Beschreibung des Oberamts Balingen/Kapitel B 10
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Der Ort hat über dem rechten Steilufer der Eyach kurz vor dem Einfluß des von der Lochen kommenden und über den Posidonienschiefer stürzenden Beutenbachs auf diesem Gestein und den Amaltheenthonen eine aussichtreiche freie und doch gegen Norden durch den Hirschberg und seine Ausläufer geschützte Lage. Die Eyach tritt zuweilen aus und verursacht Schaden. Ihr entlang läuft die Hauptstraße und jenseits weiter südlich, nahe am Wasserfall vorüber, jetzt die Eisenbahn. Der ziemlich weitläufige Ort mit ordentlich gehaltenen Straßen ist freundlich mit manchen alten z. Th. versegeschmückten Holzhäusern, auch durch Gärten und Kammerzen verschönert. Ganz oben an den ummauerten Kirchhof stoßend liegt Kirche und Pfarrhaus.
Die Kirche, ihrem Ursprung nach sehr alt, hat mehrfache Veränderungen erfahren. Sie zeigt jetzt einen starken vorstehenden aus dem Viereck ins Achteck übergehenden, zeltdachgedeckten Westthurm, während der frühere in der nördlichen Chorecke stand, und einen aus dem Achteck gebildeten, mit schönen spätgothischen Maßwerksfenstern geschmückten Chor. Die Südseite samt der in der südlichen Chorecke stehenden Sakristei hat frühgothisches, die Nordseite spätgothisches Fensterwerk. Vom Thurm aus tritt man durch ein Tonnengewölbe und eine schön umrahmte und im Kleeblatt geschlossene frühgothische Thür in das freundliche geräumige Innere; durch einen schön profilirten Chorbogen mit oben gekreuztem Stabwerk in den jetzt gleichfalls flachgedeckten Chor, aus dem eine gothische Thür, darüber ist das württembergische und das Balinger Wappen angebracht, in die Sakristei führt, welche ein schönes Sterngewölbe auf schildförmigen Konsolen mit agnus Dei im Schlußstein zeigt und auf den Stil des früheren Chorgewölbes zurückschließen läßt. Der Taufstein gleichfalls gothisch, anscheinend oben abgenommen. Am Aufgang zur Orgelempore (Westseite) sind Spuren von Fresken im Stil des 16. Jahrhunderts. Die Bilder seien biblischen Inhalts gewesen; sichtbar noch die Donatoren: Hans Gerber, Segmüller, und seine Frau Anna, mit ihrem Wappen, einem | halben Rade. Von den drei Glocken des Thurms ist die größte von Ludw. Neubert Stuttgart 1754; die mittlere zeigt die Namen der 4 Evangelisten und die Jahreszahl 1475; die kleinste ebenfalls in Minuskelschrift die Worte: ave maria gracia plena. Die Kirche ist vom Ortsheiligen zu unterhalten. – Das Pfarrhaus, dessen Baulast beim Staat, ist alt, aber sehr geräumig, mit prächtiger Aussicht. Das schöne 1871 erbaute Schulhaus enthält Wohnung und Lehrzimmer für einen ständigen und einen unständigen Lehrer. Das Rathhaus wurde 1833 eingerichtet. Außerdem besitzt die Gemeinde ein Armenhaus. Zwei hölzerne Brücken über die Eyach, einen Steg über dieselbe und ein steinernes Brücklein über den Dorfbach hat sie gleichfalls zu unterhalten.Die Quellverhältnisse sind ungünstig; das Wasser z. Th. schwefelhaltig und nicht immer zureichend, so daß aus der Eyach geschöpft werden muß; auch ist nur eine einzige kleine Wasserleitung mit hölzernen Teucheln vorhanden. Neben 2 laufenden gibt es 8 Pump- und ebensoviel Zieh- und Schöpfbrunnen.
