Benutzer:Ogmios/Sagen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Bergmönch (1920)[Bearbeiten]

[26]
Wie der Bergmönch einer Bergmannsfamilie geholfen hat.

     Es ist einmal ein armer Bergmann gewesen. Dessen Frau bekam ihr siebentes Kind. Das hat dem Bergmann nun große Sorge gemacht, denn er hatte schlechte Stroffe gehabt, und also hat der Lohn nicht reichen wollen. Eines Abends saß er mit seiner Frau trübselig zusammen. Da klopfte es an die Tür. Gleich darauf trat jemand recht fest auf, und der Bergmönch kam herein, gab beiden die Hand und sprach: „Ihr seid ehrliche Leute, ich weiß es, darum will ich euch aus der Not helfen.“ Damit gab er der Frau enen Packen Flachs, klar wie die Sonne. Dem Manne aber gab er ein Stück Inselt und befahl den beiden, niemand etwas davon zu sagen. Damit verschwand er. Der Flachs aber hat nicht abgenommen, solange die Frau auch davon spinnen mochte, und der Inselt ist niemals verbrannt. Der Bergmann hat davon sein Leben lang das Grubenlicht füllen können. Nach Pröhle, Harzsagen

Der schwarze Hund vom Treibholz (1929)[Bearbeiten]

[50]
Der schwarze Hund vom Treibholz.
Von Albert Bock, St. Andreasberg i.H.


