Beschreibung des Oberamts Balingen/Kapitel B 7
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Engstlatt[ER 1] liegt an einem Engpaß der alten Schweizerstraße, der durch die am Fuß der Alb vortretende Höhe der Grafenhalde einer- und den zwischen Wöhrdenbach und Eyach sich erhebenden Nezenberg andererseits gebildet wird, wozu kommt, daß die Straße hier die Schlucht des Wöhrdenbachs zu überschreiten und sodann zwischen dem altbefestigten Kirchhügel und einem gegenüberliegenden ähnlichen sich emporzuwinden hat. Die Eisenbahn umgeht das Dorf auf der Ostseite, indem sie den Wöhrdenbach überbrückt. Um jene Hügel, in der Richtung des Thals und quer darauf der Straße, gruppirt sich malerisch, von Obstgärten und einzelnen Waldbäumen belebt, der stattliche Ort, der in schönen Bauern- und städtischen Häusern alten, durch den Verkehr beförderten Wohlstand, sowie Solidität und Reinlichkeit verräth.
Amphitheatralisch vom Thal umschlossen thront über drei Mauerterrassen Pfarrhaus und Kirche, zu denen von hinten eine kleine Steige und Staffeln emporführen. Die Kirche zeigt einen schönen in drei Seiten des Achtecks geschlossenen spätgothischen Chor und ein etwas niedrigeres Langhaus mit spätgothischen | Viereckfenstern, während im Westen ein aus dem Viereck ins Achteck übergehender stattlicher Thurm hervortritt. Im Innern finden wir einen flachgedeckten Vorderraum, treten aber dann durch einen schönprofilirten Triumphbogen in einen edlen, von einem schönen Kappengewölbe bedeckten Chor. Die Rippen ruhen auf Konsolen in Form von Schilden und Masken; in den drei Schlußsteinen das Balinger und württembergische Wappen und St. Petrus. Die Kanzel zeigt hübsche eingelegte Schreinerarbeit. Unter der Sakristei zur Seite des Chors befindet sich ein Gewölbe. Der Thurm enthält drei Glocken; eine schöne große mit der Inschrift: Gott allein sei Ehr. Engstlatt anno MDCCXXVIII. Rossier Cavdrillien. (d. h. von Caudry in Hennegau); die mittlere von Ch. Ludw. Neubert 1789; die kleinste alt, ohne Inschrift. Die Kirche ist von der Stiftung zu unterhalten. Das stattliche, nach vorn dreistockige Pfarrhaus, das von Stiftung und Staat gemeinschaftlich zu unterhalten, hat die schon beschriebene schöne Lage, mit südlichem Garten und herrlicher Aussicht auf Zollern und Lochen. Der Kirchhof wurde 1866 außerhalb des Orts verlegt.Gleichfalls der Kirche benachbart liegen das Rathhaus von 1834 und die zwei Schulhäuser, je mit einem Lehrzimmer und einer Schullehrerswohnung. Auch besitzt die Gemeinde 2 Armenhäuser, ein Backhaus und 2 Schafställe.
Das Wasser ist reich und gut (ein Brunnen mit gutem Schwefelwasser) und wird von 6 laufenden, 31 Schöpf- und 34 Pumpbrunnen geliefert. Die Leitungen sind von Holz. Auch 2 Wetten sind angelegt.
Neben der den Ort durchziehenden Schweizer Staatsstraße gehen Vizinalstraßen nach Ostdorf und nach Owingen. Eine hölzerne Brücke, welche im Ort über den Wöhrdenbach führt, hat die Gemeinde zu unterhalten.
Dem Verkehr dienen 3 Schildwirthschaften und 2 mit Wirthschaften verbundene große Bierbrauereien, ein Kaufmann und 2 Krämer. Einzelne Schuhmacher arbeiten nach außen; auch etwas Korbflechterei wird getrieben. Neben der Schule besteht eine Industrieschule.
Das Stiftungsvermögen beträgt 13.087 M.; daneben noch einige Armenstiftungen.
Die kräftigen Einwohner, von denen 5 über 80 Jahre alt, haben einen guten Charakter. Ihre Vermögensverhältnisse sind | gut mittlere. Sie besitzen auf Nachbarmarkungen etwa 60 Morgen und pachten 20 dazu.Die mittelgroße, aber von NW. nach SO. langgestreckte Markung geht vom oberen Keuper durch den ganzen Lias und fast den ganzen braunen Jura durch und hat demgemäß einen entweder lehmigen oder steinigen, selten tiefgründigen, im ganzen mittelguten Boden. Liaskalk- und Sandsteine werden gebrochen.
