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Beschreibung des Oberamts Brackenheim/Kapitel A 3

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« Kapitel A 2 Beschreibung des Oberamts Brackenheim Kapitel A 4 »
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III. Einwohner.


A. Bevölkerungsstatistik.[1]
1. Bewegung der Bevölkerung im allgemeinen.

In dem heutigen Oberamtsbezirk Brackenheim hatten 1793 3 altwürttembergische Ämter ihren Sitz, 2 Oberämter zu Brackenheim und Güglingen und ein Stabsamt zu Ochsenberg. Mit Ausnahme der reichsritterschaftlichen Orte Neipperg, Schwaigern, Massenbach, Massenbachhausen, Klingenberg und der zum Deutschorden gehörigen Ortschaft Stockheim mit Stocksberg fielen in ihren Bezirk sämtliche Gemeinden des heutigen Oberamts, dazu noch Sternenfels O.A. Maulbronn und vom Oberamt Besigheim Hofen und Kirchheim a. N. Dagegen gehörte ein Theil des Orts Cleebronn zum Oberamt Bönnigheim. Einschließlich der Bevölkerung dieses Theils und abzüglich der der Orte Hofen, Kirchheim und Sternenfels wurden in den Seelentabellen jener Ämter Brackenheim, Güglingen und Ochsenberg auf 31. Dec. 1793 8906, 4193 und 1567, zusammen also 14.666 ortsanwesende Einwohner gezählt.

Da die Bevölkerung dieses altwürttembergischen Theils des heutigen Oberamtsbezirks, wenn man die von Stockheim und die Bevölkerung der ritterschaftlichen Orte mit zusammen 4803 Einwohnern abzieht, im Jahr 1813 sich auf 16.686 Einwohner belief, so hat sich solche in den 20 Jahren von 1793 bis 1813 durchschnittlich jährlich um 0,69 % vermehrt. Bei Annahme und Abzug des gleichen Vermehrungsprozents für die früher noch nicht württembergisch gewesenen Orte würde sich deren Bevölkerung 1793 auf 4220 Personen und somit die des ganzen jetzigen Oberamtsbezirks, dessen| Bevölkerung 1813 21.489 Personen zählte, am 31. Dec. 1793 auf 18.886 gestellt haben.

Eine ganz unbedeutende Abnahme von 1832 bis 1834 abgerechnet, erscheint nach Übersicht I. bei der ortsangehörigen Bevölkerung des Oberamtsbezirks in dem Zeitraum von 1813 bis 1852 eine fortwährende Zunahme, im Ganzen von 21,90 % und solche beträgt also durchschnittlich pro Jahr 0,56 %. Von 1852 bis 1858 zeigt sich eine Abnahme von 2,99 oder jährlich von 0,50 %, von 1858 an aber wieder eine Zunahme bis 1870 um 4,18 oder pro Jahr um 0,35 % – und die Zunahme in dem ganzen 57jährigen Zeitraum von 1813 bis 1870 berechnet sich somit auf 22,38 % oder nach jährlichem Durchschnitt auf 0,39 %.

Die ortsanwesende oder faktische Bevölkerung, welche namentlich für die letzten Jahrzehnte im Ganzen ein richtigeres Bild der Bevölkerungsverhältnisse gibt, hat nach derselben Übersicht nur bis zum Jahr 1849 zugenommen, und zwar beträgt die Zunahme von 1813 bis 1849 im Ganzen 16,76 durchschnittlich pro Jahr also 0,47 %. Von da an zeigt sich wie von 1852 an sodann in den meisten übrigen Bezirken des Landes in Folge des damaligen allgemeinen wirthschaftlichen Nothstandes ein Rückgang der Bevölkerung, der in unserem Bezirk wie in dem benachbarten Oberamt Maulbronn bis zum Jahr 1858 andauerte und eine starke Verminderung um 6,20 also jährlich um 0,69 % zur Folge hatte. In den folgenden 6 Jahren 1858–64 zeigt sich wieder eine Zunahme von 1,70 oder jährlich von 0,28 %, von 1864 bis 1867 dagegen wieder eine Abnahme in Folge vieler Auswanderungen im Betrag von 1,74 oder jährlich von 0,58 % und endlich von 1867 bis 1871 eine ganz unbeträchtliche Zunahme von 0,36 oder pro Jahr von 0,09 %. Die Zunahme im Ganzen in der 58jährigen Periode 1813–71 beträgt daher nur 9,84 oder jährlich 0,17 %, was einer Verdopplung in 408 Jahren gleichkommt.

Wenn man die in Übersicht II. enthaltene ortsanwesende Bevölkerung der einzelnen Ortschaften des Bezirks nach dem Stande von 1813, 1846 und 1871 vergleicht, so zeigt sich von 1813 bis 1846, wo die ortsanwesende Bevölkerung des Bezirks überhaupt ihren höchsten Stand erreicht hatte, nur bei dem einzigen Ort Hausen an der Zaber eine Abnahme, von 1846 aber bis 1871 eine solche bei 21 Orten des Bezirks, dagegen eine Zunahme nur bei den 9 Orten: Cleebronn, Kleingartach, Klingenberg, Leonbronn, Ochsenberg, Pfaffenhofen, Schwaigern, Stethen am Heuchelberg und Zaberfeld.

Für die einzelnen Jahrzehnte sind bei der Bewegung der Bevölkerung des ganzen Bezirks gleichfalls erhebliche Gegensätze wahrzunehmen. Die Zunahme und Abnahme war nämlich auf 1000 Personen nach jährlichen Durchschnitten

