Benutzer:Jowinix/Die Snobs

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Europäische Bibliothek
der
neuen belletristischen Literatur
Deutschlands, Frankreichs, Englands, Italiens, Hollands und Skandinaviens.
Der ganzen Sammlung 476. Band.
V. Serie. 76.
Die Snobs. Von W. M. Thackeray.
Erster Theil.


Grimma und Leipzig,
Druck und Verlag des Verlags-Comptoirs.
1851.

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Die Snobs.
Humoristische Bilder aus Alt-England,
von
W. M. Thackeray.
Erster Theil.
Grimma und Leipzig,
Druck und Verlag des Verlags-Comptoirs.
1851.

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Die Snobs.
Erster Theil.

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Einleitende Bemerkungen.

(Die Notwendigkeit eines Werkes über die Snobs, aus der Geschichte er- und durch glücklich gewählte Beispiele bewiesen. – Ich bin das Individuum, welches zum Schreiben dieses Werkes bestimmt ist. – Mein Beruf wird in Worten voll hoher Beredtsamkeit verkündigt. – Ich zeige, daß sich die Welt allmälig auf das Werk und den Mann vorbereitet hat. – Die Snobs müssen studirt werden, wie andere Gegenstände der Naturgeschichte, und sind ein Theil des Schönen (mit einem großen S). – Sie sind unter allen Classen zu finden. – Rührendes Beispiel von Oberst Snobley.)

Wir haben Alle eine Angabe gelesen – deren Authenticität ich mir gänzlich zu bezweifeln erlaube, denn ich mochte wissen, auf welche Berechnungen sie gegründet ist – wir sind Alle, sage ich, so glücklich gewesen,

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zu lesen, daß, wenn die Zeit und das Bedürfniß der Welt einen Mann erfordert hat, das besagte Individuum gefunden wird. So wurde in der französischen Revolution – die der Leser gebeten wird, sich so zeitig im Werke gefallen zu lassen – als es nöthig war, der Nation eine reinigende Dosis einzugehen, Robespierre als eine allerdings höchst widerliche und ekelhafte Dosis erfunden, und begierig von dem Patienten zum großen spätern Vortheile des Letztern verschluckt; so trat, als es nöthig wurde, den John Bull aus Amerika zu fuhrwerken, Mr. Washington auf, und verrichtete diese Arbeit zu allgemeiner Zufriedenheit; so erschien, als der Earl von Aldborough unwohl war, Professor Holloway mit seinem Füllen, und kurirte Se. Lordschaft, wie die Annonce besagt etc. etc.

Man könnte zahllose Beispiele anführen, um zu beweisen, daß, wenn sich eine Nation in großer Noth befindet, die Hilfe bei der Hand ist, gerade wie in der Pantomime – diesem Mikrokosmus – wo, wenn Clown etwas braucht, eine Wärmflasche, einen Pumpenschwengel, eine Gans oder einen Damenmuff, ein Subjekt gerade mit dem fraglichen Gegenstande aus den Coulissen hervorschlendert.

Ferner sind die Menschen, wenn sie ein Unternehmen beginnen, stets bereit, zu zeigen, daß das absolute Bedürfniß der Welt seine Vollendung verlangt hat.

Wir wollen einmal sagen, es sei eine Eisenbahn.

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Die Direktoren beginnen mit der Angabe, daß „eine engere Verbindung zwischen Bathershins und Derrynane Bey zur Beförderung der Civilisation nöthig ist, und von dem allgemeinen Rufe des großen irischen Volkes verlangt wird“. – Oder angenommen, es wäre eine Zeitung. Der Prospekt besagt, daß „zu einer Zeit, wo die Kirche in Gefahr ist, von Außen durch wüthenden Fanatismus und Unglauben bedroht, und von Innen durch gefährlichen Jesuitismus und selbstmörderisches Schisma untergraben wird, ist ein allgemeines Bedürfniß gefühlt worden – das leidende Volk hat sich nach einem kirchlichen Vorkämpfer und Wächter umgesehen. In dieser unsrer Stunde der Gefahr ist daher eine Gesellschaft von Prälaten und Gentlemen aufgetreten, und hat sich entschlossen, die Zeitschrift „der Thürhüter“ zu errichten u. s. w. u. s. w.“

Aber wenigstens einer von diesen Punkten ist unwiderleglich; das Publikum braucht eine Sache, und daher wird sie damit versehen, oder das Publikum wird mit einer Sache versehen, und daher braucht es dieselbe.

Ich habe lange die Ueberzeugung mit mir umhergetragen, daß ich ein Werk zu verrichten hatte, ein WERK, wenn Ihr wollt, mit großen Buchstaben, einen Zweck zu erfüllen, in einen Schlund zu springen, wie Curtius mit dem Roß; ein großes sociales Uebel zu entdecken und zu heilen. Die Ueberzeugung hat seit Jahren mich verfolgt, sie ist mir auf der Straße

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nachgegangen; hat in dem stillen Zimmer zu mir sich gesetzt; wenn ich beim Festesmahl das Weinglas wohl erhoben, mich an den Ellnbogen stets gestoßen, mich in das Labyrinth des Parks verfolgt – mir selbst in ferne Länder nachgeeilt. Auf Brightons stein’gem Strand und Margate’s Sand hat diese Stimm’ die Wellen übertäubt; sie nistet in der Schlafmütz’ mir und flüstert: Wach, Schläfer, auf, Dein Werk ist nicht gethan. Im vor’gen Jahr, bei Mondschein in dem Colloseum, kam die kleine Stimme her zu mir und sprach: Smith oder Jones – des Schreibers Name thut ja nichts zur Sache – Smith oder Jones, mein guter Junge, das ist schon Alles recht hübsch, aber eigentlich solltest Du zu Hause sein, und an Deinem großen Werke über die Snobs schreiben.

Wenn der Mensch diese Art von Beruf hat, so ist es Unsinn, wenn er versuchen will, ihm auszuweichen. Er muß zu den Völkern sprechen, er muß sein Herz entlasten oder ersticken und sterben. „Bemerke,“ habe ich oft im Geiste Eurem gehorsamen Diener zugerufen, „bemerke, wie allmälig Du für Deine große Arbeit vorbereitet worden bist, und jetzt von einer unwiderstehlichen Nothwendigkeit dazu getrieben wirst. Zuerst wurde die Welt geschaffen, dann, als eine Sache, die sich von selbst versteht, der Snobs – sie existirten schon Jahre und Jahrelang, und waren nicht besser bekannt als Amerika. Plötzlich aber – ingens patebat tellus

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wurden die Leute sich dunkel bewußt, daß es ein solches Geschlecht gebe. Vor kaum fünfundzwanzig Jahren entstand ein Name, ein ausdrucksvolles, einsylbiges Wort, um dieses Geschlecht zu bezeichnen. Dieser Name hat sich später, wie die Eisenbahnen, über England verbreitet, die Snobs sind in der ganzen Ausdehnung eines Reiches, in welchem, wie man mir gesagt hat, die Sonne nie untergeht, bekannt und anerkannt. Punch erscheint zur rechten Zeit, um ihre Geschichte zu verzeichnen, und das Individuum erscheint, um diese Geschichte in Punch zu schreiben.

Ich habe – und über diese Begabung wünsche ich mir mit tiefer und dauernder Dankbarkeit Glück – ein Auge für den Snob. Wenn das Wahre das Schöne ist, so ist»es schön, selbst das Snobische zu studiren, dem Snobs durch die Geschichte hin nachzuspüren, wie gewisse kleine Hunde in Hampshire Trüffeln aufstören; Schachte in der Gesellschaft zu teufen und auf reiche Gänge von Snoberz zu kommen.

Die Snobischkeit gleicht dem Tode in einem Citat aus Horaz, welches Ihr hoffentlich nie gehört habt: „sie schlägt mit gleichem Fuße an die Thüren armer Leute, und donnert an die Pforten der Kaiser.“ Es ist ein großer Irrthum, wenn man leichthin über die Snobs urtheilt und glaubt, daß sie nur unter den niederen Classen existiren. Ich bin überzeugt, daß eine ungeheuere

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Quantität von Snobs in jedem Stande dieses irdischen Lebens zu finden ist.

Ihr dürft nicht vorschnell oder gemein über Snobs urtheilen; wenn Ihr es thut, so beweis’t Ihr, daß Ihr selbst Snobs seid; ich bin auch schon für einen gehalten worden.

Als ich in Bagnigge Wells die Bäder gebrauchte, und dort in dem Imperial Hotel wohnte, saß mir beim Frühstück eine Zeitlang ein so unleidlicher Snob gegenüber, daß ich fühlte, daß mir, so lange er da sei, das Wasser nie etwas nützen würde; sein Name war Oberstlieutenant Snobley, von einem gewissen Dragonerregimente. Er trug lackirte Stiefeln und einen gewichsten Schnurrbart; er stieß mit der Zunge an, dehnte seine Worte und ließ die R darin aus; er fuhr die ganze Zeit über mit einem ungeheuern feuerrothen ostindischen Taschentuch um seinen gewichsten Schnurrbart her und streichelte ihn damit, und dasselbe erfüllte das Zimmer mit einem so erstickenden Moschusgeruch, daß ich mit dem Snob zu kämpfen beschloß und mir vornahm, daß entweder er oder ich das Wirthshaus verlassen müsse. Zuerst fing ich harmlose Gespräche mit ihm an, und setzte ihn dadurch ungemein in Schrecken, denn er wußte, wenn er so attakirt wurde, nicht, was er anfangen sollte, und hatte keine Idee davon, daß sich Jemand gegen ihn die Freiheit nehmen würde, zuerst zu sprechen; dann gab ich ihm die Zeitung hinüber;

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dann, als er auch davon keine Notiz nehmen wollte, pflegte ich ihm fest ins Gesicht zu blicken, und – meine Gabel im Licht eines Zahnstochers zu gebrauchen. Nachdem ich in diesem Verfahren zwei Morgen lang beharrt hatte, konnte er es nicht mehr aushalten und räumte die Festung.

Wenn der Oberstlieutenant dies sehen sollte, so wird er sich vielleicht des Gents erinnern, der ihn fragte, ob er glaube, daß Publikohler ein guter Schriftsteller sei, und ihn mit einer vierzinkigen Gabel aus dem Hotel vertrieb.


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Zweites Kapitel.
Der Snob auf eine scherzhafte Art behandelt.

Es giebt relative und positive Snobs. Unter positiven verstehe ich Personen, die überall in allen Gesellschaften, vom Morgen bis in die späte Nacht, von der Geburt bis zum Grabe Snobs sind, da sie die Natur mit Snobischkeit begabt hat – und Andere, die nur unter gewissen Umständen und Beziehungen des Lebens Snobs sind.