Das Klima ist mittel, mit starken, besonders westlichen Winden; Hagelschlag zuweilen.
Die Landwirthschaft wird in der gewöhnlichen Weise betrieben. Neben dem sorgfältig behandelten Dünger wird Gips, auch Guano und Hallerde von Stetten dem Boden zugesetzt. Die meisten Pflüge sind Wendepflüge; man hat Walzen und eiserne Eggen. Der Betrieb geschieht in der Dreifelderwirthschaft, und es werden 3/4 der Brache mit Kartoffeln und Klee eingebaut. Auch Hanf und etwas Reps wird gebaut. Die Hauptfrüchte sind Dinkel und Haber; etwas Gerste, wenig Roggen, Waizen mehr als früher. Auch die Kartoffel gedeiht gut. Von Futterkräutern baut man dreiblättrigen, blauen und Luzerner Klee. Vom Dinkel sät man auf den Morgen 10, von Gerste 4, von Haber 5, von Waizen, Einkorn und Roggen 3–4 Simri und erntet je 8, 2, 4–5, 2–3 und 2 Scheffel. Es können etwa 100 Scheffel Dinkel, 50 Scheffel Haber abgegeben werden, Gerste kommt etwas mehr herein als hinaus.
Der Wiesenbau ist mäßig ausgedehnt und das Erzeugnis mittel. Die Wiesen sind 2 und 3 mähdig. Man erzielt vom Morgen 15 Ctr. Heu, 10 Ctr. Öhmd. Gartenbau wird nur für eigenen Bedarf getrieben. Kraut und Salat gedeihen gut.
Die Obstzucht genügt dem Bedarf nicht. Fröste und Ungeziefer schaden häufig; auch fehlt es an geschützten Lagen und tiefem Grunde. Die Jungstämme kommen von Stockenhausen; das Obst wird gemostet und gedörrt, weniges gebrannt.
Die Gemeinde besitzt 70 M. Nadelwaldung, welche jährlich 50 Rm. und 500 Wellen ertragen, die fast zur Feuerung von Schul- und Rathhaus aufgehen.
Die Weiden sind nicht bedeutend, aber gut; sie ertragen von fremden Schafen der Gemeinde 1050 M. Die Allmanden werden theils als Weide benützt, theils angebaut.
Die Pferdezucht und -Haltung ist nicht von Bedeutung; mehr die Rindviehzucht, wofür die Gemeinde 3 Simmenthaler | Farren hält. Stallfütterung ist allgemein, Viehmastung von Belang; der Absatz geht an Händler und Metzger.Schafzucht wird von fremden Schafen getrieben; im Sommer laufen 300 Stück.
Schweinezucht nicht bedeutend; gemästet wird auch zum Verkauf.
Ziegenzucht gering; Geflügelzucht auch für den Verkauf. Bienenzucht im Abnehmen.
Die Schreibweise des Namens dieses Ortes in älterer Zeit ist: Ingislatt, Engeslat, Engschlat, Engschlatt u. s. w. Bei dem Namen Schlatt will Förstemann a. a. O. (2, 13. 45) zunächst an das mittelhochdeutsche Slat, neuhochdeutsche „Schlot“, denken, was zur Lage des Orts nicht übel stimmt, andere fassen Schlatt als Waldblöße oder wollen den Namen zu schlecht = gerade, eben, in Beziehung setzen.
Engstlatt gehörte zum frühesten zollerischen Besitze, denn schon Udilhild, Gemahlin des vor 1125 verstorbenen Grafen Friedrich von Zollern und Tochter des Grafen Egino II. von Urach schenkte eine hiesige Hube an das Kloster Zwiefalten (Mon. Germ. S. S. 10, 103). In der Folge bildete es einen Bestandtheil der schalksburgischen Herrschaft und kam mit dieser am 3. November 1403 an Württemberg (S. 279).
