingsgestalt des heiligen Michael und das Stifterporträt mit den scharf ausgeprägten Zügen. In Haltung und Bewegung haben auch diese Figuren noch etwas gebundenes, der Ausdruck der Empfindung liegt so gut wie gänzlich in den Köpfen. Ueberraschend glücklich ist der nackte Körper des Kindes gebildet, mit einem klaren Formenverständnis, wie es andre niederländische Meister jener Zeit in der Darstellung nackter Körper höchst selten zeigen. Die Farbe ist in ihren mannigfaltigen Lokaltönen aufs schönste zusammengestimmt; das Ganze ist ein wahres Juwel altniederländischer Kunst.

Lukas Cranach der ältere: Philipp Melanchthon
Nach den van Eycks blühte die niederländische Malerei in einer Reihe bedeutender Meister, in Roger van der Weyden, Dirk Bouts, Memling, Gerard David gleichmässig fort bis ans Ende des 15. Jahrhunderts. Auf die Entwicklung der gleichzeitigen Malerei in Deutschland war sie von weitreichendem Einfluss. Die neuen, dem niederländischen Realismus verwandten Bestrebungen, die sich hier seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts schon mehrfach gezeigt hatten, begannen erst unter den Einwirkungen, die von den Niederlanden herkamen, zu erstarken. Zunächst in Köln, dann am Oberrhein, in Schwaben und Franken machten sich solche Einflüsse geltend. Während die kölner Schule in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durch bestimmte niederländische Vorbilder so völlig beherrscht ward, dass sie fast jeder selbständigen Eigentümlichkeit verlustig ging, gedieh in Oberdeutschland, das in dieser und der nächstfolgenden Zeit den Hauptschauplatz der deutschen Kunstentwicklung bildete, in den Werken Schongauers, Zeitbloms, Wohlgemuts u. A. unter dem auch hier vielfach tief eingreifenden niederländischen Einfluss eine Malerei von entschieden eigenartigem und mannigfaltigem Charakter. Die künstlerische Höhe der niederländischen erreichte sie auch in ihren besten Leistungen nicht, aber frisches Leben und Ursprünglichkeit ist ihr überall eigen. Im ganzen genommen ist der deutsche Realismus, dem niederländischen gegenüber, von derberer Art; wohl fehlt es auch hier nicht an Zügen einer schlicht zarten Empfindung; aus den späteren Werken Schongauers, des bedeutendsten deutschen Meisters des 15. Jahrhunderts, spricht ein eigener Schönheitssinn, aber das Herbkräftige ist vorherrschend, bisweilen in merkwürdig rauhen und knorrigen, auch karrikierten Formen.

Im Streben nach dem Charakteristischen verfingen sich diese deutschen Meister nicht selten in dem blos Sonderbaren und bedeutungslos Abnormen. Ein kräftiger, aber noch mannigfach beschränkter und ungeklärter Realismus ist der vorwiegende Charakter ihrer Werke.

Lukas Cranach der ältere: Adam und Eva
Erst mit dem grossen Aufschwung, den das gesamte geistige Leben in Deutschland zu Anfang des 16. Jahrhunderts nahm, gelangte auch die deutsche Kunst zu einer höheren und freieren Entwicklung. Albrecht Dürer, der grosse Hauptmeister dieser grossen Epoche wuchs unmittelbar aus dem Kunstwesen des 15. Jahrhunderts heraus. Von hier aus ist er, in wunderbarer Selbständigkeit, in seinem innersten Wesen von fremden Einflüssen immer unberührt, zu einer Höhe künstlerischen Schaffens fortgeschritten, auf der er den grossen Künstlern aller Zeiten ganz ebenbürtig erscheint. In seiner markigen Kraft, seinem tiefen Gemüt besass er die Eigenschaften, die der Deutsche am höchsten schätzt. Seine reifsten Gestalten sind vollendete Typen deutschen Wesens, ganz individuell und typisch zugleich.

Lukas Cranach der jüngere: Kurfürst Moritz von Sachsen

Von den drei Gemälden Dürers, die die dresdner Galerie besitzt, ist das eine ein Jugendwerk, das ihn in manchen Punkten mit der älteren Kunstweise noch in nahem Zusammenhang zeigt: ein umfängliches Altarbild, das früheste seiner kirchlichen Gemälde. Es entstand höchst wahrscheinlich sehr bald nach seiner Rückkehr von der „Wanderschaft“, die er in den Jahren 1490–94 unternommen hatte. Die Merkmale eines noch angestrengten künstlerischen Ringens sind dem Werke deutlich aufgeprägt, es hat noch vielfache Härten, manches eckige und ungelenke, vielleicht auch sonderbare, woran man beim ersten Anblick leicht Anstoss nimmt. Und doch, wie bedeutend ist Dürers Wesen auch hier schon ausgesprochen. – Das Gemälde ist ein dreiteiliger Flügelaltar (s. d. Abb.). Das Mittelstück zeigt vorn auf der breiten Brüstung eines Fensters, durch das man in das Wohngemach der hl. Familie hineinblickt, das schlafende Christuskind, hinter ihm die Madonna, die sich mit betend gefalteten Händen zu dem Kinde herabbeugt; rechts neben ihr steht ein Pult mit einem aufgeschlagenen Gebetbuche. Ein Engelknabe von winziger Gestalt zu Häupten des Kindes wehrt ihm mit einem Wedel die Fliegen ab, zwei andere sind im Mittelgrunde des Gemachs mit häuslicher Arbeit beschäftigt; der eine besprengt den Fussboden mit Wasser, der andere führt den Besen; sie spielen hier die Rolle jener hilfreichen Hausgeister des deutschen Märchens, der Heinzelmännchen, an die sie auch durch ihre zwergartige Kleinheit erinnern können. Im Hintergrund links öffnet sich eine Thür nach der Zimmermannswerkstatt, wo Joseph an der Hobelbank arbeitet; ein Engelbübchen macht sich auch hierzu schaffen. Das grosse Fenster rechts im Hintergrund gewährt einen Ausblick auf einen freien, von Häusern, Bäumen und einem Stadtthor umgebenen Platz, offenbar ein Stück Nürnberg. Von den Engelkindern, die über der Madonna schweben, halten zwei eine reich mit Perlen besetzte Krone, während andere Räucherfässer schwingen. – Die Härte, die der Formenbehandlung noch eigen ist, zeigt sich am auffälligsten im Körper des Christuskindes. Die Madonna hat noch nicht den lebendig beseelten Ausdruck späterer Madonnengestalten des Meisters. Aber in der volkstümlichen Art, wie das Ganze aufgefasst, besonders in der anheimelnden Art, wie die deutsche Häuslichkeit der heiligen Familie geschildert ist, hat das Bild echt dürerschen Charakter; eine deutsche heilige Familie ist dargestellt. Dieselbe volkstümlich poetische Empfindung liegt dem Bilde zu Grunde, aus der heraus Dürer später das köstliche Idyll seines „Marienlebens“ geschaffen hat.

Das Mittelstück dieses „dresdner Altars“ ist wahrscheinlich früher gemalt, als die beiden Flügelbilder, die an künstlerischer Bedeutung jenem entschieden überlegen sind. Auf dem rechten Flügel ist der heilige Sebastian dargestellt, dem Christuskind betend zugewendet, mit einem weichen, an das Leiden des Martyriums erinnernden Ausdruck. Über und neben ihm schwebt eine Schaar kleiner Engel, von denen zwei einen goldenen Reif und ein Bündel Pfeile (die Zeichen des Martyriums) tragen; sie sind im Ausdruck nicht ebenso glücklich gelungen, wie die beiden, die im Begriff sind, dem Heiligen den Mantel umzulegen; namentlich ist das Köpfchen des einen, der ihm links über die Schulter blickt, ganz reizend naiv und lebendig. Der nackte Oberkörper des heiligen Sebastian hat in den Formen auch noch etwas hartes, aber er bekundet zugleich das sorgfältigste Naturstudium, eine Naturkenntnis, wie sie neben Dürer damals kein anderer deutscher Meister besass. – Die bedeutendste Figur des ganzen Werkes ist die Gestalt des heiligen Antonius auf dem andern Flügel; diese ernste, fest in sich geschlossene Gestalt, der durchgearbeitete Charakterkopf und die mächtigen Hände haben schon das volle dürersche Gepräge, sie zeigen schon die ganze Kraft der dürerschen Charakterisierungskunst. Die kleinen phantastischen, wenig schrecklichen Ungetüme, die von Engeln abgewehrt werden, erinnern an die Versuchungen des Heiligen.

Paul Bril: Römische Ruinenlandschaft

Man hat darauf aufmerksam gemacht, dass in diesem Jugendwerk Dürers gewisse künstlerische Eindrücke seiner Wanderjahre nachklingen; eine Zeit lang hatte er sich während der Wanderschaft auch in Venedig aufgehalten; Einwirkungen des Meisters, der unter allen Italienern den stärksten Eindruck auf ihn machte, Einwirkungen Mantegnas wird man namentlich in der festen, auf scharf plastische Wirkung ausgehenden Formengebung wahrnehmen können. In allen wesentlichen Zügen hat das Werk deutschen, durchaus dürerschen Charakter. – Es wurde wahrscheinlich im Auftrag des Kurfürsten Friedrichs des Weisen ausgeführt. Christoph Scheurl erwähnt es unter den Bildern, die er 1506 in der Allerheiligenkapelle der Schlosskirche in Wittenberg sah.[1] Im Jahre 1687 kam es von da in die dresdner Kunstkammer.

Von Dürers tiefer innerer Selbständigkeit geben die Werke, die er inmitten der italienischen Kunstwelt, bei seinem zweiten Aufenthalt in Venedig im Jahre 1506 geschaffen hat, ein glänzendes Zeugnis. Wohl lässt sich an diesen und seinen späteren Werken erkennen, dass er der italienischen Kunst nicht unempfindlich und blind gegenüberstand. Auf die Läuterung seiner Formensprache, auf sein Streben nach Ergründung des Gesetzmässigen in der natürlichen Formenwelt, auf die Klärung seiner Kompositionsweise ist die Berührung mit der Kunst der Renaissance nicht ohne Einfluss geblieben. Aber an den Kern seiner künstlerischen Natur hat sich nicht das kleinste Teilchen fremden Wesens angesetzt. Er blieb hingegeben an die heimische deutsche Welt, der „heimliche Schatz seines Herzens“ blieb unversehrt, sein Tiefblick fürs Individuelle, seine herbe Kraft im charakteristischen Ausdruck ward nicht geschwächt, und als er später, am entschiedensten in seiner letzten Schöpfung, in den vier Aposteln, eine dem grossen Stil der Italiener verwandte Richtung aufs Typische nahm, wie unbedingt selbständig erscheint er auch hier. Diese vier Figuren, in denen das Typische so tief individuelle Züge in sich schliesst, verhalten sich zu den Idealgestalten der Renaissancekunst etwa wie Shakespeares typische Charaktere zu denen der antiken Tragödie. Das Ideal, dem Dürer nachstrebte, war ein individuelles im strengsten Sinne. Die grossartigen Typen, die er in den vier Aposteln hingestellt hat, haben nicht blos ganz deutschen Charakter, sie haben zugleich das schärfste Gepräge dürerscher Eigenart. Dürer hat nichts geschaffen, was sich mit italienischer Schönheit und Anmut vergleichen liesse, die heitere Sinnenfreude, die Weltfreudigkeit der Italiener war ihm fremd. Die beiden Hauptfiguren jenes letzten grossen Werkes, Gestalten voll tiefen Ernstes, die eine mit dem Ausdruck still in sich versunkenen Sinnens, die andere mit dem Ausdruck festester männlicher Kraft, sind recht eigentlich typisch für Dürers eigenstes Wesen.

Von den Gemälden des Meisters, die bei dem zweiten Aufenthalt in Venedig entstanden, sind die bedeutendsten das Rosenkranzfest (jetzt im Stifte Strahow in Prag) und das kleine, aber trotz seiner Kleinheit wahrhaft gross gedachte Bild der dresdner Galerie: Christus am Kreuz, eines der eigenartigsten und ergreifendsten Werke Dürers. (S. d. Abb.) Einsam auf der Höhe von Golgatha ragt der Kreuzesstamm, an dem Christus verscheidet, vor einem tiefschwarzen Gewitterhimmel auf; nur ganz unten am Horizont glüht ein gelblichroter Lichtstreifen über dem dunkelblauen See und der Hügelreihe des Ufers. Tief unter dem einsam Sterbenden liegt die schweigende Welt. Sein brechender Blick ist schmerzvoll und im Schmerz voll reinster Ergebung nach oben gewendet, die verschmachtenden Lippen, zwischen denen die Zähne und die Zunge sichtbar sind, haben sich zum letzten Seufzer geöffnet – eine ergreifend realistische Schilderung voll tiefster und edelster Empfindung. Der Körper des Heilands ist von grosser Formenreinheit, lässt aber durchaus nicht an klassisch italienische Vorbilder denken. Die Farbe, die hier in der Wirkung des Ganzen so bedeutend, so tief stimmungsvoll mitspricht, hat Dürer in keinem andern Gemälde in gleichem Sinne behandelt. In der koloristischen Stimmung lässt das Bild venezianischen Einfluss nicht verkennen; in allem anderen ist es rein dürerisch. – Der untere Rand des Bildes hat die Inschrift: Pater in manus tuas comendo spiritum meum (Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist). Am Kreuzesstamm unten steht das Monogramm des Meisters mit der Jahreszahl 1506.

Eine wichtige Stellung in Dürers künstlerischer Thätigkeit hat die Porträtmalerei. Sein bewunderungswürdiger Blick fürs Individuelle hat sich hier in einer Reihe von Werken offenbart, die an Schärfe der Charakteristik, an Tiefe und Kraft des physiognomischen Ausdrucks zum bedeutendsten gehören, was die Porträtkunst überhaupt geleistet hat. Das Bildnis von Dürers Hand, das die dresdner Galerie besitzt, das Porträt des niederländischen Malers Bernaert van Orley (s. d. Abb.), ist mit dem Monogramm und der Jahreszahl 1521 bezeichnet; es entstand während Dürers Aufenthalt in den Niederlanden (Juli 1520 bis Juli 1521); der Brief in der Hand des Dargestellten hat die Aufschrift: dem Pernh . . zw . . (dem Bernhard zu).[2] In demselben Jahre 1521 – aber sicher nach der Rückkehr aus den Niederlanden[3] – malte Dürer jenes wundervolle, vielleicht den älteren Imhof darstellende Porträt, das zu den Hauptzierden des madrider Museums gehört, einige Jahre später das weltberühmte Bildnis des Hieronymus Holzschuher (in der berliner Galerie). Gegen diese Meisterwerke steht das dresdner Porträt fast in jeder Hinsicht beträchtlich zurück. In der Farbe ist es auffällig trocken, von einem schweren Grau in den Schatten. Die Ölmalerei hatte Dürer vor der niederländischen Reise lange Zeit nicht geübt; dieser Umstand, bemerkt Thausing, und die fremden, nicht selbstbereiteten Farben, auf die er während der Reise angewiesen war, erschwerten ihm wohl das Gelingen der Arbeit.[4] In der sicheren, freien und breiten Formenbehandlung ist das Bild für Dürers Kunstweise in den letzten Jahren seines Schaffens gleichwohl bezeichnend.

Von den deutschen Malern, die mit Dürer gleichzeitig thätig waren, ist keiner volkstümlicher und bekannter, als sein fränkischer Stammesgenosse Lukas Cranach (geb. 1472 in dem Städtchen Kronach in Oberfranken), der Begründer der sächsischen Malerschule des 16. Jahrhunderts. So sehr er gegen Dürer an künstlerischer Bedeutung zurücksteht, Popularität hat er fast in gleichem Maasse erlangt, wie der grosse Nürnberger, nicht blos als Künstler, zum Teil auch und nicht am wenigsten durch seine mutige Parteinahme für die Sache der Reformation, als treuer Freund und Mitstreiter Luthers. Was er als Künstler vermochte, die Eigenart und der volle Umfang seines Talents zeigt sich eigentlich nur in seinen früheren Bildern, in denen, die ungefähr bis 1520 entstanden. In der Zeit seines späteren vielgeschäftigen Lebens, als er in Wittenberg erst Kämmerer des Rates, dann Bürgermeister war und sich mit lebhaftem Erwerbseifer auf sehr verschiedenartige Unternehmungen einliess – er war Besitzer einer Apotheke und Gründer einer Buch- und Papierhandlung –, in dieser späteren Periode zeigt sein künstlerisches Schaffen vielfach den empfindlichsten Rückgang. Von den Vorzügen seiner früheren Werke, von ihrer lebensvollen und anmutigen Frische, ihrer realistischen Feinheit, ihrem farbigen Reiz ist in den meisten seiner späteren Bilder nur noch wenig vorhanden. In seine ganze künstlerische Arbeit kam ein handwerksmässiger Zug; in der eintönigen Wiederholung bestimmter Typen und Formen erscheint er oftmals als sein eigener Plagiator. Seine Werkstatt, in der er eine grosse Zahl von Gehilfen beschäftigte, wurde zu einer förmlichen Fabrik, aus der eine Masse von Arbeiten hervorging, an denen er selbst nur sehr geringen Anteil hatte; gleichwohl wurden die besseren in der Regel mit seinem Monogramm, der berühmten geflügelten Schlange, bezeichnet. Solchen Werkstattbildern sind freilich die von ihm eigenhändig ausgeführten Werke auch in dieser späteren Zeit, vor allem in der Sicherheit der technischen Behandlung, noch immer stark überlegen. Man kann sie bei einiger Vertrautheit mit der Art des Meisters von jenen fabrikmässigen Arbeiten unschwer unterscheiden.

Unter Cranachs Bildern sind die Porträts von besonderem Interesse, neben denen der kursächsischen Fürsten, in deren Dienst er stand, und den Bildnissen von Fürsten der verwandten sächsischen und der brandenburgischen Häuser hauptsächlich die Porträts der Reformatoren. Luther und Melanchthon leben in der Vorstellung der Nachwelt wesentlich in der Gestalt der cranachschen Bilder fort. An die geistige Energie der Auffassung, die wir an Dürers Porträtwerken bewundern, reicht Cranach nirgends hinan; er greift nicht so tief und scharf ins Individuelle wie Dürer; aber was er vom Charakter der Persönlichkeit giebt, erscheint klar und sicher beobachtet; seine Bildnisse machen in ihrer Schlichtheit durchaus den Eindruck glaubwürdiger Dokumente.

Die dresdner Galerie besitzt gegen ein Dutzend von Cranach selbst ausgeführter Werke. Zu ihnen wird jetzt, sicher mit Recht, auch das vorzügliche, unvollendet gebliebene Porträt gerechnet, das den Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach, den „Bekenner“ darstellt, den treuen Anhänger und Verfechter der Reformation. (S. d. Abb.) Das Bild ist mit dem etwas flüchtig und undeutlich gezeichneten Monogramm des Meisters versehen. Dass man es früher für ein Werk Dürers hielt, ist nicht allzu befremdlich. Es ist ungemein sicher und breit behandelt und voll kräftigen, gewichtigen Ausdrucks. – Gleichfalls ein Werk von Cranachs eigener Hand ist das im Text abgebildete kleine Porträt Melanchthons; die feine Gelehrtennatur des Reformators, der bisweilen etwas von einem klugen Diplomaten hatte, ist darin trefflich gekennzeichnet. Auf der rechten Seite des Bildes steht die Jahreszahl 1532; die Inschrift auf der linken Seite (obdormivit in anno 1560, 19. Aprilis etatis sue 63 et 63 dierum) ist später hinzugefügt.

In einer beträchtlichen Zahl von Bildern hat sich Cranach in der Darstellung des Nackten versucht; sie haben bald biblischen, bald mythologischen Titel. Aber alle die Adam- und Evafiguren die er gemalt hat, seine Judithbilder und seine heidnischen Göttinnen sämtlich tragen so ausgesprochenen Modellcharakter, dass sich ihre Benennung eigentlich nur wie ein Vorwand zur Entschuldigung der Nacktheit ausnimmt. Manche solcher Bilder aus Cranachs früherer Zeit lassen ein sehr sorgfältiges Naturstudium erkennen; in einigen, wie in dem Paris-Urteil der karlsruher Galerie, sind die Frauengestalten auch sehr zierlich und hübsch, von naiver Anmut und Frische. Oftmals aber ist ein wenig reizvolles, ziemlich dürftiges Modell in recht harten und steifen Formen handwerksmässig nachgebildet. – Die Doppeltafel „Adam und Eva“ in der dresdner Galerie (s. d. Abb. im Text), bezeichnet mit der Jahreszahl 1531, hat in der Behandlung noch nichts von der handwerksmässigen Art; alles bis ins einzelnste ist mit grosser Sorgfalt, mit sehr subtilem Pinsel durchgeführt. Beide Figuren mit ihrem nicht blos in den Köpfen, auch in der Körperbildung porträtartigen Aussehen, die Eva mit ihren mageren Formen, mit den etwas spitzen Gesichtszügen, dem dünnen Haar und der hohen Stirn, dem geraden Gegenteil der antiken „angusta frons“, und der schmächtige Genosse ihr zur Seite wollen uns freilich keineswegs als Urbilder menschlicher Natur erscheinen. Aber die schlichte und naive Auffassung der beiden Gestalten und ihre so säuberliche Durchbildung hat etwas anmutendes.

Von Cranachs Söhnen war der mittlere Lukas (Lukas Cranach der jüngere) Nachfolger des Vaters in der Werkstatt, wie im Bürgermeisteramt in Wittenberg. Von seinen Bildern in der dresdner Galerie ist im Text das Porträt des Kurfürsten Moritz von Sachsen wiedergegeben. Es ist eines der trefflichsten Bildnisse des genialen, ebenso kühnen wie staatsklugen Wettiners; in der leichten, im Vergleich mit der Art des älteren Cranach weicheren Manier, in der es gemalt ist, gehört es zu den besten Arbeiten des Meisters.

Ein Vierteljahrhundert später als Dürer war Hans Holbein der jüngere geboren (1496 oder 1497). Er trat in die deutsche Kunstentwicklung ein, als die harten Schranken des 15. Jahrhunderts schon überwunden waren. Während Dürer mit seinen ersten Arbeiten noch ganz auf dem Boden der älteren Schule stand und die Befreiung von ihren Mängeln und Fesseln mit gewaltiger Kraftanstrengung errang, fand Holbein schon eine freier und höher entwickelte Kunstübung vor. Sein Vater (Hans Holbein der ältere), neben Burgkmair der Hauptmeister der augsburger Schule am Ausgang des 15. und im Beginne des 16. Jahrhunderts, zeigt in seinen späteren Werken, namentlich in dem Sebastianaltar der münchner Pinakothek, vor allem in den beiden heiligen Frauengestalten dieses berühmten Bildes, eine überraschend geklärte künstlerische Empfindung, eine Formenreinheit und Formenschönheit, auf die das Vorbild der italienischen Renaissancekunst von ersichtlichem Einfluss war. Was Holbein der Vater hier angebahnt hatte, ward von seinem grossen Sohne vollendet. In seiner Natur war tiefer, als in der jedes anderen deutschen Künstlers jener Zeit, eine Anschauungsweise begründet, die dem Renaissanceideal entgegenkam. Auch er wurzelte mit seiner ganzen Kunst in realistischer Grundlage; seine realistische Kraft hat er bewunderungswürdig vor allem in seinen Porträtwerken bewährt; zugleich aber erreichte er in den umfänglichen historischen und allegorischen Darstellungen, die wir nur noch aus seinen Entwürfen und aus Kopien kennen, eine monumentale Grösse des Stils, in der er sich den Italienern des Cinquecento ganz nahe stellte. In dem Gefühl für weiche Schönheit und Anmut der Formen, das er in vielen seiner Gestalten in so hohem Maasse offenbart, erscheint er von Dürers Art am meisten verschieden. Dieser Schönheitssinn, so sehr er zu Holbeins eigener künstlerischer Natur gehörte, ist doch offenbar unter italienischem Einfluss erst zur vollen Reife gelangt. Hinzu kam eine Stärke der eigentlich malerischen, der koloristischen Begabung, in der er Dürer entschieden überlegen war.

Sein berühmtestes Werk, die Madonna des Bürgermeisters Meyer, zeigt sein Schönheitsideal in vollendetster Form. Seinem tiefen deutschen Empfinden hat er in keinem anderen Werk einen schönheitsvolleren, anmutsreicheren Ausdruck gegeben.

Von seiner Vaterstadt Augsburg war Holbein in seinem 18. Jahre – 1515 – nach Basel übergesiedelt. Hier war er schon im folgenden Jahre zu Jakob Meyer, dem damaligen Bürgermeister der Stadt, in Beziehung getreten; in diesem Jahre malte er dessen Bildnis und das seiner Gattin (jetzt im baseler Museum). 1521 wurde Meyer, der inmitten der siegreich vordringenden reformatorischen Bewegung dem katholischen Bekenntnis treu blieb, des Bürgermeisteramtes entsetzt. Bald darauf, 1525 oder 1526, gab er Holbein den Auftrag für das Gemälde, das ihn und seine Familie im Schutze der Madonna darstellt. In einer Nische, die oben muschelförmig abschliesst, steht Maria mit dem Christuskind in den Armen, auf dem Haupt eine goldene Krone, ihr blondes Haar fällt aufgelöst auf die Schultern herab. Der Mantel über dem langfaltigen, von einem Gürtelband leicht umfassten Kleide, ist zurückgeschlagen und breitet sich links über die Schulter des knieenden Stifters des Bildes; ihm gegenüber, der Madonna zunächst, kniet seine verstorbene erste Gattin, dann die zweite Gattin und die Tochter; vor ihm der ältere Sohn mit dem nackten Brüderchen, das kindlich naiv mit sich selbst beschäftigt ist. Den Fussboden bedeckt ein schöner persischer Teppich.

Bekannt ist, wie heftig vor Jahren um die Frage gestritten wurde, welches von den beiden Exemplaren, in denen das Madonnenbild vorhanden ist, als das „echte“ zu gelten habe, ob das in der dresdner Galerie oder das im Besitz des Grossherzogs von Hessen im darmstädter Museum oder ob beide von Holbein gemalt seien. Jetzt wird kaum irgendwo noch bezweifelt, dass das darmstädter Bild das holbeinsche Original ist, das dresdner eine Kopie und zwar nicht eine Wiederholung von Holbeins Hand, sondern die Kopie eines niederländischen Meisters des 17. Jahrhunderts. Bei der Vergleichung beider Gemälde wurde früher das Urteil für viele durch den Umstand unsicher gemacht, dass das darmstädter Bild an manchen Stellen, namentlich in den Köpfen, am meisten in den Köpfen der Madonna und des Kindes, stark übermalt und von einem schweren, die Farben trübenden Firnis bedeckt war. In dem dresdner Gemälde erschien vor allem die Madonna ungleich schöner. Nun ist in neuerer Zeit (1888) das darmstädter Bild durch den münchner Restaurator Hauser von dem Firnis und den Übermalungen aufs glücklichste befreit worden, so dass es in seiner vollen ursprünglichen Gestalt, in seiner vollen holbeinschen Schönheit wieder ans Licht gekommen ist. Für den mit Holbeins Art Vertrauten hatte freilich das Bild schon in seinem früheren Zustand an den unberührt gebliebenen Stellen die untrüglichsten Kennzeichen der Echtheit, in einzelnen Zügen der Porträtköpfe, in der ausserordentlich feinen Charakterisierung des Stofflichen der Gewandung und des Beiwerks, in dem eigentümlichen Schmelz der Farbe, in der ganzen Malweise, besonders in der Art, wie die Formen durch einfarbige, aber sehr fein abgestufte, klardurchsichtige Schattentöne modelliert sind. In dem dresdner Bild hat die Behandlung der Gewandstoffe und des Beiwerks durchaus nicht die charakteristische Feinheit Holbeins, während die mehrfarbigen Übergangstöne in den Schatten eine von der holbeinschen Methode abweichende, einer späteren Zeit angehörende Malweise zeigen; den Porträtköpfen fehlt in den Formen und im Ausdruck die Schärfe und Lebendigkeit der echt holbeinschen Porträtkunst.[5]

Verwunderlich kann es scheinen, wie man auf den Gedanken hat kommen können, das Originalbild an einzelnen Stellen zu übermalen, da sich herausgestellt hat, dass diese Partien doch sehr gut erhalten waren. In der Regel greift man doch nur, um Schäden zu heilen, zur Übermalung. Hier lag der Übermalung, die wahrscheinlich im 18. Jahrhundert vorgenommen wurde, in der Hauptsache nichts anderes, als die uns geradezu frevelhaft erscheinde Absicht einer Abänderung zugrunde. Der Maler, dem das Bild unter die Hände kam, änderte es nach seinem eigenen Geschmack oder nach dem des damaligen Besitzers; das Bild erschien offenbar nicht gefällig genug; die Madonna und das Kind erhielten einen stark lächelnden Ausdruck, besonders in dem ernsten Gesicht des Kindes wurden die Mundwinkel stark in die Höhe gezogen.