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I. Übersicht über die Bevölkerung des Oberamtsbezirks im Ganzen und zwar:
in den Jahren I. der ortsangehörigen II. der ortsanwesenden und zwar von 1834 bis 1869 nach der 3jährigen
Zollvereinszählung und für 1871 nach der 1ten Zählung im deutschen Reich.
a) Personen über
14 Jahren
b) Personen unter
14 Jahren
c) Im Ganzen
männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus. männl. weibl. zus.
1813 1. November 11.150 11.012 22.162 10.586 10.903 21.489
1822 1. November 11.391 11.427 22.818 11.078 11.299 22.377
1823 1. November 11.474 11.544 23.018
1832 1. Nov. a) nach der jährl. Zähl. 12.087 12.118 24.205
1. Nov. b) nach der 10jähr. Zähl. 11.697 12.119 23.816
1834 15. Dezember 11.717 12.083 23.800 7679 8047 15.726 3498 3685 7183 11.177 11.732 22.909
1837 15. Dezember 12.052 12.363 24.415 7438 7773 15.211 3928 3825 7753 11.366 11.598 22.964
1840 15. Dezember 12.296 12.624 24.920 7829 8146 15.975 3830 3465 7895 11.659 12.211 23.870
1842 15. Dezember 12.567 12.837 25.404 –_
1843 15. Dezember 12.605 12.983 25.588 7755 8310 16.065 4084 4270 8354 11.839 12.580 24.419
1846 3. Dez. a) nach der jährl. Zähl. 12.879 13.133 26.012
3. Dez. b) nach der 14jähr. Zähl. 12.784 13.107 25.891 7647 8148 15.795 4227 4414 8641 11.874 12.562 24.436
1849 3. Dezember 13.110 13.356 26.466 7964 8360 16.324 4319 4448 8767 12.283 12.808 25.091
1852 3. Dezember 13.293 13.542 26.835 7706 8367 16.073 4278 4540 8818 11.984 12.907 24.891
1855 3. Dezember 12.893 13.290 26.183 7394 8239 15.633 3945 4263 8208 11.339 12.502 23.841
1858 a) nach der jährl. Zählung 12.895 13.307 26.202
b) nach der 12jähr. Zählung 12.693 13.340 26.033 7495 8378 15.873 3716 3947 7663 11.211 12.315 23.536
1861 3. Dezember 12.962 13.544 26.506 7615 8543 16.158 3682 3903 7585 11.297 12.446 23.743
1862 3. Dezember 12.961 13.589 26.550
1864 3. Dezember 13.173 13.711 26.884 7731 8603 16.334 3679 3922 7601 11.410 12.525 23.935
1867 3. Dezember 13.248 13.755 27.003 7529 8395 15.924 3702 3892 7594 11.231 12.287 23.518
1870 3. Dezember 13.312 13.810 27.122
1871 1. Dezember. Nach der ersten
Zählung im deutschen Reich
11.287 12.317 23.604
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II. Übersicht über den Stand der Bevölkerung in sämtlichen Gemeinden des Bezirks
und zwar in den Jahren
Gemeinden. 1813.
1. November.
1823
1. Nov.
1834
15. Dezember.
Ortsan-
wesende.
Ortsan-
gehörige.
Ortsan-
gehörige.
Ortsan-
gehörige.
Ortsan-
wesende.
01. Brackenheim 1438 1487 1577 1471 1498
02. Botenheim 763 816 796 842 796
03. Cleebronn mit Michaelsberg 1246 1311 1335 1327 1236
04. Dürrenzimmern 710 783 777 774 715
05. Eibensbach 280 300 332 351 328
06. Frauenzimmern 518 548 595 606 486
07. Güglingen 1220 1232 1292 1405 1388
08. Haberschlacht 480 501 562 625 609
09. Häfnerhaslach 569 616 672 676 629
10. Hausen bei Massenbach 841 854 926 1058 1012
11. Hausen a. d. Zaber 963 1001 987 926 935
12. Kleingartach 780 771 784 904 852
13. Klingenberg 292 303 330 341 353
14. Leonbronn 394 417 379 372 382
15. Massenbach 847 875 882 874 808
16. Meimsheim 1036 1067 1056 1126 1022
17. Michelbach 316 334 347 330 326
18. Neipperg 425 431 505 535 491
19. Niederhofen 611 653 655 708 671
20. Nordhausen 281 278 322 314 306
21. Nordheim 1013 987 1112 1223 1174
22. Ochsenbach 626 666 719 726 674
23. Ochsenberg 463 460 476 505 491
24. Pfaffenhofen 820 855 925 965 958
25. Schwaigern 1802 1816 1841 1848 1909
26. Spielberg 194 201 197 202 193
27. Stethen am Heuchelberg 960 1002 1016 999 992
28. Stockheim 596 593 587 681 617
29. Weiler 297 296 311 324 323
30. Zaberfeld 708 708 723 762 735
21.489 22.162 23.018 23.800 22.909
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Gemeinden. 1846
3. Dezember.
1858
3. Dezember.
1867
3. Dezember.
1871
1. Dezbr.
Ortsan-
gehörige.
Ortsan-
wesende.
Ortsan-
gehörige.
Ortsan-
wesende.
Ortsan-
gehörige.
Ortsan-
wesende.
Ortsan-
wesende.
01. Brackenheim 1670 1646 1707 1519 1772 1539 1584
02. Botenheim 939 857 876 783 839 748 778
03. Cleebronn mit Michaelsberg 1364 1258 1321 1202 1440 1283 1315
04. Dürrenzimmern 795 739 767 691 740 650 679
05. Eibensbach 410 387 424 339 408 332 296
06. Frauenzimmern 692 612 681 547 693 520 526
07. Güglingen 1545 1513 1684 1475 1738 1415 1435
08. Haberschlacht 699 611 760 607 783 617 608
09. Häfnerhaslach 719 671 681 593 673 581 574
10. Hausen bei Massenbach 1201 1123 1196 1110 1242 1104 1039
11. Hausen a. d. Zaber 1013 956 939 875 980 870 886
12. Kleingartach 952 923 1025 969 1107 976 952
13. Klingenberg 363 412 386 386 442 407 438
14. Leonbronn 431 400 423 385 471 415 434
15. Massenbach 1000 898 907 801 878 784 807
16. Meimsheim 1140 1053 1149 986 1150 927 956
17. Michelbach 392 370 391 333 372 315 330
18. Neipperg 614 507 560 485 580 499 506
19. Niederhofen 771 704 840 713 877 698 670
20. Nordhausen 364 352 381 328 381 332 348
21. Nordheim 1290 1186 1269 1174 1320 1200 1170
22. Ochsenbach 804 762 761 680 812 710 652
23. Ochsenberg 566 543 584 560 626 578 585
24. Pfaffenhofen 1067 984 1119 991 1193 998 992
25. Schwaigern 1963 1977 1930 2010 2048 2044 2059
26. Spielberg 231 219 235 201 214 189 186
27. Stethen am Heuchelberg 996 971 1010 992 1093 1031 1062
28. Stockheim 740 690 809 654 869 657 631
29. Weiler 377 371 379 348 399 341 339
30. Zaberfeld 783 741 839 799 863 758 767
25.891 24.436 26.033 23.536 27.003 23.518 23.604
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in der Periode in
Württemberg.
im
Neckarkreis.
im Oberamt
Brackenheim.
1812/22 10 Jahr Ortsangehörige
Bevölkerung
+5,50 +5,80 +3,95
1822/32 +9,16 +9,34 +6,07
1832/42 +8,58 +8,50 +6,66
1842/52 +5,59 +6,44 +5,63
1852/61 (9 Jahr) Ortsanwesende
Bevölkerung
−0,80 −0,81 −5,12
1861/71 (10 Jahr) +5,68 +10,33 −0,60

und es bleibt also der Bezirk Brackenheim nicht nur, was die Zunahme betrifft, stets unter den zur Vergleichung gebrachten Landesmitteln zurück, sondern er zeigt überdieß auch von 1852/61 eine sehr starke Abnahme, die noch bis zur letzten Zählung am 1. Dec. 1871 anhielt.

Vergleicht man nun noch den durchschnittlichen jährlichen Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen, welcher sich auf je 1000 Personen berechnete

in der
Periode
in
Württemberg.
im
Neckarkreis.
im O.A. Bezirk
Brackenheim.
OZ.
1812/22 6,14 7,52 7,15 29
1822/32 9,54 10,72 9,05 37
1832/42 8,92 9,46 8,97 32
1842/52 9,04 10,42 10,58 13
[2] 1846/56 6,41 7,69 9,51 3
[2] 1858/66 8,92 10,26 10,32 20
Durchschnitt 8,14 9,31 9,23 21

so geht aus dem beinahe fortwährend günstigen, in der Regel sogar das Landesmittel übersteigenden natürlichen Zuwachsverhältniß durch den Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen deutlich hervor, daß es weder die zu geringe Anzahl der Geborenen noch die zu große der Gestorbenen sein kann, welche den so geringen Bevölkerungszuwachs verursacht hat, sondern nur ein bedeutender Abgang an der Bevölkerung durch Auswanderung.

In der That war das Oberamt Brackenheim nach den vorliegenden Zusammenstellungen beinahe in sämtlichen Perioden unter denjenigen Oberamtsbezirken, welche die meisten Auswanderer zählten. So stand dasselbe z. B. in der Periode 1822/32 mit der O.Z. 5 und einem Mehrbetrag von 836 Ausgewanderten über die Eingewanderten nur den Oberämtern Maulbronn, Schorndorf, Besigheim und Backnang nach. Der ganze natürliche Zuwachs in diesen 10 Jahren betrug 2065 Personen, die Auswanderung nahm also 40 % desselben weg. In dem vorhergegangenen Decennium von 1812/22 war aber namentlich wegen der Kriegs- und Theurungsjahre der| Verlust durch Auswanderung im allgemeinen, d. h. für ganz Württemberg und somit, nach dem so geringen Bevölkerungszuwachs zu schließen, auch im Oberamt Brackenheim noch stärker als von 1822/32. Auch von 1832/42 war Brackenheim mit 653 Auswanderern und der O.Z. 5 wieder unter denjenigen 8 Oberämtern, welche die meisten zählten, und ebenso stand Brackenheim von 1842/52 mit der O.Z. 6 und 1 Auswanderer auf 208 Einwohner wieder obenan, ferner in den Jahren 1853 bis 1855 mit den Ordnungszahlen 3. 4. 9. und im Jahr 1857 mit O.Z. 2. Es wanderten in den letzteren 4 Jahren 1269 Personen aus. Dagegen war der Verlust geringer in den Jahren 1856 und 1858–1863 incl., in welcher Zeit derselbe jährlich die Zahl von 100 Personen nicht erreichte und der Bezirk daher hinter anderen Oberämtern zurückstand. Stärker wurde die Auswanderung wieder von 1864 an, denn sie betrug
1864 99 Pers. O.Z. 13
1865 111 Pers. O.Z. 24
1866 128 Pers. O.Z. 22
1867 158 Pers. O.Z. 09
1868 106 Pers. O.Z. 22
1869 119 Pers. O.Z. 19
1870 72 Pers. O.Z. 27
1871 37 Pers. O.Z. 26

Es würde aber aus diesen Zahlen allein der Gegensatz zwischen dem oben angegebenen großen Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen und dem geringen Gesamtzuwachs oder Rückgang der Bevölkerung nicht zu erklären sein, wenn nicht die offenkundige Thatsache bestände, daß namentlich seit der Ausbildung der Verkehrsmittel und der dadurch eingetretenen Erleichterung des Reisens neben der zur Kenntniß der Behörden kommenden Auswanderung ein weiterer der officiellen Kenntnißnahme entgehender sehr bedeutender Abgang an der Bevölkerung von solchen Personen stattfindet, die ohne förmlich auszuwandern dennoch in der Absicht fortgehen, um sich im Ausland eine Existenz zu gründen.

Hierauf weist auch die erhebliche Differenz der ortsangehörigen und ortsanwesenden Bevölkerung des Bezirks in Übersicht I. hin, welche im Jahr 1864 12,3 %, im Jahr 1867 15 % ausmachte, um welche die Zahl der Ortsangehörigen die der Ortsanwesenden (letztere = 100 angenommen) überstieg.