Außerdem aber treffen wir hier noch verschiedenen weltlichen und geistlichen Besitz, zum Theil wohl ursprünglich zollerischen Lehensbesitz und bekannt vorzugsweise durch Übergabe von Seite adeliger Herren an mehr oder weniger nahe gelegene Klöster. Eberhard von Ihlingen (OA. Horb) verkaufte im J. 1273 einen Hof dahier an das Kloster Offenhausen, wozu der Lehensherr, der Edle Berthold von Falkenstein (OA. Oberndorf), das Obereigenthumsrecht schenkungsweise an das Kloster übergehen ließ (Monum. Hohenb. 44). Schenk Walther von Andeck (OA. Rottenburg) verschrieb den 19. April 1309 seinen hiesigen lehenbaren Zehntantheil dem Kloster Pfullingen. Drei Gebrüder Schenken von Stauffenberg, Ritter Burkhard, Wernher und Berthold, verkauften den 26. Juni 1317 um 301/2 Pfd. Hllr. an den edlen Walther von Schalksburg zwei hiesige Güter, welche des Käufers Sohn Burkart den 1. Mai 1363 um 130 Pfd. Hllr. an das Kloster Stetten unter Zollern verkaufte (Monum. Zolleran. 1, 122, 130 [bei Crusius Annal. Suev. ps. 3 lib. 5 cp. 8 S. 278 fälschlich ins J. 1368 gesetzt] 201). Konrad, Arnolds Sohn von Thierberg, verkaufte den 2. Januar 1347 hiesige Leibeigene an die Lichtpfleger der Gotteshäuser zu Balingen um 30 Pfd. Hllr. (Schmid, Pfalzgrafen von Tübingen, Urkb. 231). Pfaff Heinrich der Gneppher und sein Bruder Berthold, Bürger in Rottweil, stifteten den 15. Mai 1352 wie mit anderen Gütern so mit ihrem Hof allhier den St. Michaelsaltar auf dem Beinhaus zu Balingen. Die Gebrüder | Berthold und Walger Kern von Bisingen verkauften den 31. d. M. eine hiesige Leibeigene um 10 Pfd. Hllr. an den Grafen Friedrich den Älteren von Zollern. Graf Friedrich gen. Mülli von Zollern verschrieb den 21. Jan. 1390 seiner lieben Muhme Katharinen der Kamerin, Heintzlin des Walstetters Ehegattin, 3 Mltr. Vesen jährlichs Gelds aus dem hiesigen Zehnten (Mon. Zolleran. 184, 186, 289). – Der Seelhof dahier erscheint seit dem Ende des 14. Jahrhunderts (1390) im Besitze des Klosters Alpirsbach, welches die Familie Götz als Maier auf demselben hatte, doch gab es verschiedene Zwistigkeiten und im J. 1467 zog das Kloster den Hof wegen unberechtigten Verkaufs eines dazu gehörigen Hölzleins und Unbotmäßigkeit des Heinrich Götz auf kurze Zeit vorübergehend als verwirktes Lehen ein (vergl. Glatz, Alpirsbach 73, 93, 305, 338).Ein hiesiger Bauern- und Lehenhof, der Freihof, auch Weisenhof genannt, war im J. 1619 im Besitz des Friedrich Walther von Anweil und kam durch dessen Tochter Maria Jakobe von Anweil an deren Gemahl, Albrecht Wurmser von Vendenheim. Die Ehegatten verkauften jedoch den Hof mit einigen weiteren Gefällen am 10. Mai 1627 um 2000 fl. an Herzog Johann Friedrich von Württemberg; am 20. Febr. 1642 erwarb ihn Christoph von Türk, in der Folge Kapitän über die Balinger und Tuttlinger Kompagnie, von Hans und Jakob Dankelmaier um 1800 fl., von diesem den 24./14. Juni 1657 sein Schwager Maximilian Jakob Ginger, Freiherr von und zu Grünbühl, Kapitän der Sulzer Kompagnie, um 2500 fl., und von dessen Gattin Maria Cleopha, geb. Schöner von Straubenhardt, mit Einwilligung ihres in Österreich weilenden Gemahls Hans Vötsch zu Ostdorf am 24. Mai 1665 um 2018 fl. – Über rosenfeldische Zehnten dahier, gräflich tengensche Lehen, s. oben S. 294.
Während des 30jährigen Kriegs war der Ort 1640 bis 1644 Filial von Thieringen, 1644–1662 von Ostdorf; nach Röders öfters genanntem Lexikon zählte er 597 Seelen.
In speziell kirchlicher Beziehung kommt dahier bereits im J. 1275 ein Pfarr-Rektor Heinrich von Thieringen vor (vergl. S. 228). Ein Beguinenhaus wird das erste Mal erwähnt, als Auberlen Keller und seine Schwester Luck von Ostdorf den 9. Januar 1433 der hiesigen und der Geislinger Klause eine jährliche Gült von 2 Scheffeln Korn aus ihrem Viertel des Ostdorfer Zehenten schenkten; sie blieb stets unbedeutend und wurde durch die Reformation aufgehoben (Besold, Virg. sacr. mon. 538. Sattler Topogr. 391 oben S. 297).
Errata
- ↑ S. 364. Engstlatt. Zum Namen vgl. Birlinger Alem. 8, 10. Siehe Nachträge und Berichtigungen, Seite 544.
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