Was wir von der Geschichte der beiden Bilder wissen, ist so unzulänglich und unklar, dass es für die Beantwortung der Echtheitsfrage keinen irgendwie sichern Anhalt geben konnte. Nur aus Gründen der Stilkritik kam man zu der Überzeugung, dass das dresdner Bild von einem niederländischen Meister des 17. Jahrhunderts gemalt ist. Es entstand ohne Zweifel in Amsterdam. Das holbeinsche Original wurde im Jahre 1632 von einem amsterdamer Maler oder Kunsthändler Le Blon von den Erben Jakob Meyers angekauft. Der Bericht, aus dem wir das erfahren, befindet sich in einem um die Mitte des 17. Jahrhunderts verfassten Manuskript von Remigius Fesch in der baseler Bibliothek; er enthält noch die Notiz, dass Le Blon das Bild an Maria von Medici während ihres Aufenthaltes in Belgien verkaufte. (Sie flüchtete 1631 aus Frankreich nach Brüssel.) Dieser Notiz steht eine andere bei Sandrart in der Biographie Holbeins gegenüber, aus der sich ergiebt, dass Le Blon ein gleiches Madonnenbild längere Zeit vor 1645 an den Buchhalter Lössert in Amsterdam verkaufte. Fesch sowohl wie Sandrart wissen ausser dem Bilde, über das sie als Originalwerk Holbeins berichten, von keinem zweiten Exemplar; offenbar jedoch beziehen sich ihre Notizen nicht auf dasselbe Gemälde. Das Bild hatte sich in Amsterdam verdoppelt. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Le Blon selbst eine Kopie in der Absicht anfertigen lassen, sie als Originalarbeit Holbeins in den Handel zu bringen. Welches aber von den an Maria von Medici und Lössert verkauften Bildern war das Original? Hätte sich das an Lössert verkaufte als das Original nachweisen lassen, so wäre das für die Frage nach der Echtheit des jetzt in Darmstadt befindlichen Bildes nicht ohne Bedeutung gewesen. Denn aus mehr als einem Grunde ist sehr wahrscheinlich, dass das im Besitz Lösserts in Amsterdam gebliebene Bild dasselbe Exemplar war, von dem wir wissen, dass es in Amsterdam 1709 mit der cromhoutschen Sammlung versteigert wurde; mit diesem aber ist das darmstädter sicher identisch, da der Rahmen des darmstädter Bildes das cromhoutsche Wappen hat. (1822 erwarb es der Prinz Wilhelm von Preussen von dem pariser Kunsthändler Delahante, dessen Schwager Spontini es nach Berlin gebracht hatte; nach dem Tode des Prinzen erbte es seine Tochter, die Prinzessin Elisabeth, Gemahlin des Prinzen Karl von Hessen.)

Das dresdner Exemplar befand sich 1743 im Besitz eines Herrn Zuan Delfino in Venedig. Von wo und von wem es in dessen Besitz gelangt war, ist ungewiss. Durch den Grafen Algarotti ward es in dem genannten Jahre für die dresdner Galerie erworben.

Unter den so glänzend wieder ans Licht gekommenen Vorzügen des darmstädter Gemäldes müssen vor allen die der Porträtköpfe, besonders der weiblichen, ins Auge fallen; an Schärfe und Feinheit der Formen sind sie denen des dresdner Bildes weit überlegen. Die Gestalt des Bürgermeisters hat hier nicht denselben schlichten Ausdruck tiefer hingegebener Andacht, wie in dem darmstädter Bild; in der mehr aufgerichteten Haltung – die gefalteten Hände sind mehr erhoben, so dass sie nicht, wie dort, auf den Schultern des knieenden Sohnes aufruhn –, in dem ganzen Ausdruck, der lebhafter erscheinen sollte, hat diese Gestalt an ernster Innigkeit verloren. Aber das Madonnenantlitz des dresdner Bildes! Wie bewunderungswürdig nahe steht es der Schönheit des Originals! Niemals in der That hat die Hand eines Kopisten eine feiner empfundene Nachbildung geschaffen. In allen den individuellen Feinheiten, die in dem Madonnenkopf des darmstädter Bildes nach der Entfernung der plumpen Übermalungen hervortraten, in der zarten Zeichnung der Augenbrauen, der Nase, des Mundes und des anmutigen Doppelkinns, in dem allen stimmt mit ihm der dresdner Madonnenkopf durchaus überein. Und wie bewundernswert ist die Uebereinstimmung auch in dem tief seelenvollen Ausdruck der beiden Madonnen.

In Wahrheit ein merkwürdiger Fall: als das darmstädter Bild in dem übermalten Zustand weiteren Kreisen bekannt wurde, musste man sich sagen, das ist das Original, zugleich aber, nur in der Kopie sind die Züge der ursprünglichen Schönheit der Hauptfigur erhalten. Hinsichtlich dieser Gestalt war Holbein in der Kopie sich selbst erstaunlich ähnlicher, als im Original. Die Bewunderung dieser Madonna als einer der edelsten und herrlichsten Gestalten deutscher Kunst blieb dieselbe. Woltmann sagte damals, obwohl er die Echtheit des darmstädter Bildes sofort mit Entschiedenheit vertrat, von der dresdner Kopie, dass nur sie eine Ahnung von Holbeins Madonnenkopf gebe: „hier erscheint er uns völlig individuell und zugleich als die höchste Verklärung deutscher Weiblichkeit, wie sie sich jedem deutschen Herzen eingeprägt hat, ganz Licht und Klarheit, mit den reizend gesenkten Lidern, voll unaussprechlicher Milde und Holdseligkeit.“[6] Und auch dann, als man das Original in seinem ursprünglichen Zustande kennen lernte, konnte sich die Bewunderung der Madonna in der dresdner Kopie nicht verringern. Den angeführten Worten fügte Woltmann die Bemerkung hinzu: „allerdings spielt hier (bei dem dresdner Bilde) wohl schon eine leise Modernisierung hinein, auf die schon Kugler in seiner Beurteilung des Bildes hinwies. Bei dem Original, soweit noch Spuren des ehemaligen unter den Entstellungen hindurchschimmern, scheint sich der Anmut mehr Hoheit gesellt zu haben.“ Vielleicht findet man, dass die Wiederherstellung des Originals dieser Vermutung Recht giebt. Aber von welch’ adeliger Anmut ist das Madonnenantlitz auch in dem dresdner Schwesterbild!

Man bezeichnet die holbeinsche Madonna gern als das deutsche Gegenstück zu Raffaels Sistina. Sie erscheint nicht in so unnahbarer Erhabenheit wie jene, sie tritt uns vertraulich entgegen inmitten der innigen Vereinigung einer deutschen Familie, sie steht uns ganz menschlich nahe und ist doch auch von einer göttlichen Schönheit verklärt. Die Krone ist kein bedeutungsloses Symbol auf der reinen, wunderbar klaren Stirn dieser Madonna, in deren echt mütterlicher Gestalt das deutsche Frauenideal eine so vollendete Verkörperung gefunden hat.

Wenn man sagt, das dresdner Gemälde zeige eine gewisse Modernisierung des Originals, so meint man hauptsächlich die schlankere Bildung der Madonnengestalt und die Änderungen im architektonischen Hintergrund. Namentlich in der Gestaltung der architektonischen Verhältnisse bekundet sich ein mehr moderner, vom Raumgefühl der Renaissance stärker beeinflusster Geschmack. Die Muschelwölbung der Nische über dem Haupt der Madonna und die Konsolen der Seitenpilaster über den Köpfen der Knieenden sind höher hinaufgerückt, so dass die Gestalten freier aus dem Hintergrund heraustreten. Der Gesamteindruck der Komposition ist dadurch für die meisten ohne Zweifel ein günstigerer. Doch ist nicht zu verkennen, dass die Raumverhältnisse im Originalbild ihre eigentümlichen Vorzüge haben. Die Figurengruppe erscheint hier in der architektonischen Umrahmung fester zusammengeschlossen; man kann sagen, der Eindruck des Innigen in der Komposition der Figuren wird durch die sich enger anschliessenden architektonischen Linien erhöht.

Wer war der Maler des dresdner Bildes? Bis jetzt ist diese Frage noch unbeantwortet. Es giebt künstlerische Talente, die für selbständige Schöpfungen nicht kräftig genug begabt sind, denen nur in der Anempfindung an fremde Vorbilder, in ihrer Nachahmung bedeutende Leistungen gelingen. Ein solches Talent war vielleicht der Maler der dresdner Madonna.

David Teniers der jüngere: Selbstbildnis des Meisters im Wirtshaus

Nicht lange nach Vollendung seines Madonnenbildes verliess Holbein Basel, wo die reformatorische Bewegung immer mehr einen fanatisch revolutionären Charakter angenommen und Zustände herbeigeführt hatte, in denen für künstlerische Thätigkeit wenig Raum blieb. „Hier frieren die Künste“, schrieb Erasmus am 29. August 1526 in einem Brief an seinen Freund Peter Ägidius in Antwerpen, „er (Holbein) geht nach England, um ein paar Engel (Goldmünze von 10 Schillingen) zusammenzuscharren“. Nach zwei Jahren kam Holbein zwar nach Basel zurück, fand hier auch Beschäftigung, er beendigte damals die später zugrunde gegangenen Wandmalereien im baseler Rathaus, aber schon 1532, da die Verhältnisse in Basel nicht besser wurden, begab er sich wieder nach England, gelockt von der sichern Aussicht auf ein reiches und lohnendes Schaffen. So ging Deutschland damals – Dürer war vier Jahre vorher gestorben –seines grössten Künstlers verlustig. In London, wo Holbein, einen nochmaligen ganz kurzen Aufenthalt in Basel abgerechnet, bis zu seinem Tode blieb, war er beinahe ausschliesslich als Porträtmaler thätig.

Zu den bewunderungswürdigsten Bildnissen von Holbeins Hand, zu denen, an die man zuerst denkt, wenn von seiner Porträtkunst die Rede ist, gehört das Bildnis Morettes in der dresdner Galerie. Es stammt aus der Zeit seines letzten Aufenthalts in England und zeigt ihn in der ganzen Grösse seiner Meisterschaft. Von allen grossen Porträtmalern hat keiner in seinen Schilderungen den Eindruck reiner Objektivität in höherem Grade erreicht als Holbein. In der langen Reihe seiner Bildnisse findet man schwerlich auch nur die leiseste Spur einer habituellen, subjektiv gefärbten Auffassungsweise; wie aus einem wunderbar klaren, krystallhellen Spiegel treten uns die dargestellten Persönlichkeiten entgegen, und immer sind wir sofort überzeugt, das vollste Bild ihres Wesens vor uns zu haben. Immer ist in diesen Gestalten mit eindringlichster Kraft der Charakter in seiner Ganzheit, nicht in einer blos einseitigen Äusserung, einer blos augenblicklichen Bewegung und Stimmung erfasst; immer haben wir die Empfindung, dass in der völligen Ungesuchtheit der Schilderung der Kern der Persönlichkeit getroffen ist.

David Teniers der jüngere: Die Kirmess im „Halbmond“

Jenes Meisterwerk holbeinscher Porträtkunst war bekanntlich lange Zeit des Namens seines Schöpfers beraubt. Als es in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von dem Herzog von Modena erworben wurde, trug es noch Holbeins Namen[7]; Scannelli bemerkt im „Microcosmo“ (1657), es sei das Werk eines ausgezeichneten nordischen Malers, eines gewissen Olbeno; in seiner Naturwahrheit sei es wunderbar[8]. Der Dargestellte wurde damals als Graf Moretta bezeichnete[9]. Späterhin geriet der Name Holbeins gänzlich in Vergessenheit, der Name des Dargestellten verwandelte sich, aus Moretta wurde Moro, das Bild galt für ein Porträt des berühmten Lodovico Moro, für den Urheber galt Leonardo da Vinci. Mit dieser Namensmetamorphose kam das Bild 1746 nach Dresden und erst ein volles Jahrhundert später wurde die Urheberschaft Holbeins durch Rumohr wieder ans Licht gebracht. Ein bis dahin unbeachtet gebliebener Stich von Wenzel Hollar, der die Originalzeichnung zu dem Bilde wiedergiebt und in der Unterschrift den Dargestellten Morett nennt, führte zu der Annahme, ein englischer Goldschmied Hubert Morett, der für Heinrich VIII. beschäftigt war, sei in dem Gemälde porträtiert, in dem freilich nichts für diese Annahme sprach. Ohne Zweifel war der Abgebildete, wie in neuerer Zeit von S. Larpent nachgewiesen wurde[10], ein französischer Edelmann, der Sieur Charles Solier de Morette, der sich gleichzeitig mit Holbein am Hofe Heinrichs VIII. aufhielt; jene ältere Überlieferung hatte ihn zum Grafen Moretta gemacht.

Das Schicksal des Bildes ist denkwürdig genug: in Italien fand es so hohe Bewunderung, dass es Leonardo zugeschrieben werden konnte; in Deutschland konnte es ein Jahrhundert lang den italienischen Namen unbestritten behalten, so wenig war man damals in Deutschland mit der Kunst des grossen deutschen Meisters bekannt.

Adriaen Brouwer: Bauernrauferei beim Würfelspiel

Der vornehme Herr, den das Bild in lebensgrosser Halbfigur darstellt, steht vor uns in voller Vorderansicht, in einem durchgehends schwarzfarbigen Kostüm von gediegenster Eleganz, in ruhiger, fester, selbstbewusster Haltung, den Blick geradaus gerichtet, die mit dem Handschuh bekleidete linke Hand leicht in das Dolchgehenk stützend. Mit staunenswerter Feinheit ist alles einzelne behandelt, in seiner stofflichen Beschaffenheit aufs meisterhafteste charakterisiert: die schwarze Stickerei auf dem Bruststück und den geschlitzen Ärmeln des Atlaswamses, die Pelzverbrämung des Mantels, die goldene Halskette, die reichverzierte Dolchscheide, die Edelsteine am Barett. Nichts aber von all diesen kostbaren Einzelheiten macht sich aufdringlich geltend; das Herrschende in der ganzen Erscheinung ist der ernste energische Kopf, der sich mit seinem hellen Fleischton und dem rötlichblonden, schon angegrauten Bart aus der dunkelfarbigen Umgebung, von dem tiefen Grün des Vorhangs im Hintergrund und von dem Schwarz der Kleidung aufs wirkungsvollste abhebt. Nächst dem Kopf wirkt am entschiedensten die ganz individuelle, wundervoll gemalte rechte Hand. Das koloristische Ganze mit seinen so einfachen, aber aufs feinste abgestuften Tönen ist von vollendet harmonischer Haltung. Eine Erhöhung der realistischen Illusion erreichte die Malerei erst in einer späteren Entwicklungsepoche, hauptsächlich durch die vollkommene Ausbildung der Luftperspektive. Durch scharfe Beobachtung der Luftwirkungen, der die Figuren umgebenden Atmosphäre wurde der Eindruck des Räumlichen und Körperhaften in der bildlichen Erscheinung noch bedeutend gesteigert. Was die Spanier „ambiente“ nennen, das fehlt noch in den holbeinschen Bildnissen.

Ein anderes Originalwerk des Meisters in der dresdner Galerie ist das vortreffliche Doppelporträt des Mr. Thomas Godsalve und seines Sohnes John (s. d. Abb.). Die beiden sind, wie Woltmann bemerkt, wahre Typen englischer Land-Gentlemen; der Sohn hat einen eigentümlich ernsten Ausdruck; man kennt von ihm aus seinen späteren Jahren die Kundgebung einer streng protestantischen Gesinnung.[11] Das Bild entstand, wie die Inschrift besagt, im Jahre 1528, also in der Zeit von Holbeins erstem Aufenthalt in England.

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In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts treten in der deutschen Malerei noch nirgends Anzeichen auf von einer die nationale Eigenart schädigenden Wirkung italienischer Einflüsse. Was sich hier von solchen Einwirkungen zeigt, versehrt noch in nichts die künstlerische Selbständigkeit. Anders verhält es sich mit der niederländischen Malerei, die schon in dieser Zeit durch das Eindringen des italienischen Stils in ihrem nationalen Charakter bedroht wird. Zwar stehn in den Niederlanden so bedeutende Meister wie Quinten Massys (in Antwerpen) und Lucas van Leyden während der ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts noch ganz innerhalb der heimischen Kunstrichtung, auch in dem, was in ihrer Kunst neu ist. Aber schon bei ihren Zeitgenossen Jan Gossaert (Mabuse), Bernaert van Orley und Jan Scorel kündigt sich in der späteren Epoche ihrer künstlerischen Thätigkeit sehr entschieden eine Stiländerung unter italienischer Einwirkung an.

Peter Paul Rubens: Das Urteil des Paris

Quinten Massys, dessen religiöse Bilder das bedeutendste sind, was die niederländische Malerei des 16. Jahrhunderts hervorgebracht hat, ist als Porträtmaler und namentlich als Maler sittenbildlicher Darstellungen noch von besonderem Interesse. In seinen Sittenbildern, in denen er hauptsächlich Szenen aus dem antwerpner Geschäftsleben, Kaufleute mit ihren Frauen beim Goldwägen und Geldzählen in grossen Halbfiguren schilderte, hat er die Ansätze zu einer selbständigen Genrekunst, die sich in der niederländischen Malerei schon seit Jan van Eyck gezeigt hatten, in epochemachender Weise weiterentwickelt. Seine unmittelbaren Nachahmer in dieser von ihm geschaffenen Bildergattung waren sein Sohn Jan und ein aus Holland, von einer der Inseln Seeland[BERICHTIGUNG 1] gebürtiger Maler, Marinus van Roymerswale. Von den Arbeiten beider haben späterhin viele als Originalwerke des Quinten Massys gegolten; seltsamerweise galt als ein solches längere Zeit auch das mit dem Namen des Marinus deutlich genug bezeichnete Gemälde der dresdner Galerie (s. d. Abb.): ein Kaufmann mit seiner jungen Gattin in der Geschäftsstube, vor einem Tisch, auf dem der Ertrag eines schönen Geschäfts, ein Haufen glänzender Goldstücke liegt; der Mann, an dem die sonderbar geschweifte und verbrämte Kopfbedeckung auffällt, legt mit bedächtiger Miene eines der Goldstücke auf die Wagschale; die junge Frau, deren hübsches und zartes Gesicht sich neben dem scharfgeschnittenen ihres Gatten doppelt anmutig ausnimmt, sieht ihm mit einem nachdenklichen Blick, der zu sagen scheint : „am Golde hängt doch alles!“ aufmerksam zu. Die Schilderung dieser behaglichen Szene ist bis in alle Einzelheiten mit grosser behaglicher Sorgfalt durchgeführt. Ihr Vorbild ist das eine ähnliche Szene schildernde Gemälde, das die Louvresammlung von Quinten Massys besitzt. Marinus hat die Darstellung, die jedenfalls grossen Beifall fand, mehrfach gemalt; ein Exemplar vom Jahre 1538 befindet sich in der münchner Pinakothek, ein anderes von 1558 im madrider Museum, ein drittes von 1560, auf dem ein Knabe mit einem Brief hinzugefügt ist, in der kopenhagner Galerie. Auf dem dresdner Bild zeigt das Papierbündel auf dem Wandbort die Inschrift: Marinus me fecit 1541.

Jakob Jordaens: Alt und Jung

Ganz abhängig von den Niederlanden, recht eigentlich eine Filiale der niederländischen Schule war die kölnische auch noch im Anfang des 16. Jahrhunderts, wie bereits früher, in der zweiten Hälfte des fünfzehnten. Manche der jetzt in Köln thätigen Künstler waren selbst Niederländer. Zu ihnen gehört vielleicht auch der Maler, den man, da sein Name noch unbekannt ist, nach seinem Hauptwerk im kölner Museum als den Meister des Todes der Maria bezeichnet. Seine künstlerische Thätigkeit ist nachweisbar in der Zeit von 1515 bis ungefähr 1530. Anfangs erscheint er ganz niederländisch, dem Quinten Massys verwandt und besonders dem Jan Joest von Harlem, von dem die vielbesprochnen Flügelbilder am Hochaltar der Pfarrkirche in Calcar herrühren; später zeigen sich in seinen Werken schon mehrfach, ähnlich wie bei Mabuse, wenn auch nicht gleich entschieden, italienische Einwirkungen. Wie Mabuse war auch er eine Zeit lang in Italien; in Genua, wo er sich wahrscheinlich zwei Mal aufhielt, befinden sich noch jetzt einige Bilder von seiner Hand. Ein Werk des Meisters aus dieser späteren Zeit ist in der dresdner Galerie die grosse Anbetung der Könige, die für die Kirche S. Luca d’Erba bei Genua gemalt war (s. d. Abb.). Vorherrschend ist hier noch immer die niederländische Art; die streng individualisierten Nebenfiguren, vor allen die beiden Gestalten zur rechten und linken Seite des Vordergrundes, der Evangelist Lukas und der hl. Dominikus mit den scharf und fein gezeichneten Charakterköpfen, die Überfülle des reichfarbigen höchst ausführlich und eingehend behandelten Details, das kleine Gefältel im Gewand des knieenden Königs, der landschaftliche Hintergrund – das alles ist in altniederländischem Geschmack; dagegen ist in dem Madonnenkopf offenbar die Nachbildung eines italienischen Typus angestrebt, die Gruppierung der Figuren, ihre „Ordinierung“ erinnert an italienische Kompositionsweise, die Architektur, die den Schauplatz des geschilderten Vorganges bildet, hat Renaissanceformen.

Von jenen niederländischen Meistern, bei denen sich der italienische Einfluss zu derselben Zeit schon weit stärker geltend macht, ist der eine, Barend van Orley, in der dresdner Galerie mit dem Bild einer heiligen Familie vertreten, das für den beginnenden Italianismus besonders charakteristisch ist. (S. d. Abb.). Das Motiv der Darstellung, die Formenzeichnung, namentlich in den beiden Kindergestalten, und die Komposition weisen aufs bestimmteste auf Raffaels Vorbild, an das sich van Orley auch in anderen Werken seiner späteren Zeit so nahe anschliesst, dass die Annahme, er habe in Rom zu Raffaels unmittelbaren Schülern gehört, nichts unwahrscheinliches hat, obschon sie durch keine ältere Nachricht ausdrücklich bestätigt wird. Ein deutlicher Rest von niederländischer Weise ist auch in dem Bild dieser hl. Familie, besonders im Charakter des landschaftlichen Hintergrunds, noch vorhanden.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als die Renaissance zu einer Weltmacht geworden war, erlischt die nationale Eigenart bei vielen, bei der Mehrzahl der niederländischen Maler vollständig. Schaarenweis pilgern sie über die Alpen, hauptsächlich nach Rom, um den grossen Stil Raffaels und Michelangelos zu lernen. Diese Romanisten, die damals hoch gepriesen wurden, sind für uns nur noch von historischem Interesse. Sie gaben die heimische Kunstweise auf und vermochten sich die italienische doch nicht anders als rein äusserlich anzueignen. In ihren kalten manieristischen, mit Überbleibseln des niederländischen Geschmacks noch immer behafteten Malereien ist gleichsam nur die äussere Geberde der italienischen Kunst nachgeahmt. Eine tiefere Aneignung der italienischen Formenanschauung, die Verschmelzung des grossen italienischen Stils mit niederländischem Wesen blieb einer spätere Entwicklungsepoche vorbehalten; am vollkommensten vollzog sie sich in der grossen rubensschen Kunst.

An Künstlern, die der nationalen Richtung treu blieben, hat es in den Niederlanden auch während der Herrschaft des Romanismus nicht gefehlt. In den genreartigen, sittenbildlichen Schilderungen des Pieter Aertsen, Pieter Brueghel d. ä. u. A. und in der Landschaftsmalerei pflanzte sich die heimische Weise am ersichtlichsten fort. Die Landschaftsmalerei, die sich ebenso wie die Genremalerei allmälig zu einem selbständigen Kunstzweig ausbildete, hielt sich zunächst durchaus in den Ueberlieferungen der eyckschen Schule. Der Reichtum an poetisch empfundnem Detail und das miniaturartige der Durchführung war jetzt wie früher für die Naturschilderung hauptsächlich charakteristisch; neben dieser Kleinmalerei stand Pieter Brueghel d. ä. mit seinen merkwürdig gross aufgefassten Landschaften fast ganz allein. Die Färbung behielt lange Zeit etwas konventionelles, am auffälligsten in der eigentümlichen Buntheit der ganz rezeptmässig behandelten landschaftlichen Pläne; der vordere ist in der Regel bräunlich, der mittlere hellgrün, der letzte tiefblau gefärbt. Den Fortschritt zu einer grösseren Naturwahrheit, zu einer richtigeren Behandlung der Luftperspektive gewahrt man hier erst in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, namentlich in manchen Bildern Jan Brueghels d. ä., der in seiner ausserordentlich vielseitigen Thätigkeit in dieser Periode der niederländischen Malerei eine besonders wichtige Rolle spielt (1568–1625). Bisweilen erscheint der richtiger beobachtete Licht- und Luftton in seinen kleinen Landschaftsbildern auch schon als ein wesentlicher Träger der malerischen Wirkung. Das abgebildete Gemälde, die Furt am Bach, ist ein Beispiel dafür: eine langgedehnte, fast kahle Hügelgegend der Niederlande, über die sich von dem leichtbewölkten, bleichbläulichen Himmel ein gedämpftes Licht verbreitet. Hier ist es wesentlich die Wirkung des gedämpften Lichtes, durch die das höchst einfache landschaftliche Motiv malerisches Interesse erhält. In seiner Grundrichtung, in der Hauptmasse seiner ganz miniaturartig, in allen Einzelheiten haarfein ausgeführten Bilder blieb Jan Brueghel vollkommen ein Vertreter der älteren niederländischen Schule; sein Aufenthalt in Italien war auf die Art seiner landschaftlichen Schilderungen ohne jeglichen Einfluss.

Mit grosser Entschiedenheit ging dagegen ein hervorragender Zeitgenosse und Landsmann Brueghels, Paul Bril, in die Richtung der italienischen Landschaftsmalerei über. Wie er während seines Aufenthalts in Italien seinen Namen italienisierte – er nannte sich Paolo Brili –, so übersetzte er auch seinen Stil ins Italienische. Er kam von Antwerpen, wo er 1554 geboren war, in noch jugendlichem Alter nach Rom (1580) und blieb hier bis zu seinem Tode (1626). Ziemlich lange ist von einer Einwirkung italienischer Kunstweise bei ihm wenig zu spüren. Seine kleine im Text wiedergegebne römische Ruinenlandschaft vom Jahre 1600 ist noch ganz in der Art der altniederländischen Kleinmalerei behandelt; auch jene konventionelle Färbung der landschaftlichen Pläne ist hier noch vorhanden. Auf die Wandelung, die später in Brils Darstellungsweise eintrat, hatte offenbar die damals von den Carracci, namentlich von Annibale Carracci in der Landschaftsmalerei angebahnte Richtung den wichtigsten Einfluss. Die Waldlandschaft mit Tobias und dem Engel in der dresdner Galerie stammt aus dieser späteren Zeit des Meisters, aus dem Jahre 1624. (S. d. Abb.) An die Stelle der scharfen Betonung der landschaftlichen Einzelheiten ist eine breite, grosszügige Behandlung getreten, auf die Gesamtwirkung, auf eine schöne Anordnung des Ganzen, auf Linienschönheit der Komposition ist das künstlerische Absehen hauptsächlich gerichtet. In der einheitlichen Lichtführung, in der weichen Tönung der Ferne wird man hier und noch mehr in anderen in dieser späteren Zeit entstandnen Landschaften Brils auch den Einfluss eines bedeutenden deutschen Meisters, der damals in Rom thätig war, wahrnehmen können, den Einfluss Elsheimers. Vor allem aber ist die Landschaft mit Tobias und dem Engel ein bezeichnendes Beispiel für die stilisierende Art der Behandlung, in der sich Bril der von den Carracci ausgehenden Richtung der Landschaftsmalerei anschloss. Er selbst hat an der Weiterentwicklung dieser Richtung sehr hervorragenden Anteil gehabt.