     In einer warmen Sommernacht saß eine Bergmannsfrau in ihrem Häuschen im Sperrentale bei St. Andreasberg mit dem Strickzeug am Fenster und wartete auf ihren Eheherrn, der um 1 Uhr nachts von der Spätschicht nach Hause kommen mußte. Heller Mondschein lag über Wald und Feld, und der Duft von frischgemähtem Gras drang durch das offene Fenster ins Zimmer. Kein Laut ringsum, nichts störte die heilige Stille. Des Mondes Silberlicht war so stark, daß die Frau auf eine weite Entfernung hin alles klar zu überblicken vermochte. Sie stand auf von ihrem Stuhl, beugte sich aus dem Fenster und spähte die Straße entlang, auf der ihr Mann immer heimkam. Da schlug es 12 Uhr vom Glockenturm, – die Mitternachtsstunde. Es war noch zu früh, jetzt konnte ihr Heinrich, so hieß ihr Mann, noch nicht heimkehren. So ging sie an ein anderes Fenster, das an der Rückseite des Hauses, nach der Bergseite zu, lag. Ein schmaler Weg führte dort vorbei, den Berg hinan und dem Treibholze zu. Als sie nun ein Weilchen aus diesem Fenster hinaus geschaut hatte, sah sie plötzlich vom Treibholze her einen großen, schwarzen Hund kommen. Sie wunderte sich darüber, und ihr Erstaunen wurde zum Entsetzen, als sie den Hund näher betrachtete. Es war ein gräuliches, struppiges Tier mit Augen, die wie Feuer leuchteten, mit einem rotglühenden, feuerspeihenden Rachen, aus dem eine lange Zunge hing. In ihrer Todesangst bekreuzigte sie sich und stammelte ein Vaterunser. Da war der Hund auch schon an ihrem Häuschen vorüber, lief über die Brücke der Sperrlutter und von da weiter die Straße entlang, die ihr Heinrich kommen mußte. Nun packte sie eine heiße Angst, laut und hart pochte ihr Herz, und am liebsten wäre sie ihrem Manne entgegengeeilt, wenn die lähmende Furcht sie nicht zurückgehalten hätte[WS 1]. Sie wartete von Schrecken und Grauen geschüttelt, doch ihr Heinrich kam nicht, und als die Glocken die zweite Stunde des neuen Tages verkündeten, war er immer noch nicht da. Jetzt weinte sie bitterlich und schluchzte: „Was mag ihm nur passiert sein, der Hund hat ihm sicher etwas Böses angetan!“ Eine große Unruhe trieb sie hin und her. Endlich gegen 3 Uhr morgens kam der sehnlichst Erwartete heim und war erstaunt, seine Frau noch wachend anzutreffen. Weinend warf sie sich an ihres Mannes Brust und frug: „Heinrich, wo warst Du, ich habe mich ja so sehr gefürchtet und mich um Dich gebangt.“ Dieser beruhigte nun seine Frau, schalt mit ihr und sagte, sie sei eine kleine Närrin, die in Zukunft rechtzeitig schlafen gehen sollte. Doch auf ihre nochmalige Frage nach seinem Verbleib, erzählte er ihr: „Denk Dir einmal, was mir passiert ist. Als ich auf dem Heimweg von der Grube bin, sehe ich vor dem Hause des Hufschmiedes, dort, wo die beiden hohen Bäume stehen, den Kameraden Sch. liegen. Ich stoße ihn an, er regt sich aber nicht. Ich rüttele ihn und denke, hat der aber einen über den Durst getrunken. Als er jedoch gar kein Lebenszeichen von sich gibt, glaube ich, daß ihm doch wohl etwas Ernsteres fehlen müsse. Ich lade ihn mir also auf den Rücken und trage ihn nach seinem Hause. Als dieses nun geöffnet wird und die Frau des Kameraden und ich den Bewustlosen aufs Bett gelegt haben, bittet mich die Frau, doch den Herrn Oberbergchirurg A. zu holen. Ich eile fort und der Arzt kommt gleich mit. Bald nun hat er den Kameraden so weit, daß er ein paar Worte spricht. Er redet wirre Sachen von einem großen, schwarzen Hund mit feurigen Augen, schaurig anzuschauen, dem aus einem Feuerspeienden Rachen eine lange Zunge hängt. Als das Tier auf ihn losgesprungen wäre, sei alles Leben aus ihm gewichen. Unser Herr Oberbergchirurg schüttelte den Kopf, untersuchte den Kranken, konnte aber keine Verletzung feststellen. Er blieb dann noch bei ihm und sprach beruhigend auf ihn ein. Ich bin dann heingegangen.“ – Darauf [51] erzählte ihm seine Frau: „Auch ich habe den Hund gesehen, genau so, wie ihn Dein Kamerad geschildert hat. Dort hinten vom Treibholze ist er gekommen, über die Brücke und die Straße gelaufen, von woher Du kommen mußtest. Deinem armen Kameraden ist er begegnet, und der hat sich erschreckt, daß ihm das Blut erstarrte. Wie leicht hätte es Dir ebenso ergehen können. O, was habe ich für eine Angst um Dich ausgestanden.“ Ihr Mann schwieg lange Zeit und hub dann an: „Als ich noch ein Kind war, hat mein Großvater mir erzählt, daß es auf dem Treibholz nicht ganz geheuer sei. Dort soll vor langen, langen Zeiten ein Schloß gestanden haben, dessen Bewohner sehr böse Menschen waren. Nichts war ihnen heilig, sie nahmen, was ihnen nicht gehörte, und was ihnen in den Weg trat, mußte sein Leben lassen. Schon lange hatte das himmlische Strafgericht gedroht. Sie trieben es jedoch immer ärger, und als sie einmal wieder von einem Raubzug zurückgekehrt waren und ein höllisches Fest feierten, brach es, als ihre Bosheit reif geworden war, plötzlich über sie herein. Schreckliche Blitze zuckten hernieder, und mit furchtbarem Krachen barst der Berg auseinander. In Feuer und Rauch versanken das Schloß und seine Bewohner. Die unermeßlichen Schätze aber, die sie angesammelt, werden da unten, tief im Innern des Berges, von einem feurigen Hunde bewacht, der jeden zerrreißt, den es nach den Schätzen gelüstet. Nur einmal alle hundert Jahre verläßt dieser den Ort, kommt an die Erdoberfläche, und wem es dann glückt, während seiner Abwesenheit an den Schatz heranzukommen, kann sich so viel davon nehmen, daß er genug für sein ganzes Leben hat. – Heute waren gewiß wieder einmal hundert Jahre um, und wenn Du den Hund so genau gesehen hast, muß es wahr sein, was mir mein alter Großvater immer von dem großen Schatz im Treibholze zu erzählen wußte.“