Ich kannte z. B. einst einen Mann, der in meiner Gegenwart eine eben so abscheuliche That beging, wie die, welche ich in der Vorrede, als von mir verrichtet, um mich dem Oberst Snobley zuwiderzumachen, erwähnt habe, nämlich das Gebrauchen der Gabel statt eines Zahnstochers, beging. Ich kannte, sage ich, einst einen Mann, der, als er in meiner Gesellschaft im Europäischen Kaffeehause – der großen Oper gegenüber,

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und wie alle Welt weiß, der einzige anständige Ort zum Speisen in Neapel – dinirte, grüne Erbsen mit Beihilfe seines Messers aß. Er war ein Mann, an dessen Gesellschaft ich anfänglich bedeutenden Gefallen fand; wir hatten einander im Krater des Vesuvs kennen gelernt, und waren später von Räubern in Calabrien beraubt und festgehalten worden, bis man uns auslös’te; – das gehört aber nicht zur Sache – ein Mann von bedeutenden Geisteskräften, vortrefflichem Herzen und vielseitiger Bildung: aber ich hatte ihn noch nie bei einem Teller mit Erbsen gesehen, und sein Benehmen, in Bezug auf dieselben, verursachte mir den tiefsten Schmerz. Nachdem ich gesehen, wie er sich öffentlich auf diese Weise benahm, stand mir nur ein einziges Verfahren offen – seine Bekanntschaft aufzugeben. Ich schickte einen gemeinschaftlichen Freund – den Ehrenwerthen Poly Anthus – an ihn ab, um die Sache diesem Herrn so zart als möglich zu eröffnen, und zu sagen, daß peinliche Umstände, die auf keine Weise Mr. Marrowfats Ehre oder meine Achtung für ihn berührten, vorgefallen seien, die mich nöthigten, mein vertrautes Verhältniß mit ihm aufzugeben, und als wir demnach an jenem Abend einander auf dem Balle der Herzogin Monte Fiasco trafen, kannten wir einander nicht mehr.

In Neapel bemerkte alle Welt die Trennung, die Trennung, die zwischen Damon und Pythias eingetreten

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war – in der That hatte Marrowfat mein Leben mehr als einmal gerettet – was konnte ich aber als englischer Gentleman thun?

Mein theurer Freund war in dem Falle ein relativer Snob. Es ist bei Personen von Rang unter andern Nationen nicht snobisch, ihr Messer auf die erwähnte Art anzuwenden. Ich habe gesehen, wie Monte Fiasco seinen Teller mit dem Messer abräumte, und jeder Principe in der Gesellschaft das Gleiche that. Ich habe an dem gastlichen Tische Ihrer kaiserlichen Hoheit der Großherzogin Stephanie von Baden, die, wenn diese bescheidenen Zeilen je vor ihre Kaiserlichen Augen kommen sollten, ersucht wird, sich des unterthänigsten ihrer Diener gnädigst zu erinnern – die Erbprinzessin von Potztausend Donnerwetter – jene herrlich-schöne Dame – ihr Messer wie einen Löffel oder eine Gabel anwenden sehen – sie verschlang es fast, beim Zeus, wie Remo Samee, der indianische Jongleur. Und erbleichte ich darüber? – verminderte sich meine Hochachtung für die Prinzessin? – nein, schöne Amalie. Eine von den echtesten Leidenschaften, die je ein Weib eingeflößt hat, wurde von jener Dame in dieser Brust erregt. Schönste! – lange, lange noch möge das Messer Nahrung zu jenen Lippen, den röthesten und kußlichsten der Welt, führen!

Vier Jahre lang ließ ich den Grund meiner Uneinigkeit mit Marrowfat keiner Menschenseele wissen.

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Wir begegneten einander in den Hallen des hohen Abels – unsrer Freunde und Verwandten. Wir drängten einander im Tanze oder bei Tafel; aber die Entfremdung dauerte fort und schien unwiderruflich zu sein, bis zum 4. Juni des Vergangenen Jahres.

Wir trafen einander bei Sir George Golloper. Wir saßen, er zur Rechten, Euer gehorsamer Diener zur Linken der trefflichen Lady G. Es wurden Erbsen aufgetragen – Ente und grüne Erbsen. Ich bebte, als ich Marrowfat davon vorlegen sah, und wendete mich trübe ab, um nicht die Waffe seinen finstern Schlund hinabschießen zu sehen.

Wer malt mein Erstaunen, wer mein Entzücken, als ich ihn seine Gabel wie ein anderer Christenmensch gebrauchen sah. -Er wendete das kalte Eisen nicht ein einziges Mal an. Ich dachte an alte Zeiten – ich erinnerte mich an alte Dienste – wie er mich von den Räubern gerettet – wie tapfer er sich in der Geschichte mit der Gräfin Dei Spinachi benommen – wie er mir die siebzehnhundert Pfund geborgt. Ich brach fast in Freudenthränen aus – meine Stimme bebte vor Bewegung.

„George, mein Junge,“ rief ich, „George Marrowfat, mein lieber Bursche – ein Glas Wein!“

Erröthend – tief bewegt, – fast eben so bebend, wie ich selbst, antwortete George:

„Frank, soll es Hochheimer oder Madeira sein?!

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Ich hätte ihn an mein Herz schließen können, wenn die Gesellschaft nicht gewesen wäre. Wie wenig ahnte Lady Golloper den Grund der Rührung, welche die junge Ente, die ich eben zerlegte, auf den Rosa-Atlasschooß der gnädigen Frau schnellte. Die gutmüthigste aller Damen verzieh mir den Irrthum und der Diener entfernte den Vogel.

Wir sind seitdem die vertrautesten Freunde und George hat natürlich seine odiöse Gewohnheit nicht wiederholt; er hatte sie sich in einer Provincialschule angeeignet, wo man Erbsen speis’te, aber nur zweizinkige Gabeln besaß, und nur durch das Leben auf dem Continente, wo der Gebrauch der vierzinkigen allgemein ist, die entsetzliche Gewohnheit verloren.

In diesem Punkte – und nur in diesem – bekenne ich mich als Mitglied der Silbergabelschule, und wenn diese Geschichte auch nur einen Leser veranlaßt, inne zu halten, feierlich seinen Geist zu erforschen und zu fragen: Esse ich Erbsen mit dem Messer oder nicht? den Ruin zu sehen, welcher ihm zu Theil werden kann, wenn er den Gebrauch fortsetzt, oder seiner Familie, wenn sie das von ihm gegebene Beispiel erblickt – so werden diese Zeilen nicht vergebens geschrieben sein. Und nun schmeichle ich mir, daß man mir zugestehen wird, daß ich ein moralischer Mann bin.

Apropos, da manche Leser schwer von Begriffen sind, so will ich doch sagen, was die Moral dieser Geschichte

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ist – die Moral ist die: die Gesellschaft hat gewisse Gebräuche eingesetzt, und die Menschen sind daher verbunden, dem Gesetze der Gesellschaft zu gehorchen, und sich ihren harmlosen Geboten zu fügen.

Wenn ich im Schlafrocke und in Pantoffeln, und nicht in der gewöhnlichen Kleidung eines Gentlemans, nämlich Schuhe, goldene Weste, Claquehut – falsches Jabot und weiße Halsbinde zu einer Theegesellschaft gehen würde, so beleidigte ich die Gesellschaft und äße mit dem Messer Erbsen. Die Dienerschaft muß das Individuum, welches sich auf diese Weise vergeht, aus der Thür stoßen. Ein solcher Verbrecher ist, was die Gesellschaft betrifft, auf das Emphatischste gesagt, ein Snob. Sie hat ihr Gesetzbuch und. ihre Politik gerade so gut wie die Regierungen, und Derjenige, welcher von den zur gemeinschaftlichen Wohlfahrt erlassenen Verfügungen Vortheil ziehen will, muß sich darein fügen.

Ich bin von Natur dem Egoismus abgeneigt und hasse das Selbstlob auf das heftigste; aber ich kann mich nicht enthalten, hier einen Umstand, der sich auf den erwähnten Punkt bezieht, und wo ich, wie ich glaube, mit bedeutender Klugheit handelte, zu erwähnen.

Als ich vor einigen Jahren – mit einer zarten Sendung beauftragt – in Constantinopel war – die Russen spielten, unter uns gesagt, ein zweideutiges Spiel, und es war nöthig geworden, von unserer Seite

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einen Extraunterhändler anzustellen – gab Leckerbiß-Pascha von Rumelien, der damalige erste Galionchi der Pforte, in seinem Sommerpalaste zu Bujukdere ein diplomatisches Bankett. Ich befand mich zur Linken des Galionchis, und der russische Agent, Graf de Diddloff, auf der rechten Seite. Diddloff ist ein Stutzer, der in aromatischem Schmerze an einer Rose sterben würde; er hatte im Laufe der Unterhandlungen dreimal versucht, mich ermorden zu lassen; natürlich aber waren wir vor der Welt Freunde, und begrüßten einander auf das Herzlichste und Einnehmendste.

Der Galionchi ist – oder leider war, denn eine seidene Schnur hat seinem Leben ein Ende gemacht – ein eifriger Anhänger der alttürkischen politischen Schule. Wir speis’ten mit unsern Fingern und hatten statt der Teller Brotstücken; die einzige Neuerung, die er gestattete, war der Gebrauch der europäischen Getränke, welchen er sich mit großer Vorliebe hingab. Er war ein ungeheurer Esser. Unter den Schüsseln befand sich auch eine sehr große, mit einem in seiner Wolle zugerichteten, und mit Pflaumen, Knoblauch, Assafödita, Pfefferschoten und andern Gewürzen gestopften Lamme. Das abscheulichste Gemisch, das je ein Sterblicher gerochen oder gekostet hat.

Der Galionchi aß sehr stark davon, und bestand nach orientalischer Art darauf, seinen Freunden rechts und links davon vorzulegen und schob, wenn er an ein

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besonders treffliches Stück kam, dasselbe mit eigner Hand seinen Gästen in den Mund.

Ich werde nie den Blick des armen Diddloff vergessen, als Se. Excellenz eine große Quantität davon zu einer Kugel zusammenrollte, und mit dem Ausrufe:

„Buk – Buk!“ (es ist sehr gut) dem Gesandten den entsetzlichen Bissen eingab.

Die Augen des Russen verdrehten sich grausig, als er es empfing; er schluckte es mit einer Grimasse hinab, der, wie ich glaubte, eine Convulsion folgen mußte, ergriff eine neben ihm stehende Flasche, die er für Sauterne hielt, die sich aber als Franzbranntwein erwies, und trank fast die Hälfte davon aus, ehe er seinen Irrthum erkannte. Sie machte ihm ein Ende – er wurde halbtodt aus dem Speisezimmer getragen, und in einem Sommerhause am Bosphorus zum Abkühlen hingelegt.

Als die Reihe an mich kam, schluckte ich den Bissen mit einem Lächeln hinab, sagte: „Bismillah!“ – leckte mir mit behaglicher Zufriedenheit die Lippen, und machte, als die nächste Schüssel aufgetragen wurde, selbst so geschickt eine Kugel und stopfte sie dem alten Galionchi mit so vieler Grazie in den Mund, daß sein Herz gewonnen wurde.

Rußland wurde sogleich bei Seite geschoben, und der Vertrag von Kabobanopel unterzeichnet. Was Diddloff betraf, so war mit ihm Alles aus, er wurde nach St. Petersburg zurückgerufen und Sir Roderich

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Murchison sah ihn als Nummer 3967 in den uralischen Bergwerken arbeiten.