Die deutsche Malerei teilte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Schicksal der niederländischen. Sie verlor nun auch ihre Selbständigkeit unter dem siegreichen Vordringen des glänzenden italienischen Ideals, ihre schöpferische Kraft erlahmte, der italienische Einfluss ward hier so mächtig, dass er fast alle nationale Eigentümlichkeit vertilgte. Neben den zahlreichen deutschen Malern, die jetzt lediglich auf Nachahmung der grossen Italiener ausgingen, neben diesen eigentlich blos reproduzierenden Künstlern war nur einer wahrhaft produktiv: der eben genannte Adam Elsheimer. Er war in Frankfurt am Main 1578 geboren; dem Zuge der Zeit folgend, ging auch er nach Italien; Rom, wo er sich um 1600 niederliess, war von da bis zu seinem Tode (1620) die alleinige Stätte seines Wirkens. So bedeutend aber die italienische Kunstwelt auf ihn einwirkte, eben hier gelangte er erst zu selbständiger Entwicklung. Seine Bilder, meist Landschaften mit mythologischer oder biblischer Staffage, sind fast sämtlich von sehr kleinem Umfang, ähnlich wie die Jan Brueghels d. ä. und anderer Niederländer jener Zeit. Aber trotz ihrer Kleinheit – das unterscheidet sie zunächst von den Arbeiten der altniederländischen Schule – zeigen diese Gemälde, vor allem im Landschaftlichen, eine eigentümliche Grösse der Formen, in der man sofort den Einfluss des italienischen Stils, besonders das Vorbild der Carracci erkennt. Das Neue, das Elsheimer hinzubrachte, lag in der tief stimmungsvollen, ganz eigentlich malerischen Art der Auffassung. In seinen Landschaften, deren Motive immer der Umgebung Roms entnommen sind, vereinigt sich mit der gross erfassten Formenschönheit der südlichen Natur der poetische Reiz der mannigfaltigsten Licht- und Farbenstimmungen. Die meisten seiner Landschaften sind schon wesentlich Stimmungslandschaften, obgleich in ihnen das, was man in der Malerei „Ton“ im besonderen Sinne nennt, noch nicht ausgebildet erscheint. Die Lokalfarben sind hier nicht, wie in der eigentlichen „Tonmalerei“, in einen Gesamtton aufgelöst, aber sie sind aufs feinste zu einer tief poetischen Wirkung zusammengestimmt. Die bisweilen sehr reiche figürliche Staffage ist in die Landschaft immer meisterhaft hineinkomponiert. Die wenigen Gemälde Elsheimers, in denen mannigfach beleuchtete Innenräume den Schauplatz der Vorgänge bilden, sind nicht minder stimmungsschön; sie haben mit ihrer intimen Poesie für unser Empfinden etwas besonders anziehendes. – In den römischen Künstlerkreisen erregte Elsheimer, als er mit seinen so eigenartigen Werken hervortrat, ungewöhnliches Aufsehen; Sandrart sagt, es sei damals in Rom von nichts denn von Elsheimers neu erfundner Kunst geredet worden. Auf die holländische Schule des 17. Jahrhunderts hat seine neue malerische Anschauungsweise, das Stimmungselement seiner Bilder, weitgehenden Einfluss gehabt. Auch der grosse Meister der Landschaftsmalerei, der nicht lange nach Elsheimer in Italien auftrat, Claude Lorrain, hat von ihm wichtige Anregungen empfangen.[12]

Von den vier Gemälden Elsheimers in der dresdner Galerie sind zwei hier wiedergegeben: „Josef im Brunnen“ und „Philemon und Baucis“, jenes eine schöne waldige Thalgegend, die rechts von hohen Felswänden begrenzt wird, links ein dichter Chor prächtiger Bäume, in der Ferne Gebirgszüge in bläulichem Duft; im Vordergrund rechts eine lebhaft bewegte Gruppe von Männergestalten: Josef, der von den Brüdern in den Brunnen gesenkt wird, zur linken vor dem Hirtenzelt eine Herde Schafe und Rinder. Wirksam vor allem sind die gross und klar, ausserordentlich bestimmt gezeichneten landschaftlichen Formen. Das andere durch den Stich von Goudt bekannte Gemälde ist eines der köstlichsten Genrebildchen des Meisters. Die Geschichte von den beiden gastfreundlichen Alten, die Jupiter und Merkur bei sich beherbergen, ist hier ganz in die trauliche Gegenwart versetzt. Jupiter, ein stattlicher, vollbärtiger Mann, sitzt vorn behaglich im Lehnstuhle, sein Diener Merkur, am Flügelhut kenntlich, hat sichs auf dem breiten Pfühl noch bequemer gemacht; die sorgliche Alte bringt ein Gewandstück herbei, Philemon kommt durch die Thür hinter dem grossen Herd mit einer gefüllten Schüssel, reichlicher Speisevorrat ist im Vordergrund rechts in einem weiten Gefässe aufgehäuft. Der malerische Hauptreiz des Bildchens liegt in der meisterhaft behandelten, den gemütlichen Eindruck der Szene so wesentlich erhöhenden Beleuchtung; das Doppellicht, das von der Lampe auf dem Tisch und einer andern Lampe unten am Herd ausgeht, umspielt die Gestalten und alle Gegenstände der traulichen Hütte in den mannigfachsten Reflexen und giebt dem Ganzen die poetische Stimmung.

Die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts[Bearbeiten]

AUS der italienisierenden Richtung, der die niederländische Malerei ähnlich wie die deutsche in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts grossenteils verfallen war, erhob sie sich mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts zu neuer Selbständigkeit, sie erlebte eine zweite Glanzepoche, während die deutsche Kunst unter den Stürmen des dreissigjährigen Krieges fast gänzlich erstarb.

In eigentümlicher Doppelgestalt entwickelte sich diese neue Kunstblüte der Niederlande. Bisher hatte ein scharf ausgesprochner Unterschied zwischen der Kunst der nördlichen und der südlichen Niederlande, ein Gegensatz zwischen holländischer und vlämischer Kunst noch nicht bestanden. Erst jetzt, mit dem Anfang des 17. Jahrhunderts, kam es zu einer wirklichen Scheidung. Sie war aufs wesentlichste bedingt durch das Ergebnis der grossen niederländischen Freiheitskämpfe, durch die politische und kirchliche Trennung der nördlichen und südlichen Niederlande. Holland befreite sich von der habsburgisch-spanischen Herrschaft, es wurde zu einem selbständigen protestantischen Freistaat, während der vlämische Teil der Niederlande unter der spanischen Herrschaft und damit zugleich unter der Herrschaft der katholischen Kirche verblieb. Seit dieser Trennung des Nordens und Südens, mit der die Verschiedenheit im Charakter der holländischen und vlämischen Bevölkerung erst in voller Bestimmtheit hervortrat, gingen nun auch die holländische und vlämische Malerei getrennte Wege, sie blieben im wesentlichen von einander geschieden, obschon sie sich an manchen Punkten berührten.

In Holland erwuchs inmitten eines völlig neuen Kulturzustandes, aus den ganz umgewandelten Verhältnissen des politischen, kirchlichen und sozialen Lebens eine neue Kunst, die mit dem vorangehenden Romanismus nicht das geringste mehr gemein hatte. Mit den Idealen der Renaissance ward hier völlig gebrochen, die hier neu entstehende Kunst war in ihrer ganz holländischen Art eine neue bedeutende Offenbarung echt germanischen Wesens; die künstlerischen Anschauungen, die in ihr zum Durchbruch kamen, gewannen zugleich für die ganze moderne Entwicklung der Malerei im europäischen Norden eine tief einschneidende, epochemachende Bedeutung.

Rembrandt: Ganymed in den Fängen des Adlers

Anders verhielt es sich in den südlichen Provinzen der Niederlande. Hier, wo sich die alte Herrschaft behauptete und die alten Kulturzustände wiederhergestellt wurden, blieb ein Zusammenhang mit der italienischen Kunst bestehen. Die fortdauernde Hinneigung zu Italien, wie die so leicht und rasch sich vollziehende Rückkehr zum Katholizismus war offenbar nicht am wenigsten im Naturell der vlämischen Bevölkerung begründet, in der romanische (wallonische) und germanische Elemente gleich stark vertreten waren. So entschieden auch hier die neu auflebende Malerei nationalen Charakter hatte, so kraftvoll in ihrem glänzenden Aufschwung die Eigentümlichkeit des vlämischen Naturells zu Tage kam, so blieb in ihren bedeutendsten Werken italienischer Einfluss doch nachhaltig wirksam. Es kam hier zu einer wirklichen Verschmelzung italienischen und vlämischen Kunstgefühls. Die Werke der italienisierenden Richtung früherer Zeit waren eigentlich nur Pasticcios gewesen, innerlich unwahre, in sich widerspruchsvolle Produkte; jetzt entstand unter italienischer Einwirkung eine vlämische Kunst von mächtiger Eigenart, eine in sich vollkommen einheitliche Kunst.

Rubens und Rembrandt bezeichnen die Gipfelpunkte der vlämischen und holländischen Malerei dieser Epoche. Was Rubens für die vlämische, ist Rembrandt für die holländische Schule des 17. Jahrhunderts.

Die dresdner Galerie steht hinsichtlich der Zahl ihrer rubensschen Gemälde gegen andere grosse Galerien, gegen die münchner Pinakothek und das madrider Museum, gegen das Louvre und die petersburger Eremitage nicht unbeträchtlich zurück. Doch sind fast alle Stufen der künstlerischen Entwicklung des Meisters charakteristisch, zum Teil glänzend in ihr vertreten.

Aus der Periode, der die frühesten der uns erhaltnen ganz sicher beglaubigten Werke von Rubens’ Hand angehören, aus der Zeit seines Aufenthalts in Italien (1600–1608) stammen zwei oder drei Gemälde der dresdner Sammlung. In dieser Epoche, in der Rubens in Italien die verschiedenartigsten Kunsteindrücke mit wunderbar frischer Jugendkraft in sich aufnahm und verarbeitete, gewann er die eigentliche Grundlage seines künstlerischen Schaffens. Neben der Antike studierte er Michelangelo und die grossen Venezianer, neben Giulio Romano die zeitgenössischen Meister, die Carracci und den kühnen Naturalisten Caravaggio, überall sammelte er befruchtende Elemente. Man könnte ihn einen Eklektiker nennen, nur müsste man hinzusetzen, er war der genialste von allen, die so genannt werden können. Wie in einem gewaltigen Glutfeuer schmolzen die verschiedenartigen Einflüsse in seiner Natur zusammen, und sie selbst, seine urkräftige Natur, kam aus dem Schmelzfeuer in mächtiger Eigentümlichkeit ans Licht. Auf seine Formenanschauung hatte damals Michelangelo offenbar den stärksten Einfluss, im Koloristischen war die Einwirkung der derbkräftigen Manier Caravaggios vielfach grösser, als die der Venezianer, von denen er erst in einer späteren Epoche, bei seinem Aufenthalt in Madrid im Jahre 1628, tiefer beeinflusst wurde. Aber schon in seinen in Italien gemalten Bildern sind Züge seines persönlichen Wesens aufs entschiedenste ausgeprägt. Als er nach Italien kam, war er schon Meister in seiner Kunst, er hatte schon seine eigne Art zu sehen, in seiner Phantasie erhielten sich auch unter den unmittelbaren Eindrücken der italienischen Kunst kraftvolle Typen aus der Welt seiner Heimat lebendig, die aus den Bildern seiner italienischen Zeit deutlich genug herausblicken. Seinen michelangelesken Gestalten fehlt es schon damals nicht an niederländischem Charakter, sie tragen deutliche Merkmale seines vlämisch naturalistischen Empfindens. Von einigen der bald nach der Rückkehr in die Heimat entstandnen Werke, in denen der Einfluss Michelangelos besonders kräftig nachwirkte, hat man gesagt, sie seien wie eine Nachkommenschaft Michelangelos, gezeugt auf niederländischem Boden, genährt mit dem Blute der niederländischen Rasse.

Überdies stand Rubens’ Formensprache, namentlich der grossartig dekorative Stil in einer Reihe seiner Hauptwerke mit einer bestimmten Phantasierichtung seiner Zeit, mit der, die im Barock Ausdruck erhielt, in sehr lebendigem Zusammenhang. In den vlämischen, wieder katholisch gewordnen Provinzen fand der Barockstil, der grosse Verbündete des Katholizismus, im Gebiet der Malerei ebenso günstigen Boden, wie in dem der Architektur. Aus Rubens’ grossen dekorativen Malereien spricht der echte Geist der Barockzeit; sie sind in ihrer pomphaften Pracht, in den üppig schwellenden Formen kühn bewegter Gestalten der Art des Bernini und Lebrun entschieden verwandt, nur dass auch in diesen Werken durchweg ein tieferes und gewaltigeres Naturgefühl lebt, als in allem, was die beiden berühmten Barockhelden geschaffen haben.

Was die Gegenstände von Rubens’ Gemälden betrifft, so gehören sie zu einem grossen Teil völlig in den Gedankenkreis, in dem sich die monumentale Kunst der Italiener bewegte. Seine Kirchenbilder und seine mythologischen Darstellungen enthalten in ihrer neuen Kunstform, man kann sagen, die ganze Phantasiewelt des Cinquecento. Ausser einer beträchtlichen Zahl von Bildnissen und geschichtlichen, meist mit allegorischen Gestalten reich ausgestatteten Kompositionen hat aber Rubens auch Werke geschaffen, in denen er in jedem Sinne neu, auch in der Stoffwahl völlig neu erscheint, Gemälde, in denen er in seinem grossen Stil rein realistische Motive behandelte, genreartige Bilder, mächtige dramatische Schilderungen von Kampf- und Jagdszenen und landschaftliche Darstellungen, für die er in seiner letzten Zeit eine besondere Vorliebe hatte.

Die beiden umfänglichen Bilder der dresdner Galerie, von denen es ganz sicher ist, dass sie zu den in Italien entstandnen Werken des Meisters gehören, sind der „trunkene Herkules“ und der „Tugendheld“. Von Mantua, wo sie Rubens für den Herzog Vincenzo Gonzaga gemalt hatte, kamen sie 1743 nach Dresden. Sie bilden Gegenstücke zu einander. Das zweite, hier wiedergegebne schildert dem antiken Heros gegenüber, der trunken von Satyrn und üppigen Nymphen geführt wird, den Triumph heldenhafter Tugend über die Verlockungen eines sinnlichen Genusslebens. In der Mitte des Bildes steht der geharnischte Held, mit der Lanze in der linken, eine geflügelte Siegesgöttin setzt ihm einen Kranz aufs Haupt, ein Satyr liegt unter ihm niedergeworfen am Boden. Abseits zur rechten die verlassene Venus mit einem weinenden Kupido, hinter ihr der Neid in Gestalt eines alten schlangenhaarigen Weibes. Das Bild ist eines der Werke, in denen Rubens noch etwas unfrei, jedenfalls noch nicht ganz als er selbst erscheint. Die Stellung der Hauptfiguren hat etwas gesuchtes, etwas von „Pose“. Das Kolorit hat noch keineswegs die volle rubenssche Kraft; in der Gestalt der Siegesgöttin erscheint der Lokalton des Fleisches beinahe kalt, die Halbschatten des Fleisches haben das kühle bläuliche Grau, das auch in andern Bildern aus dieser Frühzeit des Meisters die lebensvolle Wirkung der Karnation nicht unwesentlich beeinträchtigt. Der Vortrag hat noch eine gewisse Glätte. Rubenssch ist in dem Bilde vor allem der grosse Zug der Formenzeichnung, der sich in der Gestalt der Siegesgöttin mit einer auffallend schlanken Schönheit verbindet; rubenssch ist auch der Typus der Köpfe, namentlich das Gesichtsprofil der blonden Venus, das ganz niederländischen Schnitt hat. In dem Gegenstück ist die Eigenart des Meisters weit stärker ausgesprochen, in der Farbe und in der ganzen Behandlungsweise.

Rembrandt: Der Rohrdommeljäger

Ein sehr schönes und bedeutendes, vielleicht auch noch in Rubens’ italienischer Epoche oder bald nach seiner Rückkehr in die Heimat entstandenes Werk ist der heilige Hieronymus der dresdner Galerie. (S. d. Abb.) Der Heilige, der die Freuden des Weltlebens und seine Kämpfe in vollem Maasse erfahren hatte, kniet in der Einsamkeit der Wüste vor einem aus rohen Steinen erbauten Altar, eine Gestalt von mächtigen Formen, höchst ausdrucksvoll in den Zügen des imposanten Kopfes, in dem tief glühenden auf das Kruzifix gerichteten Blick, in der Geberde voll scheuer Ehrfurcht – Kraft und Grösse, die sich vor einem Höheren beugt. Neben dem Heiligen liegt schlummernd sein gewaltiger Löwe. – In der Art der Behandlung, in dem sorgfältig verschmolznen Farbenauftrag ist das Bild den Gemälden der italienischen Periode ähnlich; der Charakter der Farbe, der warme und helle, leuchtende Fleischton des prachtvoll modellierten Oberkörpers des Heiligen macht jedoch eine etwas spätere Entstehungszeit des Werkes wahrscheinlich. (Vgl. Rooses, L’œuvre de Rubens, II, 311–312.) Erworben ward es 1746 aus der modeneser Sammlung.

Erst nach der Rückkehr in die Heimat fand Rubens ganz sich selbst. Jetzt erst, inmitten der Welt, in der er aufgewachsen war, zu der er gehörte, vermochte sich seine künstlerische Natur ganz frei in ihrer vollen Kraft und Eigentümlichkeit zu entfalten. Sein grossartiger Naturalismus kommt erst jetzt zur vollen Reife, in echt vlämischen, von Realität strotzenden und zugleich ins Typische gehobenen Gestalten; die Farbe gewinnt immer mehr an vollsaftigem Leben, an Kraft und Glut. Dieses vollkommne künstlerische Selbständigwerden zeigt sich besonders in einer Reihe kühn dramatischer Kompositionen aus dem ersten Jahrzehnt nach Rubens’ Rückkehr aus Italien, in der gewaltigen Amazonenschlacht der münchner Pinakothek, die schon in der Zeit von 1610–1612 entstand und in machtvollen Schilderungen leidenschaftlich bewegter Jagdszenen.

Die dresdner Galerie besitzt zwei solcher Jagdbilder, eine Löwen- und eine Eberjagd. (S. d. Abbildungen.) Die erstere, unter den rubensschen Darstellungen desselben Gegenstandes nächst der der münchner Pinakothek die berühmteste, entstand um 1618. Schon damals waren in Rubens’ Werkstatt in Antwerpen Schüler und Gehilfen, die sich in grosser Zahl um ihn versammelten, vielfach bei der Ausführung seiner Werke beteiligt. Die Masse von Aufträgen, die er zu bewältigen hatte, machte eine solche Beteiligung nötig; häufig gab er den nach seinen Entwürfen ausgeführten Gemälden nur die letzten „Retuschen“, durch die er solchen Bildern nicht selten in staunenswerter Weise den vollen Stempel seiner Individualität aufzuprägen wusste. Was und wie viel von Gehilfen ausgeführt war, pflegte er beim Verkauf der Gemälde (z. B. in dem bekannten Schreiben an den Lord Carleton, den englischen Gesandten in Haag) ausdrücklich zu bemerken. Die dresdner Löwenjagd ist wahrscheinlich vollständig von Schülerhänden gemalt und von Rubens wahrscheinlich nicht retuschiert. Die Farbe hat jedenfalls nicht die vollen Accente des Meisters. Aber die Komposition ist ganz von rubensscher Kraft und rubensschem Feuer erfüllt. Die Wut des Angriffs in dem mächtigen Löwen, der in der Mitte des Bildes den Reiter und das sich hoch aufbäumende Ross mit rasendem Sprunge von hinten gepackt hat, das Heranstürmen der beiden Reiter rechts, die dem Genossen in diesem Augenblick der äussersten Gefahr zu Hilfe kommen, auf die Löwin nicht achtend, die neben ihnen mitten im Kampfgetümmel ihr Junges zu retten sucht, links der vierte Reiter, auf dem wild nach hinten ausschlagenden Pferd rückwärts gewendet, die Lanze gegen den Löwen zückend, der zähnefletschend den grimmigen Kopf nach ihm aufrichtet, eben im Begriff, seine Beute, den zu Boden gerissenen Mann loszulassen und sich auf den Gegner zu stürzen – das alles ist voll des mächtigsten Lebens, der Ausdruck elementarer Leidenschaft in den königlichen Bestien von gleicher Gewalt, wie der Ausdruck heroischer Kühnheit in den Gestalten der Jäger.

Die Eberjagd ist völlig von Rubens’ Hand. Sie ist fast ganz alla prima gemalt, mit bewunderungswürdiger Bravour, stellenweise beinahe skizzenhaft. Eine grossartige Waldlandschaft bildet den Schauplatz des stürmischen Vorgangs; über den quer am Boden liegenden Baumriesen rast der Eber vorwärts den Spiessen der vier Jagdknechte entgegen, über ihn hingestürzt, in ihn festgebissen, an ihm aufspringend eine Meute von Hunden; von hinten her werfen sich ihm zwei Reiter in die Flanke, zwei andere jagen im Vordergrunde heran – eine lebensprühende Schilderung, die wie in einem Zuge gleich im ersten Feuer der Conception hingeschrieben erscheint. Auch in dem landschaftlichen Teile gehört das Bild zu Rubens’ vorzüglichsten Werken. Es entstand vermutlich einige Jahre vor der dresdner Löwenjagd, nach Rooses (a. a. O. IV, 345) in der Zeit zwischen 1612 und 1615.

Unter den mythologischen Bildern des Meisters gebührt vielleicht der erste Platz den berühmten Schilderungen des Paris-Urteils, jenes klassischen Schiedsgerichts über Frauenschönheit, das schon im griechischen Altertum zu den Lieblingsgegenständen der Malerei gehörte. Die beiden vorzüglichsten, im madrider Museum und in der Nationalgalerie in London befindlichen, von Rubens ganz eigenhändig ausgeführten Darstellungen der idyllischen Szene stammen aus der letzten, in rein malerischer Hinsicht glänzendsten Periode seines Schaffens (1630–1640); in diesen Bildern und in andern derselben Epoche ist in der Gesättigtheit und Leuchtkraft, in der Wärme, in dem Schmelz der Farbe ein Höchstes erreicht. Mit dem londoner Paris-Urteil stimmt das in kleineren Maassen gehaltne der dresdner Galerie (s. d. Abb. im Text) in der Komposition im wesentlichen überein; die Gruppe des Paris und Merkur ist etwas anders angeordnet als dort; ein Amor und die drei in dem Geäst des Baumes versteckten Satyrn fehlen in dem londoner Bild. Sicher jedoch ist das dresdner Exemplar nicht durchweg ein Werk von Rubens’ eigner Hand, sondern ein von ihm überarbeitetes, sehr sorgfältig überarbeitetes „Werkstattbild“ (vergl. Rooses, III, 142–143, Woermanns Katalog der dr. Gal., 2. Aufl., S. 322), und für ebenso gewiss kann gelten, dass das Bild früher als das londoner und das madrider Paris-Urteil entstand; nach seinem farbigen Gesammtcharakter gehört es nicht in jene letzte Periode des Meisters; Rooses setzt es in die Zeit um 1625. In seiner Art ist es ein sehr vortreffliches Werk, farbig reizvoll besonders in den hell schimmernden Gestalten der drei Göttinnen, die Rubens offenbar am reichlichsten und sorgfältigsten retuschiert hat.

Kaspar Netscher: Der Briefschreiber

Diese Göttinnen sind von echt niederländischem Geschlecht; sie haben durchaus nichts vom Adel griechischer Formen, aber in ihrer naturfrischen, üppig blühenden Gesundheit sind sie der Antike dennoch verwandt. Eine heiter idyllische Stimmung liegt über der ganzen Szene. Zur rechten Merkur, der die Göttinnen lächelnd heranwinkt, neben ihm in bequemer sitzender Stellung der jugendliche, kräftige Hirt Paris, mit Wohlgefallen auf die zwischen Minerva und Juno hervortretende Venus blickend, der er den Siegespreis der Schönheit, den Apfel, den er noch in der Hand hält, zuerkennen wird. Kleine Liebesgötter sind munter beschäftigt, die Göttinnen ihrer Hüllen völlig zu entkleiden. Eris, die oben, von einem Gewölk halb verschleiert mit der brennenden Fackel erscheint, deutet auf die verhängnisvollen Folgen des Urteilsspruchs. – Von dem Vorhandensein eines von Rubens ganz eigenhändig ausgeführten, diesem dresdner Bild in der Komposition vollkommen entsprechenden Gemäldes ist nichts bekannt.

Ein Originalwerk des Meisters aus seiner letzten Periode, aus der Zeit um 1639, ist „Argus und Merkur“. (S. d. Abb.) Merkur hat den Argus, den Wächter der Io, der von Juno in eine weisse Kuh verwandelten Geliebten Jupiters, mit seinem Flötenspiel eingeschläfert, er greift eben nach dem Schwert, um den Riesen zu töten und Io zu befreien. In den Lüften eilt Juno herbei. – In der Farbe kennzeichnet sich das Bild durchaus als ein Werk jener letzten Epoche. Das Inkarnat der beiden Männergestalten ist von ausserordentlicher Wärme und Kraft, die abendliche Landschaft leuchtet in tief glühenden Tönen.

Der „Liebesgarten“, von Rubens’ genreartigen Darstellungen weitaus die berühmteste, ist in einer Reihe von Exemplaren vorhanden, von denen nur zwei ganz unbedingt als eigenhändige Werke des Meisters anerkannt sind; das eine gehört dem madrider Museum, das andre, das in der Komposition von diesem in einigen Stücken abweicht, befindet sich im Besitz des Barons Edmond Rothschild in Paris; beide stammen aus Rubens’ letzter Epoche. Das dresdner Exemplar, das bis auf kleine, unwesentliche Verschiedenheiten dieselbe Komposition zeigt, wie das letztgenannte, hat lange Zeit gleichfalls für ein Originalwerk des Meisters gegolten. Nachdem John Smith schon 1830 in seinem Catalogue raisonné die Überzeugung ausgesprochen hatte, dass es nicht die Merkmale von Rubens’ eigener Hand an sich trage, haben sich zuerst Waagen, dann W. Bode, Woermann und zuletzt auch Rooses (a. a. O., IV, 67) zu derselben Ansicht bekannt. Das dresdner Bild ist eine Kopie, eine nicht von Rubens selbst ausgeführte, aber höchst wahrscheinlich in seiner Werkstatt entstandne meisterliche Wiederholung des rothschildschen Gemäldes. Rooses bemerkt bei der Vergleichung der beiden Bilder: „Rubens manie le pinceau plus librement, plus largement; les touches supérieures se fondent plus intimement avec les touches inférieures; le ton général est plus chaud; . . hinsichtlich der Kopie: dans les personnages, le travail a trop du brillant des pierres précieuses; le moelleux rubénien y fait défaut; l’expression des figures manque du pétillant que le maître y mettait. Malgré cela, l’oeuvre a une valeur très réelle et témoigne d’une dextérité d’imitation, d’une franchise de touche, de nature à nous induire en erreur.“

Die Niederländer nannten die Darstellung „Venus’ Lusthof“, die Franzosen „conversation à la mode“ oder „la société élégante“. Ein prachtvoller Park bildet den Schauplatz. Im Hintergrund ein mächtiger Portalbau, der Eingang zu einer hohen geheimnisvoll beleuchteten Grotte, in ihrer Tiefe eine rauschende Kaskade, vor ihr blühende Rosenbäume, rechts ein Springbrunnen mit der Statue einer wasserspendenden Nymphe; in dem Becken des Brunnens, in der Luft, in den Zweigen der Bäume geflügelte Amoretten; links ein Ausblick in die freie sonnige Landschaft. Umgeben von dieser reichen Szenerie ist vorn, auf dem Rasen des Gartens und dem Parket vor der Grotte in mannigfaltigen Gruppen eine glänzende Gesellschaft von Kavalieren und anmutigen Frauen in festlichen Gewändern vereinigt. Zur linken, etwas abseits von der Hauptgruppe zwei Paare: eine Dame, die von einem Kupido eifrig vorwärts gedrängt den Beteuerungen ihres Kavaliers noch unschlüssig zuhört, vor ihnen das andere Paar im Rasen sitzend, ganz versunken in trauliches Liebesgespräch. In der Mittelgruppe hat sich einer der kleinen Liebesgötter in den Schooss einer Dame geflüchtet, Schutz suchend vor einer andern, die ihn mit ihrem Fächer wegen irgend eines mutwilligen Streiches bestrafen will. Links eine besonders anmutige Blondine mit den Porträtzügen von Rubens’ zweiter Gattin Helene Fourment; sie lehnt sich in ihren Sessel zurück, dem ihr zur Seite schwebenden Amor zugewendet, der ihr ein Geheimnis ins Ohr flüstert. Hinter der Mittelgruppe ein Lautenspieler, rechts neu Ankommende: zwei Damen und ein Kavalier, der vornehmste unter den Rittern dieses Liebeshofes. – Von dem Glanz des koloristischen Stils von Rubens’ letzter Epoche, von rubensschem Geist ist ein reichliches Teil in das prächtige Bild übergegangen. Schön in der Farbe ist besonders die Mittelgruppe, in den fein abgestuften goldigen und gelblichen Tönen der Prachtkleidung der beiden sitzenden Damen und ihrem wirkungsvollen Gegensatz zu den blauen Gewändern der stehenden. Aber auch in allem übrigen ist das Bild ein lebendiger Widerklang der rubens’schen Komposition, in der ein glänzendes Stück Welt im Glücke heitern Daseinsgenusses so poetisch geschildert ist. „Les lieux enchanteurs,“ sagt Rooses in der Beschreibung des madrider Gemäldes, „les beaux couples amoureux, les Cupidons volant dans les airs, l’eau ruisselant doucement dans le bassin de marbre, tout chante le poème de l’amour, tout dit combien il est heureux d’être beau et de ne vivre que pour aimer“.– Kunstgeschichtlich ist Rubens’ „Liebesgarten“ insofern von besonderem Interesse, weil er das Vorbild war für eine ganze Gattung von Gemälden späterer Zeit, für die „fêtes galantes“ und die „scènes champêtres“ Watteaus und anderer französischer Maler der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Adriaen van Ostade: Stammtisch in der Dorfschenke

Von dem in der dresdner Galerie befindlichen Porträt von Rubens’ Söhnen Albert und Nikolas (s. d. Abb.) besitzt die Galerie Liechtenstein in Wien das Original, das zu den vorzüglichsten Bildnissen von Rubens’ Hand gehört. Das dresdner Exemplar, nach Smith und Waagen eine von Rubens selbst gemalte, nach Bode, Rooses und Woermann[13] eine in des Meisters Werkstatt unter seiner Leitung ausgeführte Wiederholung des liechtensteiner Gemäldes, kommt diesem an Wärme und Glanz der Farbe nicht gleich, ist aber gleichwohl ein sehr ausgezeichnetes Werk, im Ausdruck der beiden frischen Knabengestalten kaum weniger lebensvoll als das Original. Der ältere Sohn Albert, der uns aus seinen hellen Augen so klug und liebenswürdig anblickt, hält die rechte Hand mit einem Buch leicht in die Seite gestemmt; den linken Arm hat er um die Schulter des Bruders gelegt, der sehr aufmerksam mit einem kleinen Spielvogel beschäftigt ist; er hat ihn eben an einer Schnur von dem mit Schellen behangenen kleinen Gestell, das er in der rechten hält, abflattern lassen. Durch Vorzüge der Charakteristik, an individuellem Reiz sind die beiden Bildnisse manchen andern Porträtwerken des Meisters beträchtlich überlegen.

