Beschreibung des Oberamts Herrenberg/Kapitel B 8
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Der Ort hat auf dem sogenannten Gäu eine gegen die zunächst vorbeifließende Ammer südlich geneigte, gesunde Lage, 1/2 Stunde südlich von der Oberamtsstadt; er brannte im Jahr 1784 beinahe ganz ab[1] und wurde nachher regelmäßig wieder erbaut und mit breiten Ortsstraßen versehen, die gegenwärtig reinlich gehalten, jedoch nicht gekandelt sind. Die einfachen, nicht besonders ansehnlichen Wohnungen sind aus Holz erbaut und zuweilen mit steinernen Unterstöcken versehen. Die Ansicht des Dorfes ist etwas einförmig und kahl, da ihm Obstbäume in der nächsten Umgebung gänzlich fehlen.
Die im nördlichen Theile des Orts gelegene ansehnliche Pfarrkirche, welche die Stiftungspflege, mit Unterstützung aus der Gemeindekasse, zu unterhalten hat, wurde bei der Wiederherstellung nach dem Brande, der nur die vier Wände verschont hatte, der Füllungen an den schön construirten Spitzbogenfenstern im Schiff und Chor beraubt. Von den Eingängen hat sich jener an der Westseite noch von dem ursprünglichen Bau in romanischem Styl erhalten, während die übrigen in der germanischen Bauweise| ausgeführt sind, so daß man an der Kirche drei Hauptbauperioden deutlich wahrnehmen kann, nämlich die ursprünglich romanische, welche später in die germanische geändert und endlich nach dem Brande modernisirt wurde. Im Innern der geräumigen Kirche ist außer einem ausgezeichnet schönen, lebensgroßen Holzbild des Gekreuzigten ein gut gemaltes Bild des 1704 gestorbenen Pfarrers Joh. Ludwig Cappel zu bemerken.Der mit 8 Fuß dicken Mauern versehene viereckige Thurm, welcher gegen oben in ein Achteck übergeht, ist von unten herauf mit Schußscharten versehen und diente ehemals zur Vertheidigung des befestigten, mit hohen Mauern umgebenen und mit Thürmen versehenen Kirchhofes; das untere Stockwerk desselben hat ein sehr altes Tonnengewölbe und Spuren ehemaliger Wandmalereien. Von den 1787, 1788 und 1823 gegossenen drei Glocken wird die mittlere, in Folge einer von dem Landmühlen-Inspector Wurster gemachten Stiftung von 100 fl., den Winter über jeden Abend um 9 Uhr geläutet.
Der alte Kirchhof wurde, nachdem seine Mauern erniedrigt und die Thürme oben abgetragen worden waren, in eine Baumschule umgewandelt, und 1830 nördlich vom Ort, an der Straße nach Herrenberg ein neuer Begräbnißplatz angelegt.
Das gegenüber der Kirche gelegene, 1835 neu erbaute Pfarrhaus, nebst Nebengebäuden, Hof und Garten, wird von der Königl. Hofdomänenkammer unterhalten.
Das ehemalige Hirschau’sche Pflegegebäude, nachher Gasthof zur Linde, kaufte 1843 die Gemeinde um 6025 fl. zu einem Schulhaus, das nun neben der Volksschule, an welcher ein Schulmeister mit einem Lehrgehilfen angestellt ist, auch die Wohnung für diese enthält; übrigens besteht auch eine Industrieschule.
An der Stelle des früheren Schulhauses wurde im Jahr 1844 mit einem Aufwand von 2500 fl. ein massives Gemeinde-Back- und Waschhaus erbaut.
Das gut erhaltene, nach dem Brande erbaute Rathhaus mit Thürmchen und Glocke steht unfern der Kirche, ebenso die der K. Hofkammer gehörige Zehentscheuer nebst Fruchtkasten.