Ich brauche nicht zu sagen, daß die Moral dieser Geschichte die ist, daß es in der Gesellschaft viele unangenehme Dinge giebt, welche man hinabschlucken und dazu ein lächelndes Gesicht machen muß.


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Zweites Kapitel.
Der Snob von königlichem Geblüthe.

Vor langer Zeit schon, zu Anfange der Regierung Ihrer Majestät, der gegenwärtigen Königin, trug es sich „an einem schönen Sommerabende“, wie Mr. James sagen würde, zu, daß drei bis vier junge Cavaliere nach dem Mittagsmahle einen Becher Wein in der Herberge, „zum Königswappen“ benannt, und die Mrs. Anderson in dem königlichen Dorfe Kensington hielt, tranken. Es war ein köstlicher Abend und die Reisenden blickten auf ein heiteres Schauspiel hinaus. Die schlanken Ulmen des alten Gartens waren dicht belaubt und zahllose Karossen des englischen Abels rollten nach dem benachbarten Palaste vorüber, wo der fürstliche Susser – dem sein Einkommen in der letzten Zeit nur gestattet hat, Theeparthien zu geben – seiner königlichen Nichte ein Staatsbankett gab. Als die Karossen der Edeln des Landes ihre Besitzer an der Banketthalle

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abgesetzt hatten, kamen ihre Reisigen und Diener nach dem Garten zum Königswappen dicht daneben, um einen Krug nußbraunen Ales zu zechen.

Wir beobachteten die Burschen von unserm Fenster herab; bei St. Bonifaz! es war ein seltener Anblick.

Die Tulpen in Myn Heer van Dunks Garten waren nicht prangender, als die Livreen dieser buntröckigen Domestiken. Alle Blumen des Feldes blühten an ihrer busenbestreiften Brust, alle Farben des Regenbogens schimmerten an ihren Plüschhosen und die langstöckigen Herren schritten mit der reizenden Feierlichkeit, dem köstlichen Zittern der Waden, welche stets einen rasenden Zauber für uns besitzt, im Garten auf und ab. Der Gang war nicht breit genug für sie, als die schulterknotigen in Canariengelb und Purpur und Hellblau darin auf- und abstolzirten.

Plötzlich ertönte, mitten in ihrem Triumph, ein kleines Glöckchen; eine Seitenthür öffnete sich und die Carmoisinlakaien Ihrer Majestät kamen – nachdem sie ihre königliche Herrin abgesetzt hatten – mit Epauletten und schwarzen Plüsch-Unaussprechlichen herein.

Es war ein kläglicher Anblick, die andern armen Johanns bei ihrer Ankunft davonschleichen zu sehen. Kein Einziger von den ehrlichen Privat-Plüschträgern konnte in Gegenwart der königlichen Lakaien noch stehen

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bleiben. Sie verließen den Gang, sie verkrochen sich in dunkle Löcher und tranken ihr Bier in der Stille. Der königliche Plüsch behielt den Garten im Besitz, bis das königliche Plüschdiner aufgetragen war, wo er sich zurückzog und wir aus dem Pavillon, wo er speis’te, conservative Hurrahs und Reden vernahmen. Die andern Lakaien wurden nie, wieder gesehen.

Meine lieben Lakaien, die in dem einen Augenblicke so adsurd eingebildet und in dem andern so kriechend sind, können nur als Typen ihrer Herren in der Welt betrachtet werden. Wer Niedriges niedrig bewundert, ist ein Snob – vielleicht ist dies die beste Definition des Ausdrucks.

Und dies ist der Grund, weshalb ich mich mit der größten Eherbietigkeit erkühnt habe, den Snob von königlichem Geblüte an die Spitze meiner Liste zu setzen und alle Uebrigen vor ihm weichen zu lassen, wie die Lakaien vor den Vertretern des Königthums in Kensington Garden. Von diesem oder jenem gnädigen Souverain zu sagen, er sei ein Snob, ist nur so viel, wie zu sagen: er sei ein Mensch. Auch Könige sind Menschen und Snobs. In einem Lande, wo die Snobs die Majorität bilden, kann ein Ausgezeichneter sicherlich nicht ungeeignet sein, zu regieren. Bei uns ist es ihnen zum Bewundern gelungen.

Jacob der Erste z. B. war ein Snob, und ein schottischer Snob, was das widerlichste Geschöpf ist,

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das es auf der Welt giebt. Er scheint nicht eine einzige von den guten Eigenschaften eines Mannes besessen zu haben, weder Muth noch Hochherzigkeit, noch Ehrlichkeit, noch Gehirn; aber les’t nach, was die großen Geistlichen und Doctoren von England über ihn gesagt haben.

Karl der Zweite, sein Enkel, war ein Schuft, aber kein Snob, während Ludwig der Vierzehnte, sein alter, steifgestärkter Zeitgenosse, der Hauptanbeter der Perrückerei, mir stets als ein unbezweifelter königlicher Snob vorgekommen ist.

Ich will jedoch keine Beispiele von königlichen Snobs aus unserm Vaterlande nehmen, sondern mich auf ein benachbartes Königreich, das von Breetford und seinem Monarchen, dem höchstseligen, großen und vielbeklagten Gorgius den Vierten, beziehen. Mit derselben Demuth, womit die Lakaien im Königswappen sich vor dem königlichen Plüsch verzogen, beugte sich und kroch die Aristokratie der Breetforder Nation vor Gorgius und erklärte ihn für den ersten Gentleman von Europa. Und man muß sich wundern, welche Idee die vornehmen Leute von einem Gentleman hatten, als sie Gorgius einen solchen Titel gaben.

Was heißt es, ein Gentleman sein? Heißt es, redlich, sanftmüthig, hochherzig, tapfer, weise sein, und wenn man alle diese Eigenschaften besitzt, sie auf die anmuthigste, äußerliche Art lieben? Muß ein Gentleman ein gehorsamer Sohn, ein treuer Gatte und ein

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guter Vater sein? muß er ein anständiges Leben führen – seine Schulden bezahlen – hohe und elegante Neigungen haben – hohe und elegante Lebenszwecke besitzen? Mit einem Worte, muß nicht die Biographie eines ersten Gentleman von Europa von der Art sein, daß man sie mit Vortheil in jungen Damenschulen lesen und mit Nutzen in den Unterrichtsanstalten für junge Herren studiren könnte? Ich stelle diese Frage an alle Lehrer der Jugend – an Mrs. Ellis und die Frauen von England, an alle Schulmeister von Doctor Hawtrey bis zu Mrs. Squires hinab. Ich beschwöre vor mir ein furchtbares Tribunal der Jugend und Unschuld herauf, das, von seinen ehrwürdigen Lehrern begleitet, – gleich den zehntausend rothwangigen Armenschulkindem in der St. Paulskirche – Urtheil über ihn hält, während Gorgius vor ihnen seine Vertheidigungsrede von sich giebt. Aus dem Gerichtshofe, aus dem Gerichtshofe, dicker, alter Florizel! Gerichtsdiener, schafft den aufgeschwellten, blüthengesichtigen Mann hinaus. – Wenn Gorgius eine Statue in dem neuen Palaste, welchen die Breetforder Nation erbaut, haben muß, so soll sie in der Lakaienhalle aufgestellt werden. Man muß ihn darstellen, wie er einen Rock zuschneidet, in welcher Kunst er sich ausgezeichnet haben soll. Er hat ferner den Maroschinopunsch, eine Schuhschnalle – dies war in der Kraft seiner Jugend und der ersten Blüthe seiner Erfindungsgabe – und einen chinesischen

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Pavillon erfunden, der das häßlichste Gebäude von der Welt ist. Er konnte einen vierspännigen Wagen fast eben so gut fahren, wie der Kutscher des Brightoner Landwagens, konnte elegant fechten und spielte, wie man sagt, gut die Violine. Und er lächelte mit solchem unwiderstehlichen Zauber, daß Personen, die in seine hohe Gegenwart gebracht wurden, mit Leib und Seele seine Opfer wurden, wie ein Kaninchen, das einer großen, dicken Boa Constrictor.

Ich wollte wetten, daß, wenn Mr. Widdicomb durch eine Revolution auf den Thron von Breetford gesetzt würde, die Leute durch sein unwiderstehliches, bezauberndes Lächeln ebenso bezaubert wären, und zitterten, wenn sie niederknieten, um ihm die Hand zu küssen. Wenn er nach Dublin ginge, so würden sie an der Stelle einen Obelisken errichten, wo er zuerst gelandet wäre, wie es die Kartoffelländer thaten, als Gorgius sie zuerst besuchte. Wir Alle haben mit Entzücken die Geschichte von der Reise des Königs nach Haggisland gehört, wo seine Gegenwart eine so wüthende Loyalität einflößte, daß der größte Mann des Landes, der Baron von Brodvardine, als er an Bord der königlichen Yacht kam und ein Glas fand, aus welchem Gorgius getrunken hatte, es als unschätzbares Andenken in seine Rocktasche steckte und wieder in seinem Boote an’s Land abging; er der Baron setzte sich auf das Glas und zerschnitt

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seine Rockschöße sehr bedeutend und die unschätzbare Reliquie ging der Welt auf ewig verloren.

O, edler Brodvardine, welcher alter Weltaberglaube konnte Dich vor einem solchen Götzen, wie diesen, auf die Knie niederwerfen?

Wenn Ihr über die Veränderlichkeit der menschlichen Dinge moralisiren wollt, so geht hin und seht die Figur des Gorgius in seinen wahren, wirklichen Kleidern im Wachsfigurenkabinet. – Eintrittsgeld einen Schilling, Kinder und Lakaien sechs Pence! geht hin und zahlt sechs Pence.


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Drittes Kapitel.
Der Einfluß der Aristokratie auf die Snobs.

Am Sonntage vor acht Tagen war ich in der Kirche und hörte, als der Gottesdienst eben zu Ende war, zwei Snobs über den Pfarrer sprechen. Der Eine fragte den Andern, wer der Geistliche sei.

„Er ist Mr. Sound-So,“ antwortete der zweite Snob, „Hauskaplan des Earls von – wie heißt er doch gleich –“

„O, ist er das?“ sagte der erste Snob mit einem Tone unbeschreiblicher Zufriedenheit. Die Orthodoxie und Identität des Pfarrers war sogleich im Geiste dieses Snobs festgestellt. Er wußte von dem Earl nichts mehr, als von dem Kaplan, nahm aber den Charakter des Letztern auf die Autorität des Erstern hin und ging, als kleiner, kriechender Snob, mit Sr. Ehrwürden vollkommen zufrieden nach Hause.

Dieser Vorfall gewährte mir selbst noch mehr

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Stoff zum Nachdenken, als die Predigt, und ich wunderte mich über die Ausdehnung und Allgemeinheit der Lordolatrie in England. Was konnte es dem Snob ausmachen, ob Se. Ehrwürden Kaplan seiner Lordschaft war, oder nicht! welche Pairage-Anbetung herrscht in diesem ganzen freien Lande! wie sind wir Alle dabei betheiligt und mehr oder weniger vor ihnen auf unsern Knieen. Und mit Bezug auf den vorliegenden großen Gegenstand denke ich, daß der Einfluß der Pairage auf die Snobischkeit bedeutender gewesen ist, als der irgend einer andern Institution. Das Zunehmen, die Beförderung und das Bestehen der Snobs gehört zu den unschätzbaren Diensten, wie Lord John Russell sagt, die wir dem Adel verdanken.