Die Gemälde, mit denen Van Dyck, Rubens’ bedeutendster Schüler in der dresdner Galerie vertreten ist, sind zum weitaus grössten Teile Porträts. Von ihnen haben nicht wenige, obschon sie im 18. Jahrhundert, nach den Angaben der Inventare der Galerie unter Van Dycks Namen erworben wurden, späterhin lange für rubenssche Werke gegolten. In neuerer Zeit hat W. Bode, ohne von diesen Angaben Kenntnis zu haben, die Hand Van Dycks in ihnen zuerst wiedererkannt[14]. Sie stammen aus der Jugendepoche des Meisters, aus der Zeit, in der er unter Rubens’ unmittelbarem Einfluss stand. Eines dieser Gemälde, das in unserm Werke wiedergegebne vorzügliche Bildnis eines Herrn in vornehmer schwarzer Tracht, der im Begriff ist, die Handschuhe anzuziehn, ist für jene Jugendepoche Van Dycks ganz besonders charakteristisch. Von Rubens sagt Fromentin[15], er sei nicht zu den Porträtmalern par excellence zu rechnen, eine scharf ins Individuelle eindringende Beobachtungsgabe, die Fähigkeit, „sich dem Modell unterzuordnen“, habe ihm gefehlt; durch das stark Subjektive seiner Auffassungsweise sei eine Art von Familienähnlichkeit unter seinen Bildnissen entstanden, gewisse typische Züge seien ihnen gemeinsam. In der That, ein Künstler, wie Rubens, in dessen Wesen es lag, sich der Natur mit herrischer Kraft zu bemächtigen, sie in ihren grossen Zügen zu erfassen, war zum eigentlichen Porträtmaler nicht geschaffen. Bildnisse von einem gleich individuellen Charakter, wie jenes Porträt seiner Söhne, sind Rubens nur selten gelungen. Stand er den Aufgaben der eigentlichen Porträtkunst auch nicht so fern, wie Michelangelo, sein Verhältnis zu solchen Aufgaben war doch ein ähnliches. Die Fähigkeit zu jener Vertiefung ins Individuelle, zu der vollen Hingebung an das Objekt, die wir vom Porträtmaler erwarten, war seiner künstlerischen Natur nicht eigen, er vermochte sich seiner selbst nicht so sehr zu entäussern, dass wir über einem Porträt von seiner Hand ihn selbst vergässen. Weit mehr war die empfängliche, sensible Natur Van Dycks zu einem Eingehn in fremde Eigenart, zur Wiedergabe des Individuellen befähigt. In den dresdner Porträts aus seiner Jugendepoche ist es gerade der vollere Ausdruck des Individuellen, der sie von der rubensschen Art unterscheidet; ausgezeichnet vor allem durch eindringliche Charakteristik ist jenes männliche Bildnis. Was hier rubensschen Einfluss zu erkennen giebt, das ist lediglich die ausserordentlich kraftvolle malerische Behandlung; in der Energie und Breite der Behandlung ist Van Dyck in dieser ersten Zeit seiner künstlerischen Entwicklung dem Rubens oftmals erstaunlich ähnlich, bisweilen sucht er ihn darin auch zu überbieten; später, in der Zeit seines ganz selbständigen Schaffens ist von dieser Behandlungsweise nichts mehr zu finden. – Aus seiner zweiten Periode, aus der Zeit seines Aufenthalts in Italien (1623–1627) und der darauf folgenden Zeit in Antwerpen bis 1632, aus dieser in vieler Beziehung bedeutendsten Epoche Van Dycks, in der er an leuchtender Schönheit und Pracht der Farbe mit Tizian wetteifert, hat die dresdner Galerie leider kein hervorragendes Werk aufzuweisen. Aus der letzten Periode (1632–1641), in der Van Dyck als Hofmaler Karls I von England fast ausschliesslich in London und fast nur im Gebiet der Porträtmalerei thätig war, besitzt sie das berühmte Bildnis von drei Kindern Karls I und ein Porträt seiner Gemahlin Henriette von Frankreich. (S. d. Abb.) Van Dycks feine, recht eigentlich aristokratische Kunst und seine vornehme, chevalereske Persönlichkeit machten ihn zum Liebling des englischen Hofes und der ganzen aristokratischen Gesellschaft von London. Viele seiner Bildnisse aus dieser „englischen Periode“ sind in der Noblesse der Auffassung, in der Schilderung fürstlicher Vornehmheit klassisch zu nennen; manche haben allerdings etwas konventionelles, nicht am wenigsten in den schlanken, stereotyp schönen Händen, von denen bekannt ist, dass sie häufig nach den Händen eines bestimmten Modells, nicht nach denen der dargestellten Personen gemalt wurden.

Von den zahlreichen Bildern, in denen Van Dyck den König und die königliche Familie porträtirte, sind mannigfache, in seiner Londoner Werkstatt entstandne Wiederholungen vorhanden, an deren Ausführung seine Schüler und Gehilfen nicht selten in sehr ausgedehntem Maasse beteiligt waren. Die Mehrzahl der Originale wird jetzt in Windsor Castle aufbewahrt. Hier befindet sich auch das Gemälde, das wohl als das Original des erwähnten, drei Kinder Karls I darstellenden Bildes in der dresdner Galerie zu gelten hat; jedenfalls aber ist das mit Recht berühmte dresdner Exemplar in allem wesentlichen eine Wiederholung von Van Dycks eigner Hand. Die Farbe hat den feinen, sehr hellen und zarten Ton, der in den späteren Bildern aus des Meisters englischer Periode als charakteristische Eigentümlichkeit vorherrscht. Die drei anmutigen Kinder, zur linken Karl, in der Mitte der kleine Jakob in langem Kleid, rechts Marie, zeigen in Haltung und Ausdruck eine sehr reizende Mischung von Kindlichkeit und fürstlichem Anstand[16]. – In dem andern Bildnis, das die Königin Henriette in weissem, reich mit Perlen geschmücktem Atlaskleid darstellt, erscheint der vandycksche Farbenton in etwas blasser und verblasener Zartheit; offenbar hat Van Dyck an der Ausführung dieses Werkstattbildes nur geringen Anteil gehabt. Als ein Werk aus „Van Dycks Schule“ ist es 1749 aus der k. Galerie in Prag erworben worden.

Mit diesem Porträt zusammen ward aus derselben Sammlung und gleichfalls als ein Werk aus der Schule Van Dycks das Bildnis Karls I angekauft, das später lange Zeit zu den Hauptwerken des Meisters selbst gerechnet wurde. (S. d. Abb.) Gegenwärtig steht ausser Zweifel, dass es eine Kopie von der Hand des Holländers Peter Lely (Pieter van der Faes) ist, der in London Hofmaler Karls II und Van Dycks hervorragendster Nachfolger war (geboren 1618, wahrscheinlich in Soest bei Utrecht, gestorben in London 1680). Von dem Original wissen wir, dass es bei dem Brande des Schlosses Whitehall 1697 zu Grunde ging. Das von John Faber im Jahre 1738 in Schabkunstmanier gestochne Porträt Karls I, das mit dem dresdner Bild vollkommen übereinstimmt, hat die Unterschrift: „From Sr. Peter Lely’s copy of the celebrated original Picture painted by Sr. Anthony Vandyke which was destroy’d in the fire at Whitehall 1697“. – Steht das dresdner Gemälde mit den Meisterschöpfungen Van Dycks auch nicht auf gleicher Höhe, so ist es dennoch ein Werk von bedeutendem Wert. Wie in andern Bildnissen Karls I liegt auch hier in den edlen Zügen des Gesichts, in dem verschleierten Blick der Ausdruck einer eigentümlichen Melancholie. Als Bernini für eine von ihm auszuführende Büste des Königs drei vandycksche Porträts als Vorlagen erhielt, soll er erschrocken sein und gesagt haben, diesem König müsse ein grosses Unglück bevorstehen. Dem unglücklichen Stuart, der in seinen edlen Eigenschaften, wie in seiner Schuld an die tragische Gestalt des zweiten Richard erinnert, schien sein Schicksal an die Stirn geschrieben.

Zu einer ebenso bedeutenden und glänzenden Stellung, wie sie Van Dyck neben Rubens’ überragender Grösse einnimmt, ist kein anderer von Rubens’ Schülern, keiner seiner Nachfolger gelangt. Die meisten standen so völlig unter der Herrschaft, unter dem Bann des Gewaltigen, dass sich ihnen nur geringe Spuren einer bestimmten künstlerischen Eigenart erhielten. Zu den wenigen, die eine gewisse Selbständigkeit behaupteten, gehört Jakob Jordaens, nach Rubens’ Tode der angesehenste Maler in Antwerpen. Er war kein eigentlicher Schüler von Rubens, seine grossen religiösen und mythologischen Bilder zeigen aber, wie tief er von ihm beeinflusst war. Nur in einem Gebiet, in der Genremalerei, erscheint er wirklich originell. Man hat ihn den vlämischsten unter allen vlämischen Malern jener Zeit genannt. Von der Derbheit, die mit dem Worte vlämisch noch jetzt häufig bezeichnet wird, ist ein gut Stück in seinen Genrebildern, zugleich aber auch ein überaus gesunder und urwüchsiger Humor. Ausser seinen bekannten Schilderungen des niederländischen „Bohnenfestes“ sind das beste Beispiel dafür die nicht weniger zahlreichen Bilder, die den Spruch „wie die Alten sungen, so pfeifen die Jungen“ (soo d’ouden songen, soo pepen de jonge) illustrieren. Das in der dresdner Galerie befindliche ist im Text wiedergegeben: eine behäbige echt vlämische Familie sitzt nach der „deftigen“ Schmauserei noch an dem mit Speiseresten und Weinbechern beladenen Tisch und führt ein merkwürdiges Konzert auf; der Alte mit der Brille auf der Nase und hochgezogenen Augenbrauen, ein Notenblatt in den Händen, hat ein Lied angestimmt, die Alte neben ihm singt mit, ein pausbäckiger Junge bläst die Pfeife, der Bursche im Hintergrund aus vollen Kräften den Dudelsack; auch das Jüngste versucht zu pfeifen, es sitzt kugelrund auf dem Schooss der Mutter, die in breitester Leibesfülle den Hauptplatz am Tische einnimmt und behaglich, ein volles Glas in der rechten, in weinseliger Stimmung zuhört. Im Vordergrund ein mächtiger Weinkühler mit Krügen, zwei Hunde, von denen sich der eine an dem Konzert beteiligt, auf der Rücklehne des grossen Armsessels ein uralter Papagei. Zu seiner tiefen Nachdenklichkeit passt das Memento, das dieser Schilderung behäbigsten Lebensgenusses beigegeben ist: in der Wandnische über dem Papagei liegt auf Büchern ein Totenkopf, daneben ein Zettel mit der Inschrift: Cogita mori. – Das Bild ist in seinem derben, grotesken Humor, in seiner massiven Üppigkeit, in der ausbündig kräftigen Art, wie die fast lebensgrossen Figuren gemalt sind, ein hervorragend charakteristisches Werk des Meisters; die Farbe hat den warmen bräunlichen Gesamtton, der Jordaens’ späteren Bildern eigentümlich ist.[17]

So gross und gewaltig der Einfluss war, den Rubens auf die vlämische Malerei ausübte, innerhalb gewisser Grenzen verfolgte sie doch noch immer altniederländische Wege. In einer beträchtlichen Reihe vlämischer Meister setzte sich neben dem grossen rubensschen Stil auf einer höheren Stufe der koloristischen Entwicklung die Richtung der altniederländischen Kleinmalerei fort, hauptsächlich im Gebiet genrehafter, sittenbildlicher Darstellungen. Adriaen Brouwer und David Teniers d. j., die man nach ihrem künstlerischen Charakter erst in neuerer Zeit richtiger beurteilen gelernt hat, stehn hier obenan. Brouwer, ein abenteuerlustiges Naturell, ein „Bohémien“, der manchen tollen Streich verübt hat, war als Künstler der bedeutendere. (Geboren um 1605 in Oudenaarde in Flandern, in Haarlem eine Zeit lang Schüler von Frans Hals, während der letzten sieben Jahre seines Lebens in Antwerpen thätig, wo er in mehrfachen Bedrängnissen an Rubens einen Gönner und Beschützer fand; gestorben 168.) Seine Schilderungen aus dem niederen Volksleben, seine Würfelspieler, seine Trinker und raufenden Bauern sind Meisterstücke in ihrer witzigen Komik, in der Schlagkraft des charakteristischen Ausdrucks, in der geistreichen Leichtigkeit und Sicherheit der Pinselführung. Eine Probe giebt das Textbild „eine Bauernrauferei“.

David Teniers d. j., dessen Berühmtheit den Namen Brouwers lange Zeit nicht wenig verdunkelt hat, der Hofmaler des Erzherzogs Leopold Wilhelm von Österreich, Statthalters der Niederlande, ein weltgewandter vornehmer Mann, hat sein bestes auf demselben Gebiet geleistet, auf dem sein demokratischer Rivale zu Hause war; seinen Bauernstücken, seinen Schilderungen von Kirmessfesten und andern Volksbelustigungen verdankt er hauptsächlich seinen grossen Ruf. Vergleicht man ihn mit Brouwer, der auf seine künstlerische Entwicklung ersichtlichen Einfluss hatte, so ist soviel jedenfalls sicher, dass bei ihm die Hauptstärke nicht, wie bei jenem, in der Charakteristik der Figuren liegt. In der letzten Periode seiner künstlerischen Thätigkeit haben seine Figuren fast durchgehends etwas stereotypes, konventionelles und auch in seiner besten Zeit (ungefähr von 1630 bis in die zweite Hälfte der vierziger Jahre) ist es weniger die individuelle Lebendigkeit der Gestalten, wodurch er anzieht und fesselt, als vielmehr der malerische Reiz der Behandlung im ganzen; sein grosses Talent, sein künstlerisches Feingefühl zeigt sich hier vor allem im Koloristischen. Von den beiden im Text wiedergegebenen Bildern Teniers’ ist das eine, die Kirmess im „Halbmond“, vom Jahre 1641; das andere, das Selbstbildnis des Meisters im Wirtshaus, vom Jahre 1646. Jenes hat eine sehr kräftige und reiche Färbung; das klare Licht eines nur wenig bewölkten sommerlichen Abendhimmels breitet sich über die Szene; die Lokalfarben, das saftige Grün des Wiesenplans links, das schon bräunlich gefärbte Laub der grossen Buche, die im Hof vor dem Wirtshaus zum „Halbmond“ aufragt, die bunten Farben der Kleidung der tanzenden und schmausenden Bauern und der zuschauenden städtischen Gesellschaft treten lebhaft heraus und gehn doch zugleich vortrefflich zusammen; die Hauptgruppen des lustigen Figurengewimmels sind in Bewegung und Ausdruck charakteristisch genug. – Das andere Bild ist eines von denen, in welchen Teniers, wie in den Hauptwerken seiner mittleren Zeit in der Regel, vor allem auf Tonwirkung, auf eine stimmungsvolle Tönung der Farbe ausging; das ganze ist auf einen feinen silbergrauen, jede Lokalfarbe dämpfenden Ton gestimmt. Vorn in dem stillen Winkel des dörflichen Wirtshauses sitzt, mit dem vollen Weinglas in der Hand, ein städtisch gekleideter Mann, in dem Teniers vermutlich sich selbst porträtiert hat, hinten unter einer vom Kaminfeuer angeleuchteten Wolke von Tabaksrauch eine Gruppe diskurrierender Bauern.[18]

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Holland war durch die grosse Umwälzung, die sich in seinen politischen und kirchlichen Zuständen, in seinem ganzen Kulturleben vollzogen hatte, gewissermassen „Neuland“ geworden. Die neue Kunst, die inmitten der neuen Verhältnisse erwuchs, war mit der alten Weltmacht der Renaissance durch nichts mehr verbunden. Wohl aber stand sie mit der früheren selbständigen Entwicklung der niederländischen Kunst, ähnlich wie die vlämische Genremalerei in einem lebendigen innern Zusammenhang. Sie ist trotz ihres so durchaus eigenartigen Charakters doch anzusehn als eine Weiterbildung der ursprünglichen nationalniederländischen Kunstweise und damit zugleich als eine Fortsetzung der grossen deutschen Kunstbewegung der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die realistische Richtung, die die selbständige niederländische Malerei von jeher verfolgt hatte und die im Zeitalter Dürers auch den Grundzug der deutschen Kunst bildete, sie wurde jetzt, in dieser neuen holländischen Kunst in die letzten Konsequenzen hinausgeführt. Für sie war die ganze Idealwelt des Cinquecento wie versunken.
Salomon Koninck: Der Eremit
Das ganze grosse Bereich der mythologischen und allegorischen, von der Antike herstammenden Vorstellungen, die unter den Italienern heimisch waren, in denen sich Rubens so gern erging, war für die holländischen Hauptmeister in Wahrheit nicht mehr vorhanden; nur in einer gewissen travestierenden Art, derb naturalistisch oder nordisch märchenhaft hat Rembrandt bisweilen antik mythische Stoffe behandelt. Was die religiöse Kunst der Holländer betrifft, so war schon der Umstand allein von Bedeutung, dass der holländische Protestantismus, der Kalvinismus in seinem puritanischen Eifer, im schärfsten Gegensatz zu dem prachtliebenden katholischen Kultus, allen bildlichen Schmuck aus den Kirchen verbannte; eine kirchliche Monumentalkunst war in Holland schon deshalb unmöglich; eigentliche Kirchenbilder wurden von den Holländern nicht mehr gemalt; die religiösen Darstellungen sämtlich, die wir bei ihnen finden – ihre Zahl ist verhältnismässig gering und Rembrandt allein in solchen Bildern wahrhaft bedeutend – waren nicht für kirchliche Zwecke bestimmt. Was auch in ihnen realistisch zu nennen ist, schliesst sich in gewissem Sinne der altniederländischen Art religiöser Darstellungen an und erscheint besonders der Auffassungsweise nahe verwandt, die in der deutschen religiösen Kunst des 16. Jahrhunderts an Dürer ihren grössten Vertreter hatte. In der Art wie Rembrandt biblische Gegenstände auffasste und schilderte, in dem tief persönlichen Gepräge seiner biblischen Darstellungen bekundet sich vor allem auch ein entschieden protestantischer Zug, seine Auffassungsweise ist wesentlich mit in dem individualistischen Prinzip des Protestantismus begründet.

In allen übrigen Darstellungsgattungen sind die Werke der holländischen Malerei nichts andres, sie wollen nichts andres sein, als Spiegelbilder der wirklichen Welt, der holländischen Welt der damaligen Gegenwart. Ein tief volkstümliches Gefühl, ein Heimatsgefühl, wie es aus den damaligen Erlebnissen des holländischen Volkes mit neuer Kraft erwachsen war, spricht aus diesem Realismus, das Gefühl von dem Werte des neuen selbständigen Daseins, das sich die Holländer in so schweren Kämpfen geschaffen, die Liebe zu der heimatlichen Erde, deren freien Besitz sie mit so gewaltiger Anstrengung errungen hatten. Natur und Leben der Heimat immer von neuem zu schildern, wurden die holländischen Maler nicht müde; aus dieser kleinen heimatlichen Welt wussten sie immer von neuem künstlerische Motive zu gewinnen. Alle derartigen Schilderungen könnte man mit Fromentin[19] als Porträts bezeichnen: neben dem Porträt im besonderen Sinne die sittenbildlichen genreartigen Darstellungen als das Porträt des holländischen Volkslebens in allen seinen Kreisen und Klassen, die Landschaften als das Porträt der holländischen Natur. Das Wort Porträt, meint Fromentin, sage hier alles; in der That, in der holländischen Malerei ist Holland abgebildet, höchst charakteristisch und vollständig, zugleich aber: wie verschiedenartig, wie individuell erscheint bei den Hauptmeistern dieser Malerei die Auffassung des „Porträts“. Jeder dieser geschwornen Realisten hat seine besondre Art, die Dinge zu betrachten; bei dem einen fesselt uns die humoristische, die geistreich launige oder gemütliche Weise der Schilderung, bei dem andern die tief gemütvolle, poetische Auffassung.

Dabei offenbart sich in dieser neuen holländischen Kunst durchweg eine wesentlich neue malerische Empfindung; in einer neuen, von der Art der grossen italienischen Koloristen vollkommen verschiednen Art haben die Holländer das spezifisch Malerische zu einer höchsten Ausbildung gebracht, sie gehören zu den grössten Entdeckern im Bereich der Farbe. Rubens ist als Kolorist am entschiedensten in den Werken seiner letzten Epoche – Tizian und Paolo Veronese verwandt; wie diese lässt er die Farben in gesättigtster Fülle und ungebrochenster Kraft am liebsten in einem vollen, glänzenden, allverbreiteten Lichte wirken; er steigert die Kraft der Lokaltöne; mit der Grösse seines Formenstils, mit der Mächtigkeit seiner Formensprache steht das glanzvolle „Brio“ der Farben in innerem Einklang. Für den vorwaltenden Charakter der neuen holländischen Malerei ist der Ton im prägnanten Sinn, der die Lokalfarben beherrschende Ton und die eigenartige Ausbildung des Helldunkels das eigentlich Bezeichnende. Ton und Helldunkel bekamen hier eine neue Bedeutung. Bei keinem der italienischen Koloristen, weder bei Giorgione, noch bei Palma, war der Ton zu solcher Herrschaft gelangt, von keinem ist er in demselben Sinne ausgebildet worden, wie in der holländischen Schule. Das Helldunkel Correggios ist etwas anderes, als das Helldunkel Rembrandts.

In der Tonmalerei erreichte der malerische Realismus der Niederländer seine höchste Verfeinerung. Von den niederländischen Meistern des 15. Jahrhunderts waren die verschiedenartigen Wirkungen des Lichts und der Luft, die die farbige Erscheinung der Dinge im wirklichen Raume bestimmen, nur erst wenig beobachtet worden; sie hatten mit einer gewissen Naivetät und im Wohlgefallen an reichem Kolorit, solche die Farbe temperierende Wirkungen mehr oder weniger unbeachtet gelassen; die meisten schilderten die Dinge eigentlich nicht, wie sie im Naturzusammenhang, in dem alles umfliessenden, alles verbindenden Licht- und Luftelement erscheinen, sondern jedes für sich in der besonderen Eigentümlichkeit der Lokalfarben. Auf der feinen Beobachtung der Luft- und Lichtwirkungen, auf einer Verschärfung des realistischen Sinnes beruhte die Tonmalerei der holländischen
Aert de Gelder: Die Ausstellung Christi
Meister zunächst. Von ihrem geschärften und verfeinerten Auge ward die malerische Eigentümlichkeit der umgebenden holländischen Welt erst jetzt völlig empfunden. Sie sahen da nicht eine landschaftliche Natur, wie sie der Süden in scharfer Formenbestimmtheit, in der Farbenhelligkeit einer durchsichtig glänzenden Atmosphäre zeigt; sie gewahrten, wie in dem vorherrschenden, am häufigsten wiederkehrenden Zustand der holländischen Natur, unter dem Einfluss eines dunstreichen Himmels, unter der verschleiernden Wirkung der feuchten Luft, Linien und Farben in einander verfliessen, wie das Licht, in solcher Atmosphäre verschiedenartig getönt, die Lokalfarben bald in einen warmen goldigen Schimmer, bald in ein feines Silbergrau einhüllt; das Verklingen der Farben in einen Gesammtton, das Verschweben der Formenumrisse gewahrten sie hier als besonders charakteristische Erscheinungen. In den Heimstätten des nordischen Lebens, in den engen Gemächern der Wohnhäuser entdeckten sie die mannigfachen Wirkungen des geschlossenen Lichts, das Weben des Lichts in der Dämmerung, die leisen Farbenspiele im Helldunkel.

Mit diesem verfeinerten malerischen Blick waren aber die holländischen Meister in einem weiten Kreis ihrer Darstellungen nicht blos vollendete Realisten, sondern zugleich auch echte Poeten, Poeten in der Sprache der Farbe. Farbenton und Helldunkel wurden in ihren bedeutendsten Werken zum sprechenden Ausdruck einer eigenartigen poetischen Stimmung. Auf dem landschaftlichen Gebiet, wie im Genre, sind sie die eigentlichen Schöpfer des Stimmungsbildes der nordischen Malerei. Bei dem grössten von ihnen, bei Rembrandt, ist das eigentümlichste, das völlig neue in der Behandlung des Helldunkels rein das Produkt einer tief im Wesen seiner künstlerischen Individualität begründeten Phantasiestimmung.

Der eigentlich bahnbrechende Meister der holländischen Malerei, der seine künstlerische Thätigkeit mehr als zwei Jahrzehnte vor Rembrandt begann, Frans Hals, ist in der dresdner Galerie nur mit zwei kleinen, aber höchst ausgezeichneten Gemälden, zwei männlichen Bildnissen vertreten, von denen das eine in unserm Werk wiedergegeben ist. Wer seine berühmten Meisterschöpfungen im haarlemer Museum, die grossen „Schützen- und Regenten-Stücke“ gesehn und mit Werken der früheren niederländischen Malerei verglichen hat, der hat mit einem Male erkennen können, mit welchem Riesenschritt Frans Hals zu einem vollendeten malerischen Realismus vorgedrungen ist. Er ist fast ausschliesslich Porträtmaler und als solcher dem Velazquez ganz nahe an die Seite zu stellen. Nächst der Schärfe der geistigen Auffassung ist es vor allem die staunenswerte Kunst im Herausbilden des räumlich und körperlich Wirkenden, in der er dem grossen spanischen Meister verwandt erscheint. Die stärkste derartige Wirkung erreicht er in den Werken seiner mittleren Zeit, nicht blos durch eine Tongebung, die auf der sichersten Beobachtung der Luft- und Lichtwirkungen beruht, wesentlich auch durch jene breite, unverschmolzene Art des Pinselstrichs, die bei ihm und bei Velazquez zu den Hauptmerkmalen ihrer voll ausgebildeten Technik gehört. Diese Behandlungsweise, an der man häufig nur die Kühnheit, das Bravourmässige zu rühmen weiss, ist bei Frans Hals, wie bei Velazquez nichts weniger, als Willkür oder virtuosenhafte renommistische Manier, sie ist in sehr bestimmten optischen Wahrnehmungen begründet. Brücke[20] hat nachgewiesen, wie die unverschmolzne Malweise – die genaue Abwägung der einzelnen Farbenwerte vorausgesetzt – wesentlich dazu beiträgt, den Eindruck des Körperhaften in der bildlichen Erscheinung zu erhöhen. Indem sich die auf der Bildfläche unvermittelt neben einander stehenden Farbenstriche im Auge des Betrachters bei genügendem Abstand von dem Bilde mit einander verschmelzen, steigert sich die Reliefwirkung des Bildes.[21]

Der realistischen Illusion dient bei Frans Hals und Velazquez in erster Linie auch die Tönung. Sie hat, wie immer, zugleich den Zweck künstlerischer Harmonisierung, vor allem aber ist sie auf die Erzeugung des vollen Scheines der Realität berechnet, sie dient vor allem dazu, die wirkliche Erscheinungsweise der Dinge wiederzugeben. Ein gewisser subjektiver Charakter ist allerdings auch bei Frans Hals und Velazquez in der Tongebung deutlich genug zu erkennen. Frans Hals stimmt die Farbe im allgemeinen heller und wärmer als Velazquez, bei dem ein kühler und ernster Farbenton durchaus vorherrscht. Das heitere Naturell des Holländers steht zu dem ernsten des Spaniers in einem sehr fühlbaren Gegensatz. Überdies ist ja bekannt, mit wie drastischer Kraft Frans Hals in zahlreichen Bildern, in denen die Porträtdarstellung ans Genreartige angrenzt, Gestalten voll ausgelassensten Humors und übermütigster Lebenslust so recht con amore geschildert hat; Vosmaer sagt, Niemand hat das Lachen so wahr gemalt, wie Frans Hals.[22]

Die beiden kleinen Gemälde des Meisters in der dresdner Galerie – sie bilden Gegenstücke zu einander – stammen aus jener mittleren Zeit seines Schaffens, in der er auf der vollen Höhe der Meisterschaft stand. Der stattliche junge Mann, den das hier abgebildete Porträt darstellt, ist offenbar, wie es Frans Hals liebte, in einer bestimmten Situation aufgefasst; den Kopf etwas zur Seite geneigt, die linke Hand in die Hüfte gestemmt, mit einem leicht humoristischen Zug um die Augen, scheint er behaglich einem lebhaften Erzähler zuzuhören.