Gesundes Trinkwasser liefern in hinreichender Fülle sechs laufende Brunnen, wovon der am Pfarrhaus stehende vierröhrig ist, und zwei Pumpbrunnen; ein sogenannter Hungerbrunnen befindet sich am südöstlichen Ende des Orts, und eine Wette ist im nördlichen Theile desselben angelegt. Bei der Gipsmühle bestand früher ein acht Morgen großer See, der schon längst in Wiesen umgewandelt wurde, welche noch die Seewiesen genannt werden.
| Die wohlgewachsenen, kräftigen Einwohner sind fleißig, geordnet, sparsam und verständig, ihr Sinn für Religion nimmt zuweilen eine pietistische Richtung. Die Vermögensumstände derselben sind im Allgemeinen ziemlich gut, obgleich es auch an Armen und sogar an Bettlern nicht fehlt. Der bedeutendste Güterbesitzer hat 80 Morgen Felder.Ackerbau und Viehzucht sind die Haupterwerbsquellen der Einwohner; die betriebenen Gewerbe dienen nur den örtlichen Bedürfnissen, mit Ausnahme der drei an der Ammer gelegenen Mühlen (siehe unten), welche auch für die Umgegend arbeiten.
Überdies wird auf der Markung in sechs Brüchen Gips gewonnen, welcher in drei durch Pferde getriebenen Mühlen und in der an der Ammer gelegenen Gipsmühle gemahlen und in der weitern Umgegend verkauft wird, wodurch mehrere Familien ihr Auskommen sichern. Auch zwei Lettenkohlensandsteinbrüche, welche vortreffliche Werksteine liefern, beschäftigen mehrere Personen und geben den Besitzern einigen Gewinn. Außer diesen sind drei Muschelkalksteinbrüche, aus denen ein mittelmäßiges Straßenmaterial gewonnen wird, und zwei Lehmgruben vorhanden.
Die ausgedehnte, von Westen nach Osten 11/2 Stunden lange Markung, auf der übrigens die Einwohner von Kayh und Mönchberg viele Güter besitzen, wird nördlich von den Markungen Herrenberg, östlich von Mönchberg, Kayh und Altingen, südlich von Altingen und Thailfingen und westlich von Nebringen und Herrenberg begrenzt; die Lage der Feldgüter bildet eine wellige Ebene, welche von dem ganz mäßig eingeschnittenen Ammerthale und von mehreren Seitenthälchen desselben durchzogen wird; eine Ausnahme machen die an der Schönbuchsterrasse gelegenen Güter und ein kleiner Theil der Gemeindewaldungen, die übrigens größtentheils der Hochebene des Schönbuchs angehören.
Der Boden ist im Allgemeinen ergiebig und liefert guten Dinkel, Hafer und vorzügliche Gerste; er besteht an dem Abhange des Schönbuchs und in ziemlicher Ausdehnung am Fuße desselben aus einer Verwitterung des mit Gips durchzogenen Keupermergels, welche einen schweren, hitzigen Boden liefert. Die in der Nähe der Ammer und namentlich auf der rechten Seite derselben gelegenen Felder haben leichte Dolomitböden (Malmböden), die in mäßig nassen Jahrgängen und bei gehöriger Düngung reichlichen Ertrag liefern. Die besten Güter liegen in den Fluren Mühlesäcker, Hanfäcker, Furth, Stelzenäcker, Seelesäcker, Aufgehend u. s. w.
Das Klima ist ziemlich mild und gesund; Gurken, Bohnen etc.| gedeihen, dagegen schaden nicht selten Frühlingsfröste dem Obst und feineren Gewächsen; Hagelschlag kommt nur selten vor.Die Landwirthschaft wird im Dreifeldersystem emsig gepflegt; der Flander- und Suppinger-Pflug haben den deutschen beinahe ganz verdrängt, und zwei der Gemeinde gehörige Walzen werden häufig benützt. Außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln wird zur Besserung des Bodens Gips, etwas Compost, besonders aber die Jauche angewendet; letztere wird allgemein benützt, und beinahe sämmtliche Düngerstätten sind mit einer Einrichtung zum Ansammeln derselben versehen.
Dinkel, Hafer, Gerste kommt vorzugsweise – und außer diesen noch ziemlich viel Einkorn und Wicken zum Anbau; unter den Hafer werden allgemein Ackerbohnen gemischt, und in der zu 1/3 angeblümten Brache zieht man Kartoffeln, Futterkräuter, Angersen, Ackerbohnen, Kohlraben, Erbsen, Linsen, etwas Reps, Mohn, Welschkorn und Hanf, letzterer für den eigenen Bedarf. Hopfen wird seit etwa 10 Jahren mit gutem Erfolg, jedoch nicht ausgedehnt, gepflanzt, und in neuester Zeit werden die Kartoffeln häufig durch die Riesenmöhre ersetzt. Auf den Morgen rechnet man Aussaat 7 Sri. Dinkel, 5 Sri. Hafer, 3 Sri. Gerste und 5 Sri. Einkorn; Roggen wird nur um des Bindstrohs willen gebaut. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens beträgt 8–9 Scheffel Dinkel, 5–6 Scheffel Hafer, 6–7 Scheffel Gerste und 7 Scheffel Einkorn. Früchte werden sehr viel nach Außen – besonders nach Tübingen – Gerste häufig nach Böblingen verkauft. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 50–400 fl.