Aus dem Sagenschatz des Oberharzes (1931)[Bearbeiten]

[54]
Aus dem Sagenschatz des Oberharzes.


     Im Erzgebirge und im Oberharzer weben sich eine Reihe wunderbarer Sagen um den Beruf des Bergmannes. Dort wie hier steht ein Bergmann im Mittelpunkt der Erzählungen, der seinen Kameraden als Mönch gekleidet erscheint und darum den Namen Bergmönch trägt. Im Erzgebirge und im Oberharz ging der erste Bergbau von Klosterstätten aus. Mönche des Klosters Altencella, dessen Ueberreste noch in dem heutigen Gasthof „Klosterhof“ bei Clausthal-Zellerfeld erkennbar sind, waren hier die ersten Bergleute.

     Man kann daher mit großer Sicherheit annehmen, daß die Gestalt des Bergmönchs auf Jene ersten Bergleuten in Mönchskutte zurückzuführen ist.

     In den Bergwerken um Clausthal und St. Andreasberg ließ sich von Zeit zu Zeit ein Geist sehen, der die Kleidung eines Mönchs trug. Nur war er überlebensgroß und trug ein riesiges Unschlittlicht in seiner Hand. Dieses Licht besaß die wunderbare Eigenschaft nie zu verlöschen. Wenn die Bergleute morgens einführen, stand der Bergmönch mit seinem Lichte über der Einfahrt und ließ sie unter sich durchfahren. Aber auch in den Schächten ist er ihnen oft begegnet. Dort hielt er die Ordnung aufrecht. Er duldete kein Fluchen, kein Pfeifen, kein Schelten; er half, rettete und warnte den pflichtgetreuen Bergmann.

Bei St. Andreasberg war nun einmal ein Bergmann, der arbeitete in der Samsal (Samson). Er hatte viele Kinder und so wurde es ihm bitter schwer, seine Familie auskömmlich zu ernähren. Da hatte er nun schon oft an den Bergmönch gedacht, der ihm wohl aus seiner Not helfen könnte. Eines Morgens, bevor er einfuhr, Sagte er zu seiner Frau „Wollte Gott, es begegnete mir Heute der Bergmönch, ich wollte ihm mein ganzes Leid klagen, er würde mir vielleicht helfen.“ Seine Frau zwar versuchte ihm diesen Aberglauben auszureden. Er aber bleibt dabei und mit diesem Gedanken fährt er an. Als er nun an den Schacht kommt und einfahren will, ist der Bergmönch da tritt heran, drückt ihm Unschlitt auf seine Lampe; dann winkt er ihm, einzufahren. Der Bergmann glaubt den rechten Augenblick für gekommen und nähert sich dem Bergmönch. Dieser jedoch winkt ihm nochmals, ruhig an seine Arbeit zu gehen. Da gehorcht der Bergmann. Als er am Abend ausfährt, da tritt der Bergmönch wieder heran und drückt ihm einen „Knorbel“ in die Hand, ein großes Stück gewöhnlichen Gesteins. Der verwunderte Bergmann wagt nicht zu fragen; er kommt nach Hause und – – trägt statt des Steins einen Batzen reines Gold bei sich. An dem Unschlitt aber, das ihm der Bergmönch auf die Lampe gedrückt, hat er Zeit seines Lebens genug gehabt, denn es wurde niemals weniger.