Jan Steen: Die Hochzeit zu Cana

Rembrandt ist realistisch“, nach Goethes Worten „in Absicht auf die Gegenstände; Licht, Schatten und Haltung (malerische Haltung) sind bei ihm das Ideelle“. In der Behandlung des Lichts und des Helldunkels, in der Stimmung der Farben ist dieser grösste Realist der holländischen Malerei zugleich ihr grösster Poet. Zur höchsten und eigentümlichsten poetischen Wirkung steigert sich sein Idealismus, wenn er das Licht ohne jede bestimmte reale Motivierung, als etwas von natürlichen Bedingungen unabhängiges, rein phantasiemässig behandelt. In einer Reihe seiner bedeutendsten religiösen Darstellungen, vor allen in den berühmten Passionsbildern der münchner Pinakothek, hat das Licht diesen ganz ideellen, mysteriösen Charakter, es erscheint hier inmitten der scharf realistisch geschilderten Szenen als ein rein visionäres Element, als ein übersinnlicher Glanz strahlt es hinein in die Tiefe irdischen Dunkels. Correggio, der grosse italienische Meister des Lichts und des Helldunkels, hat nur einmal, in der heiligen Nacht, einen Lichteffekt gemalt, der an solche rembrandtsche Bilder erinnert; sonst überall, welcher Kontrast zwischen ihm und dem Magus der nordischen Malerei, zwischen Correggios heiterer Lichtwelt und den mystischen Visionen Rembrandts. In der Idealwelt, wie sie Correggio schildert, ist das Licht die allbeherrschende Macht, die in alle Schatten Helligkeit zaubert und in der Farbe alles materielle tilgt. Bei Rembrandt berühren sich in solchen mystischen Bildern eine ideelle und die wirkliche Welt; in dem Dunkel des Diesseits werden von dem hereindringenden ideellen Licht nur einzelne Punkte geheimnissvoll erhellt und verklärt.

Unter den Werken des Meisters in der dresdner Galerie gehört ein grossartiges Gemälde, das Opfer Manoahs, zu den religiösen Darstellungen der bezeichneten Art.[23] (S. die Abbildung.) Der alte Manoah und seine Gattin, denen der Engel des Herrn die Geburt des Simson verheissen hat, knieen betend vor dem angezündeten Brandopfer und „da die Lohe auffuhr vom Altar gen Himmel, fuhr der Engel in der Flamme hinauf“. Manoah wendet sich in einer plötzlichen Bewegung des Schreckens von der Erscheinung ab, mit niedergeschlagenem Blick, die gefalteten Hände emporgehoben, während sein Weib ruhig in demütiger Andacht verharrt. Von obenher, wo der Engel – eine etwas unförmliche Figur – schattenhaft davonschwebt, fällt ein geheimnisvolles Licht auf die Gruppe der Knieenden und lässt ihre Häupter und die reichfarbigen Gewänder in dem tiefen, die ganze Umgebung wie in Nacht einhüllenden Dunkel feierlich erglänzen. Der Ausdruck der beiden, fast lebensgrossen Gestalten ist voll tiefster Empfindung, besonders schön der still fromme Ausdruck in den Zügen und der Geberde der Gattin Manoahs. – Das Bild stammt aus der reifsten Zeit der Mannesjahre des Meisters; es ist 1641 gemalt und steht in der Breite der Behandlung und in der glühenden Farbenkraft dem ein Jahr später entstandenen weltberühmten Gemälde der sogenannten Nachtwache ganz nahe.

Gerard Dou: Ein Geiger am Fenster

Ein anderes Hauptwerk derselben Periode ist die Hochzeit Simsons (vom Jahre 1638), eines der malerisch reizvollsten Bilder Rembrandts und in der eigentümlichen Mischung von Realismus und phantastischer Romantik eines der originellsten. (S. die Abbildung.) Für das Kostümliche hat hier Rembrandt aus seiner reichen Sammlung von pittoresken Gewändern, Stoffen und Schmucksachen aller Art offenbar besonders kostbare Stücke als Muster benutzt. Vor einem prächtigen Teppich, der an der Wand des Hintergrunds ausgespannt ist, sitzt in der Mitte der Hochzeitsgesellschaft an der reich ausgestatteten Tafel die Braut Simsons, die Tochter des Timnithers, in einem glänzenden weissseidenen Kleid, geschmückt mit einer goldenen Krone, mit einem Stirnband von Perlen, mit Perlenschnüren am Hals, mit einer breiten Kette von Gold und Edelsteinen über der Brust. Vorn neben ihr Simson, der den Philistern das Rätsel aufgiebt, in einem weiten, mit Goldstickerei verbrämten Gewand; die Hochzeitsgäste umher in den mannigfachsten phantastischen Kostümen, mit barettartigen Mützen oder federgeschmückten Turbanen, der vorderste an der Tafel mit einem Dolch am Gürtel. Alle haben ganz porträthaftes Aussehen, es sind lauter holländische, zum Teil ausgeprägt bäuerliche Physiognomien. Ein Meisterstück an charakteristischem Ausdruck ist die Hauptfigur, die Braut Simsons im Mittelpunkte des Gemäldes, die den Blick zuerst auf sich zieht und zu der er immer wieder zurückkehrt. Stolz und regungslos sitzt sie da, die Hände unter der Brust gekreuzt, um ihre Umgebung völlig unbekümmert; der Gedanke, der sie beschäftigt, bringt ein eigentümliches Lächeln auf ihre Lippen, sie ist ihrer Macht über Simson sicher, sie wird ihn überlisten, die Lösung des Rätsels ihm ablocken, um sie den Philistern zu verraten. Während sie unbewegt vor sich hinblickt, sind die Gäste an der Hochzeitstafel auf dem Höhepunkt ihrer Festlaune angekommen; der eine drängt seiner sich sträubenden Nachbarin eine gefüllte Weinschale auf, ein andres Paar hält sich umschlungen, im Hintergrund ist einer vom Tische aufgesprungen und giebt mit grinsendem Lachen eine Geschichte zum besten. Auf der andern Seite drängt sich um den wildhaarigen, bäuerisch reckenhaften Simson, der sein Rätsel mit höchst sprechender Geberde vorträgt, eine dichte Gruppe von Philistern, mit gespannter Aufmerksamkeit zuhörend; am weitesten vorn steht auf seine Harfe gestützt ein alter Musikant, dessen angestrengtes Aufpassen auf Begreifen am wenigsten Aussicht hat. Die ganze Szene hat bei all ihrem kräftigen realistischen Leben einen eigentümlich märchenartigen, phantastischen Charakter, der noch erhöht wird durch den schwer beschreiblichen, in Wahrheit nicht zu beschreibenden Reiz der malerischen Stimmung, durch den Zauber des hellgoldigen Lichts, das im vollsten Glanz auf die Gestalt der Braut konzentriert, in den beschatteten Gruppen zu beiden Seiten bald in prächtigen Reflexen aufleuchtet, bald in weiche Dämmerung verfliesst, durch das feine Farbenspiel in diesem Licht und dem Helldunkel; wunderbar fein klingen alle Einzeltöne ineinander, vereinigt in einen goldig schimmernden Gesamtton. – Das Märchenartige, Romantische des Bildes in seiner Mischung mit lebendigstem Realismus und kräftigem Humor kann an Shakespeare erinnern.

Höchst bezeichnend ist es, wie entschieden bei Rembrandt das Phantasie-Element auch in die Porträtdarstellung übergreift. In seiner früheren Zeit hat er zahlreiche vorzügliche Bildnisse gemalt und radiert, die das Gepräge vollkommener Objektivität an sich tragen. Späterhin behandelte er das Porträt in immer freierer Weise, eine eigenartig gestimmte Auffassung macht sich immer stärker geltend. Durch die Art der Beleuchtung, durch eigentümliche Licht- und Helldunkelwirkungen wird bisweilen auch das Porträt zum Stimmungsbild; das Kostüm erhält häufig einen ausgesprochen phantastischen Charakter.

Aus der Zeit, in der Rembrandt eine derartige künstlerisch freie Behandlung des Porträts schon zu bevorzugen anfing, stammt das bekannteste von seinen Bildnissen in der dresdner Galerie: das lebensgrosse, 1637 oder 1638 gemalte Doppelporträt, das ihn selbst mit seiner Gattin Saskia van Uylenburgh darstellt. (S. d. Abb.) In der Situation, in der sich Rembrandt hier geschildert hat, erinnert er an den jovialen Humor des Frans Hals. Mit seiner jungen Frau auf dem Schoos sitzt er lachend an reichbedeckter Tafel, ein mächtiges Stengelglas voll schäumenden Weines hoch in der rechten. Den lachenden Ausdruck des vollen, derbgeformten Gesichts findet Vosmaer, der Biograph Rembrandts, sein enthusiastischer Verehrer, wenig gelungen; er meint, es sei eine sonderbare Sache, dass Rembrandt, so bewunderungswürdig im Ausdruck höchst verschiedenartiger Affekte, niemals das Lachen gut gemalt habe, auch nicht in diesem Bilde, sein Lachen sei hier nur eine Grimasse, peinlich zu sehn, wenn man das Bild länger betrachte.[24] Allerdings ist Rembrandt kein ebenso grosser Virtuos im Ausdruck des Lachens wie Frans Hals, er hat es nur selten gemalt und niemals so drastisch, nicht mit so unmittelbar packender Wirkung; aber eine starre Grimasse ist das Lachen in diesem Selbstbildnis doch ganz gewiss nicht, der ganze Ausdruck ist denn doch voll sprechenden Lebens. Eher könnte man das lachende Gesicht Rembrandts aus anderem Grunde befremdlich finden. Ist dieser Rembrandt, so könnte man fragen, der Schöpfer so tief ernster, düster poetischer Bilder, der tiefsinnige Träumer mit den geheimnissvollen Helldunkelphantasien? In Wahrheit waren ja aber in Rembrandts Wesen gewaltige Gegensätze vereinigt. Der realistische Zug war in ihm ebenso mächtig, wie der poetisch phantastische und der Humor war seiner ernsten Natur nichts fremdes; welch guter Humor spricht aus der Hochzeit Simsons! Überdies, zu der Zeit, als Rembrandt diese Bilder malte, hatte noch kein Schatten des Missgeschicks, das später über ihn hereinbrach, sein Leben verdüstert. Diese Zeit war die glücklichste seines Lebens, die kurze Zeit seines ehelichen Glücks. Saskia, mit der er sich 1634 vermählte, starb in der Blüte der Jahre, schon 1642. Ein beredtes, in übermütiger Laune geschaffenes Denkmal seiner glücklichen Ehe ist dieses Doppelporträt. Wie Saskia hier erscheint, heiter lächelnd, liebenswürdig naiv, so war sie der Sonnenschein seines Lebens. Ein Phantasiekostüm von kostbaren Stoffen, schimmerndes Geschmeide von Gold und Juwelen schmückt ihre jugendfrische Gestalt; sich selbst hat er dargestellt in der Tracht eines Kavaliers, mit schwarzsamtnem, von weissen Federn bedecktem Barett, einen Degen an der Seite an einem breiten Gürtel von Goldbrokat. Koloristisch ist das Bild ein bewunderungswürdiges Prachtstück rembrandtscher Kunst. Die ausserordentlich reichen Farben sind in den feinsten Abstufungen, in den weichsten und reizvollsten Übergängen, von dem lebhaften Gelbrot von Rembrandts Rock durch das mannigfach gebrochene Blau und Grün im Kostüm der Saskia bis hinauf zu dem glänzenden Weiss der Barettfedern, in einen grossen, warm leuchtenden Ton zusammengeführt. Voll sonniger Heiterkeit und wohliger Harmonie ist das Ganze.

Von den zahlreichen Bildnissen, in denen Rembrandt die Saskia verewigt hat, ist vielleicht das früheste das gleichfalls in der dresdner Galerie befindliche höchst reizende Brustbild, das 1633, in ihrer Brautzeit gemalt ist.[25] Sie blickt, das Köpfchen etwas vorgeneigt, schalkhaft lächelnd, mit einer leichten seitlichen Wendung auf den Beschauer; die munterste Schelmerei spielt um die Augen und die ein wenig geöffneten Lippen. Der Meinung Vosmaers, dass auch hier das Lachen „keinen angenehmen Effekt mache“, werden wohl die meisten nicht beistimmen. In der Beleuchtung ist das Bild schon echt rembrandtisch. Über den breiten Rand von Saskias Hut fällt von oben ein geschlossenes Licht, so dass nur der untere Teil des Gesichts und die Brust beleuchtet sind, während die Stirn und die Augen und das Stück unter der Brust im Schatten liegen. Wie vortrefflich die Licht- und Schattenwirkung dazu dient, den Ausdruck zu steigern! Wie reizend die Schelmenaugen aus dem Versteck des Helldunkels hervorblicken! Dazu die überaus feine Stimmung des Kolorits. Die zarte Helligkeit der Gesichtsfarbe, unter dem Dunkelrot des grossen Samthutes doppelt wirksam, das feine Hellblau des Damastkleides, das zarte Weiss des Spitzentuchs, das leise Glitzern der Perlen des Halsbands, das ist zusammen von ausserordentlichem koloristischem Reiz.

Ein andres Meisterwerk rembrandtscher Porträtkunst ist in der dresdner Sammlung das acht Jahre später (1641) gemalte weibliche Bildnis, das auch für ein Porträt der Saskia gilt: eine junge Frau mit einer Nelke in der Hand. (S. d. Abb.) Eine gewisse Ähnlichkeit hat das kostbare Bild mit den Bildnissen der Saskia. Dass diese aber nicht darin dargestellt ist, ergiebt sich aus einem sehr einfachen Umstand, den man merkwürdigerweise bisher nicht beachtet hat, aus dem Umstand, dass die hier porträtierte junge Frau blaue Augen hat; Saskia hat braune. Schade, möchte man sagen, dass dieses so überaus liebenswürdige Bild nicht ihr Porträt ist. Die linke Hand an die Brust gelegt, in der rechten die Blume darbietend, steht die in frischester Gesundheit blühende junge Frau dem Beschauer voll zugewendet, mit einem reizend treuherzigen Ausdruck im Blick und in der ganzen Geberde. Der Gesamtton des Kolorits ist von ungemeiner Wärme und Tiefe; das Samtkleid hat eine tief dunkelrote, der feine Gazeschal eine goldig bräunliche Färbung. Alle Formen sind mit grösster Sorgfalt durchgebildet, besonders schön sind die Arme und die Hände modelliert. Durchweg zeigt das Bild jene meisterhafte, von aller Kleinlichkeit freie und doch sehr eingehende Behandlung, die für die Gemälde Rembrandts in dieser mittleren Epoche seines Schaffens charakteristisch ist.

In dieselbe Periode gehört auch der „Rohrdommeljäger“ der dresdner Galerie. (S. d. Abb. im Text.) Im rein Malerischen, in dem starken Helldunkeleffekt und in der staunenswert feinen Behandlung des silbergrauen, im vollen Licht schimmernden Gefieders der Rohrdommel liegt der Hauptreiz des Bildes. Es ist 1639 gemalt; in der Gestalt des Jägers, der im Begriff ist, seine Jagdbeute an einem Holzpfosten aufzuhängen, erkennt man die Porträtzüge des Meisters.

Rembrandts Gegensatz zur Antike musste sich natürlich in seiner ganzen Tiefe und Schroffheit zeigen, wenn er Gegenstände der antiken Mythologie behandelte. Das bekannteste von seinen „mythologischen Bildern“ ist der Raub des Ganymedes. (S. d. Abb. im Text.) Man hat in dem Gemälde eine direkte Satire auf die mythologischen Schilderungen der Italiener und ihrer Nachahmer oder auch auf die antike Fabel selbst erblickt.[26] Was wir auf dem Bilde sehen, ist ein ganz naturalistisch, mit allergrösster Naturwahrheit gemalter Vorgang; von karrikierenden Zügen ist darin keine Spur. Eine Parodie im eigentlichen Sinne ist die Schilderung jedenfalls nicht. Aber zu der Idee der antiken Fabel steht sie ja doch im stärksten und sonderbarsten Widerspruch, in einem Widerspruch, dessen sich Rembrandt doch natürlich bewusst war. Er kannte ja doch den Sinn der Fabel, vielleicht auch eine antike Darstellung des Mythus, das Gebiet der alten Kunst war ihm keine terra incognita. Wir jetzt erinnern uns sogleich jener schönsten unter den antiken Darstellungen des Ganymedes-Raubs, der berühmten Gruppe des Leochares, die uns in mehreren alten Nachbildungen erhalten ist; sie zeigt den Gedanken des Mythus in der edelsten Form: hier ist der schöne Liebling des Zeus dargestellt, wie er sich von dem Adler, der ihn leicht gefasst hat, willig emportragen lässt, ohne jedes Widerstreben, ganz hingegeben an den gottgesandten Entführer, den Blick lächelnd nach oben gewandt, wie im Vorgefühl der olympischen Seligkeit, die ihm zuteil werden soll; von dem Adler in dieser Gruppe sagte Plinius, er scheine zu fühlen, was er in Ganymedes raube und wem er ihn bringe. Was hat Rembrandt gemalt? Einen kräftigen fleischigen Jungen, der angstvoll schreiend von dem Adler durch die Lüfte geschleppt wird. Als er unten auf der Wiese mit Kirschenessen beschäftigt war – ein paar der Kirschen hält er noch krampfhaft in der linken Hand –, stiess der Adler auf ihn herab und packte ihn, wie ein Raubvogel seine Beute packt. – Man hat gesagt: „Warum muss das Bild auch eben Ganymed heissen!’’[27] Aber Rembrandt gab ihm doch selbst diesen Titel. Seine Schilderung ist allerdings ironisch gemeint, die Ironie liegt aber versteckt hinter dem rein naturalistischen Charakter der Darstellung. Nach seinen malerischen Qualitäten gehört das Bild zu den ausgezeichnetsten unter den früheren Werken des Meisters. Es ist mit der Jahreszahl 1635 bezeichnet.

Endlich noch eines der bewunderungswürdigsten Gemälde Rembrandts, das grossartige Greisenbildnis vom Jahre 1654. (S. d. Abb.) – Das äussere Leben des Meisters hatte sich um diese Zeit schon sehr trübe gestaltet; seine Vermögensverhältnisse waren, zumeist durch seine unbezähmbare Sammelleidenschaft, schwer zerrüttet, 1656 musste er seinen Bankerott erklären. Seine künstlerische Kraft blieb ungebrochen. Nur in dem Jahr der Katastrophe und während der nächstfolgenden Zeit lässt sich in einzelnen Fällen eine gewisse Lähmung und Trübung seines Schaffens erkennen; dann, in dem letzten Jahrzehnt seines Lebens entstanden noch Werke von einer ganz neuen, eigenartigen Grösse. In der sorgenschweren, der Katastrophe unmittelbar vorangehenden Zeit erscheint seine künstlerische Kraft nicht nur nicht geschwächt, vielmehr aufs überraschendste gesteigert, ganz besonders in dem Jahre, aus dem jenes Greisenbildnis stammt. Unter der staunenswert grossen Zahl bedeutender Schöpfungen, die in diesem Jahr aus Rembrandts Hand hervorgingen, ist keine bedeutender, als eben jenes Bildnis. Es gehört zu den Gemälden des Meisters, die man als Rabbinerporträts zu bezeichnen pflegt. Ein Porträt im eigentlichen Sinne ist es jedoch ebenso wenig, wie die andern; es ist eine freie, mit Benutzung eines ausgewählten Modells frei geschaffne Charakterdarstellung, ein Charakterbild von imposanter Grossartigkeit, von einer unvergleichlichen Macht des Ausdrucks und der ganzen malerischen Erscheinung. Tiefer, gesammelter Ernst spricht aus dem grossgeformten, weissbärtigen Antlitz, aus den grossen, man möchte sagen, schwarz leuchtenden Augen. Das voll auf das Antlitz konzentrierte Licht glüht in erstaunlicher Kraft; aus dem umgebenden Helldunkel, aus dem feierlichen Schwarz des Kostüms glänzen gedämpft, aber höchst wirksam einige Lichtreflexe auf, am lebhaftesten, in einem purpurroten Schimmer, von den Edelsteinen, mit denen das Bruststück des Unterkleides besetzt ist. Die Pinselführung ist von einer Breite und Kühnheit, wie sie kaum eines der früher oder gleichzeitig entstandnen Bilder Rembrandts zeigt, eine ähnliche findet sich erst wieder in Gemälden seiner letzten Epoche; die Lichter sind in starkem Impasto aufgesetzt, die ganze Behandlung hat im Vergleich mit der mehr verschmelzenden Art in den Meisterwerken der vierziger Jahre den Anschein einer fast wilden Energie; aber welche vollendete Kunst liegt in dieser kühnen Führung des Pinsels! Jeder Strich ist von der klarsten und sichersten künstlerischen Absicht beherrscht. Eben diese gewaltige Art des Vortrags ist es, die der ganzen bildlichen Erscheinung eine solche Wucht des Körperhaften, eine solche Mächtigkeit der realistischen Wirkung giebt. Auch in der Art der Behandlung ist das Bild eines der genialsten Werke des Meisters. Vosmaer sagt von ihm mit Recht, dass es für seine ganze Nachbarschaft in der dresdner Galerie eine völlig erdrückende Wirkung hat.[28]

Die interessantesten Gemälde, die die dresdner Sammlung von Schülern Rembrandts besitzt, sind die hier wiedergegebnen: Jakobs Traum und die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten von Ferdinand Bol und das Ecce Homo von Aert de Gelder. Ferdinand Bol, der zu Rembrandts ersten Schülern in Amsterdam gehörte, ging in späterer Zeit, als in der holländischen Malerei eine akademisch italienisierende Richtung wieder hervorzutreten anfing, sehr entschieden in diese Richtung über. Wie völlig er früher von Rembrandt beherrscht war, wie er die Art des Meisters nicht blos äusserlich nachzuahmen, auch geistig zu erfassen verstand, zeigt der Traum Jakobs, ein schönes und vortreffliches Bild, das in seinem ganzen Charakter, in der Phantastik des Lichts und des Helldunkels, wie in den realistischen Zügen in der That echt rembrandtisch ist, wenn es auch an Kraft der malerischen Wirkung den Werken des Meisters nicht gleichkommt. Schön empfunden ist der Ausdruck des träumenden Schläfers und der Gestalt des Engels mit der sanft segnenden Geberde. – Auch in dem andern Gemälde steht Bol noch durchaus auf dem Boden der rembrandtschen Schule. Der biblische Gegenstand ist hier streng realistisch genommen, alles Legendenhaften entkleidet; die „Ruhe auf der Flucht nach Ägypten“ ist dargestellt wie eine Szene aus dem Volksleben der damaligen Gegenwart. Müde und erschöpft haben die Flüchtenden auf ihrer Wanderung Rast gemacht; aus den Zügen der Maria spricht tiefe Ermattung, sorgenvoller Ernst aus dem bleichen Gesicht Josephs. Über der weiten nebligen Landschaft liegt eine schwer melancholische Stimmung; alle Farben sind eingetaucht in einen schwermütig ernsten Gesamtton.

Nicht minder begabt, als Ferdinand Bol war Aert de Gelder, einer der letzten Schüler Rembrandts. In dem im Text wiedergegebnen Ecce Homo schloss er sich nahe an des Meisters berühmte, denselben Gegenstand darstellende Radierung von 1665 an. In der Anordnung des Ganzen, in den Hauptformen des architektonischen Hintergrunds, in der Verteilung der Gruppen stimmt das Gemälde mit dieser Radierung überein, doch ist es in allem übrigen, in allen Gestalten und Einzelheiten eine entschieden neue und selbständige, im Geiste Rembrandts neu geschaffne Komposition, sehr reich an charakteristischen, an wahr und lebendig empfundenen Zügen, in den Figuren der Hauptgruppe, in den Gestalten des Dornengekrönten und des Pilatus, wie in der Volksmasse, die sich unten vor dem Gerichtshaus drängt. Die Farbe ist auf einen tiefen düsteren Ton gestimmt, eine trübe, nur von vereinzelten Lichtern erhellte Dämmerung breitet sich über die ganze Szene.

Unter den Malern, die in Amsterdam, als Rembrandt hier auftrat, schon zu einer gewissen Selbständigkeit gelangt waren, bald aber ganz unter die Herrschaft des grossen Neuerers gerieten, ist einer der tüchtigsten Salomon Koninck. Zu seinen besten Werken gehört der vielkopierte Eremit der dresdner Galerie (vom Jahre 1643), ein alter weissbärtiger Asket, der in das Lesen eines mächtigen Folianten vertieft ist. (S. Abb. im Text.) Mit dem Charakter des Gegenstands harmoniert der feingraue, bleiche Grundton der Farbe; die Durchführung ist von ausserordentlicher Genauigkeit und Sorgfalt.

Nicht blos an den Orten wo Rembrandt selbst thätig war, nicht blos in den Schulen von Leiden und Amsterdam, auch in allen den andern während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Holland aufblühenden Malerschulen, namentlich in den Schulen von Haarlem und Delft, zeigte sich sein mächtiger Einfluss. Allerwärts in der holländischen Malerei, vor allem in der so erstaunlich reich entwickelten Genrekunst sind Spuren rembrandtscher Einwirkung ersichtlich. – Die Geschmackswandlung, die sich in Holland hier und da schon in den fünfziger Jahren in einem sehr bestimmten Gegensatz zu Rembrandt ankündigte, führte in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts immer weiter von ihm ab und damit zugleich von dem Wege der bisherigen selbständig nationalen Entwicklung. In Rembrandts letzter Epoche war sein Einfluss schon fast völlig erloschen; der grossartige Stil seiner letzten Werke ward nur noch von wenigen seiner Zeitgenossen verstanden.

Paulus Potter: Rinderhirt mit seiner Heerde

An der Spitze der holländischen Genremaler des 17. Jahrhunderts – sie sind in der dresdner Galerie aufs reichste und vorzüglichste vertreten – stehen drei Meister, die nur wenige Jahre jünger waren als Rembrandt: Adriaen van Ostade (geb. 1610), Gerard Dou (geb. 1613), Gerard Terborch (geb. um 1617). In ihren Bildern spiegelt sich das ganze holländische Leben jener Zeit: Ostade ist der Hauptmeister in der Schilderung des holländischen Bauernlebens, der Maler der holländischen „Dorfgeschichte“, Dou nimmt seine Gegenstände mit Vorliebe aus den mittleren, Terborch aus den höheren Gesellschaftskreisen.

Schon während des zwölfjährigen mit Spanien abgeschlossenen Waffenstillstands (1609–1621), dann auch während des erneuten Kampfes mit Spanien war Holland zu einem blühenden inneren Wohlstand gelangt; noch gehoben und völlig befestigt ward der Wohlstand des Landes durch den westfälischen Frieden (1648), der der Welt nach dreissig wilden Kriegsjahren endlich Ruhe und Sicherheit zurückgab. Die Möglichkeit eines ungestörten behaglichen Lebensgenusses war gesteigert, das Privatleben, das häusliche Dasein gewann einen erhöhten intimen Reiz. Die Stimmung dieser gesicherten friedlichen Existenz ist es, die in der holländischen Genremalerei dieser Zeit, in den feinen Schilderungen aus dem Leben der höheren Stände, wie in den derbfrischen und gemütlichen Szenen aus dem Leben des niedern Volkes auf das mannigfachste wiederklingt. Als Urkunden des damaligen holländischen Lebens haben diese Genrebilder neben dem rein künstlerischen noch ihr besondres geschichtliches Interesse. Ihren Zusammenhang mit der allgemeinen Zeitstimmung, ihren nationalen Hintergrund hat Anton Springer in seinen Bildern aus der neueren Kunstgeschichte vortrefflich ins Licht gestellt.[29]

Wie meisterhaft und mit wie gutem Humor hat Ostade, der hervorragendste Genremaler der haarlemer Schule, seine holländischen Bauern im Behagen ihres friedlichen Daseins, in der Stimmung des Feierabends, in den gemütlichen Ruhestunden im Wirtshaus geschildert. Besonders zahlreich und berühmt sind seine „Wirtshausidyllen“. Eines der besten Bilder dieser Art ist das im Text wiedergegebne, der Stammtisch in der Dorfschenke, ein Werk aus der reifsten Zeit des Meisters, wahrscheinlich vom Jahre 1660. Durch das grosse Fenster zur linken, vor dem eine Anzahl Bauern in gemächlicher Ruhe trinkend, schwatzend und schmauchend um einen runden Holztisch beisammensitzt, fällt ein warmes sommerliches Abendlicht in die Dämmerung des geräumigen Gastzimmers; eine zweite Gruppe von Bauern sieht man in dem tiefschattigen, nur schwach erhellten Hintergrund. Das mit grosser Feinheit behandelte Helldunkel giebt dem Ganzen die höchst gemütliche, behagliche Stimmung. Hier und in andern derartigen Schilderungen Ostades aus derselben Epoche verrät sich in der feinen Ausbildung des Helldunkels aufs deutlichste der Einfluss Rembrandts; in der Poesie der Helldunkelstimmung liegt der Reiz solcher Bilder ebenso sehr, wie in der echt humoristischen Auffassung und der lebendig sprechenden Charakteristik der Figuren. – Gleich stimmungsvoll, noch feiner im Ton ist das andre als Vollbild wiedergegebne Gemälde des Meisters (vom Jahre 1663), das ihn selbst in seiner Werkstatt zeigt. Ein höchst einfaches Atelier! Eine schlichte, mit allerhand gewöhnlichem Malergerät unordentlich angefüllte Arbeitsstätte. Wie schön aber das milde Sonnenlicht, das durch das hohe Fenster hereindringt, sein ruhiges Leuchten und die zarte Dämpfung aller Farben! In dem lauschig stillen Raume sitzt der Meister vor seiner Staffelei eifrig bei der Arbeit; seine vom Betrachter halb abgewendete Stellung erhöht noch den Eindruck seines völligen Fürsichseins; in der kleinen, halb schattenhaften Figur im äussersten Hintergrund erkennt man den Farbenreiber bei seiner Hantierung. Das Bild ist eines der kostbarsten Werke Ostades, ein Meisterwerk an intimer Feinheit der Stimmung.