Die kräftigen Einwohner, von denen einer 88 J. alt ist, sind fleißig, sparsam und kirchlich. Ihre Vermögensverhältnisse sind mittel. Der Vermöglichste besitzt etwa 36 M., der Mittelmann 10–15, Ärmere 3–4 M. Feld. Die Industrie ist nicht bedeutend. Einige Schuhmacher arbeiten nach außen. Auch wird gestickt und werden Flanellhemden genäht; 4 Schildwirthschaften und 2 Krämer dienen dem Verkehr. Von den zwei Mühlen hat jede 3 Mahlgänge und einen Gerbgang, sowie eine Säge mit Bretterhandel und eine Hanfreibe. Auch besteht eine Ölmühle. Industrie- und landwirthschaftliche Winterabendschule wird gehalten. Die mittelgroße, von W. nach O. ziemlich ausgedehnte Markung ist links der Eyach mehr eben, rechts bergig und reicht vom mittleren schwarzen bis zum mittleren braunen Jura. Ihr Boden ist demgemäß in der Hauptsache schwer, thonig und theilweise naßkalt, auf dem Posidonienschiefer nicht tiefgründig; im allgemeinen mittelfruchtbar. Das Klima ist ziemlich mild, wenn auch windig; Hagelschlag selten. Die Landwirthschaft ist in gutem Zustand und wird durch die Feldregulirung noch verbessert werden. Kompost, Asche, Gips und die sorgfältig gesammelte Jauche verbessern den Boden. Der Pflug ist der Wendepflug; auch eiserne Eggen werden verwendet. Von der Brache wird 3/4 angebaut mit Kartoffeln, Klee, Wicken, Kleegras. Hanf wird für den Hausbrauch, Hopfen zum Verkauf | gebaut. Die Hauptfrüchte sind Dinkel, Haber, Gerste; weniger Weizen, Roggen, Einkorn, Emer. Der Futterbau ist nicht von besonderer Bedeutung. Von 10 Sri. Dinkel auf den Morgen erntet man 8–9 Schffl., von 3–4 Sri. Gerste 5–6 Schffl., von 5 Sri. Haber 4–5 Schffl., von 4 Sri. Weizen 4 bis 5 Schffl., von 3–4 Sri. Roggen 3–4 Schffl. Es können etwa 2–300 Schffl. Dinkel und 50 Schffl. Haber verkauft werden. Der Wiesenbau ist ausgedehnt und sein Erzeugnis gut; der Morgen erträgt 24 Ctr. Heu und halb so viel Öhmd. Gemüsebau nur für eigenen Bedarf; noch etwas Weinbau (ungefähr 6 Morgen), der letzte Rest des alten Balinger Weinbaus. Auf dem Morgen stehen etwa 2000 Stöcke, welche meist nicht bezogen werden: weiße Elblinge und blaue Klevner. Wein wird keiner bereitet (Kelter um 1824 abgebrochen), die Trauben verkauft. Die Obstzucht ist ausgedehnt und im Zunehmen, obgleich die Frühlingsfröste manchmal schaden. Kernobst wiegt vor. Die Jungstämme werden in der Gemeinde- und in Privatbaumschulen gezogen, und ein Baumwart ist aufgestellt. Das Obst wird zum Mosten, Dörren und Brennen verwendet, auch ziemlich viel nach außen verkauft.Die Gemeinde besitzt 330 M. Nadelwald, mit einem Jahresertrag von 514 Fm. und 3000 Wellen, wovon der Bürger 2 Rm. und 10 Wellen erhält, während 2500 M. in die Gemeindekasse fließen. Die Gemeindeweiden betragen 65 M., sind gut und werden mit fremden Schafen (250 St.) befahren, was jährlich 700–1000 M. an Pacht und 500 M. für Pferchnutzung einbringt. Die Allmanden sind, außer einigen Wiesen zur Farrenhaltung, an die Bürger verliehen und tragen 186 M.
Pferdezucht findet nicht statt; dagegen ist die Rindviehzucht in gutem Stand und hat die Gemeinde 3 Farren, theils Simmenthaler, theils Landrace, aufgestellt. Stallfütterung ist allgemein; Viehhandel nicht bedeutend. Schweinezucht wird mit etwa 20–30 Mutterschweinen getrieben und Ferkel (englischer und gekreuzter Race) nach außen abgesetzt. Auch können jährlich 100–150 Mastschweine nach außen verkauft werden.