Wo aber einmal die Lust zur Auswanderung vorhanden ist, erhält solche durch die Erleichterungen, welche schon ausgewanderte Verwandte und Bekannte hiezu darbieten, neue Nahrung; es ziehen die schon Ausgewanderten neue Auswanderer nach sich und es dürfte bei der durch obige Zahlen beurkundeten Auswanderungslust kein Zweifel sein, daß der geringe Zuwachs und der Rückgang der| Bevölkerung unseres Oberamtsbezirks der officiell bekannten und nicht bekannten Auswanderung zuzuschreiben ist.

1

2. Geburten insbesondere.

Das Verhältniß der Geborenen (incl. Todtgeborene) zu den Lebenden war nach jährlichen Durchschnitten

in der
Periode
in
Württemberg
im
Neckarkreis
im Oberamt
Brackenheim
O.Z.
1 : 1 : 1 :
1812/22 26,25 26,03 27,10 43
1822/32 26,10 26,10 27,90 49
1832/42 23,12 22,90 28,40 34
1842/52 24,68 24,59 25,00 31
1846/56 26,30 26,64 25,61 22
1858/66 24,50 24,50 24,70 39
Durchschnitt 1:25,28 1:25,14 1:24,27 18

Der Durchschnitt zeigt also eine dem Landesmittel um Weniges nachstehende Verhältnißzahl. Da aber nach oben der natürliche Zuwachs des Oberamts das Landesmittel dennoch in der Regel übersteigt, so ist dieser hauptsächlich auch ein Ergebniß der im nächsten Abschnitt folgenden günstigen Verhältnißzahlen des Bezirks in Beziehung auf Sterblichkeit.

Das Verhältniß der unehelich Geborenen zu den Geborenen überhaupt war

in der
Periode
in
Württemberg
im
Neckarkreis
im Oberamt
Brackenheim
O.Z.
1812/22 1:9,08 1:10,60 1:11,00 49
1822/32 1:8,10 1:9,20 1:9,50 46
1832/42 1:8,68 1:10,10 1:10,80 48
1842/52 1:8,35 1:9,69 1:9,93 50
1:8,55 1:9,90 1:10,31 48

Auch in späterer Zeit erscheint das Oberamt nie mit einer starken Anzahl unehelich Geborener, vielmehr wird es in einzelnen Jahren z. B. 1853 mit 7,93 % Unehelicher (O.Z. 62) und 1862 mit 12,35 auf 100 Geborene (O.Z. 59) unter denjenigen 8–10 Bezirken aufgeführt, welche die geringste Zahl unehelich Geborener aufweisen. Nach der neuesten Zählung im Jahr 1871 kamen auf 1034 Geborene 75 Uneheliche oder 7,25 %.

Was das Geschlecht der Geborenen anbelangt, so macht sich der Bezirk durch die geringe Zahl männlich Geborener bemerklich, welche schon von 1812/22 verhältnißmäßig nieder sich berechnete, denn mit 103,3 Knaben auf 100 Mädchen hatte der Bezirk damals nur 9 andere Oberämter hinter sich (Jahrg. 1826 I. S. 210). Es kamen sodann auf 100 weiblich Geborene männlich Geborene|
in der
Periode
in
Württemberg
im
Neckarkreis
im Oberamt
Brackenheim
O.Z.
1842/52 106,28 103,33 102,68 61,
1846/56 106,31 105,67 102,87 60,

wobei aber die Anzahl der männlich Geborenen bei den unehelichen Kindern größer erscheint als bei ehelichen, während im ganzen Land das entgegengesetzte Verhältniß sich geltend macht; denn es kamen von 1846/56 ehelich beziehungsweise unehelich männlich Geborene

in
Württemberg
im
Neckarkreis
im Oberamt
Brackenheim
O.Z.
auf je 100 ehelich weiblich Geborene 106,51 106,53 102,37 63
und auf je 100 unehelich weiblich Geborene 104,57 104,61 105,47 31

Auch nach der neuesten Zählung vom Jahr 1871 ist das Vorwiegen des männlichen Geschlechts bei den Geborenen unerheblich und beträgt für dieses Jahr 103,15 männlich Geborene auf 100 weiblich Geborene.

Aus der im Jahrgang 1856 der württemb. Jahrbücher enthaltenen Bearbeitung der Aufnahmen des Medicinalkollegiums für die Periode 1. Juli 1846/56 sind noch folgende Verhältnißzahlen über Zahl und Verlauf der Geburten im Oberamtsbezirk Brackenheim vorzumerken:

Die Zahl der Geburten verhielt sich zu der Zahl der über 14 Jahre alten Personen weiblichen Geschlechts

in
Württemberg
im
Neckarkreis
im Oberamt
Brackenheim
O.Z.
wie 1: 9,39 9,36 8,76 17
dabei waren unter 100 Geburten
Zwillingsgeburten 1,28 1,23 1,41 17
Drillingsgeburten 0,01 0,01 0,02 11

Während die Mehrgeburten in Württemberg nach der angeführten statistischen Untersuchung hauptsächlich im nordöstlichen Viertel des Königreichs und in einigen Theilen Oberschwabens häufig waren, entlang der Westgränze des Landes aber und im östlichen Theile des Königreichs seltener vorkamen, bildete der Oberamtsbezirk Brackenheim hievon eine Ausnahme, denn in obigen Zahlen ist das Landesmittel weit überschritten.

Nach der neuesten Aufnahme von 1871 waren (incl. Todtgeborene) unter 1034 Geborenen 33 von Mehrgeburten.

Es kamen ferner vom 1. Juli 1846–56|
a) unreif Geborene:
in
Württemberg
im
Neckarkreis
im O.A.
Brackenheim
OZ.
auf 100 Geborene überhaupt 3,43 3,75 3,39 35
auf 100 männlich Geborene 3,70 3,94 3,50 29
auf 100 weiblich Geborene 3,16 3,54 3,28 42
b) Todtgeborene:
auf 100 natürliche Geburten 2,90 3,46 3,42 16
auf 100 künstliche Geburten 26,25 31,70 38,06 11
auf 100 Geborene überhaupt 4,07 4,82 4,97 55

Es wurden ferner von 100 Gebärenden:

in
Württemberg
im
Neckarkreis
im O.A.
Brackenheim
O.Z.
künstlich entbunden: 5,26 5,01 4,70 38
      und von 100 Gebärenden starben Mütter:
bei natürlichen Geburten 0,14 0,15 0,10 08
bei künstlichen Geburten 0,22 0,22 0,30 08
unentbunden 0,03 0,03 0,04 18
bei Geburten überhaupt 0,39 0,40 0,44 15
      Auf 100 Geburten kamen:
Kaiserschnitte 0,02 0,01 10
Zerstückelungen 0,04 0,04 0,07 10
Zangengeburten 2,09 1,80 2,05 22
Manuelle Operationen 2,09 2,12 1,87 40
Nachgeburtslösungen 1,98 2,07 1,44 49
Geburtshilfliche
Operationen überhaupt
6,22 6,04 5,43 40
3. Todesfälle.

Das Verhältniß der Gestorbenen zur Bevölkerung war nach jährlichen Durchschnitten der Gestorbenen (einschließlich der Todtgeborenen) und der Bevölkerung folgendes:

in der
Periode
im
ganzen Land
im
Neckarkreis
im Oberamt
Brackenheim
O.Z.
1812/22 1:31,30 1:32,43 1:33,60 22
1822/32 1:34,20 1:35,40 1:36,80 23
1832/42 1:28,80 1:29,00 1:29,40 29
1842/52 1:31,78 1:33,05 1:33,99 23
1846/56 1:31,64 1:33,50 1:33,85 16
1858/66 1:31,39 1:32,80 1:33,20 18
Durchschnitt 1:31,52 1:32,69 1:33,83 16
Wenn, wie aus der vorstehenden und den oben gegebenen Übersichten erhellt, der ziemlich starke natürliche Zuwachs unseres Bezirks| bei einer mittelmäßigen Anzahl der Geborenen hauptsächlich dem günstigen Sterblichkeitsverhältniß desselben zugeschrieben ist, so scheint zu letzterem wiederum die verhältnißmäßig kleinere Anzahl der im ersten Lebensjahr Gestorbenen beigetragen zu haben. Nach den vorliegenden Berechnungen starben nämlich von 100 Geborenen im 1. Lebensjahr
in der
Periode
in
Württemberg
im
Neckarkreis
O.A.-Bezirk
Brackenheim
O.Z.
von 100 Geborenen
excl. Todtgeborenen
1812/22 32,06 29,16 26,96 14
von 100 Geborenen
excl. Todtgeborenen
1846/56 34,78 30,25 26,95 05
von 100 Geborenen
excl. Todtgeborenen
1858/66 35,40 31,90 30,30 24
Durchschnitt 33,99 30,33 27,91 09

In Beziehung auf das Geschlecht der Gestorbenen ergeben sich für die zwei Perioden 1842/52 und 1846/56 folgende Verhältnißzahlen: Es kommen

in Württemberg im Neckarkreis im O.A. Brackenheim
v. 1842/52 v. 1846/56 v. 1842/52 v. 1846/56 v. 1842/52 OZ. v. 1846/56
1) auf 100 weibliche Gestorbene
     männliche Gestorbene
104,66 103,08 104,61 103,70 100,29 60 100,10
2) auf 1 männlich Gestorbenes
     männliche Einwohner
30,46 30,18 31,75 32,13 33,52 51 32,70
3) auf 1 weiblich Gestorbenes
     weibl. Einwohner
33,15 33,16 34,42 33,96 34,46 35 35,01

Entsprechend dem geringen Vorherrschen des männlichen Geschlechtes bei den Geborenen (s. den vorigen Abschnitt) sind auch die Sterbefälle bei demselben nur um Weniges zahlreicher als beim weiblichen.