Gerard Dou, der Hauptmeister der leidener Genreschule, der berühmte Meister der Klein- und Feinmalerei, war ein Schüler Rembrandts in der kurzen Zeit, in der Rembrandt in Leiden als selbständiger Künstler thätig war. „Schon in Dous Erstlingswerken,“ sagt der alte Houbraken, „konnte man wohl sehen, dass gutes, besonders im kleinen und ausführlichen von ihm zu erwarten war. Viele haben sich gewundert, dass aus Rembrandts Schule ein solcher Meister hervorging; doch diese wissen nicht, dass Rembrandt in seiner ersten Zeit sehr ausführlich malte.“[30] Weit mehr aber, als in der Richtung auf fein detaillierende Ausführung ward Dou offenbar in der Behandlung des Helldunkels durch Rembrandt geleitet; in einem ähnlichen Sinn wie bei Ostade hat das Helldunkel Rembrandts, das sich schon in Werken seiner leidener Frühzeit auszubilden begann, auch bei Dou auf die malerische Auffassung rein genrehafter Gegenstände eingewirkt. Auf seine Subtilität in der Ausführung alles einzelnen konnte bereits sein erster Lehrer, der Kupferstecher Dolendo von Einfluss gewesen sein. In der Sorgsamkeit und Sauberkeit der Detailmalerei vermochte er sich kaum genug zu thun, wobei er freilich bisweilen ins kleinliche geriet. Von den beiden im Text und als Vollbild wiedergegebnen Gemälden des Meisters zeigt das erstre ein malerisches Motiv, das von ihm mehrfach behandelt wurde: an einem offnen Fenster, durch das man in ein ganz in heimliches Halbdunkel gehülltes Gemach hineinblickt, eine Gestalt in vollem Tageslicht. Hier steht am offnen Fenster ein Geiger, der seine Fidel streichend in zufriedenster Stimmung in den sonnigen Tag hinausblickt. In dem andern Bild hat der Meister sich selbst in seinem Atelier dargestellt; er sitzt an der Fensterbrüstung mit einem grossen Folianten vor sich, in den er ein Bild einzeichnet; das mannigfaltige, sehr sorgfältig arrangierte Beiwerk, die Statuengruppe, vorn auf der Steinbrüstung die grosse Geige mit dem Notenheft, der Globus, die Laute, alles ist bis ins kleinste mit grosser Genauigkeit durchgeführt. Das Bild hat die Jahreszahl 1647. Das erstgenannte, das man irrtümlicherweise auch für ein Selbstbildnis Dous gehalten hat, ist 1665 gemalt; es ist in der ganzen Behandlung von noch grösserer Delikatesse, im Helldunkel feiner gestimmt.

Adriaen van der Werff: Das Urteil des Paris
Gerard Terborch, der vornehmste unter den Malern der vornehmen Gesellschaft des damaligen Holland, ist in der dresdner Galerie mit keinem seiner eigentlichen Hauptwerke vertreten, mit keinem von denen, die durch die Feinheit des psychologischen Ausdrucks ebenso interessant und hervorragend sind, wie durch die vollendete Feinheit des „Tons“ und die geistreiche Leichtigkeit der Behandlung. Das abgebildete Gemälde, die Lautenspielerin, gehört in Bezug auf malerische Haltung entschieden nicht zu den vorzüglichsten Werken des Meisters, es hat fast etwas unruhiges in der Farbe. Vortrefflich aber, höchst sprechend und anziehend ist der Ausdruck der beiden Gestalten: die vornehme Dame, die im Begriff ist, die Saiten der Laute zu berühren, wendet sich mit einem fragenden Blick zu dem jungen Kavalier hinüber, der ihr, wie es scheint, mit Anspielung auf das Lied, das sie singen will – er zeigt auf das aufgeschlagne Notenheft –, ein zärtliches Geständnis macht; ihr Blick scheint zu fragen, ob sie ihm auch glauben dürfe, wie sie wohl möchte. Die Situation hat einen gewissen novellistischen Reiz, wie in Terborchs Bildern sehr häufig, man fühlt sich angeregt, aus der dargestellten Szene eine kleine Novelle herauszuspinnen. – Terborchs künstlerische Hauptthätigkeit – er war in Zwolle geboren – fällt in die Zeit seines Aufenthalts in Deventer, wo er sich nach verschiednen Reisen im Ausland 1655 niederliess (gest. 1681). Während seiner Studienzeit in Haarlem hatte er hauptsächlich von Frans Hals, später in Amsterdam von Rembrandt, bei einem Aufenthalt in Madrid auch von Velazquez wichtige Anregungen empfangen. – Sein vorzüglichster Schüler, Kaspar Netscher (geb. in Heidelberg 1639, von 1662 bis zu seinem Tode im Jahre 1684 im Haag ansässig) ist ihm bisweilen in der Feinheit des Tons und der Charakteristik ziemlich nahe gekommen; aus seiner besten Zeit stammt das als Vollbild wiedergegebne Gemälde (vom Jahre 1666): eine anmutige junge Dame, die den Gesang eines Herrn auf dem Klavier begleitet, während eine zweite Dame träumerisch zuhört; der Hintergrund des hohen säulengeschmückten Saales ist in ein feingestimmtes Helldunkel gehüllt. Sehr ansprechend ist auch das im Text wiedergegebne Bildchen des Meisters, der Briefschreiber, der im Begriff sein Schreiben zu beginnen oder im Schreiben einen Moment innehaltend, mit in die Ferne gerichtetem Blick den Kopf sinnend in die Linke stützt.
Nic. Poussin: Ruhende Venus

Reicher als jeder andere holländische Meister des 17. Jahrhunderts ist in der dresdner Galerie Philips Wouwerman vertreten, der vor allem durch seine Jagd- und Soldatenstücke berühmte Meister von Haarlem (1619–1668). Ein besonderes Interesse hat die Mehrzahl dieser sittenbildlichen Schilderungen durch die entschiedne Betonung und sehr feine Behandlung des Landschaftlichen; der landschaftliche und der figürliche Teil sind fast immer von gleicher Bedeutung und zu einem vollen Einklang verbunden. Von den zweiundsechzig Gemälden, die die dresdner Galerie von Wouwermans Hand besitzt, sind zwei der vorzüglichsten hier wiedergegeben: das eine schildert eine Hirschjagd am Fluss, vornehme Jäger und Jägerinnen, von denen die einen durchs Wasser, die andern auf dem Ufer, wo die Hunde das verfolgte Wild eben gestellt haben, in vollem Laufe heransprengen; rechts ist der Vordergrund mit zahlreichen Nebenfiguren belebt. Eine frische Morgenstimmung, eine klare, silberig schimmernde Atmosphäre liegt über dem Ganzen. – Das andre Bild, der Pferdestall, auch ein Hauptwerk des Meisters, zeigt ein scheunenartiges, nach zwei Seiten offenes Gebäude mit einer Gruppe von Reitern. Malerisch reizend ist vor allem das Helldunkel im Innern des Raumes in seinem Gegensatz zu dem von aussen hereindringenden warmen Sonnenlicht. Unter den meisterhaft gezeichneten Pferden fehlt auch hier der bekannte Schimmel nicht; Wouwerman pflegte ihn aus malerischen Gründen an den am stärksten beleuchteten Stellen fast in allen seinen Bildern anzubringen, so dass er sich gewissermassen wie ein künstlerisches Kennzeichen seiner Werke ausnimmt.

In der leidener Schule traten neben Gerard Dou als die bedeutendsten Genremaler Gabriel Metsu und Frans van Mieris d. ä. auf. Die Richtigkeit der Annahme, dass Metsu (1630–1667) ein Schüler Dous gewesen, ist in neuerer Zeit bezweifelt worden;[31] jedenfalls hat Dou, wenn er sein Lehrer war, nicht nachhaltig auf ihn eingewirkt. Metsu steht in seiner ganzen Art Terborch und Rembrandt, von dem er nach seiner Übersiedlung nach Amsterdam (1650) auch unmittelbar beeinflusst wurde, weit näher, als dem leidner Meister der Fein- und Kleinmalerei. In der Farbe ist er in seinen Hauptwerken durchweg bei aller Zartheit der Tönung frischer, reicher und kräftiger; in der Einzelbehandlung höchst eingehend und sorgfältig, bleibt er von dem kleinlichen Zuge doch gänzlich frei, der sich bei Dou so vielfach geltend macht; in der Individualisierung der Gestalten, in der Lebendigkeit und Feinheit des Ausdrucks ist er ihm entschieden überlegen. Das eine der hier wiedergegebnen Gemälde Metsus ist der berühmte „Geflügelverkäufer“ (von 1662). Den Hintergrund der Szene bildet das dunkle Gemäuer eines hohen Kirchenbaues, rechts in der Ferne, in feingrauen Duft gehüllt, die Amsterdamer
François Millet: Römische Berglandschaft

Gracht. Die beiden Personen, die über das einfache Kaufgeschäft mit einander verhandeln, der alte weissbärtige Verkäufer und die vornehme Käuferin, sind so meisterlich individualisiert, dass sie schon an sich, jede für sich das Interesse fesseln. An farbiger Frische und Feinheit gehört das Bild zu den Juwelen der holländischen Genrekunst. – Von besonders intimem Reiz ist das andre Gemälde des Meisters: eine Dame in ihrem lauschigen Zimmer, mit einem Klöppelkissen auf dem Schoos. Indem sie die Hände einen Augenblick ruhen lässt, schaut sie, den Kopf leicht zur Seite gewendet, mit den gutherzigen Augen leise lächelnd vor sich hin; eine angenehme Erinnerung scheint ihr plötzlich während der Arbeit erwacht zu sein. Die Farben, das Perlgrau des Atlaskleides, das Dunkelblau der mit weissem Pelz besetzten Samtjacke, das Weiss des Linnenzeugs sind auf dem Grau des Wandhintergrunds ausserordentlich zart zusammengestimmt.

Vollkommen die Richtung Gerard Dous verfolgte sein Hauptschüler Frans van Mieris d. ä. Seine vorzüglichsten Arbeiten sind die seiner mittleren Zeit; später verfiel er mehr und mehr in eine kalt-glatte Eleganz der Behandlung, die freilich dem sich verflachenden Geschmack der Zeit sehr zusagte. Ganz köstlich ist das kleine Gemälde, worin er sich selbst in seiner Werkstatt, eine Dame malend, dargestellt hat (s. d. Abb.), ein Kabinetstück von ungemeiner Schönheit im Licht und im Helldunkel, meisterhaft in der „Stoffmalerei“, besonders in der Behandlung des schimmernden Atlaskleids der Dame und anziehend vor allem durch den feinen Ausdruck in den Zügen des Künstlers. Er hat im Malen eine Pause gemacht und ist mit der Dame in heiterer Unterhaltung begriffen; in seinem Blick glänzt eine zärtliche Empfindung, die er halb zu bekennen, halb zurückzuhalten scheint. Die Dame steht von uns abgewendet, so dass wir von ihrem Gesicht nur ein Stückchen der Wange sehen, aber der Umriss der Wange verrät, dass sie lächelt, während ihre Handbewegung, wie man glauben möchte, ein leichtes Erstaunen ausdrückt. – In dem zweiten abgebildeten Gemälde von Mieris, einem sehr virtuos behandelten Stück, kann man durch die junge Schöne in dem bequemen Morgengewand, die eben eine „Liebesbotschaft“ erhalten hat, an die goethische Philine erinnert werden. Die Alte mit dem zigeunerhaften Aussehen, die das Billet-doux gebracht hat, giebt ihr mit sehr sprechender Geberde Ratschläge über ihr Verhalten.

Jan Steen, der Satiriker, der Rabelais unter den holländischen Genremalern, ein Vorläufer Hogarths, wird in der Regel auch zur leidner Schule gerechnet, obwohl er mit den Meistern dieser Schule wenig oder nichts gemein hat. Während seines wechselvollen und abenteuerlichen Lebens war er bald in seiner Geburtsstadt Leiden, bald im Haag und in Haarlem thätig, in Leiden starb er 1679. In Haarlem, wo er sich zwei Mal, das erste Mal in seiner Studienzeit aufhielt, ward er jedenfalls weit weniger von Ostade, der als einer seiner Lehrer genannt wird, als von Frans und Dirk Hals beeinflusst. Einer bestimmten Schule kann er in Wahrheit nicht zugezählt werden.

Fast immer ist stehen mehr Satiriker als Humorist, in der Charakterzeichnung fast durchgehends von treffendster Schärfe, sarkastisch treffend auch in den karrikierenden Zügen, die seine satirische Tendenz in der Regel mit sich bringt. In der breiten, flotten und dabei doch exakten Pinselführung, in der geistreichen Bestimmtheit der malerischen Durchführung sind viele seiner Bilder Meisterwerke ersten Ranges, doch fehlt es auch nicht an solchen, die in der Oberflächlichkeit und Nachlässigkeit der Behandlung alle Merkmale eines unsteten Temperaments an sich tragen. – Das kleine im Text abgebildete Gemälde gehört zu der geringen Zahl seiner „biblischen“ Darstellungen. Es hat den Titel: die Hochzeit zu Kana. Ist diese Schilderung, wie man auf den ersten Blick fast annehmen möchte, nichts anderes, als eine frivole Ironie? Den Vorgang hat stehen – das ist bei einem holländischen Realisten des 17. Jahrhunderts selbstverständlich – in die damalige Gegenwart verlegt. Im Hintergrund der mit Laubgewinden geschmückten Halle sieht man in ganz kleinen Figuren die Hochzeitsgesellschaft, über ihr auf einer Galerie die Musikanten. Links im Halbdunkel des Mittelgrunds auf erhöhter Estrade steht mit erhobner Hand Christus, das Wasser in Wein verwandelnd. Die Hauptfiguren, die sich dem Auge unmittelbar aufdrängen, sind die scharf charakterisierten Figuren des Vordergrunds: der dicke Kellermeister, der mit lachendem Gesicht dem vergnügt schmunzelnden Geiger ein Glas des Wunderweins anbietet; auf den Stufen ganz vorn an das grosse bekränzte Fass hingerekelt ein Weib, das mit stumpfsinnigem Ausdruck einem Jungen auch von dem Wein zu trinken giebt. Wollte stehen die Legende nur leichtsinnig verspotten? Oder wollte er sagen: für die niedre Menschensorte wird auch ein Wundertrank zu etwas gemeinem, zu einem gemeinen Genuss, der plumpe Sinnenmensch spürt den Geist nicht, auch wenn er ihm in einem Wunder erschiene? Vielleicht ist das der Gedanke des Bildes.

Zur Schule von Delft gehört ein gegenwärtig besonders hochgeschätzter und vielgepriesner Meister: Jan Vermeer oder van der Meer (1632–1675). Er war Schüler eines der hervorragendsten Schüler Rembrandts, des Karel Fabritius, der sich nach seinen Studienjahren in Amsterdam in seiner Heimatstadt Delft niedergelassen hatte. Wie überall, wo sich rembrandtscher Einfluss zeigte, äusserte er sich auch bei diesen delfter Genremalern vor allem in der Behandlung des Lichts, in der Ausbildung des Helldunkels. Eben hierin war Vermeer ein vollendeter und zugleich sehr eigenartiger Meister, eigenartig besonders in der Behandlung der Lokalfarben innerhalb der zartesten Licht- und Helldunkelstimmungen. Indem er die Lokalfarben bis zu einem gewissen Grade hervorhob, indem er sie nicht völlig in Ton auflöste, erreichte er durch die überaus feinfühlige, vielfach wesentlich neue Art ihrer Zusammenstellung malerische Wirkungen von ganz eigenem Reiz. Er hat interessante Farbenkombinationen von überraschender Neuheit; ein zartes Hellblau und ein feinschimmerndes Citronengelb verwendete er mit besonderer Vorliebe und besonderem Geschmack. – Unter seinen Bildern, die in der Regel grösseres Format haben als die Stücke der erwähnten Kabinetsmaler, ist eines der schönsten die „Briefleserin“ in der dresdner Galerie (s. d. Abb.): ein junges Mädchen, das einen Brief, sicher einen Liebesbrief, lesend vor dem geöffneten Fenster steht. Ein wundervoll warmes und zartes Sonnenlicht strömt in das einfache Gemach, die ins Lesen ganz still Vertiefte weich umschmeichelnd und alles umher mit einem goldigen Duft überhauchend. Wie sich in diesem Lichtschimmer die Gestalt des Mädchens, ihr blondes Köpfchen und ihr mattgelbes Mieder von dem feinen Grau der hohen Zimmerwand abhebt, wie die Farben der Umgebung, das Rot der Fenstergardine, das Blassgrün des Vorhangs rechts und das bunte Muster der Tischdecke in dem Lichtton zu einander gestimmt sind, das ist für ein malerisch empfindendes Auge schon an sich höchst reizend. Aber wie stimmungsvoll auch im poetischen Sinne wirken hier Farbe und Licht! – Der dem Vermeer künstlerisch am nächsten verwandte, an Bedeutung ihm gleichstehende Meister, Pieter de Hooch, ist in der dresdner Galerie leider nicht vertreten.

Unter den Meistern, die in Amsterdam mit Rembrandt gleichzeitig thätig waren, ist der berühmte Bildnismaler Bartholomäus van der Helst zunächst schon dadurch merkwürdig, dass er von Rembrandt so gut wie gar nicht beeinflusst wurde. In Haarlem geboren (1611 oder 1612), kam er in jungen Jahren nach Amsterdam, wo vermutlich Nicolas Elias, einer der besten Bildnismaler der vorrembrandtschen Zeit, sein Lehrer wurde. Die einfache, klare, schlicht objektive Auffassung, wie sie diesem Meister, wie sie Thomas de Keyser und anderen Porträtisten jener früheren Periode eigen ist, bildet auch den Grundzug der Werke Van der Helsts. Nichts lag ihm ferner, als die Art, wie Rembrandt in seiner späteren Zeit das Porträt behandelte. Von rembrandtisch phantastischen Helldunkeleffekten ist in seinen Bildnissen keine Spur; seine Personen stehn alle in einem klaren, sozusagen rationalistisch klaren Tageslicht, in dem sich alle Einzelheiten mit scharfer Deutlichkeit aussprechen. Seine höchst solide Technik ist meisterhaft, die Durchbildung der Formen von grösster Sorgfalt, ohne ins ängstlich Minutiöse zu verfallen. Zu der Zeit, wo sich Rembrandt in seinem genialen Subjektivismus von dem Geschmack des grossen Publikums immer weiter entfernte, war Van der Helst der gesuchteste und beliebteste Porträtmaler in Amsterdam. Seine volle Meisterschaft zeigt das hier wiedergegebene Bildnis, das eine behäbige Holländerin, die Gattin des amsterdamer Bürgermeisters Andries Bicker darstellt. Das Gegenstück dazu, das Porträt des Bürgermeisters, befindet sich im Reichsmuseum in Amsterdam.

Zwischen dem Genrebild, dem menschlichen Sittenbild und der Landschaft steht die Thierschilderung in der holländischen Malerei als ein sehr mannigfaltig entwickeltes Mittelglied. Am reichsten und interessantesten vertreten ist die bukolische Gattung, die Schilderung des „bäuerlichen Thiergeschlechts“ in stimmungsvoller Verbindung mit der landschaftlichen Natur, das Thieridyll. Von Paulus Potter, dem berühmtesten aller holländischen Thiermaler, besitzt die dresdner Galerie zwei kleine sehr vorzügliche Bilder dieser Gattung, von denen das eine im Text wiedergegeben ist, beide vom Jahre 1652, dem vorletzten Lebensjahr des Meisters, dessen künstlerische Entwicklung mitten im vollen Aufblühn endigte; er starb 29 Jahre alt. Für den ausgeprägt malerischen Stil, zu dem Potter von seiner anfänglich mehr zeichnerischen Art in der späteren Zeit überging, ist das abgebildete Gemälde ein besonders schönes und charakteristisches Beispiel: ein Stück holländischen Weidelands in abendlicher Beleuchtung, im Vordergrund eine langsam hinwandelnde Heerde von Rindern mit ihrem Hirten. Die meisterlich charakterisierten Thiere in ihrem dumpf träumenden Behagen und die stille Landschaft unter dem weichen Licht des leichtbewölkten Himmels geben zusammen ein höchst stimmungsvolles Bild idyllischer Ruhe. In der Luft- und Lichtbehandlung, in der Weichheit und Wärme des Gesamttons gehört dies kleine Gemälde zu Potters ausgezeichnetsten Werken.

Einen Hauptruhmestitel der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts bilden die Schilderungen, in denen die landschaftliche Natur nicht blos als Hintergrund oder Umrahmung des Figürlichen, sondern als Hauptsubjekt behandelt und in einer wesentlich neuen, in der niederländischen Malerei der vorangehenden Zeit nur erst bisweilen angedeuteten Weise aufgefasst ist. Was wir landschaftliche Stimmung nennen, die Stimmung, als deren Hauptträger wir Licht und Luft empfinden, ist hier das eigentlich Herrschende. In ihrer bedeutendsten Entwicklung ist die Landschaft der Holländer Stimmungslandschaft im prägnantesten Sinne. In ihr kam die Poesie der nordischen Natur zuerst zu einem vollen malerischen Ausdruck. In der heimischen Natur haben die Holländer des 17. Jahrhunderts Reize entdeckt, sie haben eine Schönheit aus ihr herausempfunden, die vor ihnen noch kein Malerauge vollkommen wahrgenommen hatte, eine Stimmungsschönheit der eigentümlichsten und mannigfaltigsten Art. Nicht selten genügte ihnen als Motiv das schlichteste Stück der heimatlichen Erde, eine einfache Dünengegend, ein Stück Ackerland; malerischen Reiz, poetische Stimmung gab das Spiel des Lichts, der Luftton, das Eigenartige des atmosphärischen Lebens; das Licht, kann man sagen, und die Atmosphäre waren dann der eigentliche Gegenstand der Schilderung. Wo sich figürliche Staffage findet, spielt sie stets eine durchaus untergeordnete Rolle, oft fehlt sie gänzlich, das Hauptthema ist die Natur selbst, die Natur für sich allein. In der weiteren Entwicklung der Landschaftsmalerei im Norden blieb die Stimmungslandschaft der eigentlich charakteristische Typus. Hier fand die Art der holländischen Naturschilderung die nächste bedeutende Fortsetzung bei den Engländern in der zweiten Hälfte des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts, in den Landschaften Gainsboroughs und Constables, bei den Franzosen in dem von Constable ganz unmittelbar beeinflussten Paysage intime.

Rembrandt, der auch als Landschaftsmaler von der hervorragendsten Bedeutung ist, fehlt als solcher in der dresdner Galerie[32]; die meisten aber der Holländer, die in der Landschaft das Hauptfeld ihres Schaffens hatten, vor allen der grosse Jacob Ruisdael, sind mit ausgezeichneten Werken vertreten.

Von einem Meister, der zehn Jahre vor Rembrandt geboren, anfangs noch der älteren Manier der niederländischen Landschaftsmalerei folgte, später aber zu einem Bahnbrecher für die neue Richtung wurde, von Jan van Goyen hat die Galerie drei Landschaften, von denen zwei zu den Hauptwerken dieser späteren Periode gehören, beide vom Jahre 1643. Die hier wiedergegebne ist eine der einfachen Flusslandschaften, wie sie Van Goyen in eben dieser Zeit mit besonderer Vorliebe malte: zwischen flachen Ufern ein Fluss, der vorn die ganze Breite des Bildes einnimmt und sich in die Tiefe bis an den weit zurückweichenden Horizont hinzieht; links im Vordergrund ein Nachen mit Fischern, auf dem rechten Ufer zwischen Bäumen eingebettet eine Reihe von Bauernhäusern, auf dem linken eine Dorfkirche, auf dem Fluss bis weit hinaus in die Ferne still hingleitende Schiffe. Das Charakteristische des Bildes liegt vor allem in der Art der Tönung. Von den eigentümlichen Lichtstimmungen, die sich in der feuchten Luft Hollands erzeugen, hat Van Goyen besonders bezeichnende zuerst mit malerischem Blick erfasst. Hier, in unserm ausserordentlich leicht und sicher hingeschriebnen Bilde hat er die Stimmung eines holländischen Sommertags geschildert. Das Sonnenlicht erscheint in der weichen, feindunstigen Atmosphäre, die das Ganze einhüllt, warm gelblich getönt, Alles ist eingetaucht in diesen duftigen, warm leuchtenden Ton, so dass nirgends eine bestimmte Lokalfarbe zum Vorschein kommt. Jede Farbenbesonderheit ist in dem Alles umfliessenden Licht- und Luftton gleichsam aufgezehrt. In anderen Bildern Van Goyens sind andere, herbstliche oder winterliche Stimmungen mit gleicher Feinheit wiedergegeben; bisweilen macht sich allerdings auch eine gewisse Manieriertheit in seiner Tongebung bemerklich.

Der grösste Poet unter den holländischen Landschaftsmalern, das grösste malerische Genie, das Holland neben Rembrandt hervorgebracht hat, Jacob van Ruisdael, glänzt in der dresdner Galerie mit einer Reihe seiner bedeutendsten Werke. Ausser den dreien, die Goethe in seinem klassischen Aufsatz „Ruisdael als Dichter“ beschrieben hat, ausser dem „Judenkirchhof“, dem „Kloster“ und dem „Wasserfall vor dem Schlossberg“ besitzt die Galerie noch neun Gemälde des Meisters, darunter eines, das gleiche Berühmtheit hat wie die von Goethe beschriebnen: die „Jagd“ (s. d. Abb.), eine der grossen Waldlandschaften, für die Ruisdael die Motive öfters den an Holland unmittelbar angrenzenden deutschen Gegenden entlehnte. Über den Wipfeln des prachtvollen Eichenwalds, in dessen Innres wir blicken, steht zur linken graues Gewittergewölk, auf der rechten Seite hat der Himmel sich aufgehellt, von da geht ein herrliches Leuchten und Glänzen durch den stillen Waldesgrund; vorn spiegelt sich das Sonnenlicht in der breiten durch Regengüsse entstandenen Wasserlache, die freistehenden mächtigen Baumstämme erglänzen in seinem Wiederschein, in silberhellen Tönen schimmert die weite Lichtung in der Ferne – ein wundervolles Aufleuchten der Natur nach Sturm und Gewitternacht. – Fast bedauerlich ist es, dass in diese grossartig schöne, mit der vollendetsten Meisterschaft durchgeführte Landschaft, diese Figuren, Jäger, die einen Hirsch verfolgen, hineingesetzt sind. Bekanntlich liess Ruisdael die Staffage in seinen Bildern in der Regel von andrer Hand malen; hier rührt sie angeblich von Adriaen van de Velde her. Obschon die Figuren, wenigstens die Gruppe der Jäger, rein äusserlich genommen, der Landschaft nicht unpassend eingefügt sind, so haben sie doch etwas störendes; sie stören die landschaftliche Stimmung; man möchte eigentlich wünschen, dass die Landschaft ganz ohne Staffage geblieben wäre.

