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Beschreibung des Oberamts Brackenheim/Kapitel B 19

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Niederhofen,


Gemeinde III. Kl. mit 670 Einw. – Ev. Pfarrei; 2 Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt gelegen.

Der nicht unfreundliche reinliche Ort liegt anmuthig im oberen Leinthal und ist theils in die Thalebene, theils an den leicht gegen Südosten geneigten Thalabhang lang gestreckt hingebaut. Durch den Ort führt der Länge nach die gut unterhaltene Vicinalstraße von Schwaigern nach Klein-Gartach und an ihr, wie auch an den ziemlich breiten gut gehaltenen Nebenstraßen, lagern sich etwas unregelmäßig und gedrängt die einfachen, nicht selten minder ansehnlichen ländlichen Wohnungen, von Obstbaumgärten freundlich umgeben. Der Ort war früher ummauert und hatte drei Thore: das Pfälzerthor an der Nordwestseite des Orts am Weg nach Stebbach, das Heilbronner Thor an der Ostseite und das Klein-Gartacher Thor an der Westseite des Dorfs.

Die Kirche liegt rechts an der Straße nach Klein-Gartach, über Staffeln erhöht in dem einst festen früheren Kirchhof und gehört dem gothischen Stile an, doch wurde ihr Schiff im Jahre 1772 bedeutend gegen Norden erweitert; an ihrer Westfront ist der ursprüngliche schlanke gothische Giebel noch wohl zu erkennen, auch sieht man noch einige spitzbogige Eingänge, – dagegen steht der edle gothische Chor noch ganz unversehrt; er ist rechteckig, mit Strebepfeilern besetzt und wird von zwei schönen Rippenkreuzgewölben, deren Schlußsteine mit trefflichen Blattrosetten geschmückt sind, überspannt. Gegen Osten enthält er ein prächtiges dreitheiliges Spitzbogenfenster mit einer Vierblattrosette, seine beiden übrigen gegen Süden angebrachten Fenster haben strenges Fischblasenmaßwerk; Alles deutet auf den Beginn des 15. Jahrhunderts als Erbauungszeit. Über dem Chor erhebt sich der erst viel später errichtete achteckige hölzerne Thurm mit hohem Zeltdache und trägt zwei schwer zugängliche Glocken, eine gegossen von G. Rechlen in Stuttgart, die andere vom J. 1820. Das bescheidene Innere enthält einen gut geschnitzten gegen unten etwas verstümmelten Chorstuhl mit der Jahreszahl 1524 und ein altes halblebensgroßes Krucifix; der Triumphbogen ist spitz, die Orgel steht leider im Chore. Die Unterhaltung der Kirche ruht auf der Gemeinde.

Der Begräbnißplatz lag bis zum Jahr 1838 um die Kirche,| seit dieser Zeit besteht der neue von einer Mauer umgebene etwa 250 Schritte nördlich vom Ort. Unterhalb der Kirche gegen Osten liegt an der Straße das hübsche gelb getünchte zweistockige Pfarrhaus, dessen Unterhaltung dem Staate zusteht, es wurde 1726, laut der daran angebrachten Inschrift, errichtet. Das 1862 massiv erbaute Schulhaus hat eine gesunde hohe Lage und enthält zwei Lehrzimmer; die an der Schule stehenden Lehrer, ein Schulmeister und ein Lehrgehilfe, wohnen im alten Schulhause. Das mitten im Ort an der Hauptstraße stehende Rathhaus wurde 1738 erbaut. Überdieß sind vorhanden ein Backhaus, ein Waschhaus, eine Kelter mit zwei Bäumen und ein Schafhaus.

Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 5 Pumpbrunnen, und die Lein fließt zunächst (südlich) am Ort vorüber. Auch die Markung ist reich an Quellen, namentlich am Dornweg und im Brüchle. Der Dachbach mündet unterhalb des Orts in die Lein. Früher bestanden im Thal gegen Eppingen 3 Seen, von denen 2 in Wiesengrund umgewandelt sind, während der dritte als Weidensatz dient. Über die Lein und den Dachbach führen 4 steinerne und 2 hölzerne Brücken, welche sämtlich von der Gemeinde zu unterhalten sind. Die meist kräftigen Einwohner, von denen gegenwärtig 2 über 80 Jahre zählen, sind sparsam, fleißig und geordnet; ihre Hauptnahrungsquellen bestehen in Feldbau, Viehzucht und Weinbau, während die Gewerbe meist den nöthigen örtlichen Bedürfnissen dienen und nur die stark vertretenen Maurer und Weber nach außen arbeiten. Die Vermögensverhältnisse gehören zu den mittelmäßigen, indem der vermöglichste Bürger etwa 30 Morgen, die mittlere Klasse 10–15 und die minder bemittelte Klasse 11/2–2 Morgen Grundeigenthum besitzt; 3–4 Personen erhalten gegenwärtig mäßige Unterstützung von Seiten der Gemeinde. Von den zwei vorhandenen Mühlen hat die am oberen Ortsende einen Mahl- und einen Gerbgang, die am unteren Ende des Dorfs zwei Mahlgänge und einen Gerbgang. Ein Kramladen besteht, Schildwirthschaften sind nicht vorhanden.

Die ziemlich große Markung, von der übrigens ein namhafter Theil mit Wald bestockt ist, grenzt gegen Nordwesten an das Großherzogthum Baden und hat eine hügelige, theilweise bergige Lage. Der im allgemeinen mittelfruchtbare Boden besteht auf den Anhöhen, namentlich auf dem Heuchelberg, aus den leichtsandigen Zersetzungen des Keuperwerksteins, an den Abhängen aus Gipsmergeln und an den Ausläufern derselben aus schwerem Thon und Lehm. Auf dem Heuchelberg sind mehrere Werksteinbrüche angelegt, von denen auch theilweise Material nach außen abgesetzt wird; Lehm- und Mergelgruben sind vorhanden. Das Klima ist ziemlich mild und erlaubt noch den Anbau der Rebe, da aber das Thal gerade von Südwest nach Nordost zieht und somit den rauhen Nordostwinden freien| Zutritt gestattet, so kommen nicht selten schädliche Frühlingsfröste und kalte Nebel vor. Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten. Die Landwirthschaft wird so gut als es die Verhältnisse erlauben mit Fleiß und Eifer betrieben und verbesserte Ackergeräthe, wie der Brabanterpflug und die Walze, sind eingeführt; man baut die gewöhnlichen Getreidearten, Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Luzerne, Zuckerrüben, Cichorie und ziemlich viel Hanf, von dem ein kleiner Theil auch nach außen verkauft wird. Von den Getreideerzeugnissen können jährlich nur etwa 150 Scheffel Dinkel nach Heilbronn abgesetzt werden. Der nicht sehr ausgedehnte Wiesenbau erzeugt ein mittelgutes Futter, das im Ort verbraucht wird. Von keiner Bedeutung ist der Weinbau, der sich in neuerer Zeit hauptsächlich mit schwarzen Rißlingen beschäftigt und einen mittelmäßigen Wein liefert, dessen Preise sich in den letzten 10 Jahren von 20–40 fl. pr. Eimer bewegten. In dem üblichen Bogenschnitt werden etwa 3000 Stöcke auf dem Morgen gepflanzt und der Ertrag eines Morgens beträgt etwa 3 Eimer. Der Wein wird theilweise in das Badische verkauft. Auch die Obstzucht (hauptsächlich Luiken und Zwetschgen) ist gering, weil die Obstbäume häufig durch Frühlingsfröste und kalte Nebel leiden.

Aus den vorhandenen 440 Morgen Gemeindewaldungen bezieht jeder Bürger jährlich 1/2 Klafter, das übrige Holz wird verkauft und der Erlös von 800–1000 fl. fließt in die Gemeindekasse; überdieß bezieht die Gemeinde aus der Brach- und Stoppelweide, auf der ein Ortsschäfer den Winter über 230 Bastardschafe laufen läßt, einen Pacht von 300–350 fl., aus der Pferchnutzung 200 fl. und aus verpachteten Gemeindegütern etwa 200 fl.