     Oestlich von Clausthal-Zellerfeld liegt das Mönchstum. Seinen Namen verdankt es dem Bergmönch, der hier seinen Lieblingsaufenthalt gehabt hat. Dort hat es auch früher schon zahlreiche Gruben gegeben. Da ist der Bergmönch Oft in den Gruben erschienen, ja sogar manchmal in die „Bucht“ gekommen, die Geipelstube, wo sich die Bergleute an- und abmeldeten. So gewöhnten sich die Bergleute an den Bergmönch und haben keine Furcht mehr vor ihm gehabt. Aber manchmal hatte er seine Launen. Er hob die Schützen auf, daß man die Wasserräder nicht zum Stehen bringen konnte, oder er hielt die Kunst auf und erschreckte die Bergleute durch

mancherlei abenteuerliche Spiele und Neckereien. Dadurch wurde er schließlich den Bergleuten zur Last, und sie wollten ihn gern los sein. Endlich folgten ihm einmal einige Bergleute und legten, wo sie gingen, hölzerne Kreuze vor sich auf den Erdboden. Da ging der Bergmönch zuletzt in eine Schlucht hinein, welche im Hintergrund durch eine nackte Steinwand abgeschlossen war. Der Bergmönch blickte sich noch einmal um und schaute seine Verfolger zornig an. Darauf rührte er den Stein an, dieser öffnete sich, Und der Bergmönch verschwand. [55] Die Wand schloß sich hinter ihm mit Donnergetöse.

     Seit dieser Zeit ist der Bergmönch nicht wieder in die Gruben gekommen. Diese sind darauf alle überschwemmt. An der Stelle, wo der Bergmönch in den Felsen gegangen ist, war auf der Felswand das Bild des Berggeistes zu sehen.


     Auf dem Andreasberg hat sich früher in den Gruben ein gar merkwürdiges Wesen gezeigt, wie ein Ochse anzusehen; dann haben die Alten gesagt: „Calvör mit der Ochsenhaut geht um!“ Und damit verhielt es sich wirklich so.

     In ganz alter Zeit, als dort in den Gruben noch das Rotgülden gegraben wurde, ließ man keinen Bergmann aus der Grube, den man nicht am ganzen Körper untersucht gehabt hätte; so wertvoll war das Rotgülden. Da trug es sich zu, daß mehrere Bergleute nicht mehr aus der Grube zurückkehrten, auch war alles Suchen vergeblich. Und weil bald Tag für Tag Bergleute Fehlten, wurde die Belegschaft unruhig und verlangte nach Hilfe. Zwei mutige Bergleute erboten sich schließlich, in dem unheimlichen Stollen Obacht zu geben.

     Am ersten Tage merkten sie nichts. Doch am zweiten Tage merkten sie plötzlich ein unheimliches Brüllen, wie das eines Ochsen; in dem Augenblick kam auch ein gewaltiger Ochse aus dem Dunkel hervor und wollte sie in die Tiefe stürzen. Sie verstanden aber keinen Spaß, griffen zu den Fäusten und schlugen kräftig darauf los. Da hörte der Ochse auf zu brüllen und flehte sie mit einer menschlichen Stimme um Gnade an. Sie ließen sich auch erweichen; dann fiel die Ochsenhaut, und Steiger Calvör stand vor ihnen am ganzen Leibe zitternd. Er bat, sie möchten ihn doch nicht verraten, er habe ja die Bergleute immer erschreckt, ihnen auch das Rotgülden abgenommen und sie dann abgestürzt. Er bot ihnen Viel Schweigegeld, aber sie wollten den schnöden Lohn nicht und zeigten ihn an. Als sie ihn aus der Grube holen wollten, fanden sie ihn tief unten mit zerschmettertem Leibe; er hatte sich hinabgestürzt.

     Er fand aber noch keine Ruhe, sondern mußte lange Zeit umgehen; dann sagten die Bergleute: „Das ist Calvör mit der Ochsenhaut“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. fehlendes Wort eingefügt