Die andern hier abgebildeten Gemälde Ruisdaels sind die von Goethe besprochenen. Das „Kloster“: eine stille weltabgeschiedne Thalgegend, im Hintergrund an die bewaldeten Höhen angelehnt ein altes Klosterhaus mit hohem, halb verfallenem Thurm, in seiner Nähe ländliche Gebäude, dicht eingeschlossen von Bäumen und grünem Gebüsch. Vorn steht „veraltet eine herrliche Buche, entblättert, entästet, mit geborstner Rinde, ihr aber zugesellt eine prächtige Gruppe noch volllebendiger Bäume“; zu ihren Füssen ein plätschernder Bach, an dessen vorderem Ufer der zeichnende Künstler sitzt; am andern Ufer eine Rinderheerde, links Fischer mit Stangen und Netzen. Die eine Seite des Himmels ist von dichtem Gewölk bedeckt, von der andren ziehen sich hell glänzende Lichtstreifen über das Gewässer vorn und durch die Mitte des Thalgrundes. Eine eigentümlich gemischte, halb elegische, halb idyllische Stimmung spricht aus dem Ganzen. „Das Abgestorbene ist“, nach Goethes Worten, „mit dem Lebendigen in die anschaulichste Verbindung gebracht; im Gegenwärtigen das Vergangene darzustellen, ist auf das bewunderungswürdigste erreicht.“

Neben dieser reichen Naturschilderung, in der das Elegische nur gleichsam den Unterton abgiebt, steht mächtig ernst der „Kirchhof“, ein Bild voll düsterer Grösse und tiefster Melancholie. Durch zahlreiche Landschaften des Meisters geht eine tief schwermütige Stimmung, sie war die eigentliche Grundstimmung seines Naturells und seiner Kunst, nirgends aber ist sie ergreifender und grossartiger ausgedrückt als hier. „Das Bild ist“, wie Goethe sagt, „allein der Vergangenheit gewidmet, ohne dem gegenwärtigen Leben irgend ein Recht zu gönnen. Man kennt es unter dem Namen des Kirchhofs. Es ist auch einer. Die Grabmäler sogar deuten in ihrem zerstörten Zustand auf ein Mehr-als-vergangenes, sie sind Grabmäler von sich selbst.“ Im Hintergrund unter nächtig schwarzem Gewitterhimmel ragen die Trümmer eines hohen Bauwerks empor; die verfallenen Sarkophage und Grabsteine sind von wildem Gesträuch umwuchert, mitten durch sie hin, das Zerstörte vollends zerstörend, strömt ein reissender Giessbach; vorn, vor einer Gruppe dunkelbelaubter Eichen, streckt ein verdorrter, abgestorbener Baumstamm seine kahlen Äste gen Himmel. „Der bedeutendste Gedanke des Bildes macht zugleich den grössten malerischen Eindruck. Ein Lichtblick beleuchtet die Gräber, die heranflutende Wassermasse, ihre stürzenden Strahlen und den sich entwickelnden Schaum.“ (Goethe). Ein Motiv für das ergreifende, tragisch düstere Naturbild nahm Ruisdael von dem Judenkirchhof vor Amsterdam. Grabmäler von derselben Form und in ähnlicher Anordnung, wie sie das Gemälde zeigt, sieht man auf einem von A. Blotelingh nach einer Zeichnung Ruisdaels ausgeführten Stich von 1670, der nach der Unterschrift den „Begräbnissplatz der Juden vor Amsterdam“ darstellt. Im wesentlichen ist das Gemälde eine Phantasieschöpfung, eine solche freilich, die das Gepräge vollendetster Naturwahrheit an sich trägt.

Zu einer Reihe von Darstellungen wurde Ruisdael durch Gemälde seines um mehrere Jahre älteren Freundes Allaert van Everdingen angeregt, durch jene packenden Schilderungen aus der nordischen Gebirgswelt, in denen Everdingen der Landschaftsmalerei ein neues Stoffgebiet eröffnete. Die Studien zu solchen Gemälden, die fast immer mächtige Wasserfälle in wilder Gebirgsgegend darstellen, hatte er hauptsächlich auf einer Reise nach Norwegen gemacht. Ruisdael, der diese nordische Natur nicht aus eigener Anschauung kannte, hat unter dem Eindruck solcher Schilderungen, wohl auch mit Benutzung von Studien seines Freundes, eine beträchtliche Zahl von Bildern ähnlicher Art gemalt, so charakteristisch wahr, so lebensvoll, dass sie wie in der unmittelbarsten Berührung mit der Natur entstanden erscheinen. Sie zeugen von einer Kraft der künstlerischen Intuition, von der man sagen kann, dass sie die Natur in sich selbst hatte. Eines dieser Bilder ist der „Wasserfall vor dem Schlossberg“ (s. d. Abb.): in der Ferne auf hochragendem Felsen ein burgähnliches Schloss, am Fusse des Felsen ländliche Wohnungen, von dunkeln Tannen umgeben, im Vordergrund ein breitflutendes Wasser, das über Felsgeröll und niedergebrochene Baumstämme schäumend herabstürzt. – Everdingens Hauptbild in der dresdner Galerie ist der hier wiedergegebene „grosse Wasserfall“, ein mächtiges Stück nordischer Natur. Den grösseren Teil des Gemäldes füllt der gewaltige Bergstrom, der oben von links her ruhig heranfliesst, dann in jähem Absturz wild aufschäumend zwischen zerrissenen Felsmassen nach vorn niederbraust. In seine Wirbel stürzt ein kleineres Wasser aus dem Geklüft zur linken. Die Bewegung des Wassers, das ruhige Fliessen des grossen Stroms im oberen Lauf und der wilde Aufruhr im Niedersturz sind meisterhaft geschildert. Der dunkelbräunliche Ton, auf den die Farbe Everdingens fast immer gestimmt ist – man rechnet ihn zu den „Brunisten“ –, wirkt hier entschieden charakteristisch; er erhöht den Eindruck des nordisch Wilden und Düstern.

Von den zwei übrigen in unserm Werk abgebildeten Landschaften aus der holländischen Schule des 17. Jahrhunderts ist die eine von Adriaen van de Velde, der als Landschafter und in genreartigen Darstellungen fast ebenso bedeutend ist, wie als Thiermaler: die „Eisbelustigung auf dem Stadtgraben“, ein vortreffliches, mit Figuren mannigfaltig belebtes, in Ton und Farbe sehr charakteristisches Winterbild. Die andere ist eine der berühmten Mondscheinlandschaften Aert van der Neers, eine der schönsten und stimmungsvollsten: eine abgelegene, stille Gegend vor der Stadt, rechts hinter hohen Bäumen Giebelhäuser, in deren Fenstern sich das Mondlicht spiegelt, weiter zurück in dunkler Silhouette vom Himmel sich abhebend eine Kirche, rechts die mondbeglänzte Fläche eines breiten Flusses, über den ein einsamer Nachen gleitet.

Dann noch ein Prachtstück aus dem Gebiet der von den Holländern auch neu geschaffenen und sehr reich gepflegten Stilllebenmalerei, ein Hauptwerk des bedeutendsten Meisters, der in der

Antoine Watteau: Das Liebesfest

Blütezeit der holländischen Schule in diesem Gebiet auftrat: das „grosse Stillleben mit dem Vogelnest“ von Jan Davidsz de Heem (s. d. Abb.). Alle glänzenden Eigenschaften der Kunst de Heems zeigt das Bild in sich vereinigt, in der stupenden Naturwahrheit, der liebevollen Feinheit, mit der jedes Stück dieser in üppiger Fülle hingebreiteten Früchte und das gesamte Beiwerk bis ins kleinste durchgeführt ist, in der malerisch prächtigen Anordnung des Ganzen, in dem Reiz der Farbenzusammenstellung und der Lichtführung. Ganz besonders durch das Lichtspiel ist dieses reiche Stillieben, das stille Leben in der Farbe und Form der mannigfaltigen Naturprodukte zu so reizvoller Wirkung gebracht.

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Seit dem Beginn des letzten Viertels des 17. Jahrhunderts mehrten sich die Anzeichen des Verfalls in der holländischen Kunst. Die grossen Meister der Blütezeit, die Frans Hals, Rembrandt und Ruisdael wurden nicht mehr verstanden, in den Kreisen der vornehmen Kunstliebhaber schätzte man fast nur noch die „Kabinetstücke“ jener Klein- und Feinmalerei, die von Gerard Dou ausgehend jetzt immer mehr, namentlich in den späteren Arbeiten des Frans Mieris, in eine oberflächlich elegante, kalte und glatte Manier verfiel. Gleichzeitig machte sich der Einfluss italienischer Manieristen und besonders französischer Einfluss immer entschiedner geltend. Seit 1672, wo die Heere Ludwigs XIV das erste Mal in Holland eindrangen, und trotz der Erfolge, die Holland in dem fast vierzig Jahre andauernden Krieg mit Frankreich hatte, gelangte französischer Geschmack in Holland in der Kunst, wie in der Litteratur zu immer grösserer Herrschaft. Der lütticher Maler Gérard Lairesse, der sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Amsterdam niederliess, verkündigte hier in seinem Lehrbuch über Malerei (dem „Groot Schilderboek“), die ganze bisherige Richtung der holländischen Malerei als roh naturalistisch verwerfend, die akademische Aesthetik des französischen Klassizismus.

Die elegante Manier jener Kleinmalerei und der französische Geschmack waren einander verwandt, sie waren sehr gut zu verbinden, man zeichnete und komponierte nun nach den Schönheitsregeln des Lairesse und malte in der delikaten mierisschen Art. Keiner hat das besser verstanden, als der Chevalier Adriaen van der Werff, der damals aufs höchste gefeierte Meister von Rotterdam (1659–1722). Der Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz, sein grösster Bewunderer, ernannte ihn zum Hofmaler und erhob ihn in den Ritterstand. Denkt man bei seinem Paris-Urteil (s. d. Abb. im Text) an die rubensschen Darstellungen desselben Gegenstands, welch ein Gegensatz! Welcher Kontrast zwischen Rubens’ heiterer Natürlichkeit, seinen in Lebensfülle und üppiger Gesundheit blühenden Gestalten und der affektierten Grazie, der äusserlichen Eleganz, der unwahren, leblosen Farbe der porzellanartig glatten Figuren dieses Decadence-Bildes! Die Virtuosität der Behandlung ist nicht gering, aber wie reizlos ist diese Kunst geworden.

Länger als die vlämische Malerei hatte sich die holländische in kräftiger Blüte erhalten und ihre nationale Selbständigkeit behauptet; fast ein Jahrhundert lang war sie dem Romanentum gegenüber eine starke Vertreterin germanischen Wesens. Ihr Ende bezeichnet die französierende Kunst Van der Werffs.

Die spanische Schule des 17. Jahrhunderts[Bearbeiten]

In der Malerei des 17. Jahrhunderts war die spanische neben der niederländischen weitaus die originalste Erscheinung. Mit der Überwindung der italianisierenden Richtung, die im 16. Jahrhundert auch in der spanischen Malerei geherrscht hatte, begann zu Anfang des 17. auch hier eine ganz neue, absolut selbständige Entwicklung. Der unvergleichliche Realismus des Velazquez, die tief nationale, farbenherrliche Kunst des Murillo bedeuteten für die Welt der Malerei eine ebenso mächtige Bereicherung, wie die Kunst der grossen Niederländer.

Die Mehrzahl der bedeutendsten Gemälde des Velazquez befindet sich noch jetzt an der Stätte ihrer Entstehung, in Madrid. Unter denen, die ins Ausland gekommen sind, ist eines der berühmtesten das in der dresdner Galerie befindliche Porträt, das nach Justi (Velazquez und sein Jahrh., I, 395) wahrscheinlich einen Jägermeister Philipps IV, Juan Mateos, darstellt. (S. d. Abb.). Als Velazquez bei seinem zweiten Aufenthalt in Rom das Bildnis seines Dieners Juan Parejo im Pantheon ausstellte – man pflegte hier an bestimmten Festtagen eine Ausstellung von Gemälden alter und neuer Meister zu veranstalten –, sagten die Maler: alles andre sei Malerei, dieses Bild allein Wahrheit.[33] Für die lebensmächtige Wahrheit in Velazquez’ Menschendarstellung ist in der That kein Ausdruck der Bewunderung zu hoch gegriffen. In seiner genialen Porträtkunst, in dem Zauber der künstlerischen Illusion, die seine „spirantes tabulae“ hervorrufen, hat der Realismus der Malerei ein Höchstes erreicht. Die Entstehung des dresdner Bildes wird in die ersten Jahre der mittleren Periode des Meisters zu setzen sein, in die erste Zeit seiner völlig freien Entwicklung. Die Gestalt eines robusten Mannes steht vor uns, in straffer Haltung, mit finstern Augen unter buschigen, zusammengezogenen Brauen, der festgeschlossene Mund mit den starken vorgedrängten Lippen unter dem grauen Schnurrbart hat den Ausdruck einer fast brutalen Energie – eine herrische Natur, zu deren cholerischem Charakter auch das bräunliche Gelb der Hautfarbe stimmt. Besonders charakteristisch ist die Richtung des Blicks, der nicht geradaus, sondern etwas nach unten geht, „als ob er geringschätzig Jemandes Maass nähme“ (Justi). Die Hände sind, wie fast stets in Velazquez’ Bildnissen aus derselben und der späteren Zeit, nur nebensächlich behandelt, sie sollen die Wirkung der Hauptsache, des Kopfes, nicht vorlaut beeinträchtigen; doch sprechen sie auch so in der Gesamterscheinung charakteristisch mit. Die linke auf den Degenknopf gestützte Hand hat den von der linken Schulter herabhängenden Mantel gefasst, während ihn die rechte über die Hüfte nach vorn zieht. Diese Bewegung scheint eine andre vorzubereiten: man hat von dem düstern Manne den Eindruck, als sei er nach Erteilung einer kurzen Audienz im Begriff sich abzuwenden. –Die ganze Gestalt ist von vollendeter Plastik, der im vollen Lichte bewunderungswürdig modellierte Kopf doppelt wirksam durch den Kontrast, in dem er sich von dem Dunkel des Hintergrunds und dem Schwarz des Kostüms abhebt.

Von den dresdner Gemälden Murillos ist das eine ein Stück aus der Reihe jener merkwürdigen Bilder, die er für den kleinen Kreuzgang des Franziskanerklosters in Sevilla malte; sie waren seine erste bedeutende selbständige Arbeit, das Werk, das seinen Ruhm begründete. Bis zu seinem 24. Jahre hatte er in Sevilla in den beengendsten und dunkelsten Verhältnissen gelebt, mit der neuen Kunstbewegung, die sich hier seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts schon an verschiedenen Stellen Bahn gebrochen hatte, war er bis dahin nicht in Berührung gekommen; sein Lehrmeister, Juan de Castillo, war in Sevilla einer der letzten Nachzügler der italianisierenden Richtung gewesen. Jetzt erst, während eines zweijährigen Aufenthaltes in Madrid, unter Velazquez’ Einfluss, hatte er mit der neuen Kunstströmung Fühlung gewonnen, hier erst hatte er sich, in einem freien Kunst- und Naturstudium, von der herkömmlichen Schulmanier völlig befreit und sich selbst gefunden. Als er nach Sevilla zurückgekehrt war, erhielt er den Auftrag für jene Gemälde. Sie erregten sofort ungewöhnliches Aufsehen; „Niemand wusste“, so wird erzählt, „wo er den neuen, meisterlichen und unbekannten Stil her hatte“. In diesen Bildern redete Murillo zum ersten Mal seine eigene Sprache.

Das Franziskanerkloster wurde 1810 von den Franzosen geplündert, ein Teil der Gemälde kam an den Marschall Soult, andere in andern Besitz.[34] Von den drei berühmtesten befindet sich jetzt das eine (der hl. Diego, Almosen spendend) in der Akademie S. Fernando in Madrid, das zweite (die sog. Engelküche) im Louvre in Paris, das dritte, der Tod der heiligen Klara, wurde 1894 von dem Earl of Dudley für die dresdner Galerie erworben.[35] Es war das erste Visionsbild Murillos. Der Reichtum an koloristischen Mitteln, über den er später verfügte, die Farbenmagie seiner späteren Visionsschilderungen stand ihm hier noch nicht zu Gebote; aber im seelischen Ausdruck, in der ergreifenden, menschlich rührenden Weise, wie die übersinnliche Vorstellung versinnlicht ist, in der Wahrheit, Zartheit und Reinheit der Empfindung, die aus der ganzen Darstellung spricht, darin gehört auch dieses Gemälde zu seinen schönsten Werken. In dem Halbdunkel auf der linken Seite des Bildes, von Franziskanern und Klarissinnen umringt, ruht die Heilige auf ihrem Sterbelager, die Hände über der Brust gekreuzt, das todesblasse Antlitz voll seligen Friedens still zurückgeneigt; ein himmlisches Wunder, das ausser ihr nur einer der Schwestern zu schauen gegönnt ist, zeigt sich ihrem brechenden Auge: in dem überirdischen Glanze, der vor ihr das Gemach erfüllt, naht sich der Heiland und die Königin des Himmels, sie abzurufen, begleitet von einem langen Zuge von Jungfrauen in weissen Gewändern, mit Palmen in den Händen; drei der Jungfrauen, die an ihre Lagerstätte herangetreten sind, breiten anmutig feierlich als himmlische Ehrengabe einen goldenen Mantel über das Lager. – Der Christus dieses Bildes in seiner Schlichtheit, Sanftheit und Milde ist eine der rührendsten Gestalten, die der Meister geschaffen hat; die Gestalten der Maria und der Jungfrauen haben schon ganz die murillosche „suavidad“.[36]

An die Madonnen Murillos denkt man bei Nennung seines Namens immer zuerst. Sie sind nicht in demselben Sinne Idealgestalten, wie die Madonnen Raffaels, mit denen sie gern verglichen werden. Sie stehn der Wirklichkeit näher; Vorbilder des wirklichen Lebens sprechen aus ihnen überall in sehr bestimmten individuellen Zügen, den spanischen Volkstypus zeigen sie aufs lebendigste ausgeprägt. „Murillo nimmt“, wie Justi sagt, „auch wenn er in die Wolken steigt, die Erde und ihre vertrauten Gesichter mit“[37]. Er ist in diesem Sinne auch in seinen visionären Schilderungen naturalistisch, in den „Konzeptionen“, den mystisch glühenden Verklärungsbildern der Madonna nicht weniger, als in jenen einfachen Andachtsgemälden, in denen Maria mit dem Kind in irdischer Umgebung dargestellt ist, den Verehrern vertraulich nahe gerückt; nur tritt hier das Individuelle meist noch entschiedener hervor. Hier aber wie dort, in beiden Gattungen der Marienbilder hat das Madonnenideal, seine religiös-ethische Bedeutung, ergreifend wahren Ausdruck gefunden.

Eines der schönsten jener einfachen Andachtsgemälde ist die dresdner Madonna (s. d. Abb.), eine mädchenhafte Gestalt von reinster, schlichtester Anmut, mit dem Kind auf dem Schoos; ihr Blick ist nach oben gewendet, der Mund weich geöffnet; sie ist ganz hingegeben an das fromme Gefühl des überschwänglichen Glücks, mit dem sie in dem Kinde begnadet ist. Um das Haupt des Knaben, der mit seinen grossen braunglänzenden Augen freundlich aus dem Bilde herausblickt, leuchtet ein feiner goldiger Schimmer. Der Farbenton des Ganzen ist von ausserordentlicher Helligkeit und Zartheit.

An künstlerischer Bedeutung steht dem Velazquez und Murillo unter den spanischen Malern des 17. Jahrhunderts kein andrer näher, als der Valencianer Jusepe de Ribera (geb. 1588, 11 Jahre vor Velazquez, drei Jahrzehnte vor Murillo). Aus der Schule des Francesco Ribalta, eines der ersten, die in der spanischen Malerei die Richtung des 17. Jahrhunderts anbahnten, kam er in noch jugendlichem Alter nach Italien, das er nicht wieder verliess. In Neapel, der Hauptstätte seiner Thätigkeit, starb er 1656. In einer grossen Reihe seiner Werke hat er sich aufs entschiedenste dem Vorbild Caravaggios, der „tenebrosen“ Art des naturalistischen Neuerers angeschlossen; sein künstlerischer Charakter wird aber doch sehr ungenügend bezeichnet, wenn man ihn lediglich einen Nachfolger Caravaggios nennt. In andern Werken offenbart er eine vollkommene Selbständigkeit, sowohl in der geistigen Auffassung, wie in der malerischen Behandlung, die hier von der schwarzschattigen, derben und grellen Manier Caravaggios durchaus nichts an sich hat.

Von den Werken Riberas, die sich in deutschen Gemäldesammlungen befinden, ist ein Bild der dresdner Galerie mit Recht zu besonderm Ruhme gelangt: das Gemälde, in dem man früher eine Darstellung der „Maria von Ägypten“, dann der Maria Magdalena erblickte, das aber zweifellos, wie Justi (in der Zeitschrift für christliche Kunst, Jahrg. 1890, Sp. 1–10) nachgewiesen hat, die heilige Agnes darstellt. (S. d. Abb.) Die Legende, auf die sich die Darstellung bezieht, erzählt, dass die heilige Agnes, als sie, ein dreizehnjähriges römisches Mädchen edler Abkunft die Werbung eines vornehmen heidnischen Jünglings, des Sohnes des Präfectus urbi Symphronius zurückgewiesen hatte, von dem zornigen Vater und Richter vor die Wahl gestellt wurde, entweder mit den gottgeweihten Jungfrauen der Vesta zu opfern oder als Gotteslästerin, entkleidet, in ein Lupanar geschleppt zu werden. Auf dem Wege dahin schloss sich ihr langes Haupthaar in wunderbarer Weise als Gewand um ihren Körper. In der Zelle angekommen, ward sie von ihrem Schutzengel in einen Lichtglanz gehüllt, der sie dem Anblick und der Berührung entzog. Als sie zum Dankgebet niedergekniet war, zeigte sich ihrem Blick ein von dem Engel überbrachtes Gewand, das sie nahm und anlegte. (Acta Sanctorum 21. Januarii.) Das ergreifende in dem Bilde Riberas ist der Ausdruck reinster, unberührtester Unschuld in den kindlichen Zügen der Heiligen, die in ihrer von goldigem Lichtschimmer erfüllten Zelle niedergekniet ist, die Hände zum Gebet gefaltet. Für den Kopf der Heiligen, der etwas porträtartiges hat, soll dem Ribera sein jüngstes Töchterchen als Modell gedient haben. Auch in der Malerei, die von den Härten Caravaggios ganz frei ist, in der Weichheit und dem warm leuchtenden Ton der Farbe gehört das Bild, das 1641 entstand, zu Riberas schönsten Werken.

Das andre abgebildete Gemälde des Meisters zeigt in der malerischen Behandlung, in der scharfen Kontrastierung von Licht und Schatten ganz die Art Caravaggios. Sie stimmt hier in ihrer unheimlichen Wirkung zu dem Charakter des Gegenstands. Eine der Märtyrerszenen, die man damals in religiösen Schilderungen immer von neuem zu sehen verlangte, ist dargestellt: der heilige Laurentius, der in die Knie gesunken, einen letzten Blick voll Ergebung gen Himmel richtet, bevor er von dem Henker, der ihn schon gepackt hat, auf den Rost gefesselt wird, auf dem er den Feuertod erleiden soll. Ein andrer Henker bringt Holz herzu, um das im Hintergrund unter dem Rost auflodernde Feuer zu nähren. In der Darstellung des jugendlichen Heiligen erweist sich Ribera auch hier als ein Meister des psychologischen Ausdrucks.

Die französische Schule des 17. und 18. Jahrhunderts[Bearbeiten]

Von der naturalistischen Strömung der Zeit wurde die französische Malerei des 17. Jahrhunderts sehr wenig, nur nebenher berührt. In ihren Haupterscheinungen stand sie zunächst noch ganz unter dem Zeichen der Renaissance; die Überlieferungen des Cinquecento, mit denen man in Holland und in Spanien völlig gebrochen hatte, wurden hier meist in einem ähnlichen Sinne gepflegt, wie in der Schule der Carracci, vielfach unter der direkten Einwirkung dieser Schule, während sich Einflüsse von dem Naturalismus Caravaggios nur in ganz vereinzelten Erscheinungen zeigten. Dein Klassizismus der französischen Litteratur in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entsprechend, machte sich während eben dieser Zeit, in dem Zeitalter Corneilles und Racines, auch in der französischen Malerei eine Richtung auf die Antike mit besondrer Entschiedenheit geltend. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts drang das italienische Barock in Frankreich ein; in der pomphaften Kunst Lebruns ward der Barockstil zum Stil Ludwigs XIV. Aber auch jetzt noch erhielten sich die alten Renaissancetraditionen, die klassizistische Richtung. Erst nach dem Tode Ludwigs XIV. kam in die französische Kunst eine neue Bewegung.

Der Hauptmeister der französischen Malerei in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Nicolas Poussin (1554–1665), der in Rom seine zweite Heimat fand, war Klassizist in dem bestimmten Sinne, dass er seinen figürlichen Stil vor allem nach Mustern des klassischen Altertums zu bilden strebte. Mit ihm trat in der Geschichte der Malerei zuerst eine ausgesprochen antikisierende Richtung hervor. Anderthalb Jahrhundert vor Winckelmann und Mengs strebte er danach, der Malerei das Formenideal der antiken Skulptur zum Gesetz zu machen. Die harte, kalte, unmalerische Manier, der er, wie Mengs, bei diesem Streben verfiel, war jedoch nicht immer und überall bei ihm vorherrschend. Namentlich unter den Figurenbildern aus seiner mittleren Zeit fehlt es nicht an solchen, aus denen eine lebensvollere, feinere malerische Empfindung spricht. Zu ihnen gehört das im Text abgebildete Gemälde.

Im Katalog der dresdner Galerie (auch bei Smith, Cat. rais., 1840, VIII, 106) hat das Bild die Benennung „Venus“, während es im Galerie-Inventar von 1722 als „schlafende Nymphe“, bei v. Quandt (Begleiter durch die Gemäldesäle des dresdner Museums, 1856, S. 108) als „schlafende Bacchantin“ bezeichnet ist. Die letztre Benennung möchte sich besser, als der Name der Göttin, für die unverhüllte Mädchengestalt eignen, die hier in waldiger Gegend auf einem Rasenhügel „nachlässig hingegossen“ ruht. Die Weinschale und der umgestürzte Weinkrug neben ihrem Lager scheinen auch auf ihre Zugehörigkeit zum Gefolge des Dionysos hinzudeuten. Vorn sitzt ein geflügelter Amor, mit Weinlaub bekränzt, zu Füssen des Lagers steht ein andrer, der mit seinem Geschoss auf die träumende Schläferin zielt. Hinter ihr, von Bäumen halb versteckt, lauschen zwei Hirten. Die schlanken, weich modellierten Formen des Mädchenkörpers heben sich mit ihrem warmen goldigen Fleischton von dem weissen Linnen, mit dem der Rasenhügel bedeckt ist, und von dem dunkelfarbigen landschaftlichen Hintergrund sehr reizvoll ab. Das Ganze hat etwas von venezianischer Farbenstimmung.

Von entschieden höherer Bedeutung, als in seinen Figurenbildern, ist Nicolas Poussin in seinen Landschaften, in denen er, besonders im Anschluss an die von den Carracci angebahnte Richtung der Landschaftsmalerei, zum Mitbegründer jenes Idealstils wurde, der vor allem auf Grösse der Formen und Linienschönheit, auf bestimmte Ausprägung und harmonische Fügung der plastischen Bestandteile der Landschaft gerichtet, zu dem gleichzeitig entstehenden Typus der niederländischen, der nordischen Stimmungslandschaft einen so prägnanten Gegensatz bildet. Zu den nächsten Nachfolgern Nicolas Poussins auf landschaftlichem Gebiet, unter denen sein Schüler und Schwager Gaspard Dughet (gen. Gaspard Poussin) an erster Stelle steht, gehört François Millet (1642–1679), ein Antwerpner von Geburt, der in seinem 18. Jahre nach Paris übersiedelte, wo er bis zu seinem frühzeitigen Tode blieb. Ohne Italien jemals gesehn zu haben, malte er nur italienische Landschaften, lediglich nach dem Vorbild der beiden Poussin, besonders nach dem Vorbild Gaspard Poussins, dessen Name in späterer Zeit bisweilen auf milletsche Bilder überging. Die im Text abgebildete „römische Berglandschaft“ Millets wurde für die dresdner Galerie 1862 als ein Werk Gaspard Poussins erworben. In der Komposition, im Aufbau der landschaftlichen Formen, in der Linienführung hat es vollkommen poussinschen Stil. Für die Urheberschaft Millets spricht hauptsächlich der Charakter des Kolorits, in dem man vielleicht etwas von vlämischer Art erkennen kann; das Bild ist farbiger, es hat einen grösseren Reichtum an Lokaltönen und einen wärmeren Gesamtton, als die Bilder Gaspard Poussins[38]. Für die Grundrichtung der poussinschen Landschafterschule ist es ein besonders schönes und interessantes Beispiel.

Eine höchste Ausbildung erhielt der ideale, aus der italienischen Natur herausentstandene Landschaftsstil durch den grossen Zeitgenossen Nic. Poussins, den Lothringer Claude Gelée (Claude Lorrain, geb. 1600, seit 1627 in Rom, wo er 1682 starb). Ihm gab Italien die Motive zur Schilderung einer landschaftlichen Idealwelt, in der er, wie kein zweiter, mit dem Adel und der Reinheit der Formen allen Zauber des Lichts vereinigte. Eine grossartige idyllische Schönheit ist ihr vorherrschender Charakter; ihre heiteren Gefilde am sonnenbestrahlten Meer, ihre Thäler mit den glänzend geöffneten Fernen sind die poetischen Stätten eines ungetrübten idyllischen Glücks, eines paradiesischen Friedens, Bilder einer arkadischen Welt.