Es kann nicht anders sein. Wird ein Mann ungeheuer reich, oder arbeitet er mit Erfolg im Dienste eines Ministers, oder gewinnt er eine große Schlacht, oder führt er einen Vertrag aus, oder ist er ein gescheidter Advokat, der eine Menge von Geld verdient und die Richterdank besteigt, so belohnt ihn das Land auf ewig mit einer goldenen Krone – mit mehr oder weniger Kugeln oder Blättern – und einem Titel und Rang als Gesetzgeber.

Deine Verdienste sind so groß, sagt die Nation, daß Deine Kinder auf ewig gewissermaaßen über uns herrschen dürfen sollen. Es macht nicht das.Mindeste

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aus, wenn Dein ältester Sohn ein Narr ist, wir halten Deine Dienste für so bemerkenswerth, daß er Deine Ehren erben soll, wenn der Tod Deine edlen Schuhe räumt. Wenn Du arm bist, so werden wir Dir eine solche Geldsumme geben, wie sie Dich und Deinen ältesten Sohn in Ewigkeit in den Stand setzt, in Glanz und Pracht zu leben. Es ist unser Wunsch, daß ein Geschlecht in diesem glücklichen Lande bei Seite gesetzt wird, welches den ersten Rang einnehmen und die ersten Prämien und Aussichten in allen Regierungsämtern und Geschäften haben soll. Wir können nicht alle Deine lieben Kinder zu Pairs machen, dadurch würde das Pairthum gemein und das Haus der Lords unbequem voll werden – aber die jüngern sollen Alles haben, was eine Regierung geben kann, sie sollen von allen Stellen die besten aussuchen können, sie sollen mit dem neunzehnten Jahre Capitains und Oberstlieutenants sein, während grauköpfige, alte Lieutenants dreißig Jahre mit Rekrutenexerciren zubringen; sie sollen im einundzwanzigsten Schiffe und Veteranen, die, ehe sie geboren waren, schon kämpften, commandiren. Und da wir vorzugsweise ein freies Volk sind, und, um alle Menschen aufzumuntern, ihre Pflicht zu thun, sagen wir zu Jedem, von welchem Range er auch sein mag: – Werde ungeheuer reich, verdiene unermeßlich viel Geld als Advokat, oder halte große Reden, oder zeichne Dich aus und gewinne Schlachten, dann sollst auch

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Du in die privilegirte Classe kommen und Deine Kinder über die unsern herrschen.

Wie können wir die Sobischkeit vermeiden, wenn zu ihrer Beförderung eine so ungeheure nationale Institution errichtet ist? Wie können wir uns enthalten, vor Lords zu kriechen? – Fleisch und Blut können nicht anders. Welcher Mensch vermöchte dieser ungeheuern Versuchung widerstehen?

Von sogenanntem edlen Wetteifer begeistert, greifen Einige nach Ehren und erringen sie. Andere, die zu schwach oder niedrig sind, bewundern diejenigen, welche sie erworben haben, blind und kriechen vor ihnen. Andere, die sie nicht erlangen können, hassen, schmähen und beneiden sie auf’s Wüthendste. Es giebt nur wenige ruhige und nicht im mindesten eingebildete Philosophen, die den Zustand der Gesellschaft, nämlich organisirte Speichelleckerei – durch die Gesetze gebotene, niederträchtige Menschen- und Mammonanbetung – mit einem Worte, die verewigte Snobischkeit betrachten und das Phänomen mit Ruhe beschauen können. Und ich möchte wissen, ob unter diesen ruhigen Moralisten ein Einziger ist, dessen Herz nicht vor Freude pochen würde, wenn er Arm in Arm mit ein paar Herzögen Pall Mall hinabgehen könnte.

Nein, es ist in unserm Zustande der Gesellschaft unmöglich, nicht zuweilen ein Snob zu sein.

Auf der einen Seite muntert er den Bürgerlichen

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auf, snobisch-niedrig, und den Adeligen, snobisch-anmaaßend zu sein. Wenn eine edle Marquise in ihren Reisen über die harte Nothwendigkeit schreibt, in welcher sich Dampfschiff-Reisende befinden, „mit allen Arten und Ständen von Menschen“ in Berührung zu kommen, und dadurch zu verstehen giebt, daß eine Gesellschaft mit Creaturen Gottes der über ihnen stehenden Lady unangenehm ist, wenn, sage ich, die Marquise von – auf diese Art schreibt, so müssen wir bedenken, daß es im Grunde ihres natürlichen Herzens einer Frau unmöglich sein würde, eine solche Ansicht zu hegen, aber daß die Gewohnheit des Kriechens und Speichelleckens, welche Alle, die sie umgeben, gegen diese schöne und vornehme Dame, diese Besitzerin so vieler schwarzen und andern Diamanten angenommen haben, sie wirklich auf den Glauben gebracht hat, daß sie über der Welt im Allgemeinen steht und daß die Menschen nicht mit ihr verkehren dürfen, außer in ehrerbietiger Ferne. Ich erinnere mich, einst in der Stadt Groß-Cairo gewesen zu sein, durch welche ein europäischer königlicher Prinz nach Indien zu reis’te. Eines Nachts herrschte im Wirthshause eine große Verwirrung; ein Mann hatte sich in dem Brunnen dicht daneben ertränkt und alle Bewohner des Hotels kamen in den Hof herausgestürzt, und unter Andern auch Euer gehorsamer Diener, der einen gewissen jungen Mann nach dem Grunde des Aufruhrs fragte.

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Woher sollte ich wissen, daß dieser junge Gent ein Prinz war? Er hatte weder seine Krone, noch seinen Scepter bei sich, er war in eine weiße Jacke und in einen Filzhut gekleidet; aber er sah erstaunt darüber aus, daß ihn Jemand anrede, antwortete mit einem unverständlichen einsylbigen Worte, und – winkte seinem Adjutanten, daß er herbeikommen und mit mir sprechen solle.

Es ist unsere Schuld, nicht die der Großen, daß sie sich so weit über uns dünken. Wenn Ihr Euch unter die Räder werfen wollt, so wird Juggernaut über Euch gehen, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Und wenn vor Dir und mir, lieber Freund, Ko-tu gemacht würde – wenn wir überall, wo wir erschienen, vor uns in sclavischer Anbetung kriechende Leute fänden, so würden wir ganz natürlich in Airs von Ueberlegenheit verfallen und die Größe, womit uns die Welt begabte, annehmen.

Hier ist ein Beispiel aus Lord L–’s Reisen von der ruhigen, gutmüthigen, nichts bezweifelnden Art, in welcher ein großer Mann die Huldigung seiner Untergebenen annimmt.

Nachdem Se. Herrlichkeit einige tiefe und scharfsinnige Bemerkungen über der Stadt Brüssel gemacht, sagt sie:

„Ich blieb einige Tage in dem Hotel de Bellevue, einem sehr überschätzten Etablissement, das lange nicht so behaglich ist, wie das Hotel de France, und

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machte die Bekanntschaft des Doktor L–, der der Arzt der Gesandtschaft ist. Er wünschte mir die Honneurs des Ortes zu machen und bestellte für uns bei dem ersten Restaurateur ein diner à gourmand, da er behauptete, daß es den Rocher in Paris überträfe. Sechs bis Acht nahmen daran Theil, und wir Alle stimmten darin überein, daß es der Pariser Geschichte unendlich nachstehe und weit kostspieliger sei.

So viel für die Copie.

Und so viel für den Gentleman, der das Diner gab, Doktor L–, der Sr. Herrlichkeit die Honneurs des Ortes machen will, bewirthet ihn mit den besten Speisen und Getränken, die für Geld zu haben sind, und Mylord findet die Bewirthung kostspielig und gering; kostspielig! für ihn war sie es nicht – gering! Mr. L– that sein Bestes, um die vornehmen Kinnbacken zu befriedigen, und Mylord nimmt die Bewirthung an und entläßt den Geber mit einem Tadel. Es ist gerade, als ob ein Pascha von drei Roßschweifen über ein ungenügendes Barkschisch brummte.

Aber wie soll es auch anders in einem Lande sein, wo die Lordolatrie ein Theil unsres Glaubensbekenntnisses ist, und wenn unsere Kinder dazu erzogen werden, die Pairage als die zweite Bibel des Engländers zu verehren?


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Viertes Kapitel.
Das „Hofcircular“ und sein Einfluß auf die Snobs.

Das Beispiel ist die beste Lehre. Beginnen wir also mir einer wahren und verbürgten Geschichte, welche beweis’t, wie junge aristokratische Snobs erzogen werden, und wie zeitig man ihre Snobischkeit zum Blühen bringen kann.

Eine schöne und vornehme Dame – verzeihen Sie, gnädige Frau, daß Ihre Geschichte veröffentlicht wird, denn sie ist so moralisch, daß sie der ganzen Welt bekannt werden sollte – erzählte mir, daß sie in ihrer frühen Jugend eine kleine Bekannte gehabt habe, die getzt wirklich ebenfalls eine schöne und vornehme Dame ist; brauche ich etwas Weiteres zu sagen, als Miß Snobky, die Tochter von Sie Snobby-Snobky, deren Vorstellung bei Hofe am Vergangenen Donnerstage solche Sensation erregte, zu erwähnen?

Als Miß Snobky so ungemein jung war, daß

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sie sich noch in den Ammenstuben-Regionen befand, und am frühen Morgen, unter dem Schutze einer französischen Gouvernante und mit einem ungeheneren bärtigen Lakaien in der kanarienfarbenen Livrée der Snobky’s gefolgt, in den St. James-Park ging, pflegte sie bei diesen Promenaden zuweilen den jungen Lord Claude Lollipop, jüngern Sohn des Marquis Sillabub zu treffen. Im vollsten Glanze der Saison beschlossen die Snobky’s plötzlich aus irgend einem noch unerklärten Grunde die Stadt zu verlassen. Miß Snobky sprach mit ihrer Freundin und Vertrauten.

„Was wird der arme Claude Lollipop sagen, wenn er von meiner Abwesenheit hört?“ fragte das zartherzige Kind.

„O, vielleicht wird er gar nichts davon hören,“ antwortete die Vertraute.

Ja wohl, Liebste, er wird es in den Zeitungen lesen,“ antwortete die liebe, kleine, siebenjährige, vornehme Schelmin. Sie wußte bereits um ihre Wichtigkeit, und daß alle Welt in England, alle Leute, die gern etwas sein möchten, alle Silbergabelanbeter, alle Neuigkeitskrämer, alle Spezereikrämersdamen, Schneidersdamen, Advokaten- und Kaufmannsdamen, und die in Clapham und Brunswic Square wohnenden Leute, die nicht mehr Aussicht darauf haben, mit einer Snobky zusammenzutreffen, als mein geliebter Leser mit dem Kaiser von China zu speisen – doch die

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Bewegungen der Snobky’s mit Interesse beobachteten und froh waren, wenn sie erfuhren, daß sie nach London gekommen Heu, oder es verlassen hätten.