Was das Lebensalter der Gestorbenen anbelangt, so standen in der Periode 1. Juli 1846/56 von 100 Gestorbenen (incl. Todtgeborene)

in
Württemberg
im
Neckarkreis
O.A.
Brackenheim
im 1. Lebensjahr 42,18 38,55 36,30
im 2–7. Lebensjahr 09,99 10,74 12,46
im 8–14. Lebensjahr 02,39 02,63 02,60
im 15–20. Lebensjahr 01,91 02,15 02,29
im 21–45. Lebensjahr 10,83 12,10 10,76
im 46–70. Lebensjahr 20,69 22,13 22,75
über dem 70. Lebensjahr 12,01 11,70 12,84
In der Periode 1858/66 waren von 100 Todten über 70 Jahre alt|
in Württemberg im Neckarkreis im O.A. Brackenheim
10,4 9,7 10,2

Auch aus den vorstehenden Zahlenreihen für 1846/56 geht hervor, daß der geringe Antheil der auf die im 1. Lebensjahr Gestorbenen von der Gesamtsterblichkeit fällt, vieles zu den im allgemeinen günstigen Sterblichkeitsverhältnissen des Bezirks beitragen muß, denn während die Prozente, welche auf das 1. Lebensjahr fallen, hinter dem Landesmittel erheblich zurückbleiben, übersteigen sie dasselbe in der Altersklasse vom 2–20. Jahr ganz entschieden und bleiben in der folgenden Klasse der 21–45jährigen nur um Weniges hinter ihnen zurück, um es in den späteren wiederholt zu übersteigen.

Von 100 Gestorbenen incl. Todtgeborenen kommen ferner in der Periode 1. Juli 1846–56 auf die Monate

April bis Juni Juli bis Sept. Okt. bis Dez. Jan. bis März
in Württemberg 23,63 24,16 24,76 27,45
im Neckarkreis 22,45 24,59 25,26 27,70
im O.A. Brackenheim 22,12 23,08 25,56 29,24

Was für das ganze Land Regel ist, daß die meisten Todesfälle (52,21 %) in den Herbst- und Wintermonaten vorkommen, tritt somit in unserem Bezirk für die 10jährige Periode 1846/56 bei 54,80 % in besonderem Maße hervor, wogegen die neueste Aufnahme von 1871 jene Regel nicht bestätigt, da von 696 Gestorbenen 339 auf die Herbst- und Wintermonate kommen, 357 dagegen auf das Sommerhalbjahr.

Von 100 Gestorbenen excl. Todtgeborenen haben sodann im Zeitraum vom 1. Juli 1846/56

in
Württemberg
im
Neckarkreis
im Oberamt
Brackenheim
ärztliche Hülfe genossen 45,36 50,95 50,20
keine solche genossen 54,64 49,05 49,80

Ferner waren von 100 Gestorbenen excl. Todtgeborenen

in
Württemberg
im
Neckarkreis
im Oberamt
Brackenheim
Verunglückte 0,85 0,90 1,09
Selbstmörder 0,36 0,44 0,21
und kamen Einwohner
auf 1 Unglücksfall 3872 3944 3319
auf 1 Selbstmord 9270 8082 17.546
und es trifft hinwieder
1 Selbstmord auf 6291 5451 11.397

über 14 Jahre alte Einwohner. In Beziehung auf die Seltenheit der Selbstmorde standen unserem Bezirk nur die Oberämter Gaildorf mit 1 Fall auf 20.668 und Waiblingen mit 1 Fall auf 17.785 Einwohner voran.

|
4. Trauungen.

In den 20 Jahren 1838–1857 war die Zahl der Trauungen nach einer im Jahr 1858 veranstalteten Aufnahme 3318. Hievon sind einschließlich 29 gemischter Ehen 3032 durch die protestantische und einschließlich weiterer 35 gemischter Ehen 275 durch die katholische Kirche getraut worden, endlich auch noch 11 Trauungen von der israelitischen Kirche vorgenommen worden. Unter den 64 gemischten Ehen sind ferner 25 begriffen, bei denen der Bräutigam evangelisch und 39 bei denen er katholisch war.

Unter den 3318 getrauten Paaren oder unter 6636 Personen waren

  Überschuß der
Bräutigame,
die alt waren
weniger als
Summe der
Bräutigame,
die alt waren
weniger als
1. a) Bräutigame von weniger als 25 Jahren 257
b) Bräute von weniger als 20 Jahren 190 25 J. 67
2. a) Bräutigame von 25–30 Jahren 1670 30 J. 1737
b) Bräute von 20–25 Jahren 1271 30 J. 466
3. a) Bräutigame von 30–40 Jahren 998 40 J. 1464
b) Bräute von 25–30 Jahren 1051 40 J. 413
4. a) Bräutigame von 40–50 Jahren 258 50 J. 671
b) Bräute von 30–40 Jahren 626 50 J. 45
5. a) Bräutigame von über 50 Jahren 135 180
b) Bräute von über 40 Jahren 180

Nach dem Civilstand klassificiren sich diese Trauungen folgendermaßen:

Es waren:

a) Jungfrauen. b) Wittwen. c) geschiedenen
Frauen.
Zusammen.
1) Trauungen von Junggesellen mit 2537 177 11 2725
2) Trauungen von Wittwern mit 0468 095 04 0567
3) Trauungen von geschiedenen Männern mit 0022 003 01 0026
3027 275 16 3318

Nach der neuesten Aufnahme der Bewegung der Bevölkerung vom Jahr 1871 kamen im Kalenderjahr 1871 272 Eheschließungen vor, wovon auf die 8 Monate April bis November 215 kommen oder 82 %, auf die weiteren 4 Monate Januar bis März und Dez. 47 oder 18 %.

Das Lebensalter der mittleren Verheirathungswahrscheinlichkeit berechnete sich nach der vorgenommenen besonderen Zählung der ortsanwesenden Bevölkerung Württembergs vom 3. Oktober 1861 nach Altersklassen:

|
für männliche
Personen
für weibliche
Personen
im Oberamt Brackenheim auf 29 Jahre 27 Jahre
im Neckarkreis 31 Jahre 29 Jahre
in Württemberg 31 Jahre 29 Jahre

Es waren ferner damals verheirathet oder verheirathet gewesen unter 1000 Personen:

in
Württemberg
im
Neckarkreis
im Oberamt
Brackenheim
375 360 377

Es waren verheirathet unter 100 25–30 Jahre alten

männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl.
Personen. Personen. Personen.
31,3 44,7 34 47 43 55.

Es waren unverheirathet[3] unter 100 40–45 Jahre alten

männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl.
Personen. Personen. Personen.
12,2 17,4 11 17 9 15.

Das mittlere Lebensalter der Verheiratheten war bei den

männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl.
Personen. Personen. Personen.
46,4 42,8 45,9 41,9 46,6 42,4.
3,6 4 4,2

Schließlich folgt noch eine Tabelle über die Häufigkeit der Eheschließungen in der 20jährigen Periode 1838–1857, welche zeigt, daß in dieser ganzen Periode eine fortwährende bedeutende Abnahme der Trauungen stattgefunden hat. Namentlich die 1850er Jahre sind es, welche die bedeutendste Abnahme zeigen und es hat ohne Zweifel der allgemeine Nothstand in dieser Zeit hiezu Vieles beigetragen und sich in dieser Weise auch im Oberamt Brackenheim nachhaltig fühlbar gemacht. Auch in Beziehung auf den Vermögenszerfall ist derselbe hier mehr als in vielen anderen Bezirken hervorgetreten, denn es kam in den Jahren 1851–1853

in
Württemb.
im
Neckarkreis
im O.-A.
Brackenheim
O.-Z.
1 Gantfall auf Familien 076 071 062 50.
1 Gantfall auf Einwohner 352 339 293 46.
|
Es war I. in der 8jährigen Periode
von 1838–1845

die durchschnittliche Zahl der
jährlichen
II. in der 5jährigen Periode
von 1846–1850.

die durchschnittliche Zahl der
jährlichen
III. in der 4jährigen Periode
von 1851–1854.

die durchschnittliche Zahl der
jährlichen
IV. in der 3jährigen Periode
von 1855–1857.

die durchschnittliche Zahl der
jährlichen
Trau-
ungen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das Ver-
hältniß
beider.
Trau-
ungen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das Ver-
hältniß
beider.
Trau-
ungen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das Ver-
hältniß
beider.
Trau-
ungen.
ortsan-
gehörigen
Einwohner.
das Ver-
hältniß
beider.
im Oberamt
Brackenheim
187 25.298 1:135 181 26.288 1:145 136 26.683 1:196 123 26.145 1:213
im
Neckarkreis.
3547 473.759 1:134 3479 495.926 1:143 2487 505.115 1:203 2725 498.530 1:183
in
Württemberg.
12.737 1.705.431 1:134 11.921 1.776.671 1:149 9077 1.803.066 1:199 9660 1.788.17? 1:185
|
5. Vertheilung der Bevölkerung nach Religion, Familienverhältniß, Alter, Geschlecht, Beruf etc.