Der Wiesenbau ist sehr gut und ziemlich ausgedehnt; die durchgängig zweimähdigen Wiesen, übrigens ohne Wässerung, werden äußerst reichlich gedüngt und liefern daher per Morgen 30 Centner Heu und 15 Centner Öhmd. Ein Morgen Wiese wird mit 200–400 fl. bezahlt.
Der Weinbau, ehemals in der Ammelshalde, in der Schweingrube, am Klotzberg, im Thurm und im Horn getrieben, ist längst abgegangen[2], dagegen hat sich die Obstzucht namhaft gehoben; es werden hauptsächlich Fleiner, Luiken, Reinetten, Lederäpfel, Spießlinger, Kläpperäpfel, Knausbirnen, Kohlbirnen, Bogenäkerin, Wadelbirnen, Wolfsbirnen und etwas Bratbirnen gezogen. Von Steinobst pflegt man Kirschen und sehr viele Zwetschgen. Das Obst wird theils gemostet und gebrannt, theils auswärts verkauft.
Die sehr beträchtliche Rindviehzucht beschäftigt sich im| Allgemeinen mit einem rothen Neckarschlag, welcher durch zwei Land- und einen Simmenthaler Farren nachgezüchtet und veredelt wird; die Haltung der Farren wird von einem Bürger gegen jährlich 130 fl. und der Nutznießung von 2 Morgen Wiesen besorgt. Der Handel mit Vieh, besonders mit gemästetem, ist ziemlich bedeutend. Pferde werden keine gezogen, dagegen ist die Haltung derselben nicht unbeträchtlich.Auf die Markung werden etwa 500 den Einwohnern gehörige Bastardschafe und beinahe eben so viel auf fremde Weide geführt, aber sämmtlich im Ort überwintert. Die Wolle kommt nach Herrenberg, Nagold, Calw etc. zum Verkauf.
Schweine und Geflügel werden meist nur für den eigenen Bedarf gehalten.
Der Verkehr des Orts ist durch Vicinalstraßen nach Herrenberg, Mönchberg, Altingen, Thailfingen und Nebringen vermittelt; außer diesen führt noch die Herrenberg-Horber Landstraße 1/4 Stunde lang über die Markung. Steinerne Brücken befinden sich sechs und hölzerne Stege zwei auf der Markung.
Die Gemeindepflege hat außer ihrem Grundbesitz ein Kapitalvermögen von etwa 3000 fl., aber auch bedeutende Schulden, welche von den Erbauungskosten des Schulhauses und des Gemeinde-Backhauses herrühren (siehe Beil. Tabelle III.); die 3405/8 Morgen großen mit Eichen, Buchen und Birken bestockten Gemeindewaldungen, welche als Mittelwald im 30jährigen Umtrieb bewirthschaftet werden, ertragen jährlich 70 Klafter und 2000–2500 Stück Wellen, wovon jeder Bürger als jährliche Holzgabe 1/4 Klafter und 10 Stück Wellen erhält; überdies werden aus Eichenrinde und Gras jährlich etwa 200 fl. erlöst, welche in die Gemeindekasse fließen. Aus 22 Morgen Gemeindegütern wird ein Jahrespacht von etwa 460 fl. erzielt. Zur Schäferei werden 31 Morgen Weiden nebst der Brach- und Stoppelweide benützt, welche mit Einschluß des Pferch-Erlöses der Gemeinde eine jährliche Einnahme von 800 fl. gewähren. Dieser Einnahmen ungeachtet müssen aber jährlich 1800 fl. Gemeindeschaden umgelegt werden.
Von den abgelösten Grundlasten hatte die K. Hofdomänenkammer den großen und die Pfarrei den kleinen Zehnten zu beziehen. Gülten erhoben neben der Hofdomänenkammer die Stiftungspflegen Gültstein, Herrenberg, Thailfingen, Kuppingen, Altingen und Kayh.