Gänse- und Hühnerzucht ist nicht unbedeutend, und werden Eier verkauft. Auch die Bienenzucht ist im Zunehmen; Wachs und Honig wird verkauft. Fischerei und Krebsfang findet nicht statt.
Einige Brot-, Kranken- und Bücherstiftungen sind vorhanden.
| Frommern wird früher Frumara, Frumarn, Frumerun, Frumarom, Fromer, Flumarun u. s. w. geschrieben und es ist der Name schon mit dem althochdeutschen frum (efficax, utilis – Förstemann a. a. O. 2, 591), aber auch mit frumâri (minister, Diener) als ein Pluralis ze den frumarin (Buck in Württ. Vierteljahrsheften 2, 219) in Verbindung gesetzt worden.Der Ort tritt in der Geschichte erstmals auf im J. 793 durch Besitz, welchen das Kloster St. Gallen allda von der gestürzten gottfriedischen Herzogsfamilie erwarb (S. 338). In einer Urkunde dieses Klosters wird derselbe noch weiter den 8. Februar 838 genannt (Wirt. Urkb. 1, 112) und das Kloster war überhaupt nach seinen noch vorhandenen Zinsrodeln im Beginn des 13. Jahrhunderts hier sehr stark begütert und berechtigt; auf seinem hiesigen Hofe war im J. 1266 ein Maier Trageboto (Zeuge in einer Kl. Kirchberger Urkunde)[1].
Noch aus späterer Zeit ist Besitz des Klosters allhier bezeugt: den 22. Juli 1309 sühnte Graf Friedrich von Schalksburg den Schaden, welchen er dem Pförtner des Klosters, Hiltebold von Werstein, auf den Höfen zu Frommern und Truchtelfingen gethan (Mon. Zoller. 1, 123); im J. 1312 besaß St. Gallen gemeinschaftlich mit dem Pfalzgrafen Gottfried (I) von Tübingen Wernhers des ehrbaren Manns, Maiers von Fr., eheliche Frau und Kinder als Leibeigene (Schmid, Pfalzgrafen 334) und den 26. Juli 1370 gelobte Graf Friedrich von Zollern zu Schalksburg mit mehreren Gliedern des Geschlechts, daß sie seinen Sohn Gr. Friedrich, Chorherrn zu St. Gallen, hinsichtlich der ihm vom Kloster verliehenen Klosterlehen, der Probstei Zaiselhausen, der Höfe zu Truchtelfingen und Frommern nicht irren und kränken wollen (Monum. Zolleran. 1, 213). (Vgl. auch alsbald hernach).
Der Ort selbst gehörte übrigens zur zollerischen Herrschaft Schalksburg, bis Graf Mülli und seine Gattin den 3. November 1403 mit derselben auch Fromar und als Sanktgallisches Lehen den dortigen Frohnhof an Württemberg verkauften (S. 279, vergl. auch S. 283). Noch am 31. Mai 1380 hatte die Gräfin Beatrix von Zollern, Klosterfrau zu Stetten, für ihren Bruder Grafen Friedrich einen Jahrtag im genannten Kloster auch mit | Zinsen aus einem hiesigen Hofe gestiftet (Mon. Zolleran. 1, 236).Unbedeutenderen oder nur vorübergehenden Besitz am Orte, sowie sonstige Einzelheiten zur Geschichte desselben betreffend, kann folgendes erwähnt werden:
Den 1. Okt. 1381 stifteten Heinz der Keller von Frumarn und seine Frau Demut zu dem Afraaltar in der niederen Kirche zu Balingen 2 Mltr. Vesen jährlicher Zinsen aus hiesigen Gütern; den 7. August 1464 entschied der Rosenfelder Vogt Albrecht von Sünchingen mit seinen Zusätzen im Anschluß an einen Vergleich Graf Sigmunds von Hohenberg in derselben Sache einen Streit zwischen Frommern und Balingen wegen der Markungsgrenzen (Balinger Vertragsbuch); den 9. Dezember 1477 verkaufte Melchior Sätzlin, Bürger zu Balingen, den genannten Fronhof allhier um 27 fl. Rh. an die untere Klause zu Balingen; den 15. Juni 1498 verglichen die Gemeinden Balingen und Frommern einen Streit wegen Zwing, Bänn und Weide an dem Brand in der Widemwiese und in demselben Thale in Ludwig Mayers Wiese; den 1. August 1545 dsgl. die Gemeinden Dürrwangen und Frommern einen solchen wegen der Bannmark auf Burren genannt; den 30. März 1558 entschieden Schultheiß, Bürgermeister und Gericht zu Balingen einen Streit zwischen Dürrwangen und Frommern in Betreff einer gemeinen Weide; den 10. Mai beziehungsweise 10. Juni 1613 verglichen sich die Gemeinden Frommern, Waldstetten, beziehungsweise auch Weilheim wegen Viehtriebs und Weidgangsgerechtigkeit. – Das Landbuch von 1624 nennt dahier eine Mahl- und Sägmühle, die Büblinsmühle genannt, und eine dem Johann Friedrich von Degernau gehörige Mahl-, Säg-, Schleif-, Würtz- und Stampfmühle. – Im J. 1652 wurden hier noch ungefähr 14 Morgen Weingärten gebaut (vgl. oben S. 290 Anm.).
Nach Röders öfters erwähntem Lexikon von Schwaben zählte Frommern 749 Seelen.
Dahier wurde am 14. November 1826 als Sohn des Pfarrers Lang geboren Heinrich Lang, Pfarrer an St. Peter zu Zürich, bekannter freisinniger Theologe, † 13. Januar 1876 zu Zürich (vergl. Heinrich Lang von A. E. Biedermann. Zürich 1876. Heinrich Lang, Lebensbild eines freisinnigen Theologen v. Karl Ed. Mayer. Basel 1877. Theological Review vom Juli 1877 [vergl. dazu Protestant. Kirchenzeitung für das evg. Deutschland 24. Jahrg. 1877 Sp. 744 ff]).
In kirchlicher Hinsicht ist hervorzuheben: nach einem alten Verzeichnis der Sanktgallischen Patronatspfarreien, welches wohl ums J. 1200 zu setzen ist, gehörten die Kirchen zu Frumerrun und zu Truhtolvingin zu denselben (Mitth. zur vaterl. Gesch. 13, 224). Der Pfarrsatz bildete ohne Zweifel eine Zugehörde des öfters erwähnten, im J. 1403 an Württemberg verkauften Fronhofs. | Daß der Eberhardus plebanus de Vrumarun, welcher den 12. Juli 1228 als Zeuge des Abts Konrad von St. Gallen erscheint, auf unser Frommern zu beziehen sei, ist wenigstens sehr wahrscheinlich (Zeitschr. f. Gesch. d. Oberrheins 3, 466) und im J. 1275 wird jedenfalls ein hiesiger Pfarr-Rektor (S. 228), im J. 1382 Pfaff Sahs Kirchherr zu Frommern (Balinger Vertragsbuch) erwähnt. Vorübergehend war Weilheim schon vor der Reformation hierher eingepfarrt (s. u.).Vor dem genannten Zeitpunkt, spätestens am Schluß des 15. Jahrhunderts, bestand hier auch eine Frühmeßkaplanei, deren Haus, Scheuer, Hof, Wiesen und Äcker im J. 1544 von Hans Schneider zu Frommern als Erblehen der geistlichen Verwaltung Balingen um 304 Pfd. Hllr. abgekauft wurde. – Bei den Kapelläckern stund einst die St. Wendelskapelle.
- ↑ Über Besitz des Klosters Reichenau allhier (vergl. Gall Oheims Chronik von Reichenau 20, Geschichte des Hauses Geroldseck, Urkk. S. 8) ist urkundlich nichts erhalten.
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