Bezüglich des Religionsbekenntnisses vertheilte sich die Bevölkerung folgendermaßen:

Es wurden gezählt am

1. Nov.
1813
1. Nov.
1822
10. Nov.
1832
3. Dez.
1846
3. Dez.
1858
3. Dez.
1867
1. Dez.
1871
Lutherische 20.264 20.830 21.639 23.745 23.739 21.449 21.630
Reformirte 270 292 282
Katholiken 1486 1559 1755 1985 2079 1891 1778
Von andern christl.
Bekenntnissen
3 8 67 80 95
Israeliten 139 137 140 153 148 98 101
Von andern
Religionen
22.162 22.818 23.816 25.891 26.033 23.518 23.604

Über den Familienstand sodann geben folgende Zahlen Aufschluß. Es waren:

Unverheirathete Verheirathete Verwittwete Geschied. Zusammen
männl. weibl. männl. weibl. m. w. m. w. männl. weibl.
am Ortsangehörige
10. Nov. 1832 14.909 7582 494 788 43 23.816
03. Dez. 1846 16.584 7931 507 815 54 25.891
03. Dez. 1858 8349 8682 3793 3788 535 841 16 29 12.693 13.340
Ortsanwesende
03. Dez. 1861 6994 7782 3774 3805 517 837 12 22 11.297 12.446
03. Dez. 1864 6962 7697 3930 3938 507 870 11 20 11.410 12.525
03. Dez. 1867 6746 7385 3953 3999 522 878 10 25 11.231 12.287
01. Dez. 1871 6634 7230 4055 4106 573 937 25 44 11.287 12.317

Unter 1000 Personen waren Verheirathete:

in
Württemberg
im
Neckarkreis
im O.-A.
Brackenheim
1861 310 302 319
1864 319 311 328
1867 327 320 338
1871 335 328 346

Die Zahl der Verheiratheten hat nach den letzten 4 Zählungen fortwährend zugenommen, während zugleich oben bei der Zahl der Unverheiratheten eine nicht unerhebliche Abnahme zu bemerken ist, welche Erscheinung theils von der Auswanderung, theils von dem zunehmenden Wohlstand der anwesenden Bevölkerung herrühren mag.

Das Verhältniß des männlichen und weiblichen Geschlechts war folgendes. Es kamen auf je 100 männliche Einwohner weibliche

nach der
Zählung von
in
Württemberg
im
Neckarkreis
im OA.
Brackenheim.
1832 105,38 104,83 103,61 Ortsangehörige.
1846 104,00 103,62 102,53
1858 104,92 104,08 105,09
1858 107,48 106,01 109,94 Ortsanwesende.
|
nach der
Zählung von
in
Württemberg
im
Neckarkreis
im O.-A.
Brackenheim.
1861 107,3 106,5 110,2 Ortsanwesende
Bevölkerung.
1864 107,0 105,0 109,0
1867 107,0 106,0 109,0
1871 108,0 106,0 109,0

Nach den früheren Aufnahmen über die ortsangehörige Bevölkerung von 1832 bis 1858 erscheint das Übergewicht der weiblichen Bevölkerung weit nicht so groß als nach den Zählungen der Ortsanwesenden. Insbesondere ist die Vergleichung dieses Verhältnisses, wie es sich nach beiderlei Zählungen von 1858 ergab, bemerkenswerth, weil sich damals der Überschuß der weiblichen Bevölkerung für je 100 männliche Personen bei den Ortsangehörigen auf 105,09, bei den Ortsanwesenden auf 109,94 berechnete. Es läßt sich diese Differenz aber dadurch erklären, daß von der männlichen Bevölkerung eine weit größere Anzahl Personen, welche in den Familienregistern als Orts- und Staatsangehörige verzeichnet werden, vorübergehend in andern Bezirken oder im Ausland abwesend ist, als von der weiblichen.

Die Zahl der im Bezirk befindlichen Ausländer betrug:

in
Württemberg
im
Neckarkreis
im OA.
Brackenheim.
absolute auf je
1000 Einw.
absolute auf je
1000 Einw.
absolute auf je
1000 Einw.
1861 19.006 11 ,06110 12 140 6
1864 20.881 12 ,07707 15 115 5
1867 34.457 19 11.138 21 181 8
1871 39.930 22 16.171 29 184 8

Wie die Zahl der im Bezirk sich aufhaltenden Ausländer hienach unbedeutend war, so hat sich auch nach der im Jahr 1867 angestellten Ermittlung die Zahl derjenigen als unerheblich herausgestellt, die sich im Bezirke aufhielten, aber in andern Gemeinden des Landes heimathberechtigt waren. Es wurden nämlich 1867 gezählt:

a) Ortsanwesende, im Wohnort heimathberechtigte:
männl. weibl. zusammen in Prozenten
10.037 11.086 21.123 91
b) desgl., in anderen Gemeinden heimathberechtigte:
1099 1115 2214 9
Zus. Inländer 11.136 12.201 23.337 100
Ausländer 95 86 181
zus.       11.231 12.287 23.518
Da die zur Kategorie b. gehörigen von der Gesamtzahl der inländischen Einwohnerschaft des Bezirks ca. 9 % ausmachten,| während das Mittel für Württemberg 18, das Minimum 5 und das Maximum (abgesehen von Stuttgart Stadt mit 61 %) 35 % betrug, so geht hieraus sowohl als aus der geringen Zahl der Ausländer hervor, daß der Zuwachs der Bevölkerung durch Hereinzug ein geringer ist, während umgekehrt das Überwiegen der ortsangehörigen Bevölkerung über die ortsanwesende (oben S. 6) sowie das Vorherrschen der weiblichen Bevölkerung bei den Ortsanwesenden darauf hinweist, daß der Abfluß der Bevölkerung in Brackenheim auch abgesehen von der Auswanderung ein bedeutender ist, daß also das Oberamt auch mehr Arbeitskräfte abgibt als empfängt.

Das Oberamt gehört überdieß zu den dichter bevölkerten des Landes, denn die Zahl der ortsanwesenden Einwohner berechnete sich pr. □Meile:

in
Württemberg
im
Neckarkreis
im OA.
Brackenheim
1858 4773 8054 5788
1861 4857 8230 5840
1864 4935 8474 5886
1867 5020 8671 5784
1871 5133 9080 5805

Über den Bezirk vertheilt sich die ortsanwesende Bevölkerung von 1871 mit 23.604 Personen folgendermaßen:

Die größte Einwohnerzahl, nämlich zusammen 5078 Pers. oder 22 %
der Bevölkerung des Oberamts, hatten die 3 größeren Städtchen des
Bezirks Schwaigern (2059), Brackenheim (1584), Güglingen (1435),
das 4. Städtchen, Kleingartach, dagegen zählte nur 954 Personen.
Die Bevölkerung der weiteren 4 Ortschaften von 1000 bis 2000 Einwohner
(mit Kleingartach) beträgt
4586 Pers. oder 19 %
Die der 16 Gemeinden von 500 bis 1000 Einwohner 11.569 Pers. oder 49 %
und die der 7 Gemeinden von weniger als 500 Einwohner 2371 Pers. oder 10 %
Zusammen       23.604 Pers. oder 100 %

Nach den besonderen Zählungen der ortsanwesenden Bevölkerung Württembergs vom 3. Dezember 1867 und 1871 nach Altersjahren waren im O.A.-Bezirk Brackenheim:

|
am 3. Dezember 1861 die Zahl der am 3. Dezember 1867 die Zahl der
im Alter Ledigen Verheiratheten od.
Verheirathet gewes.
Ledigen Verheiratheten od.
Verheirathet gewes.
von Jahren männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl.
0–5 1596 1651 1525 1502
5–10 1163 1275 1305 1404
10–15 1313 1405 1104 1216
15–20 1160 1319 5 1061 1132 6
20–25 858 880 22 206 743 795 30 226
25–30 407 367 292 456 466 432 359 547
30–35 139 214 448 482 168 219 559 555
35–40 100 163 542 631 81 147 493 507
40–45 57 112 584 608 69 135 504 539
45–50 73 96 542 544 63 104 557 640
50–55 39 76 532 546 52 90 466 493
55–60 42 70 464 461 58 71 480 482
60–65 24 65 381 329 26 56 437 370
65–70 15 35 224 198 18 49 305 267
70–75 7 37 161 110 10 30 155 128
75–80 8 12 70 58 5 11 96 81
80–85 2 30 16 3 3 36 22
85–90 3 6 3 4 3
über 90 1 2
7001 7779 4295 4656 6757 7400 4481 4868
23.731 23.506