Zu Gültstein gehörte bis zum Jahre 1833 kirchlich und politisch die jetzt eigene Gemeinde Mönchberg; beide Orte hatten Markung, Waldungen und Bürgerrecht gemeinschaftlich, so daß die| Einwohner ohne besondere Aufnahme von dem einen Orte in den andern ziehen konnten, auch die Heilige- oder Stiftungspflege war gemeinschaftlich.Die Besetzung der Pfarrei steht der Krone zu; der erste evang. Pfarrer war Joh. Rebstock von 1553–1560 (s. Binder, Kirchen- und Lehrämter I, 487).
Theile der Gemeinde Gültstein sind folgende auf der Markung an der Ammer gelegene drei Mühlen:
Die Koch-Mühle mit 4 Mahlgängen und einem Gerbgang liegt 1/8 Stunde westlich vom Ort.
Die nahe am Ort gelegene ansehnliche Gültsteiner Mühle mit vier Mahlgängen und einem Gerbgang; beide Mühlen sind oberschlächtig.
Die Gips-Mühle nebst Reib-, Loh-, Öhl-, und Sägmühle, in deren Nähe auch eine Tuchscheererei steht, liegt 1/4 Stunde südöstlich vom Dorf entfernt.
Südlich am Ort im Ammerthal stand eine der Burgen[3] der Herren von Gültstein, von der die Stelle noch die Benennung „Burgstall“ trägt. Nordöstlich vom Ort wird eine Flur „im Thurm“ genannt.
Im Dorf selbst, unter dem Gasthof zur Krone, wurden beim Graben des Kellers gegen 20 menschliche Skelette ausgegraben, bei denen man einzelne alte Waffen fand.
Über Spuren aus der römischen Periode, welche sich in der Umgegend des Orts noch vorfinden, s. den allg. Theil.
Ursprünglich hieß der Ort, dessen Name von dem altdeutschen Namen Gisilo abzuleiten ist, Giselstete, Giselsteden, Gilistan, Gilesten, Gilstein, Chilesten (letzteres in der Urkunde Pabst Urbans II. von 1095, Wirt. Urk.-Buch 1, 305) und würde richtiger Gilstein, als Gültstein geschrieben; es lag an der alten Reichsstraße[4]. Seine erste, freilich nur in einem Urkundenauszug erhaltene Nennung fällt in’s Jahr 769, in welchem das Kloster Lorch an der Bergstraße hier Güter erhielt (in pago Alemannorum in Giselsteter marca. Cod. Laur. Nr. 3289; vergl. auch in villa Giselsteden Jahr 784 ib. Nr. 3617, in pago Naglachgowe in villa Giselstete im Jahr 870, Cod. Laur. Nr. 3535; in pago| Nageldacgowe in Giselstedir marca Jahr 870 eb. Nr. 2575). Von diesem Kloster ertauschte im Jahr 870 Graf Adelbert (vonder Familie der nachherigen Grafen von Calw) ein hiesiges Hofgut, 120 Tagwerke und 1 Wiese (eb. Nr. 2575. 3535).
Mitbesitzer am Dorf in sehr früher Zeit, zum Theil lange, ehe die Grafen von Tübingen in die Geschichte eintreten, lernen wir aus den Vergabungen des in dieser Frucht-Gegend reichlich bedachten Klosters Hirschau kennen. An dasselbe schenkte im 9. Jahrhundert Graf Erlafried von der Familie der nachherigen Grafen von Calw, ein Zeitgenosse König Ludwigs des Frommen, 10 Huben; späterhin ein Graf Berthold von Kirchberg 6 Huben, endlich Herzog Berthold von Zähringen († 1111), welcher das Kloster für eine Abtretung zu Weilheim (bei Kirchheim) entschädigte, 13 Huben und die Hälfte des Marktrechts und der Kirche (Cod. Hirsaug. 25a. b. 58a. b.). Auch Adalbert von Salzstetten bedachte hier das Kloster mit 2 Huben.
Späterhin gehörte das Dorf zur pfalzgräflich tübingischen Herrschaft Herrenberg, bei deren Theilung im Jahr 1334 es mit Gut und Leuten, mit allen Rechten, der Vogtei, dem Kirchensatz, den Zehnten und Widemgütern in den Besitz des Pfalzgrafen Rudolf kam (Schmid Urk. 165) und mit welcher es am 10. Febr. 1382 an Württemberg (Schmid Urk. 193), wiewohl es damals erst noch einzulösen war, gelangte.