Hier ist der Bericht über Miß Snobky’s Kleidung und die ihrer Mutter, Lady Snobky, aus den letzten Freitagszeitungen:

„Miß Snobky:

Habit de cour, bestehend aus einem gelben, nachgemachten Nankingkleide, mit einem Streifen Von schwerem, erbsengrünem Bukskin en tablier, mit Bouquets und Brüsseler Kohl besetzt, Leibchen und Aermel schön mit Kalmank eingefaßt, und mit einer Rosa-Schleppe und weißer Radischen-Guirlande versehen. Kopfputz: Mohrrüben und Schleifen.

Lady Snobky:

Costume de cour, bestehend aus einem Schleppenkleide von den prächtigsten Pekinger Taschentüchern, elegant mit Flittern, Blechdiamanten,und Achselschnuren besetzt. Leibchen und Unterkleid von himmelblauem Manchester, mit Buffanten und Knoten Von Klingelschnuren verziert. Gürteljuwel: ein Dreierbrod, – Kopfputz: ein Vogelnest, mit einem Paradiesvogel über einem reichgearbeiteten, messingenen Thürklopfer en ferronnière. Dieses glänzende Costüm, von Madame Crinoline in Regent-Street, wurde allgemein bewundert.“

Dies ist es, was Ihr les’t! O Mrs. Ellis! o Mütter, Töchter, Tanten und Großmütter von England,

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das ist die Lecture, welche für Euch in die Zeitungen gesetzt wird.

Wie könnt Ihr umhin, die Mütter und Töchter u. s. w. von Snobs zu sein, so lange Euch dieses Gewäsch vorgesetzt wird?

Man stopft den kleinen, rosigen Fuß einer vornehmen, jungen, chinesischen Dame in einen Schuh von etwa der Größe eines Salsfäßchens, und hält die armen, kleinen Zehen darin so lange gefangen und eingezwängt, daß die Verzwergung unwiderruflich wird. Später würde sich der Fuß nicht zu der natürlichen Größe ausdehnen, und wenn man ihnen auch ein Waschfaß zum Schuh gäbe. Und sie hat ihr ganzes Leben lang kleine Füße und ist ein Krüppel.

O, meine liebe Miß Wiggins, danken Sie Ihren Sternen, daß Ihre schönen Füße – wiewohl sie, wenn Sie gehen, so klein sind, daß man sie kaum sieht – danken Sie Ihren Sternen, daß sich die Gesellschaft nie so daran versündigt hat; aber schauen Sie sich um und sehen Sie, wie vielen Freunden von uns in den höchsten Kreisen das Gehirn so vorzeitig und hoffnungslos eingezwängt und Verkrüppelt worden ist.

Wie können Sie erwarten, daß sich diese armen Geschöpfe natürlich bewegen sollen, wenn sie die Welt und ihre Eltern so grausam verstümmelt haben. Wie zum Henker sollen, so lange ein Hofcircular existirt, die Leute, deren Namen darin verzeichnet sind,

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sich je für nicht besser als die kriechende Masse halten, welche täglich dieses abscheuliche Gemisch lies’t. Ich glaube, daß England fest das einzige Land auf der Welt ist, wo das Hofcircular noch in voller Blüthe steht – wo man lies’t:

„Heute ist Se. königliche Hoheit, Prinz Pattypan, in seinem Rollwagen ausgefahren worden. – Die Prinzessin Pimminy fuhr, von ihren Ehrendamen und ihrer Puppe begleitet, spatzieren etc. etc.“

Wir lachen über die Feierlichkeit, womit St. Simon anzeigt: „Sa majesté cet medicament aujourd’hui.“

Dieselbe Narrheit wird täglich vor unsrer Nase getrieben. Der wunderbare und geheimnißvolle Mann, der das Hofcircular schreibt, stellt sich allabendlich mit seinem Budget in dem Zeitungsbureau ein. Ich habe einst den Redacteur eines Journals gebeten, mich im Hinterhalte liegen zu lassen, um ihn zu sehen.

Man hat mir gesagt, daß in einem Königreiche, wo es einen deutschen Königreiche, wo es einen deutschen König-Gemahl giebt – es muß Portugal sein, denn die Königin dieses Landes hat einen deutschen Prinzen geheirathet, der von den Eingebornen höchlich bewundert und geachtet wird – wenn der Gemahl sich das Vergnügen macht, in den Kaninchen-Bauen von Cintra, oder den Fasanen-Parks von Mafra auf die Jagd zu gehen, wo er natürlich einen Wildhüter hat, der ihm die Flinten ladet, und sie dann

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dem Edelmann, der ihn als Stallmeister begleitet, gegeben werden, und der Edelmann sie dem Prinzen giebt, der losknallt – dem Edelmann das abgeschossene Gewehr zurückreicht und dieser es dem Wildhüter giebt, und so fort. Aber der Prinz nimmt das Gewehr nie aus den Händen des Laders.

So lange diese unnatürliche und monströse Etiquette dauert, muß es Snobs geben. Die drei Personen, welche bei diesem Geschäfte betheiligt sind, benehmen sich dabei als Snobs:

1) Der Wildhüter, der geringste Snob von allen Dreien, weil er seine tägliche Pflicht ausübt; aber er erscheint hier als Snob, das heißt, in einer Lage der Erniedrigung vor einem andern menschlichen Wesen – dem Prinzen – mit dem er nur durch eine dritte Person verkehren darf. Ein freier portugiesischer Wildhüter, der sich als unwürdig bekennt, direct mit irgend einer Person in Verbindung zu treten, bekennt sich als Snob.

2) Der dienstthuende Edelmann ist ein Snob. Wenn es den Prinzen herabwürdigt, das Gewehr von dem Wildhüter zu empfangen, so ist es auch für den aufwartenden Edelmann herabwürdigend, diesen Dienst auszuüben. Er benimmt sich als Snob gegen den Wildhüter, den er von der Verbindung mit dem Prinzen abhält – als Snob gegen den Prinzen, dem er eine herabwürdigende Huldigung zu Theil werden läßt.

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3) Der König-Gemahl von Portugal ist ein Snob, weil er seine Mitmenschen auf diese Weise insultirt. Es schadet nichts, wenn ei die Dienste des Wildhüters direct annimmt, aber wenn es indirect geschieht, so beschimpft er den geleisteten Dienst und die beiden Diener, welche ihn ausüben, und ist daher, mit aller Ehrerbietung gesagt, ein ganz unbezweifelter, wenn auch königlicher Sn–b.

Und dann lies’t man in dem Diario lo Governo: „Gestern hat sich Se. Majestät in Begleitung des Ehrenwerthen Whiskerando Sombrero im Walde von Cintra mit der Jagd unterhalten. Se. Majestät kehrte nach den Necessidades zurück, um zu lunchen etc. etc.“

O, über das Hofcircular! rufe ich nochmals. Nieder mit dem Hofcircular, dieser Maschine und diesem Verbreiter der Snobischkeit!

Ich verspreche, ein Jahr lang auf jede tägliche Zeitung zu subscribiren, die ohne Hofcircular herauskommt – und wenn es selbst der „Morning Herald“ wäre. Wenn ich die Salbaderei lese, so werde ich ergrimmt, ein Königsmörder, ein Mitglied des Kalbskopf-Clubbs. Die einzige Hofcirculargeschichte, welche mir je gefallen hat, war die des Königs von Spanien, der dreiviertel gebraten wurde, weil nicht Zeit genug vorhanden war, daß der Premierminister dem Oberkammerherrn gebieten konnte, den Hofmeister aufzufordern, den ersten Pagen zu befehlen, den Oberlakaien aufzufordern, die Ehrenmagd

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zu bitten, einen Eimer mit Wasser heraufzubringen, um Se. Majestät auszulöschen.

Ich bin, wie der Pascha von drei Roßschweifen, dem der Sultan sein Hofcircular, die seidene Schnur, schickt.

Es erstickt mich. Möge sein Gebrauch auf ewig abgeschafft werden!


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Fünftes Kapitel.
Was Snobs bewundern.

Wir wollen fest betrachten, wie schwer es selbst für große Leute ist, keine Snobs zu sein. Es mag schon ganz gut sein, wenn der Leser, dessen feinen Gefühlen durch die Behauptung, daß Könige, Prinzen und Lords Snobs sind, Gewalt angethan wird, sagt:

„Du hist anerkanntermaßen selbst ein Snob. Wenn Du die Snobs abmalen willst, so copirst Du nur Deinen eigenen häßlichen Schnabel mit einer narcissusartigen Selbstgefälligkeit und Geckenhaftigkeit.“ Aber ich werde diesen Ausdruck der Verstimmung von Seiten meines beständigen Lesers verzeihen, indem ich auf das Unglück seiner Geburt und seines Vaterlandes Rücksicht nehme.

Es ist vielleicht für jeden Briten unmöglich, nicht im gewissen Maaße ein Snob zu sein. Wenn sich die Menschen von dieser Thatsache überzeugen können,

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so ist sicherlich ungeheuer viel gewonnen. Wenn ich die Krankheit angedeutet habe, so wollen wir hoffen, daß andere wissenschaftliche Männer das Heilmittel dagegen entdecken werden.

„Wenn Du, der den mittlen Classen der Gesellschaft angehört, ein Snob bist; Du, dem Keiner besonders schmeichelt; Du, der Du keine Schmarotzer hast; Du, dem keine kriechenden Lakaien oder Ladenschwengel mit Bücklingen aus der Thür begleiten; Du, dem der Polizeidiener verbietet, auf der Straße stehen zu bleiben; Du, der im Gedränge dieser Welt und unter unseren Brudersnobs umhergestoßen und geknufft wirst, so bedenke, um wieviel schwerer es einem Manne wird, diesem Loose zu entgehen, wenn er nicht Deine Vortheile hat und sein ganzes Leben lang der Speichelleckerei ausgesetzt und die Zielscheibe der Niedrigkeit ist: bedenke, wie schwer es dem Götzen des Snob wird, nicht selbst ein Snob zu sein.“

Während ich mit meinem Freunde Eugenio auf diese eindringliche Weise sprach, kam Lord Buckram, der Sohn des Marquis von Bagwig, an uns vorüber und klopfte an die Thür der Familienwohnung in Red-Lion-Square. Seine Eltern bekleideten, wie alle Welt weiß, hohe Posten an den Höfen früherer Souveraine. Der Marquis war Lord von der Speisekammer und die gnädige Frau Lady von der Puderbüchse bei der Königin Charlotte. Buck – wie ich ihn nenne, denn wir

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stehen sehr vertraut zusammen – nickte mir zu, als er vorüber kam, und ich zeigte meinem Freunde Eugenio, wie unmöglich es sei, daß dieser Edelmann nicht Einer von uns wäre, da er sein ganzes Leben lang von Snobs umgeben gewesen ist.