Auf je 10.000 Einw. kamen ferner Personen nach der Zählung vom

3. Dez. 1861: 3. Dez. 1867:
von Jahren zus. in
Württemberg
zus. im Oberamt
Brackenheim
zus. in
Württemberg
zus. im Oberamt
Brackenheim
0–5 1261 1368 1212 1288
5–10 939 1027 1027 1152
10–15 1028 1145 906 987
3228 3540 3145 3427
15–20 1090 1047 940 936
20–25 910 829 897 763
25–30 718 641 832 767
30–40 1244 1146 1277 1161
3962 3663 3946 3627
40–50 1100 1102 1116 1111
50–60 944 940 908 933
60–70 535 536 630 650
70–80 199 195 217 220
80–90 31 24 36 31
über 90 0,6 2 1
2810 2797 2909 2946
10.000 10.000 10.000 10.000
| Während nach beiden Zählungen die Besetzung der Altersklassen bis zum 15. Jahr einschließlich das Landesmittel überstieg, blieb solche in den Klassen vom 15. bis 40. Jahr beinahe um ebensoviel zurück, erreichte dasselbe aber in der Summe der höheren Klassen 1861 nahezu wieder und überstieg solches 1867. Da aber nach oben S. 11 die Sterblichkeit namentlich in den Altersklassen vom 2.–7. und 2.–20. Lebensalter das Landesmittel übersteigt, so kann der Ausfall in den Altersklassen vom 25.–40. Lebensjahr nicht wohl dieser als vielmehr dem Umstand zugeschrieben werden, daß das Oberamt viele Arbeitskräfte außer Bezirks abgibt, wobei es dann häufig vorkommt, daß von solchen Personen viele in älteren Jahren wieder in ihre Heimath zurückkehren.

Bei der 1864 angeordneten besonderen Zählung der ortsanwesenden Bevölkerung pr. 3. Dez. 1864 nach Familienstand wurden 5109 Haushaltungen gezählt, während die Zollvereinszählung 5310 Familien ergibt, wornach also 201 Familien mit andern Haushaltungen vereinigt gewesen sein müßten.

Unter jenen 5109 Haushaltungen sind nun begriffen:

in Proz.
1) Solche, die nicht mehr als 5 Personen umfassen 3396 66
2) Solche, deren Vorstände verheirathete Männer sind 3804 74
3) Haushaltungen mit Kindern unter 14 Jahren 3061 60
4) Haushaltungen mit nicht mehr als 2 Kindern unter 14 Jahren 1815 36
5) Haushaltungen mit Personen über 14 Jahren,
      ausgenommen den Hausherrn und die Hausfrau
3502 69
6) Haushaltungen mit nicht mehr als 2 solcher Personen 2454 48
7) Haushaltungen mit Dienstboten 0693 14
8) Haushaltungen mit nicht mehr als 2 Dienstboten 0630 12

Ferner kamen nach dieser Zählung auf 100 Haushalte im Oberamt Brackenheim:

Personen überhaupt 468 OZ. 40
Vorstände nebst Ehefrauen 174
Kinder (Personen unter 14 Jahren) 148 OZ. 15
Erwachsene Hausgenossen 146 OZ. 45
In Übereinstimmung mit obigen Zahlen und Bemerkungen bezüglich der Altersklassen zeigt sich auch hier der Stellung nach, welche das Oberamt in der Reihenfolge der Bezirke einnimmt, ein Vorherrschen der unter 14jährigen gegenüber der Zahl der erwachsenen Hausgenossen. In dieser Beziehung ist namentlich auch auf die großen Gegensätze hinzuweisen, welche zwischen den einzelnen Landesgegenden bezüglich der Anzahl der Dienstboten bestehen. Unter 4329 Haushaltungen des Oberamts Waldsee z. B. sind solche mit|
1 2 3 4 5 6 7 Dienstboten
608 300 191 105 68 25 10

gezählt worden, im Oberamt Brackenheim dagegen unter 5109 Haushaltungen nur

520 120 030 009 05 05 01. Dienstboten

Schließlich ist noch der im Jahr 1853 veranstalteten Aufnahme der Irren, Kretinen, Taubstummen und Blinden zu erwähnen:

Es kam nach dieser Aufnahme

in
Württemberg
im
Neckarkreis
im O.A.
Brackenheim
OZ.
auf Einwohner
1 Irre 0943 0871 0994 35
1 Kretine 0484 0462 0292 09
1 Taubstummer 0962 0906 0865 26
1 Blinder 1194 1165 1073 19

Namentlich in Beziehung auf den Kretinismus ergab die damalige Aufnahme für den Oberamtsbezirk ungünstige Resultate und es wurde die Ursache hauptsächlich auch in den mit Gyps durchsetzten Keupermergeln des Strom- und Heuchelbergs gesucht, welche das Trinkwasser ungesund machen sollen. In Neipperg am südöstlichen Abhang des Heuchelbergs kam 1 Kretine auf 67 Einwohner, in Haberschlacht 1 auf 34. In Frauenzimmern und Zaberfeld sodann 1 auf 66 resp. 163 Einwohner und in Eibensbach am Nordabhang des Strombergs stellte sich das Verhältniß wie 1:84.

Nach der mit der Zollvereinszählung im Jahr 1861 verbunden gewesenen Aufnahme wurden gezählt:

Irrsinnige Blödsinnige Taubstumme Blinde
10. 56. 40. 18.

Dagegen war im Jahr 1853 die absolute Zahl derselben:

27. 92. 31. 25.

Hienach hätte die Zahl der Irren und Kretinen von 1853 bis 1861 erheblich abgenommen.

2. Stamm und Eigenschaften der Einwohner.[4]
Neben den schon oben besprochenen natürlichen Verhältnissen (Klima, Wasser, Terrain und Boden) ist es hauptsächlich die durch dieselben bedingte Beschäftigung, welche auf die körperliche Beschaffenheit der Bezirksbewohner den bedeutendsten Einfluß ausübt. Es ist der Wald, der Acker, die Wiese und der Weinberg, welche der Bevölkerung unseres im allgemeinen als ein gesegneter, fruchtbarer zu bezeichnenden Landstrichs seine nächsten natürlichen Lebensbedingungen liefern, zu deren künstlicher Schaffung die Industrie bisher gar nicht, das Kleingewerbe fast nur in der Sorge für den augenblicklichen lokalen Bedarf beigetragen hat, und zwar zumal in den größeren,| städtischen Gemeinden, wo es aber ohne nebenhergehenden Grundbesitz keine rechte Lebensfähigkeit besitzt. – In dieses, manche landschaftliche Schönheiten zeigende, Stück Erde theilt sich eine Bevölkerung von (1871 gezählten) 23.604 Ortsanwesenden, welche 30 Gemeinden, wenige Ausnahmen abgerechnet, gleichzeitig geschlossene Ortschaften bilden, worunter vier städtische, welche jedoch nur in einer einzigen (Schwaigern) 2000 Seelen zählen. Namentlich im Zaberthale liegen die Ortschaften nahe beisammen. Nebstdem, daß das Waldareal überhaupt ein sehr bedeutendes ist, läßt schon ein Blick auf die zahlreichen, oft nahe an einander gereihten Ortschaften eine nothwendig gewordene, starke Parzellirung des für andere Kulturen disponiblen Grunds und Bodens erwarten, wozu noch kommt, daß auch der Großgrundbesitz im Bezirke, seine Vertretung findet (so in Neipperg, Stockheim, Schwaigern, Massenbach, Nordheim, Magenheim, Ochsenbach).

Eine Bevölkerung mit so wenig bestimmt ausgeprägter oder exklusiver Beschäftigung, welche heute hinter dem Pfluge hergeht, morgen mit dem Karst am steilen Berghang die Reben hackt, ein andermal im Walde Holz fällt oder aber mit dem Kleingewerbe sich abgibt u. s. w., kann keine typischen Formen zeigen: große und kleine Leute kommen da vor, Breitschultrige und Schmächtige gehen da neben einander her im nämlichen Orte: Hünengestalten aber wachsen vorweg hier nicht, und wenn auch da und dort Einer um eines Hauptes Länge Andere überragt, so fehlen häufig die richtigen Proportionen. Statur, Schädel- und Gesichtsbildung der Bewohner des Bezirks zeigen große Manchfaltigkeit, überall begegnet man sehr verschiedenen körperlichen Verhältnissen, zwischen deren extremer Gestaltung alle möglichen Übergänge und Zwischenformen noch häufiger vorkommen. Daß indeß die Bewohner des am weitesten nach Norden reichenden Zipfels des Bezirks, von Massenbach und Hausen b./M., Franken sind nach ihrem Dialekte, tritt sehr stark hervor, während in dem südlich angrenzenden Leinbachthale, in Schwaigern, Stethen, Niederhofen und Kleingartach, schon ganz das abgeschliffene, verwaschene Unterländer-Schwäbisch herrscht, wie überhaupt sonst im Bezirke. Es bleibt schließlich nur zu constatiren, daß dem Bevölkerungsdurchschnitt das Prädikat eines Mittelschlags zuzuerkennen ist, das wieder nach den verschiedenen Ortschaften Schwankungen und Modifikationen erleidet, indem die körperlichen Verhältnisse sich bald über, bald unter dem allgemeinen Durchschnitt bewegen.