Hiesige Ortsadelige, welche meist Machtolf, einige auch Konrad, Swigger etc. hießen, kommen vor um 1125 bis gegen Ende des 14. Jahrhunderts[5], sie führten im Wappen einen Fuchs (Schmid Urk. 162). Nach diesen Machtolfen wird der Machtolfshof und das Machtolfsholz genannt. Ein Wald ob der Münchhalde und acht Hofstätten nebst Zugehör veräußerte Machtolf von Gültstein, Swiggers Sohn, für 120 Pfd. Heller den 14. Febr. 1343 an Pfalzgraf Rudolf den Scheerer (Schmid Urk. 162). Auch die Roller von Gültstein, von welchen am 17. März 1328 Gotfried der Roller sein Besitzthum an den Pfalzgrafen Rudolf und Konrad verkaufte (Schmid Urk. 158), gehörten zum hiesigen Adel. Ein Lutzinsgut, Eigenthum der Herrenberger Familie Lutz, kam an die Sammlungsfrauen in Tübingen und von diesen den 12. Jul. 1351 an den Pfalzgrafen Rudolf (Schmid Urk. 163).
Was den Besitz der Tübinger Pfalzgrafen überhaupt betrifft, so wurde im Jahre 1293 Lutgard, Gemahlin Rudolfs, Pfalzgrafen
von Tübingen, mit ihrer Morgengabe auf Güter in Gültstein verwiesen| (Schmid Urk. 74). Im Jahre 1372 war Gültstein mit allen Rechten, Nutzen und aller Zugehör in den Händen Adelheidens, geb. von Ochsenstein, Wittwe Pfalzgraf Rudolfs des Scheerers, alsverpfändet von ihrem Sohn Graf Ulrich, welchem sie am 25. Mai d. J. die Wiederlösung um 2200 Pfd. Heller zugestund (Schmid Urk. 171). Diese Rücklösung wenigstens des Ganzen erfolgte übrigens, ohngeachtet es im Jahre 1382 mit der Herrschaft Herrenberg laut Kaufbrief an Württemberg übergehen sollte, erst später; noch am 6. Oct. 1386 überließ die Tochter obiger Adelheid, Elsbeth, Klosterfrau zu Pforzheim, das „Dorf Gilstein“ in der Grafschaft zu Herrenberg mit allen seinen Rechten und Zugehörden, ferner Güter bei Herrenberg, welches alles sie von ihrer Mutter sel. ererbt, an ihre Oheime Othman und Rudolf, Herrn zu Ochsenstein, und bedang sich daraus ein Leibgeding von 42 Pfd. Heller jährlich (Orig. in Darmstadt).
Ein hiesiger Schultheiß Konrad erscheint den 1. Juli 1301 unter den Räthen Pfalzgraf Rudolfs von Tübingen in einer Urkunde für Kloster Bebenhausen (s. denselben Schultheißen in Urk. vom 7. Jul. 1299 bei Schmid Urk. 77). Er war Lehensträger der tübingischen „Burg“ zu Gültstein, welche er am 24. Febr. 1302 dem Pfalzgrafen Rudolf im Tausch zu rechtem Eigen gab (Schmid Urk. 90).
Das bereits genannte Kloster Hirschau, welchem bei seiner Wiederherstellung im Jahr 1075 hiesige Guter bestätigt wurden (ad Gilistan, Wirt. Urk.-Buch 1, 279), rundete sich seinen hiesigen Besitz immer mehr ab (De predio nostro in Gilstein. Cod. Hirsaug. 58a. b.) und kam in den Genuß großer Gefälle, endlich auch des Zehnten. Von den Pfalzgrafen von Tübingen erhielt es die Erlaubniß, das zu den Bauten in seinem Hof nöthige Holz im Schönbuch fällen zu lassen, wofür es ihnen aus seinem Weingarten in Gültstein jährlich einen Karren Wein liefern mußte, den die Grafen Eberhard und Rudolf den 26. Mai 1296 mit der Erlaubniß des Abtes von Hirschau an Wolfram von Ohmenhausen abtraten (Schmid Urk. 73). Noch im 15. Jahrhundert erkaufte das Kloster mehrere Güter, namentlich von den Herren von Gültlingen. Von den Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg ertauschte es den 19. Jul. 1438 einen Weingarten, 1/3 Wein-, Korn-, Heu- und kleinen Zehnten in Gültstein. Auf solchen Besitz errichtete es eine Probstei (Albertus praepositus mon. H. in Gilsten, in einer
Kloster Hirschauer Urk. von 1299). So war denn auch eine Hirschauer Klosterpflege hier, welches Amt in Kirchenrathszeiten in den 1740ger Jahren der bekannte Wittleder verwaltete bis zu| seiner Weiterbeförderung im Jahr 1756, wo dasselbe mit der Stiftsverwaltung in Herrenberg combinirt wurde.Unbedeutend war der hiesige Besitz anderer Klöster, wie der, welchen das Kloster Bebenhausen im Jahre 1288 (Mone Zeitschrift 4, 120) und 1301 erwarb, und der des Klosters Blaubeuren, welches im Jahr 1312 einen Laienzehnten erhielt.