Seine Eltern hatten beschlossen, ihm eine Erziehung in einer öffentlichen Anstalt zu geben und schickten ihn so frühzeitig als möglich in die Schule. Der Hochwürdige Otto Rose, Docter der Theologie und Vorsteher der Vorbereitungsschule für junge Edelleute und Gentlemen in Richmond Lodge, nahm den kleinen Lord an die Hand und fiel nieder und betete ihn an. Er stellte ihn stets den Vätern und Müttern vor, die nach der Schule kamen, um ihre Kinder zu besuchen. Er bezog sich mit Stolz und Freude auf Seine Gnaden, den Marquis von Bagwig, als einen von den Freunden und Gönnern seiner Erziehungsanstalt. Er benutzte Lord Buckram zum Köder für eine solche Menge von Schülern, daß ein neuer Flügel an Richmond Lodge gebaut und fünfunddreißig neue, kleine, weiße Betten zu dem Institute gefügt wurden.

Mrs. Rose pflegte den kleinen Lord in der einspännigen Chaise mitzunehmen, wenn sie Besuche machte, bis die Gemahlin des Pfarrers und die Frau des Arztes vor Neid fast umkamen.

Als er einmal seinen eigenen Sohn mit Lord Buckram beim Bemausen eines Obstgartens entdeckte,

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prügelte der Docter sein eigenes Fleisch und Blut auf das Unbarmherzigste, weil es den jungen Lord verführt habe. Er trennte sich mit Thränen von ihm. Auf dem Studiertische des Doctors lag stets ein an Seine Gnaden, den Marquis von Bagwig, adressirter Brief, wenn er Besuche empfing.

In Eton wurde dem Lord Buckram ein großer Theil von Snobischkeit ausgedroschen und er mit der größten Unparteilichkeit durchgehauen. Selbst dort folgte ihm jedoch eine ausgewählte Schaar von jungen Speichelleckern. Der junge Crösus lieh ihm dreiundzwanzig spannagelneue Sovereigns aus seines Vaters Bank; der junge Snaily machte ihm seine Exercitien und versuchte, ihn in seine Familie einzuladen; aber der junge Bull keilte ihn in einem fünfundzwanzig Minuten dauernden Kampfe und er erhielt mehrere Male mit großem Vortheil das Röhrchen zu schmecken, weil er die Schuhe seines Meisters, Smith, nicht gehörig geputzt hatte. Nicht alle Knaben sind am Morgen des Lebens Speichellecker.

Als er aber auf die Universität kam, fuhr ein ganzes Regiment von Kriechern auf ihn zu. Die Professoren krochen vor ihm, die Stipendiaten machten ihm lange, ungeschickte Complimente. Der Decan bemerkte nie, daß er in der Kapelle nie zugegen war, hörte nie Lärm in seinem Zimmer. Eine Anzahl von respectablen, jungen Burschen – unter der respectablen, der Bakerstreetclasse,

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blieb die Snobischkeit stärker als unter irgend einer anderen Clique in England – eine Anzahl von diesen sog sich an ihm fest, wie Blutegel. Jetzt wurde Crösus nicht müde, ihm Geld zu leihen, und Buckram konnte nicht auf die Jagd reiten, ohne daß Snaily – von Natur ein furchtsames Geschöpf – auch im Felde war, und jeden Sprung, den sein Freund that, mitmachte. Der junge Rose, der in der ausdrücklichen Absicht dazu von seinem Vater zurückgehalten worden war, kam in dasselbe Collegium. Er verwendete einen Vierteljahrswechsel auf ein einziges Diner, welches er Buckram gab; aber er wußte, daß er in einer solchen Sache stets Verzeihung zu hoffen hatte und daß, wenn er Buckrams Namen in einem Briefe erwähnte, immer eine Zehnpfundnote von Hause kam.

Welche phantastische Visionen der Mrs. Podge und Miß Podge, der Gattin und Tochter des Prinzipals von Lord Buckrams Collegium in dem Kopf kamen, weiß ich nicht, – aber der ehrwürdige, alte Herr war von Natur ein zu großer Lakai, als daß er auch nur eine Minute lang daran denken konnte, daß ein Kind von ihm einen Edelmann heirathen könne und beschleunigte daher die Verbindung seiner Tochter mit dem Professor Crab.

Als Lord Buckram, nachdem er, honoris causa, sein Doctordiplom erhalten hatte – denn die alma

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mater ist ebenfalls ein Snob und kriecht, wie alle übrigen, vor einem Lord, – als Lord Buckram ins Ausland ging, um seine Erziehung zu beendigen, wißt Ihr Alle, welche Gefahren er lief und welche Menge von Mädchen es auf ihn abgesehen hatten. Lady Leach und ihre Töchter folgten ihm von Paris nach Rom und von Rom nach Baden-Baden. Miß Legit brach vor seinem Gesicht in Thränen, als er seinen Entschluß, Neapel zu verlassen, mittheilte, und fiel am Busen ihrer Mutter in Ohnmacht.

Capitain Macdragon, von Macdragonstown in der Grafschaft Tiperari, machte ihm einen Besuch, um seine Absichten in Bezug auf seine Schwester zu erfahren und schlug ihm vor, ihn zu erschießen, wenn er nicht das fleckenlose und schöne, junge Geschöpf – welches später von Mr. Mush in Cheltenham zum Altare geführt wurde, – heirathe. Wenn Ausdauer und vierzigtausend Pfund baar ihn hätten locken können, so würde Lydia Crösus sicherlich Lady Buckram geworden sein. Graf Towrowski war froh, sie mit halb so viel zu bekommen, wie die ganze feine Welt weiß.

Und nun möchte vielleicht der Leser wissen, was für ein Mann es war, der so viele Damenherzen verwundete, und ein so ungeheurer Liebling der Männer gewesen ist. Wenn wir ihn beschreiben wollten, so

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würden wir persönlich werden, und das sind wir notorisch nie. Uebrigens kommt es wirklich nicht im Mindesten darauf an, was für ein Mann er ist, oder welcher Art seine persönlichen Eigenschaften sind.

Wäre er ein junger Edelmann von literarischem Geschmack und schriebe er Gedichte, wie einfältig und schwach sie auch sein möchten, so würden die Snobs Tausende von Exemplaren seiner Werke kaufen und die Verleger – die meine Passionsblumen und mein großes Heldengedicht nicht umsonst nehmen wollten – würden ihm so viel geben, als er verlangte. Wäre er ein Edelmann von jovialem Geschmack und hätte er Neigung dazu, Thürklopfer abzureißen, Schnapsläden zu frequentiren und Polizeidiener halbtodt zu walken, so würde das Publikum gutmüthig an seinen Unterhaltungen theilnehmen und sagen, er sei ein wackerer, ehrlicher Gesell. Lichte er das Spiel und die Wettrennen und hätte er Lust zum Schwindeln und ließe er sich mitunter herab, im Kartenspiel einen Grünschnabel zu rupfen, so würde ihm das Publikum verzeihen und viele ehrliche Leute ihm den Hof machen, wie sie es einem Hauseinbrecher thun würden, wenn er ein Lord wäre. Selbst als Blödsinniger würde er doch, unserer herrlichen Constitution zufolge, gut genug sein, um uns zu regieren. Wäre er ein redlicher, hochherziger Mann, dann um so besser für ihn selbst; aber er kann ein Esel sein und doch geachtet werden, oder ein

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gemeines Subject und doch äußerst beliebt sein, oder ein Schuft und doch entschuldigt werden. Die Snobs werden ihm dennoch anbeten, männliche Snobs ihm Ehre erweisen und weibliche ihn freundlich anblicken, wie häßlich und abschreckend er auch aussehen mag.


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Sechstes Kapitel.
Ueber einige respectable Snobs.

Da mir ein großer Theil von üblen Nachreden geworden ist, weil ich Monarchen, Prinzen und den geehrten Adel in die Snobkategorie gezogen habe, hoffe ich, im gegenwärtigen Kapitel einem Jeden zu gefallen, indem ich meine feste Ueberzeugung ausspreche, daß unter den respectablen Classen dieses großen, glücklichen Reiches die größte Quantität zu finden ist. Ich schreite meine geliebte Bakerstreet hinab – ich bin mit einem Leben Bakers, des Begründers dieser berühmten Straße, beschäftigt – ich gehe durch Harley Street – wo an jedem zweiten Hause ein Leichenwappen aushängt – Wimpole-Street, die so heiter, wie die Katakomben ist – ein rußiges Mausoleum der Vornehmen – ich treibe mich um Regentspark her, wo sich der Bewurf von den Häusern abschält, wo Methodistenprediger auf den grünen Plätzen vor drei kleinen Kindern predigen,

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und dicke Reiter zu ihrer Gesundheit im einsamen Kothe umhersprengen – ich wandle durch die räthselhaften Verschlingungen von Mayfair, wo man Mrs. Kitty Lorimers Brougham, dicht neben der wappenbesetzten Familienkutsche der alten Lady Lollipop sehen kann; – ich streife durch Belgravia, dem verblichenen feinen District, wo alle Leute steif und anständig aussehen, und die Häuser mit einem schwachen, weißlichen Braun angemalt sind – ich verirre mich in den neuen Squares, der glänzenden, nagelneuen oder Tyburn- und Bayswater-Verbindungsstraße, und in allen diesen Districten tritt mir die gleiche Wahrheit vor die Augen.

Ich bleibe vor dem ersten, besten Hause stehen und sage: „O Haus, dich bewohnen – o Thürklopfer, an dir klopfen, o Lakai, der Du Deine trägen Waden sonnest, und Dich an die eisernen Gitter lehnst, Dich bezahlen die Snobs.“

Es ist ein furchtbarer Gedanke, und fast hinreichend, um einen menschenfreundlichen Geist zum Wahnsinn zu bringen, daß es unter zehn dieser Häuser, kaum eines giebt, wo nicht der Adelskalender auf dem Tische läge. Wenn ich an das Unheil denke, welches dieses thörichte, lügnerische Buch anstiftet, so möchte ich alle Exemplare davon verbrennen lassen, wie der Barbier alle mit einfältigen Rittergeschichten angefüllten Bücher Don Quixotte’s verbrannte.

Seht das großartige Haus in der Mitte des Square

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an; dort wohnt der Carl von Loughcorrib. Er hat jährlich funfzigtausend Pfund zu verzehren. Ein vorige Woche in seinem Hause gegebenes Dejeuner dasant kostet wer weiß wie viel. Blos die Blumen für das Zimmer und die Bouquets für die Damen kosten schon vierhundert Pfund. Der Mann in grauen Beinkleidern, der weinend die Stufen herabkommt, ist ein Mahner; Lord Loughcorrib hat. ihn ruinirt und will ihn nicht sehen, d. h., seine Lordschaft schaut hinter den Gardinen seines Studirzimmers hervor auf ihn herab.

Geh Deiner Wege, Loughcorrib Du bist ein Snob, ein herzloser Heuchler der Gastlichkeit, ein Schwindler, der in der Gesellschaft gefälschte Banknoten ausgiebt – aber ich werde zu beredt.