Jean-Etienne Liotard: Das Chocoladenmädchen

Zwei der vorzüglichsten Landschaften Claudes besitzt die dresdner Galerie. (S. d. Abb.) Für die eine, die Landschaft mit Akis und Galatea, ist das Motiv wahrscheinlich einer Küstengegend Siziliens entnommen. Rechts ein hohes Gebirge, steil abfallend ins blaue Meer, über dessen leichtbewegte Fläche das Sonnenlicht aus der Tiefe herstrahlt, in wundervoller Klarheit, die ganze Atmosphäre mit feinem Glanz erfüllend. Im Vordergrund am Ufer des Meeres unter einem luftigen Zelt die Nymphe Galatea mit ihrem geliebten Akis, links hinter einer Gruppe schlank aufsteigender Bäume Nereiden mit dem Muschelwagen ihrer Gebieterin, rechts auf einem Vorsprung des Gebirgs der von Galatea verschmähte Polyphem neben seiner Heerde. Die Inschrift des Bildes hat neben dem Namen des Meisters die Angabe: Roma 1657.

Die andre Landschaft Claudes ist benannt nach den kleinen, beim ersten Blick aus dem Schatten der grossen Baumgruppe links kaum herauszuerkennenden Figuren, die die heilige Familie auf der Flucht darstellen. Ein jugendlicher Hirt, der die Flöte bläst, und zwei Hirtinnen bilden im Vordergrund die Hauptstaffage der herrlichen Landschaft, die wie ein verwirklichtes Elysium erscheint, voll heitersten Sonnenglanzes, reizvoll in den feinbewegten Linien des ganzen weiten Gefildes, in der Klarheit des prächtig strömenden Flusses, schön vor allem in dem durchsichtig zarten, duftigen Schimmer der Ferne. Bezeichnet ist das Bild mit dem Namen des Meisters und: Roma 1641.

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Von den beiden neben und nach Lebrun am höchsten gefeierten französischen Malern Pierre Mignard und Hyacinthe Rigaud war der letztre, namentlich als Porträtmaler, der ungleich bedeutendere. Seine Bildnisse sind vielleicht die interessantesten malerischen Dokumente aus dem Zeitalter Ludwigs XIV. Eines der ausgezeichnetsten besitzt die dresdner Galerie in dem Porträt, das Friedrich August II. von Sachsen (August III. von Polen) als Kurprinzen darstellt. (S. d. Abb.) Den Hintergrund bildet eine offene Landschaft; der jugendschöne Prinz mit den fein belebten Zügen, auf dem frei erhobnen Haupt eine stolze Allongeperrücke, die Brust von einem blinkenden Harnisch bedeckt, über den der purpurne Hermelinmantel in breiten Falten zurückfällt, die ausgestreckte Rechte auf den Feldherrnstab gestützt, er erscheint in seiner Pracht und Grandezza recht wie das verkörperte Fürstenideal jener Zeit. Eine malerisch wirksame Folie zu der glänzenden Gestalt bildet der Negerpage im Hintergrund, der den Helm des Prinzen trägt. Gemalt ist das Porträt 1715 in Paris.

Anton Raphael Mengs: Die Sängerin Catarina Regina Mingotti

Wie sehr gegen dieses Prachtstück das grosse, von Louis Silvestre gemalte Reiterbildnis Augusts des Starken an künstlerischem Wert zurücksteht, ist auffällig genug. (S. d. Abb.) Silvestre, ein Schüler Lebruns, den August der Starke 1716 an seinen Hof berief, war in Dresden anfangs hauptsächlich mit umfänglichen dekorativen Malereien beschäftigt; später war er fast nur als Porträtmaler thätig und gelangte als solcher zu besonderm Ruf; aber gerade seine Bildnisse sind es, in denen sich die Schwächen seiner Kunst am deutlichsten zeigen.

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Auf die pomphafte Kunst der Zeit Ludwigs XIV. folgte die zierliche Kunst des Rokoko, an die Stelle der schwerfälligen Pracht Lebruns trat die leichte Grazie Antoine Watteaus, des geistreichen Schilderers jener vornehmen französischen Gesellschaft, in deren Salons und Boudoirs, wie man sagen kann, das Rokoko erfunden wurde. Kein andrer hat diese elegante Welt so fein und lebendig, so malerisch interessant geschildert, wie Watteau in seinen „scènes champêtres“ und „fêtes galantes“. Er war Flamländer von Geburt – seine Geburtsstadt Valenciennes war erst unter Ludwig XIV. (1678 im Frieden von Nymwegen) an Frankreich gekommen –, und man erkennt in seinen Bildern sehr wohl, wie viel er, vor allem im Reiz des Kolorits, aus der grossen Blütezeit der vlämischen Malerei geerbt hatte; das Wesen seiner Kunst ist gleichwohl so sehr französisch, dass er mit Recht als der bedeutendste und originellste aller französischen Maler der Rokokoperiode gilt. Der rubenssche „Liebesgarten“, das Prototyp der watteauschen „scènes champêtres“, erscheint hier ganz und gar ins Französische des 18. Jahrhunderts übersetzt.

In der dresdner Galerie befinden sich zwei dieser Rokoko-Idyllen (s. d. Abb.); das eine, das „Liebesfest“ (im Text wiedergegeben), zeigt eine Gesellschaft von jungen Damen und Kavalieren in einem sonnigen Park, die einen zu Füssen einer Venusstatue gelagert, hinter ihnen ein Pärchen, das sich eben zu einem einsamen Spaziergang anschickt, unter den Bäumen im Mittelgrund eine zweite Gruppe auf schattigem Rasen. In dem andern Bild ist die Szene wieder ein stattlicher Park mit einem reizenden Ausblick ins Freie; in der eleganten Gesellschaft wird musiziert, ein junger Herr spielt die Guitarre. Unter den hier besonders fein charakterisierten Figuren kann die ergötzliche Gestalt des im Vordergrund abseits stehenden Herrn an den Malvolio in Shakespeares „Was ihr wollt“ erinnern.

Die französische Pastellmalerei des 18. Jahrhunderts, in der der Geschmack jener Tage einen so höchst charakteristischen Ausdruck fand, hatte neben Latour ihren glänzendsten Vertreter in dem Genfer Liotard (1702–1789). Sein berühmtestes, durch eine ungemeine Eleganz und Frische der Behandlung ausgezeichnetes Bild ist das „Chokoladenmädchen“ der dresdner Galerie (s. d. Abb. im Text). Es wurde durch den Grafen Algarotti von Liotard selbst für die dresdner Sammlung erworben.

Die deutsche Malerei des 18. Jahrhunderts[Bearbeiten]

Angelica Kauffmann: Weibliches Bildnis als Vestalin

Von den deutschen Malern des 18. Jahrhunderts sind in weiteren Kreisen nur vier noch gekannt: Raphael Mengs, Anton Graff, Oeser und der hauptsächlich als Radierer berühmte Chodowiecki. Von Werken der beiden erstgenannten liegen hier Abbildungen vor. Mengs, der Hofmaler des Kurfürsten Friedrich August II. von Sachsen (August III. von Polen) und König Karls III. von Spanien, hatte im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts europäische Berühmtheit vor allem als Vertreter eines neuen Klassizismus. Seitdem er in Rom unter Winckelmanns unmittelbarem Einfluss stand, kam zu den eklektischen Bestrebungen, in denen er Raffael und Correggio nacheiferte, eine ausgesprochen antikisierende Richtung hinzu, in der es ihm ähnlich erging, wie ehedem Nicolas Poussin. Indem er sich das plastische Ideal der Antike zum Vorbild setzte, entfremdete er sich dem eigentlichen Wesen der Malerei ebenso sehr oder noch mehr als jener. Von dem malerischen Gefühl, das ihm von Haus aus in hohem Grade eigen war, ist in seinem grossen, für die neuklassische Richtung der Malerei epochemachenden Deckenbild in der Villa Albani in Rom nur noch wenig zu finden. Wie stark und bedeutend sein malerisches Talent ursprünglich war und zu welcher überraschend frühzeitigen Reife es gelangte, zeigen in der dresdner Galerie die Pastellbildnisse aus seiner Jugendperiode, Meisterwerke ersten Ranges in jeder, vor allem auch in technischer Hinsicht. In der Kraft der Farbe übertreffen sie alles, was die gleichzeitige Pastellmalerei geleistet hat. Zwei der vorzüglichsten sind hier wiedergegeben: ein Selbstporträt, das Mengs 1744, in seinem 17. Jahre malte – in dem jugendfrischen Gesicht, das so frei und klar in die Welt hinausschaut, erkennt man auf den ersten Blick die echte Künstlernatur – und das liebenswürdige Bildnis der zu jener Zeit hochgefeierten Sängerin Regina Mingotti (gemalt 1745, abgeb. im Text).

Der bedeutendste deutsche Porträtmaler in der zweiten Hälfte des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts, Anton Graff – geb. 1736 in Winterthur, gest. 1813 in Dresden, wo er seit 1766 Lehrer an der Kunstakademie war – ist in der dresdner Galerie, wie natürlich, mit einer beträchtlichen Zahl seiner Werke vertreten. Abgebildet ist das Selbstporträt von 1795. Zu der schlichten Gediegenheit seiner Kunst, die von dem Manierismus der Zeit völlig unberührt war, stimmt vollkommen der Eindruck, den seine Persönlichkeit in diesem vortrefflichen Bildnis macht.

Die Reihe unserer Abbildungen schliesst mit der Wiedergabe eines hundertfach, immer von neuem reproduzierten Gemäldes von Angelika Kauffmann, der gefeiertsten deutschen Künstlerin des 18. Jahrhunderts. Sie war in der Schweiz geboren (in Chur 1741), ihre künstlerische Bildung erhielt sie in Italien. Hier, wo sie zu Winckelmann und Goethe in freundschaftliche Beziehung kam, war die Hauptstätte ihrer Thätigkeit, ihre zweite Heimat. Ihre im klassizistischen Geschmack komponierten „Historienbilder“ mit der meist allzu weichen Zeichnung und der verblasenen Farbe sind nur noch von geringem Interesse; anziehend sind aber noch immer ihre Frauenbildnisse, in denen sich die Anmut und Zartheit ihrer eigenen Natur aufs liebenswürdigste ausspricht. Die Dame in dem abgebildeten Gemälde ist in einem idealischen Kostüme als Vestalin dargestellt; in der Linken hält sie als Vestalinnen-Attribut eine antike Lampe, die Rechte ist auf ein Säulenstück gestützt. In dem feinen Ausdruck des Kopfes und in der Zartheit der malerischen Behandlung hat das Bild einen nicht veraltenden Reiz.

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Das „Jüngste Gericht“ von Rubens, von dem die Schlusslieferung als Nachtrag zu den in der 6. Lieferung enthaltenen Reproduktionen rubensscher Werke eine Abbildung bringt, ein Gemälde von geringem Umfang und vorwiegend skizzenartigem Charakter, stimmt in allen Hauptteilen der Komposition überein mit dem in der münchner Pinakothek befindlichen „grossen Jüngsten Gericht“, das Rubens um 1617 für den Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von Neuenburg malte; Verschiedenheiten finden sich in einigen Nebenpartien. Das dresdner Bild, das früher allgemein für ein rubenssches Originalwerk, für die Originalskizze zu dem münchner Gemälde galt, ist in neuerer Zeit mehrfach, zuerst von W. Bode (in v. Zahn’s Jahrb. für Kunstwissenschaft, 1873, VI, 200) für eine von anderer Hand herrührende Kopie erklärt worden. M. Rooses (L’oeuvre de Rubens, 1886, I, 100–101) und Wörmann (im Katalog der dresdner Galerie, 3. Aufl. S. 319) haben an der früheren, von Smith (Cat. rais. II, 83) und von Wangen (Kleine Schriften, S. 281) besonders bestimmt ausgesprochenen Ansicht unseres Erachtens mit Recht festgehalten. – Von Rubens’ Darstellungen des „Jüngsten Gerichts“ ist diese die früheste; die mächtigste ist das „kleine Jüngste Gericht“ in der münchner Pinakothek.




FERDINAND BOL
JACOBS TRAUM JACOB’S DREAM
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FERDINAND BOL
DIE RUHE AUF DER FLUCHT THE REPOSE ON THE FLIGHT INTO EGYPT
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PAUL BRIL
WALDLANDSCHAFT MIT TOBIAS UND DEM ENGEL WOODED LANDSCAPE WITH TOBIAS AND THE ANGEL
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JAN BRUEGHEL DER AELTERE
DIE FURT AM BACHE THE FORD AT THE STREAM WITH FIGURES
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LUKAS CRANACH DER AELTERE
MARKGRAF GEORG VON BRANDENBURG MARKGRAVE GEORGE OF BRANDENBURG
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GERARD DOU
DER MEISTER IN SEINER WERKSTATT THE ARTIST HIMSELF IN HIS STUDIO
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ALBRECHT DÜRER
DER DRESDNER ALTAR THE DRESDEN ALTAR
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ALBRECHT DÜRER
CHRISTUS AM KREUZE CHRIST ON THE CROSS
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ALBRECHT DÜRER
BILDNIS BERNHARD VAN ORLEY’S PORTRAIT OF BERNHARD VAN ORLEY
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ANTON VAN DYCK
HENRIETTA VON FRANKREICH, KÖNIGIN VON ENGLAND HENRIETTA OF FRANCE, QUEEN OF ENGLAND
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ANTON VAN DYCK
DIE KINDER KARL’S I. THE THREE ELDEST CHILDREN OF CHARLES I. OF ENGLAND
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ANTON VAN DYCK
BILDNIS EINES UNBGEKANNTEN POTRAIT OF A GENTLEMAN DRAWING ON HIS GLOVES
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NACH VAN DYCK VON SIR PETER LELY
KARL I. VON ENGLAND KING CHARLES I. OF ENGLAND
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ADAM ELSHEIMER
JUPITER UND MERKUR BEI PHILEMON UND BAUCIS JUPITER AND MERCURY WITH PHILEMON AND BAUCIS
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ADAM ELSHEIMER
JOSEPH IM BRUNNEN JOSEPH THROWN BY HIS BRETHREN INTO THE PIT
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ALLART VAN EVERDINGEN
DER GROSSE WASSERFALL A GREAT WATERFALL
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JAN VAN EYCK
EIN FLÜGELALTÄRCHEN A TRYPTICH
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VAN GOYEN
SOMMER AM FLUSS SUMMER ON THE RIVER
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ANTON GRAFF
SELBSTBILDNIS DES KÜNSTLERS POTRAIT OF THE MASTER
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FRANS HALS D. Ä.
MÄNNLICHES BILDNIS POTRAIT OF A YOUNG MAN
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JAN DAVIDSZ DE HEEM
STILLLEBEN MIT VOGELNEST STILL-LIFE WITH A BIRD’S NEST
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BARTHOLOMÄUS VAN DER HELST
DIE GATTIN DES BÜRGERMEISTERS ANDRIES BICKER VON AMSTERDAM THE WIFE OF THE BURGOMASTER ANDRIES BICKER OF AMSTERDAM
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HANS HOLBEIN DER JÜNGERE
BILDNIS DES MORETTE PORTRAIT OF MORETTE
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HANS HOLBEIN DER JÜNGERE
DOPPELBILDNIS DES SIR THOMAS GODSAVE UND SEINES SOHNES JOHN DOUBLE PORTRAIT OF SIR THOMAS GODSAVE AND HIS SON JON
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NACH HANS HOLBEIN DEM JÜNGEREN
DIE MADONNA DES BÜRGERMEISTERS MEYER THE MADONNA OF THE BURGOMASTER MEYER
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CLAUDE LORRAIN
LANDSCHAFT MIT DER FLUCHT NACH AEGYPTEN LANDSCAPE WITH THE FLIGHT INTO EGYPT
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CLAUDE LORRAIN
KÜSTENLANDSCHAFT MIT AKIS UND GALATEA COAST SCENE WITH AKIS AND GALATEA
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DER MEISTER DES TODES MARIAE
DIE (GROSSE) ANBETUNG DER KÖNIGE
THE MASTER OF THE DEATH OF THE VIRGIN MARY
THE (GREAT) ADORATION OF THE KINGS
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ANTON RAPHAEL MENGS
SELBSTBILDNIS DES KÜNSTLERS BUST OF THE YOUNG ARTIST HIMSELF
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GABRIEL METSU
DER GEFLÜGELVERKÄUFER A MAN SELLING POULTRY
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GABRIEL METSU
DIE DAME MIT DEM KLÖPPELKISSEN A LADY WITH A LACE PILLOW
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FRANS VAN MIERIS D. Ä.
DIE LIEBESBOTSCHAFT A YOUNG WOMAN RECEIVING A LOVE-LETTER
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FRANS VAN MIERIS D. Ä.
DER KÜNSTLER EINE DAME MALEND THE ARTIST PAINTING A LADY
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BARTOLOMÉ ESTÉBAN MURILLO
DER TOD DER HEILIGEN CLARA THE DEATH OF ST. CLARA
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BARTOLOMÉ ESTÉBAN MURILLO
MARIA MIT DEM KINDE THE VIRGIN AND CHILD
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AERT VAN DER NEER
MONDSCHEIN AM FLUSS VOR DER STADT MOONLIGHT ON THE RIVER NEAR THE TOWN
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KASPAR NETSCHER
GESANG MIT KLAVIERBEGLEITUNG A LADY AT THE HARPSICHORD WITH A GENTLEMAN SINGING
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BAREND VAN ORLEY
HEILIGE FAMILIE THE HOLY FAMILY
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ADRIAEN VAN OSTADE
DER KÜNSTLER IN SEINER WERKSTATT THE ARTIST IN HIS STUDIO
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REMBRANDT
REMBRANDT’S GATTIN, SASKIA VAN UILJENBURGH, ALS JUNGES MÄDCHEN BUST OF REMBRANDT’S WIFE, SASKIA VAN UILJENBURGH, AS A YOUNG GIRL
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REMBRANDT
SELBSTBILDNIS DES KÜNSTLERS MIT SEINER GATTIN SASKIA THE ARTIST’S OWN PORTRAIT WITH HIS WIFE SASKIA ON HIS KNEE
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REMBRANDT
SAMSON’S HOCHZEIT SAMSON PUTTING FORTH HIS RIDDLE AT THE WEDDING FEAST
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REMBRANDT
SASKIA MIT DER ROTEN BLUME POTRAIT OF REMBRANDT’S WIFE SASKIA WITH A RED FLOWER
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REMBRANDT
DAS OPFER MANOAH’S THE SACRIFICE OF MANOAH AND HIS WIFE
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REMBRANDT
BILDNIS EINES BÄRTIGEN ALTEN PORTAIT OF AN OLD MAN WITH A BEARD
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JUSEPE DE RIBERA
DIE HEILIGE AGNES ST. AGNES
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JUSEPE DE RIBERA
DIE MARTER DES HEIL. LORENZ THE MARTYRDOM OF ST. LAWRENCE
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HYACINTHE RIGAUD
KÖNIG AUGUST III. ALS KURPRINZ PORTRAIT OF KING AUGUSTUS III OF SAXONY AS ELECTORAL PRINCE IN PARIS
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MARINUS VAN ROYMERSWALDE
DER GELDWECHSLER MIT SEINER FRAU THE MONEY-CHANGER AND HIS WIFE
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PETER PAUL RUBENS
DER HEILIGE HIERONYMUS ST. JEROME
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PETER PAUL RUBENS
DIE KRÖNUNG DES TUGENDHELDEN THE CHAMPION OF VIRTUE CROWNED BY THE GODDESS OF VICTORY
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PETER PAUL RUBENS
EINE WILDSCHWEINJAGD BOAR HUNT
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PETER PAUL RUBENS
MERKUR UND ARGUS ARGUS SURPRISED BY MERCURY
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PETER PAUL RUBENS
EINE LÖWENJAGD A LION HUNT
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PETER PAUL RUBENS
DIE BEIDEN SÖHNE DES RUBENS DOUBLE PORTRAIT OF THE TWO SONS OF RUBENS
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PETER PAUL RUBENS
DER LIEBESGARTEN THE GARDEN OF LOVE
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PETER PAUL RUBENS
DAS JÜNGSTE GERICHT THE LAST JUDGMENT
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JACOB VAN RUISDAEL
DIE JAGD THE STAG HUNT
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JACOB VAN RUISDAEL
DAS KLOSTER THE MONASTRY
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JACOB VAN RUISDAEL
DER JUDENKIRCHHOF THE JEWISH BURYING GROUND
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JACOB VAN RUISDAEL
DER WASSERFALL VOR DEM SCHLOSSBERG THE WATERFALL NEAR A HILL WITH A CASTLE UPON IT
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LOUIS DE SILVESTRE
REITERBILDNIS KÖNIG AUGUST’S II. POTRAIT OF KING AUGUSTUS II.
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GERARD TERBORCH
DIE LAUTENSPIELERIN A LADY PLAYING THE LUTE, WITH HER CAVALIER
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DIEGO VELAZQUEZ
BILDNIS DES OBERJÄGERMEISTERS JUAN MATEOS PORTRAIT OF THE ROYAL HUNTSMAN JUAN MATEOS
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ADRIAEN VAN DE VELDE
EISBELUSTIGUNG AUF DEM STADTGRABEN SPORTS ON THE ICE ON THE MOAT OF A TOWN
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JAN VERMEER VAN DELFT
DIE BRIEFLESERIN A GIRL READING A LETTER
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ANTOINE WATTEAU
GESELLIGE UNTERHALTUNG IM FREIEN A GARDEN PARTY
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PHILIPS WOUVERMAN
DER GASTHOFSSTALL IN THE STABLE OF THE INN
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PHILIPS WOUVERMAN
DIE HIRSCHJAGD AM FLUSSE STAG-HUNT ON A RIVER
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  1. Cristoph Scheurl, Libellus de laudibus Germaniae. Vgl. Thausing, Dürer, 2. Aufl. I, 171.
  2. Die Aufschrift des Briefes gab früher zu irrtümlichen Benennungen des Dargestellten Anlass. Vgl. Ephrussi, A. Dürer et ses dessins, Paris 1882, S. 275–278; Wörmann, Repertorium für Kunstwissenschaft, VII, 446–449; VIII, 436–438.
  3. S. Thausing, Dürer, II, 216.
  4. Thausing, a. a. O. II, 198.
  5. S. die eingehende Vergleichung beider Bilder bei Woltmann, Holbein und seine Zeit, 2. Aufl. S. 300 ff.
  6. Woltmann, Holbein und seine Zeit. 2. Aufl. S. 308.
  7. S. Venturi, la R. Galleria Estense. Modena 1882. S. 224.
  8. „Mirabile nella più esatta imitatione del vero“. (Scannelli, Microcosmo della Pittura. Cesena 1657, p. 266.)
  9. Als das Bild schon nach Italien gekommen war, wünschte es der Graf Arundel zu erwerben, wie aus dem Brief eines Sir Isaac Wake hervorgeht, in dem der Dargestellte Count of Moretta genannt wird. Der Brief wurde veröffentlicht von Sainsbury in: Unpublished papers illustrative of the life of P. P. Rubens. London 1859. Zitiert von Woltmann, a. a. O. S. 428.
  10. S. Larpent, Sur le portrait de Morette dans la Gal. de Dresde. Christiania 1881.
  11. Woltmann, a. a. O. S. 345.
  12. Vgl. Bode, Studien zur Geschichte der holländischen Malerei, S. 251 ff. und Danitschek, Gesch. der deutschen Malerei, S. 547 ff.
  13. S. Bode, v. Zahns Jahrb. f. Kunstw., VI, 200; Rooses, L’oeuvre de Rubens, p. 243–244; Woermann, Katalog der dresdner Galerie, 2. Aufl., S. 231.
  14. S. den Text zum Berliner Galeriewerk, IV, 24 und die „Graphischen Künste“, XII, 45; in der zweiten Auflage von Woermanns Katalog der dr. Gal. (S. 316, 317, 336 und 337) sind diese Bilder bereits als Arbeiten Van Dycks aufgeführt.
  15. Fromentin, Les maîtres d’autrefois, p. 105.
  16. Das Exemplar in Windsor Castle trägt die Jahreszahl 1635; in demselben Jahre entstand ohne Zweifel das dresdner Bild; ein drittes Exemplar im Besitz des Earl of Clarendon zu Grave-Park ist mit der nämlichen Jahreszahl bezeichnet. Das Gemälde der turiner Galerie, das die drei Kinder gleichfalls darstellt, eines der vorzüglichsten Werke Van Dycks aus dieser Periode, ist ungefähr zwei Jahre früher entstanden. Das Bild der fünf Kinder Karls I. in Windsor Castle, von dem die berliner Galerie eine Schulkopie besitzt, stammt aus dem Jahre 1637. S. Woltmann, „Aus vier Jahrhunderten“, S. 97, Woermanns Katalog der dr. G., S. 340, und Bodes Text zum berliner Galeriewerk, IV, 25.
  17. Vgl. Rooses, Die Malerschule Antwerpens, S. 352 ff.; Bode a. a. O. IV.
  18. Über Teniers d. j. s. Rooses, Gesch. der Malerschule Antwerpens, übersetzt v. Reber, S. 385 ff.; über Brouwer und Teniers Bodes Bemerkungen im Text zum Berliner Galeriewerk IV.
  19. Fromentin, Les maîtres d’autrefois, p. 173.
  20. Brücke, Physiologie der Farben, S. 282 ff.
  21. S. auch Justi, Velazquez und sein Jahrhundert, II, S. 273 ff.
  22. Im Text zu Ungers Radierungen nach Frans Hals, S. 3.
  23. Von der Grablegung der erwähnten münchner Passionsfolge besitzt die dresdner Galerie eine Kopie, die wahrscheinlich von Rembrandt selbst überarbeitet ist, von dem Original aber doch nur eine unvollkommene Vorstellung giebt. Bez.: Rembrandt f. 1653.
  24. Vosmaer, Rembrandt, sa vie et ses oeuvres, 1877, p. 133.
  25. Im Museum in Stockholm befindet sich ein mit der Jahreszahl 1632 bezeichnetes Gemälde Rembrandts, das nach Vosmaer (a. a. O., S. 132) möglicherweise Saskia darstellt.
  26. Kugler, Geschichte der Malerei, 3. Aufl. III, 89.
  27. Ebenda, Anmerkung des Herausgebers.
  28. Vosmaer a. a. O. S. 321.
  29. A. Springers Bilder aus der neueren Kunstgeschichte, 2. Aufl. II, 195 ff.
  30. Houbraken, Groote Schouburgh, 1717 – 19.
  31. Von W. Bode, Studien zur Gesch. der holl. Malerei, S. 190–193.
  32. Die früher Rembrandt zugeschriebene Landschaft in der dresd. Gal. ist ein Werk seiner Schule, nach Bode (Studien zur Gesch. der holl. M., S. 490) vielleicht ein Werk von A. de Gelder.
  33. Nach der Erzählung eines deutschen Malers Andreas Schmidt, der sich damals in Rom aufhielt. S. Justi, Velazquez u. sein Jahrh., II, 178.
  34. Ueber die Schicksale dieser 11 Bilder s. B. Cartis, Velazquez und Murillo, London und New-York, 1883, 223-225.
  35. S. die Beschreibung der 3 Bilder bei Justi, Murillo, 1892, 5–10.
  36. Die Legende vom Tod der hl. Klara, der Stifterin des weiblichen Nebenordens der Franziskaner, erzählt die Inschrift des Bildes: Entre los singulares favores q la Gloriosa Sta Clara Recivio en su vida de Xpto N. Sor fue hallarse a su Dhossa (dichosisima) muerte con su Madre SSa acompañada de Virgines con sus coronas de oro, Bestiduras blancas y palmas en las Manos. Y cabrieron su sagrado cuerpo con un manto traido del cielo (Prodigio q solo sus ojos y los de una Religiosa compañera suya fueron mercedores de Gozarle). (Eine der wunderbaren Gnadenerweisungen, die der hl. Klara zuteil wurden, war es, dass ihr bei ihrem glückseligen Tode Christus mit der heiligsten Mutter erschien, begleitet von Jungfrauen mit goldenen Kronen, in weissen Gewändern, mit Palmen in den Händen; und sie bedeckten ihren heiligen Leib mit einem Mantel, den sie ihr vom Himmel mitgebracht — ein Wunder, das nur ihre Augen und die einer Ordensschwester zu schauen gewürdigt worden.)
  37. C. Justi, Murillo, S. 96.
  38. Vergl. W. Bode in v. Zahns Jahrb. 1873, VI. 198; Wörmanns Text zu Brauns Galeriewerk, S. 64–65; Wörmanns Kat. der dresdner Gal., 3. Aufl. S. 249.

Anmerkungen (BERICHTIGUNG)

  1. Auf S. 60 muss es statt: „von der Insel Seeland“ heissen: „von einer der Inseln Seeland“.