Nur noch zwei bestimmter differenzirte, freilich kleine Gruppen heben sich von diesem verwaschenen Bilde nachweislich ab. Das sind die wenigen nur in drei Gemeinden (Zaberfeld, Massenbach und Hausen b./M.) repräsentirten Israeliten, sowie die von Waldensern abstammenden Bewohner des kleinen Nordhausen, bei welchen die bekannten Stammesunterschiede (auf welche hier nicht näher eingegangen| werden soll, da anderwärts, z. B. in der Beschreibung des Oberamts Maulbronn, wo mehrere Waldensergemeinden sich finden, darüber das Wesentlichste gesagt ist), noch immer nicht von der allgemeinen Völkervermischung absorbirt worden sind.

Es erklärt sich das Letztere unschwer aus dem Umstande, daß Israeliten gewöhnlich nur mit Israeliten, Waldenser am liebsten wieder mit Waldensern Ehen eingehen, wodurch es beiden gelungen ist, durch Jahrhunderte ihre Stammeseigenthümlichkeiten zu fixiren. Wenn einem anderen Momente ein ähnlicher Effekt, einer ganzen Bevölkerung ihren bestimmten, im Körperlichen wie im Geistigen sich ausprägenden Stempel – im Guten wie im Schlimmen – aufzudrücken, nicht abzusprechen ist, nämlich der Ausschließlichkeit der Beschäftigung und Lebensweise, so vermischen und verwischen sich in unserem Bezirke die Charaktere des spezifischen Waldbauers, Weingärtners und Bauers durch den überall hier vorkommenden Betrieb von Geschäften, welche gleichzeitig mindestens zwei der genannten Kategorien angehören. Bei solcher wechselnden Beschäftigung – heute mit Diesem, morgen mit Jenem – können sich bestimmte leiblich und geistig markirtere Individuen und Gesellschaftsgruppen nicht herausbilden, wozu noch der Umstand kommt, daß das Zusammenwohnen in größeren geschlossenen Ortschaften eine schärfere Individualisirung des Einzelnen, der von seinen Nachbarn immer mehr oder weniger annimmt, nicht aufkommen läßt, wenn auch Ortseigenthümlichkeiten dadurch zur Entwicklung kommen, der Art, daß gewissermaßen hier die Eigenart des einzelnen ganzen Orts und seiner Bewohner an die Stelle der Familien- und Personaleigenthümlichkeit, z. B. des anderwärts zu treffenden Einödebauern, tritt, der in seiner ganzen Charaktereigenthümlichkeit bei uns nicht repräsentirt ist. Wohl differiren Sitten, Gebräuche, körperliches und geistiges Verhalten sogar bei einer, zu einem geschlossenen Gemeinwesen vereinigten, größeren oder kleineren Zahl von Individuen öfters bedeutend von denen eines Nachbarorts, können kennzeichnend, selbst sprichwörtlich werden, verwischen sich aber unter dem überall nivellirend wirkenden Einfluß des zunehmenden Verkehrs, der vielfach gemeinsamen Interessen u. s. w. doch immer mehr.

Einem ausgeprägteren „Ortsgeist“ begegnet man – außer zu Nordhausen – noch in Dürrenzimmern, Hausen, Pfaffenhofen, Stethen, Schwaigern.

Will man die verschiedenen Gemeinden des Bezirks nach ihrer vorwiegenden Beschäftigung und Bevölkerung klassifiziren, so kann man als eigentliche Bauerngemeinden nur Massenbach und etwa Hausen bezeichnen, als Waldorte Häfnerhaslach, Ochsenbach, etwa auch Leonbronn, als Weinorte Neipperg, Haberschlacht, Stockheim u. s. w., in den übrigen Orten tritt bald mehr das eine, bald mehr das andere Element hervor, bei einer gleichzeitigen Beschäftigung mit mehreren| Zweigen der Ökonomie. Erwähnung verdient hiebei die Erscheinung, daß der Menschenschlag in den Waldgemeinden durchschnittlich ein kräftiger, gesunder ist, während den andern Endpunkt der Reihe in körperlicher Beziehung die Weinorte bilden.

Aus den oben geschilderten Verhältnissen ergibt sich zweierlei von selbst: 1) daß im Bezirke Brackenheim für sogenannte große Bauern (z. B. im Sinne der oberschwäbischen, fränkischen u. s. w.) kein Boden ist; 2) daß aber andererseits auch die Wechselfälle einer einseitigen und ausschließlichen Beschäftigung zur Beschaffung des Lebensunterhalts, wie sie beim reinen Weingärtner, beim Fabrikarbeiter u. s. w. in Folge von Naturereignissen, politischen Vorgängen und drgl. vorkommen und seine Existenz in Frage stellen, eine Bevölkerung weniger berühren, bei welcher selbst in Mißjahren nicht leicht Alles verloren ist, sondern ein Ausfall in der einen Richtung öfters doch noch gedeckt wird durch Mehrproduktion in einer andern. Der Kleinbauer ist das überwiegende Element der Bevölkerung des Bezirks, der Kleinhäusler, der ein paar Äcker und Wiesen, etwas Weinberg, mitunter auch noch eine Waldparzelle sein eigen nennt, in guten Jahren von deren Ertrag etwas übrig hat und verkaufen kann, ja mit seinen Produkten, zumal dem Weine, mitunter namhafte Geschäfte macht.

Die Folgen solcher Schwankungen aber pflegen vielfach keine günstigen zu sein. Der gemeine Mann hat in der Regel das Zeug nicht dazu, ohne moralische Einbuße sie zu ertragen. Es geht keineswegs immer Hand in Hand mit jener, durch den Wechsel der Erträge, wie sie namentlich für den Weinbauern oft recht empfindlich sind, gebotenen Nothwendigkeit einer weisen Eintheilung und Sparsamkeit in der Wirthschaft die wirkliche Handhabung einer solchen, vielmehr legt sich unter dem Einfluß des zu Zeiten reichen Ertrags und Erlöses, zumal aus den Erzeugnissen des Weinbaus die Versuchung nahe, im Unmaß die heurigen Vorräthe zu verzehren, wenn auch mit der bestimmten Aussicht, im folgenden Jahr oder Halbjahr Mangel leiden zu müssen, und es ist nicht zu verkennen, daß vielmehr eine Genußsucht um so mehr Platz gegriffen hat, als der erleichterte Verkehr mit dem benachbarten Heilbronn – der Sonne, um welche der Bezirk Brackenheim kreist – und mit der landaufwärts so leicht durch die Eisenbahn zu erreichenden Residenz u. s. w. so manche früher nicht gekannte oder doch leicht entbehrte Lebensbedürfnisse und Genüsse mehr und mehr kennen und verkosten lehrt und neben manchem Guten auch nicht wenig Schlimmes importirt wird.

Was den physischen Charakter der Bewohner des Bezirks Brackenheim betrifft, so ist dem zu Bemessung desselben üblichen Anlegung des Maßstabs der Ergebnisse einer Untersuchung der militärpflichtigen Jugend ohne Zweifel ihre Berechtigung nicht abzusprechen. Eine|
Musterungs-Ergebnisse.
Nr. Kreis. Oberamt. Zahl der
Militär-
pflichtigen.
Unter den Visitirten befanden sich, in Procenten ausgedrückt:
Tüchtige. Dar-
nach
zu
loziren
als Nr.
Un-
tüchtige.
Dar-
nach
zu
loziren
als Nr.
Unter
dem
Maß
(5′ 5″).
Dar-
nach
zu
loziren
als Nr.
Untüchtig
wegen
allgem.
Schwäch-
lichkeit
Dar-
nach
zu
loziren
als Nr.
Mehr
Tüchtige
als Un-
tüchtige.
Mehr
Un-
tüchtige.
1 Neckarkreis Brackenheim 1579 37,671 10 58,273 10 2,092 4 209 10 20,592
2 Canstatt 1507 51,090 5 43,349 4 4,433 9 123 1 7,741
3 Weinsberg 1565 34,075 11 60,863 11 2,766 8 276 11 26,788
4 Jagstkreis Gerabronn 1545 50,768 6 42,551 3 4,676 10 158 6 8,267
5 Gmünd 1570 50,433 7 46,369 7 1,865 3 184 7 4,064
6 Aalen 1601 51,560 3 45,058 5 2,405 7 153 3 6,502
7 Mergentheim 1535 51,378 4 45,864 6 0,806 1 130 2 5,514
8 Welzheim 1596 41,329 9 50,391 8 6,192 11 184 8 9,062
9 Donaukreis Biberach 1544 60,575 2 37,014 2 1,539 2 155 4 23,561
10 Riedlingen 1585 60,877 1 35,506 1 2,388 6 157 5 25,371
11 Schwarzwaldkreis Neuenbürg 1599 45,573 8 51,016 9 2,295 5 196 9 5,443
| Vergleichung von 11 Oberamtsbezirken des Landes mit annähernd gleicher Zahl von Militärpflichtigen in 6 Jahren (1859–1864 nach einer Zusammenstellung von Generalstabsarzt Dr. Klein im Corresp.-Blatt des württemb. ärztl. Vereins), welche 1507–1601 (Differenz also 94) Mann betrugen, hat vorstehende Ziffern ergeben.