Ihr seht das schöne Haus Nr. 23, wo ein Fleischerjunge an der Küchenklingel läuter. Er hat drei Hammelcoteletts in seiner Mulde[WS 1]; sie sind für das Mittagsmahl einer ganz andern und höchst respectablen Familie, für Lady Susanna Scraper, und ihre Töchter Miß Scraper und Miß Emilie Scraper bestimmt. Die Domestiken erhalten, glücklicher Weise für sie, keine Kost im Hause, sondern ein Aequivalent an Geld; sie bestehen aus zwei ungeheuren Lakaien in Hellblau und Kanariengelb, einem dicken Kutscher, der Methodist ist, und einem Kellermeister, der nicht in der Familie geblieben sein würde, wenn er nicht Ordonnanz bei General Scraper gewesen wäre, als dieser sich sehr auf Walcheren auszeichnete.

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Seine Witwe hat sein Portrait dem Land- und Seedienst-Clubb geschickt, und es hängt dort in einem der Ankleidezimmer hinten hinaus. Er ist an einem Fenster, mit rothen Gardinen, stehend abgebildet, im Hintergrunde befindet sich ein Wirbelwind, worin Kanonen abgefeuert werden, und er deutete auf eine Landcharte, auf welcher die Worte Walcheren, Tobago stehen.

Lady Susanne ist, wie Jedermann aus der britischen Bibel ersehen kann, eine Tochter des vorerwähnten großen und guten Earl Bagwig. Sie denkt, daß Alles, was sich auf sie bezieht, das Größte und Beste in der Welt ist. Die Ersten sind natürlich die Buckrams, ihre eigne Familie, und dann kommen die Scrapers. Der General war der größte General, sein ältester Sohn, Scraper-Buckram-Scraper, ist gegenwärtig der größte und beste, sein zweiter Sohn, der zweit-größte und beste, und sie selbst das Musterbild der Frauen.

Sie ist in der That, eine höchst respectable und ehrenwerthe Dame; sie gebt natürlich in die Kirche; sie würde glauben, daß die Kirche in Gefahr wäre, wenn sie es nicht thäte; sie unterzeichnet bei allen Kirchen und Gemeindewohlthiitigkeits-Vereinen, und ist eine Directorin einer Menge von wohlthätigen Anstalten, des von der Königin Charlotte gestifteten Gebärhauses, – der Waschsfrauen-Freistätte – der britischen Tambourstöchter

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Heimath u. s. w. u. s. w. Sie ist ein Muster von einer Matrone.

Es hat noch keinen Geschäft-Mann gegeben, der hätte sagen können, daß sie seine Rechnung nicht streng am Tage nach Ablauf des Vierteljahres bezahlt hätte.

Die Bettler der Nachbarschaft vermeiden sie, wie eine Pest, denn wenn sie, von John beschützt, ausgeht, so hat der Domestik für bedürftige Leute stets zwei bis drei Suppenbillets zur Verfügung. Zehn Guineen jährlich sind für alle ihre Almosen hinreichend.

Es giebt in ganz London keinen respectableren Namen, der für eine solche Summe Geldes öfter gedruckt würde.

Jene drei Hammelcoteletts, welche Ihr zur Küchenthür hereinkommen seht, werden diesen Abend um sieben Uhr auf dem Familiensilbergeschirr aufgetragen werden, wobei der ungeheure Lakai, und der schwarzgekleidete Kellermeister gegenwärtig ist, und das Wappen und der Helmschmuck der Scrapers überall blitzt.

Ich bemitleide Miß Emilie Scraper – sie ist noch jung, jung und hungrig. Ist es Thatsache, daß sie ihr Taschengeld in Dreierbroten ausgiebt? Boshafte Zungen behaupten es, aber die arme, kleine, hungrige Seele hat nur wenig für Dreierbrote übrig! Denn das Wahre an der Sache ist, daß wenn die Lakaien und die Kammerjungfern, und die gemietheten, dicken Kutschpferde, und die sechs Diners in der Saison, und die beiden großen, feierlichen Abendgesellschaften, und die

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Miethe des großen Hauses, und die Herbstreise nach einem englischen, oder ausländischen Badeorte bezahlt sind, das Einkommen der Dame auf eine sehr geringe Summe zusammengeschrumpft, und sie eben so arm ist, wie Ihr oder ich.

Man würde es nicht denken, wenn man ihre große Carosse zum Lever heranrasseln sieht, und einen Blick auf die Federn, Schleifen und Diamanten wirft, die über dem rothen Haar und der majestätischen Habichtsnase der Dame schwanken – man würde es nicht denken, wenn man um Mitternacht schreien hörte: Lady Susanne Scrapers Wagen! daß ganz Belgravia im Schlafe gestört wird – man würde es nicht denken, wenn sie in die Kirche rauscht, und der dienstfertige Johann hinter ihr mit dem Gebetbuchbeutel kommt.

Ist es möglich, würdet Ihr sagen, daß eine so große Ehrfurcht erweckende Personnage, wie sie, kein Geld haben kann? – So ist es leider.

Ich will mich verbürgen, daß sie in dieser gottlosen und gemeinen Welt nie das Wort Snob gehört hat, und, o ihr Sterne und Hosenbänder – wie würde sie zusammenschrecken, wenn sie hörte, daß sie – die ernst, wie Minerva - die keusch, wie Diana ist, – ohne die gemeine Neigung zur Jagd, welche jene heidnische Göttin besitzt – daß sie ebenfalls ein Snob sei!

Ein Snob ist sie, so lange sie den ungeheuern Werth auf sich, ihren Namen und ihre äußere Erscheinung

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legt, und sich der unleidlichen Prunkhaftigkeit hingiebt; so lange sie, wie Salomo, in aller ihrer Herrlichkeit umherstolzirt, so lange sie – wie ich von ihr überzeugt bin – mit einem Turban und Paradiesvogel darauf, und einer Hofschleppe an ihrem Nachtkleide, zu Bette geht, so lange sie so unerträglich tugendhaft und herablassend ist, so lange sie nicht wenigstens einen von jenen Lakaien, zum Vortheil der jungen Damen, in Hammelcoteletts verwandelt.

Was ich von ihr weiß, habe ich von meinem alten Schulkameraden, ihrem Sohne Sidney Scraper, einem Kanzleigerichts-Advocaten, ohne Praxis, dem ruhigsten höflichsten und gentilsten aller Snobs erfahren, der nie seine zweihundert Pfund des Jahres überschritten hat, und den man allabendlich im Oxford- und Cambridge-Clubb, beim tadellosen Genusse seines halben Pintes Portwein, mit der Quarterly-Review in der Hand, sitzen sehen kann,


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Siebentes Kapitel.
Ueber einige respectable Snobs.

Seht das Haus neben Lady Susanne Scraper an; das erste Haus, mit der Marquise über der Thür, die diesen Abend für die Freunde des Sir Alured und der Lady S. de Mogyns, deren Gesellschaften von dem Publikum und den Gebern selbst so sehr bewundert werden, herabgelassen werden wird.

Pfirsichfarbene, mit Silber verbrämte Livreen und erbsengrüne Plüsch-Unaussprechliche machen die de Mogyns’schen Lakeien zum Stolze des Ringes, wenn sie in Hyde-Park erscheinen, wo sich Lady de Mogyns, auf ihren seidenen Kissen sitzend und ihren Zwergwachtelhund in den Armen haltend, nur gegen die ausgewähltesten, vornehmen Leute verbeugt.

Die Zeiten haben sich jetzt mit Marie Anna, oder, wie sie sich selbst nennt, Marianne de Mogyns verändert.

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Sie war die Tochter des Capitains Flack, von den Rathdrummer leichten Truppen, der vor einer Menge von Jahren mit seinem Regimente von Irland nach Caemiarthenshire kam und Wales gegen den corsischen Eroberer vertheidigte.

Die Rathdrummer lagen zu Pontydwdlm im Quartier, wo Marianne ihren de Mogyns, einen jungen Bankier des Ortes, heirathete. Seine Aufmerksamkeiten gegen Miß Flack auf einem Wettrennballe waren so markirt, daß ihr Vater sagte: de Mogyns müsse entweder auf dem Felde der Ehre sterben, oder sein Schwiegersohn werden. Er zog das Heirathen vor. Sein Name war damals Muggins, und sein Vater ein gedeihlicher Bankier, Armeelieferant, Schmuggler und Geschäftemacher im Allgemeinen, enterbte ihn fast wegen dieser Verbindung. Man erzählte sich, daß Muggins sen. zum Baronet gemacht worden sei, weil er einem k – n – gl – ch – n Pr – nz – n Geld geliehen habe. Ich glaube es nicht. Die k – n – gl –ch – e Familie hat stets, vom Prinzen von Wales abwärts, ihre Schulden bezahlt.

Wie dem auch sein mag, so blieb er doch bis zu seinem Lebensende Sir Thomas Muggins und vertrat auf viele Jahre nach dem Kriege Pontydwdlm im Parlamente.

Im Laufe der Zeiten starb der alte Bankier und hinterließ ein schönes Vermögen. Sein Sohn, Alfred

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Smith Mogyn, erbte den größten Theil seiner Reichthümer, so wie seine Titel und die blutigen Hände auf seinem Wappen. Erst viele Jahre nachher trat er als Alured Mogyns Smyth de Mogyns auf, und die Genealogie, welche ihm der Redakteur von „Fluke’s Adelskalender“ ausfindig gemacht hatte, erscheint, wie folgt, in diesem Werke.

„De Mogyns, Sir Alured Mogyns Smith, zweiter Baronet. Dieser Gentleman ist der Vertreter einer der ältesten Familien von Wales, deren Abstammung sich im Nebel des Alterthums verliert. Ein Stammbaum, welcher mit Sem beginnt, befindet sich im Besitz der Familie und ist, einer mehrere tausend Jahre alten Legende zufolge, von einem Enkel des Patriarchen selbst auf Papyrus geschrieben worden.

„Dem mag nun sein, wie ihm wolle, in keinem Falle kann ein Zweifel an dem ungeheuren Alter der Smogyns existiren.

„Zur Zeit Boadicäa’s war Bogyn Mogyn von den hundert Ochsen ein Nebenbuhler des Caractocus und Bewerber um die Hand jener Prinzessin. Er war ein Mann von gigantischer Statur und wurde in der Schlacht, welche der Freiheit Britanniens ein Ende machte, von Suetonius erschlagen. Von ihm stammen die Fürsten von Pontydwdlm in directer Linie ab. Mogyn von der goldenen Harfe – siehe das Mabinigion

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der Lady Charlotte Guest – Bogyn-Merodacap-Mogyn – der schwarze Damonensohn des Mogyn – und eine lange Reihe von Barden und Kriegern, die in Wales wie in Armorika berühmt sind. Die unabhängigen Fürsten von Mogyn hielten sich lange gegen die grausamen Könige von England, bis sich endlich Gam Mogyns dem Prinzen Heinrich, Sohne Heinrichs des Vierten – unterwarf und unter dem Namen Sir David Gam de Mogys in der Schlacht von Agincourt auszeichnete.

„Von ihm stammt der gegenwärtige Baronet ab – und hier folgt die Geschlechtsreihe, der Ordnung nach, bis zu – Thomas Muggins, erster Baronet von Pontydwdlm Castle, dreiundzwanzig Jahre lang Parlamentsmitglied für diesen Burgflecken, dessen Sohn Alured Mogyn Smith, der gegenwärtige Baronet, ist vermählt mit Marianne, Tochter des verstorbenen Generals P. Flack, von Pally Flack im Königreiche Irland, von dem Grafen Flack des heiligen römischen Reiches.