Pferdezucht besteht nicht und die Rindviehzucht wird mittelgut betrieben, man züchtet einen gewöhnlichen Neckarschlag und hat drei Farren aufgestellt; Handel mit Vieh findet nicht statt.

Von besonderen Stiftungen sind etwa 700 fl. vorhanden, deren Zinse meist zu Armenzwecken, und ein kleiner Theil auch zu Schulzwecken verwendet werden.

Eine nordöstlich vom Ort gelegene Anhöhe wird „auf der Wart“ genannt, was auf einen ehemaligen Wachtposten hindeutet; nördlich vom Ort zieht ein Feldweg, theilweise Fußweg, unter der Benennung „Pfaffenwegle, Pflästerwegle“ in nördlicher Richtung in das Badische.

Der Ort hatte meistens dasselbe Schicksal wie Klein-Gartach, so zuerst das badischen Besitzes, dann der Zugehörigkeit zum Widdum der Gräfin Antonia von Württemberg im J. 1380, und der Verpfändung an die Familie von Gemmingen in den Jahren 1485 bis 1571 (s. Klein-Gartach).

Das Stift Wimpfen hatte die Besetzung und Besoldung der| hiesigen Pfarrei,[1] zu welcher bis zum J. 1460 Klein-Gartach als Filial gehörte (s. Klein-Gartach). Dem Pfarrer wurde die Verwaltung des Einkommens und der Güter, welche er zu genießen hatte, überlassen, wodurch er theils in seinem Beruf und Kirchendienst verhindert wurde, theils die Güter, wenn er des Feldbaus unerfahren, verderbt wurden, daher verglich sich den 8. Jul. 1588 Herz. Ludwig von Württemberg mit dem Stift, daß es der Pfarrei eine jährliche Kompetenz an Geld, Früchten, Wein, und Genuß gewisser Güter und des kleinen Zehenten schöpfte und das Pfarrhaus in wesentlichem Bau zu erhalten übernahm (Sattler Herzoge 5, 111). Den 29. Sept. 1677 verkaufte aber das Stift, weil die Salarirung des lutherischen Pfarrers viel zu hoch komme, wie der Wormser Bischof in seinem Bestätigungsbrief vom 16. Sept. d. J. sagt, das Nominationsrecht des Pfarrers, das Pfarrhaus und die dabei stehende Scheuer, Zinsen und Gülten, den großen und kleinen Frucht- und den Weinzehenten (mit Ausnahme eines besonderen Bezirkes), das Widdumgut, den Faselochsen u. s. w. um 270 fl. an Württemberg. Im J. 1693 wurde durch die Franzosen eine Glocke zerschlagen und mehr als die Hälfte des Erzes hinweggeführt, der silberne Kelch, das Chorhemd, die Uhr und die Glockenseile, verschiedene Kirchenbücher wurden theils geraubt, theils ruinirt. – Neben der Pfarrei bestanden hier eine Frühmeßpfründe, welche Schultheiß, Gericht und Gemeinde mit dem Pfarrer zu verleihen hatten, die aber in Folge der Reformation theils zur Besoldung des Schulmeisters, theils zum Armenkasten eingezogen wurde, ferner ein durch den hiesigen Pfarrer Veit Jünger im J. 1511 gestiftetes Salve und 4 Jahreszeiten (Klunzinger 2, 177 ff.). – Auch der Deutsche Orden hatte hier Gefälle.
  1. Das von Klunzinger 2, 178 Anm. genannte Niederhofen ist nicht das unsrige, sondern, wie auch eine Urkunde vorn 16. Nov. 1512 im St.-A. beweist, ein anderes, im Ruralkapitel Pforzheim des Speirischen Archidiakonats S. Guido gelegenes; hiernach ist auch Cleß Versuch u. s. w. II. 2, 445 zu berichtigen.
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