Über der hiesigen Pfarre[6] stund den Pfalzgrafen von Tübingen die Kastvogtei zu. Bei dem Gütertausch, welchen das Kloster Hirschau hier machte, erhob Graf Hugo von Tübingen (1125–46) Beschwerde, weil dieser Tausch ohne seine Zustimmung vorgegangen war, und mußte mit 10 Pfd. Münze zufrieden gestellt werden (Cod. Hirsaug. 60a). Den Pfarrsatz hatten, wenigstens schon im 13. Jahrhundert, abwechselnd die obigen Pfalzgrafen und das Kloster Hirschau[7], bis ihn den 28. Oct. 1351 Pfalzgraf Rudolf der Scheerer diesem Kloster ganz übergab und zwar einschließlich des Vogtrechts über die Kirche, dagegen ausschließlich des Vogtrechts über das Dorf selbst und der Gerichtsbarkeit in der Parochie desselben, sowie des Laienzehnten, welcher dem Pfalzgrafen als Besitzer des dortigen Ammanshofs gehörte (Schmid Urk. 146, über den Ammanshof vergl. eb. 153). Diese Schenkung bestätigte Bischof Ulrich von Constanz den 3. Nov. 1351; Pabst Urban VI. incorporirte die Kirche dem Kloster und befahl dem Bischof Nicolaus von Speier dies zu vollziehen, was laut dessen Urkunde vom 9. Nov. 1388 geschah. Am 26. Sept. 1390 erlaubte der Cardinal Marcus von Aquileja dem Kloster, die Kirche durch einen Mönch oder Weltpriester versehen zu lassen. Mit dem Kloster Hirschau ging die Kirche an die Herrschaft Württemberg über.
Im Jahr 1165 beim Krieg Herzog Welfs VII. gegen den Pfalzgrafen Hugo von Tübingen kam Ersterer auch nach G. und brach dort die als Veste benützten Kirchthürme (Otto de S. Blasio. 18).
- ↑ Bei dem Brande wurden 68 Hauptgebäude, nebst Kirche (nur der innere Theil), Schul- und Rathhaus ein Raub der Flammen und 71 Familien obdachlos.
- ↑ Nach dem Landbuch von 1623 hatte Gültstein eine Kelter.
- ↑ Es wird ausdrücklich eine „obere Burg“ von dem „Burgstall“ unterschieden. Schmid 472.
- ↑ Bei Gültstein ager qui adjacet regie vie. 12 Jahrh. Cod. Hirsaug. 58b. (bei Gültstein) vf des kvncges strazze. 1302 Febr. 24 Schmid Urk. 90. Heerstraus bei G. Schmid 472 Anm.
- ↑ Schmid Urk. 46. 65. 68. 74. 78. 81. 185. Ein Diethericus de Gilstein erscheint um 1150. Cod. Hirsaug. 49b.
- ↑ 1288 Nov. 8. Albertus sacerdos de Gilstein Mone Zeitschrift 4, 120. Burkhard der Kirchherr in G. 1293 Schmid 274. Eine hiesige Frühmesserei in Urk. von 1400 Jul. 17. Den St. Trinitatisaltar incorporirt Bischof Otto von Constanz, den 20. Juni 1481 dem Kl. Hirschau, St. A.
- ↑ Jus patronatus ecclesie ibidem una collatione spectat ad nos et sic bipartita secunda collatio pertinet Gotfrido abbati in Hirzowe Urk. vom 29. Aug. 1293.
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