„Sir Alureds Nachkommen sind Alured Carabas, geboren 1819 Marianne 1811, Blanche Adeliza, Emilie Doria, Adelaide Orleans, Cathinka Rostopschin, Patrick Flack, gestorben 1809.

„Wappen – ein gestreifter Barbel, gueules auf einem Roste. Helmschmuck: ein Zaunskönig rampant regardant. Motiv: Ung roy, ung mogyn.“

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Es dauerte lange, ehe Lady de Mogyns als Stern der vornehmen Welt erglänzte. Anfänglich befand sich der arme Muggins in den Händen der Flacks, der Clancys, der Tooles und der Shanahans, der irischen Verwandten seiner Gattin, und so lange er noch nicht seinen Vater beerbt hatte, strömte in seinem Hause der Claret und der nationale Nektar für seine irischen Verwandten. Tom Tufto verließ sogar die Straße, wo sie in London wohnte, weil sie, sagte er, von so einem verwünschten Whiskygeruche aus dem Hause jener Irländer angesteckt wäre.

Im Auslande lernten sie das Vornehmsein. Sie drängten sich in ausländische Höfe und bahnten sich einen Weg in die Hallen der Gesandten; sie stürzten sich wie Habichte auf einzelne Aldelige und bemächtigten sich junger, mit ihren Bärenführern reisender Lords. Sie gaben Gesellschaften in Neapel, Rom und Paris; an dem letztern Orte wußte sie einen königlichen Prinzen in ihre Gesellschaften zu ziehen und hier erschienen sie zuerst unter dem Namen de Mogyns, welchen sie noch jetzt mit solchem Glanze tragen.

Man erzählte sich alle mögliche Geschichten über die verzweifelten Anstrengungen, welche die unerschrockene Lady de Mogyns gemacht hat, um die Stellung, welche sie jetzt einnimmt, zu erringen. Und diejenigen von meinen geliebten Lesern, welche sich in den Mittelclassen bewegen und mit den rasenden Kämpfen, den boshaften

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Fehden, den Intriguen, Cabalen und getäuschten Hoffnungen unbekannt sind, welche, wie ich gehört habe, in der vornehmen Welt herrschen, können Gott danken, daß sie wenigstens keine Snobs vom Stande sind. Die Intrigue, welche die de Mogynse anspannen, um die Herzogin von Buckskin in ihre Gesellschaften zu ziehen, würden einen Talleyrand mit Bewunderung erfüllen.

Sie verfiel in eine Gehirnentzündung, als sie keine Einladung zu Lady Aldermanbury’s thé dansant erhalten konnte und würde einen Selbstmord begangen haben, wenn nicht in Windsor ein Ball stattgefunden hätte. Folgende Geschichte habe ich von meiner Freundin Lady Clapperclaw selbst, der frühern Lady Kathleen O’Shaughnessy und Tochter des Earls von Turfanthunder.

„Als die odiöse verkleidete Irländerin, Lady Mugyns, sich anstrengte, um eine Stelle in der Welt zu erlangen und ihre häßliche Tochter Blanche einführte, sagte die alte Lady Clapperclaw – Marianne hat einen Buckel und macht keine gute Figur, aber sie ist die einzige Lady in der Familie – als die erbärmliche Polly Mugyins Blanche mit ihrer Rettignase und ihren Möhrenlocken und ihrem Rübengesichte einführte, verlangte sie, da ihr Vater auf dem Gute meines Vaters Kuhjunge gewesen war, – eifrig bemüht, von uns patronisirt zu werden, und fragte mich während einer eingetretenen Stille beim Diner des französischen

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Gesandten, Graf Volauvents, geradezu, warum ich ihr nicht eine Karte zu meinem Balle geschickt habe?

„– Weil meine Zimmer schon zu Voll sind, Sie, gnädige Frau, zu sehr gedrängt werden würden, denn sie nimmt so viel Raum wie ein Elephant ein, und übrigens wollte ich sie nicht haben, und das war genug.

„Ich dachte, daß sie an dieser Antwort genug gehabt haben würde; aber den Tag darauf stürzt sie sich weinend in meine Arme.

„– Liebe Lady Clapperclaw, sagte sie, – es ist nicht für mich, ich verlange es für meine theure Blanche. Das junge Geschöpf ist in seiner ersten Saison und nicht bei Ihrem Balle! Mein zartes Kind wird sich abhärmen und vor Kummer sterben. Ich verlange nicht danach, zu kommen; ich will zu Hause bleiben und Sir Alured in der Gicht pflegen. Ich weiß, daß Mrs. Bolster hingeht und sie wird Blanche’s Chaperon sein.

„– Sie haben auch nicht für den Rathdrummer Bettdecken- und Kartoffelfond subscribiren wollen, Sie, die aus dem Kirchspiel kommen, sage ich, –und deren Großvater, der ehrliche Mann, dort Kühe gehütet hat.

„– Werden zwanzig Guineen genug sein, liebste Lady Clapperclaw?

„– Zwanzig Guineen sind genug, sage ich, und sie bezahlt sie, und darauf sagte ich:

„– Blanche darf kommen, aber Sie nicht, merken

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Sie das wohl, und sie verließ mich mit einer Welt von Dankbezeugungen.

„Sollten Sie es glauben? als mein Ball kam, erschien das abscheuliche Weib mit ihrer Tochter darauf! –– Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß Sie nicht kommen sollen? schrie ich in der größten Wuth.

„– Was würde die Welt gesagt haben! ruft meine Lady Muggins. – Mein Wagen ist fortgegangen, um den Sie Alured aus dem Clubb zu holen. Lassen Sie mich nur zehn Minuten dableiben, liebste Lady Clapperclaw.

„– Nun, da Sie einmal da sind, Madam, so können Sie bleiben und Ihr Abendbrot verzehren, antwortete ich, und damit verließ ich sie und sprach den ganzen Abend kein Wort mehr mit ihr.

Und nun kreischte die alte Lady Clapperclaw und schlug ihre Hände zusammen und sprach mit noch mehr irischem Dialect, als bisher: „und was denken Sie, hat, nach meiner Güte gegen sie, die gottlose, abscheuliche, unverschämte Emporkömmlingin von einer Kuhhirtenenkelin gethan? – sie hat mich gestern in Hydepark nicht kennen wollen und mir kein Billet zu ihrem heutigen Ball geschickt, obgleich es heißt, daß Prinz George hinkommen soll.“

Ja, so ist es. Auf dem Wettrennen der Vornehmheit hat die entschlossene und unermüdliche de Mogyns die arme, alte Clapperclaw überholt. Ihre Fortschritte

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in der Gentilität lassen sich nach den Freunden ermessen, welche sie besucht und erworben und hinter sich zurückgelassen hat. Sie hat so tapfer um eine Reputation in der vornehmen Welt gekämpft, daß sie ihn erworben hat und unbarmherzig eine Sprosse der Leiter nach der andern hinter sich herabgestoßen.

Zuerst wurden ihre irischen Verwandten aufgeopfert; sie ließ ihren Vater im Verwalterzimmer speisen, womit er vollkommen zufrieden war und würde den Sir Alured ebenfalls dorthin verbannen, wenn er nicht der Nagel, an welchen sie ihre künftigen Ehren zu hängen hofft – und vor Allem der Zahlmeister der Ausstattungen ihrer Töchter wäre. Er ist bescheiden und zufrieden; er ist seit so langer Zeit schon ein Gentleman, daß er sich daran gewöhnt hat, und spielt seine Vaterrolle sehr gut. Den Tag über geht er von dem Unionsclubb zu Arthurs und Von Arthurs nach der Union. Er ist ein eifriger Piquetspieler und verliert im Whist ein sehr behagliches Einkommen an einige junge Burschen im Clubb der Reisenden.

Sein Sohn hat seines Vaters Sitz im Parlamente eingenommen und sich natürlich dem jungen England angeschlossen. Er ist der einzige Mann im Lande, der an die de Mogynse glaubt und nach den Tagen seufzt, wo die de Mogynse in der Schlacht in den ersten Reihen kämpften. Er hat ein kleines Bändchen erbärmlicher, wässeriger Gedichte geschrieben; er

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trägt eine Haarlocke des Bekenners und Märtyrers Laud auf der Brust und ist in Ohnmacht gefallen, als er in Rom die Zehe des Papstes küßte. Er schläft in weißen Glacéehandschuhen und begeht gefährliche Excesse in grünem Thee.


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Achtes Kapitel.
Große City-Snobs.

Es läßt sich nicht verhehlen, daß diese Reihe von Aufsätzen unter allen Classen im britischen Reiche ungeheure Sensation erregt. In Mr. Punchs Briefkasten ergießt sich fortwährend eine Fluth von bewundernden, anfragenden, vorstellenden, billigenden oder schmähenden Billets. Wir sind zur Rechenschaft gezogen worden, weil wir die Geheimnisse dreier verschiedener Mogynsischer Familien verrathen haben. Man hat nicht mehr als vier Lady Susanne Scrapers entdeckt, und die jun- gen Männer werden ordentlich scheu, im Clubb ein halbes Pint Portwein zu bestellen und über der Quarterly Review zu sitzen, damit sie nicht für Sidney Scraper, Esq., gehalten werden mögen.

„Weshalb können Sie nur solchen Widerwillen gegen Bakerstreet haben?“ fragt eine schöne Vorstellerin, die offenbar aus jener Gegend schreibt.

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„Warum greifen Sie nur die aristokratischen Snobs an?“ sagt ein schätzenswerther Correspondent; „sollen nicht die snobbischen Snobs auch an die Reihe kommen?“

„Fallen Sie über die Universitäts-Snobs her!“ schreibt ein entrüsteter Gentleman – der elegant mit zwei l schreibt.

„Stellen Sie den geistlichen Snob vor der Welt her,“ räth ein Anderer.

„Vor einiger Zeit, als ich in Maurice’s Hotel in Paris war,“ deutet ein Witzling an, „sah ich den Lord Brougham aus dem Fenster lehnen; er hatte seine Stiefeln in der Hand Und schrie: – Garcon cirez moi ces bottes! Sollte er nicht auch unter die Snobs gebracht werden?“

Nein, weit entfernt davon. Wenn die Stiefeln Seiner Herrlichkeit schmutzig sind, so kommt es daher, weil er Lord Brougham ist und zu Fuße geht. Es liegt nichts snobisches darin, nur ein Paar Stiefeln, oder ein Lieblingspaar zu besitzen, und keinenfalls ist es snobisch, zu wünschen, daß sie gereinigt werden. Lord Brougham verrichtete, als er dies that, eine vollkommen natürliche und gentlemännische Handlung, über welche ich mit ihm so zufrieden bin, daß ich ihn in einer günstigen und eleganten Attitüde habe zeichnen lassen.

Die nächsten in der Hierarchie sind die großen City-Snobs und müssen in Betracht gezogen werden. Hier ist aber eine Schwierigkeit. Der große City- Snob

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  1. Vorlage: seinem Munde