Darnach rangirt Brackenheim unter den 4 letzten Oberämtern, bei welchen die Zahl der Untüchtigen überwiegt, als Nr. 3 und wird in diesem ungünstigen Verhältnisse nur von Weinsberg übertroffen. Im Neckarkreis mit 17 Oberämtern nimmt Brackenheim bezüglich der Prozentzahl der Tüchtigen die 15. Stelle ein mit 40,483, bezüglich der unter dem Meß Gefundenen die 16. mit 2,459, bezüglich der Untüchtigen wegen Gebrechen die 2. mit 54,984, wegen Kropf die vorletzte mit 14,67 % (höchste Zahl, 14,73 % in Weinsberg, wogegen 0,49–0,93 in Riedlingen, Geislingen, Saulgau, Münsingen), Hernien (Brüche) zeigten sich in Brackenheim bei 3,04 % repräsentirt, in Ulm (höchste Ziffer) bei 4,17 %, sonst meist bei 2–3 % (unter 1 % nirgends).

Nach einer 24jährigen Durchschnittsberechnung von den Jahren 1834–1857 waren in dem Bezirk unter 100 Konscriptionspflichtigen 13,67 wegen mangelnder Größe untüchtig, so daß derselbe unter den 64 Oberämtern des Landes die 47. Stelle einnimmt und somit zu den ungünstigeren gehört (die günstigsten Resultate lieferte Wangen mit 4,22, die ungünstigsten Weinsberg mit 18,33). Wegen Gebrechen waren unter 100 Pflichtigen 41,12 untüchtig, so daß in dieser Beziehung der Bezirk unter den 64 Oberämtern die 39. Stelle einnimmt und somit zu den mittelgünstigen gehört (die günstigsten Ergebnisse lieferte Saulgau mit 32,99 und die ungünstigsten Sulz mit 49,78). Überhaupt untüchtig waren 54,19, so daß in dieser Beziehung der Bezirk die 45. Stelle einnimmt (die günstigsten Ergebnisse lieferte Saulgau mit 37,67 und die ungünstigsten Freudenstadt mit 63,86. Unter sämtlichen der ärztlichen Visitation und dem Messen unterworfenen Konscribirten (von 1834–1857: 3711) waren wegen mangelnder Größe 485, wegen Gebrechen 1526, im Ganzen 2011 untüchtig. (S. Württ. Jahrb. 1857, S. 158.)

So steht es um die männliche Jugend des Bezirks – und darnach kann man nicht sagen, daß es gut mit derselben steht. Ehe indeß weiter darauf eingegangen wird, möge hier eine Zusammenstellung der Geburts- und Sterblichkeitsverhältnisse des Bezirks Brackenheim nach verschiedenen Gesichtspunkten ihre Stelle finden, wie es sich aus den physikatamtlichen Akten erheben ließ. (Siehe nebenstehende Tabelle.)

|
Geburtsverhältnisse in 7 Jahren.
Jahr. Zahl der Gebärenden Zahl der Also
Ver-
hältniß
wie
Verhältniß
der
Gebärenden
überhaupt
zu den
künstlich
Entbundenen.
über-
haupt.
der
künstlich
Entbun-
denen.
Gebornen Zwillings-
Geburten.
Todtgebornen nach Ge-
säugten.
Nichtge-
säugten.
natürl. künstl.
Knaben. Mädchen. Geburten. Kinder.
1871 1014 46 524 509 17
u. 1 Drill.
27 15 876 157 4,94:1 22,04:1
1870 1022 73 510 530 18 21 23 866 174 4,97:1 14,00:1
1869 1055 60 553 524 20 33 23 908 169 5,37:1 17,58:1
1868 977 66 511 482 18 26 18 828 165 5,10:1 14,80:1
1867 934 48 479 451 15 25 13 19,46:1
1866 990 51 510 466 11 24 14 19,41:1
1865 950 72 477 484 9
u. 1 Drill.
18 13 13,19:1
In 7
Jahren
6942 416 3564 3446 108
u. 2 Drill.
174 119
Jährlicher
Durch-
schnitt
991 59 509 491 15 25 17 17,21:1
Sterblichkeitsverhältnisse in 7 Jahren.
Jahr. Zahl der Gestorbenen Zahl der Geborenen. Verhältniß der
überhaupt
incl.
Todtgebor.
durch
Selbst-
mord.
80 Jahr
u. mehr
alt.
ärztlich
behandelt.
nicht
ärztlich
behandelt.
überhaupt
incl. Todt-
geborenen.
im 1. Lebens-
jahr wieder
gestorben
incl. todtgeb.
im 1. Jahr
Gestorbenen
zur Zahl der
Geborenen.
im 1. Jahr
Gestorbene
zur Zahl der
Gestorbenen
überhaupt.
1871 740 2 23 318 357 1033 327 1:3,16 44,18 %
1870 828 1 27 428 400 1040 414 1:2,51 50,00 %
1869 912 1 21 528 384 1077 360 1:2,99 39,47 %
1868 889 1 29 530 359 933 371 1:2,51 41,73 %
1867 660 1 22
1mal 93 J.
354 306 949 287 1:3,31 43,48 %
1866 731 4 19 293 338 1001 314 1:3,19 42,95 %
1865 796 2 29 446 360 961 395 1:2,43 49,62 %
In 7
Jahren
5556 12 170 2897 2504 6994 2468
Jährlicher
Durch-
schn.
793 15/7 24 999 352 1:2,84 44,49 %
| Nach den auf voriger Seite gegebenen Durchschnitten für 1865 bis 1871 berechnet sich aber die Zahl der im 1. Lebensjahr Gestorbenen einschließlich der Todtgeborenen auf 35,23 % an der Gesamtzahl der Geborenen und auf 44,49 % an der Gesamtzahl der Gestorbenen. Zieht man die Zahl der Todtgeborenen ab, so berechnet sie sich nur noch auf 32,45 beziehungsweise 41,33 %. Es ergiebt sich hienach für diese 7 Jahre eine Steigerung der Kindersterblichkeit, welche gegenüber der von Obermedicinalrath v. Cleß für 1858/66 mit Ausschluß an Todtgeborenen berechnete Zahl von 30,30 2,15 % beträgt.

Wenn beim weiblichen Geschlechte bezüglich der anatomischen und physiologischen Verhältnisse des Körpers, seines Baus, seiner Leistungsfähigkeit u. s. w. von Statistikern dessen Verhalten zum Gebärakt als hauptsächlich maßgebend betrachtet wird, wenn also das seltene Vorkommen des Bedürfnisses hebärztlicher Hülfe zur Beendigung der Geburt als beweisend für günstige, mechanische und funktionelle Bedingungen hiezu gilt, so scheinen im Bezirke Brackenheim die Dinge zwar weniger vortheilhaft zu liegen, als z. B. in dem Nachbarbezirke Maulbronn, wo nach einem 141/2jährigen Durchschnitt auf 22,69 natürliche Geburten 1 künstliche kam, dagegen doch besser, als beim Durchschnitt im ganzen Lande, wo (nach dem Correspondenzblatt des württemb. ärztl. Vereins) im Jahr 1870 schon auf 14,7 natürl. Geburten 1 künstliche zu berechnen war, während Brackenheim die Ziffer 17,21:1 aufweist.

Der Bezirk ist vor längerer Zeit übel beleumundet gewesen durch die unverhältnißmäßig große Anzahl cretinischer und in somatischer oder psychischer Hinsicht dem Cretinismus mehr oder weniger sich nähernder, geistige und leibliche Gebrechen zeigender Individuen. Kropfige, undeutlich Sprechende, Taubstumme, Übelhörige – mit größerer oder geringerer Schwäche der Verstandeskräfte wurden besonders in 11 Orten gefunden und finden sich theilweise noch heute. Um das Jahr 1843 ergaben die amtlichen Aufzeichnungen folgende Ziffern:

|
Nr. Namen
der
Gemeinden.
Zahl
der
Einwohner.
Zahl
der
Cretinen, etc.
In
Prozenten.
01 Brackenheim 1503 8
(in 4 Familien.)
02 Güglingen 1440 20
(in 15 Familien.)
1,38
03 Eibensbach 0371 14
(in 12 Familien.)
3,77
04 Haberschlacht 0650 14 2,15
05 Pfaffenhofen 0997 14 1,40
06 Frauenzimmern 0634 7
(in 6 Familien.)
1,10
07 Stockheim 0714 5
(in 5 Familien.)
0,70
08 Zaberfeld 0788 5 0,63
09 Hausen b./M. 1106 8 0,72
10 Weiler 0336 5 1,19
11 Neipperg 0527 6 1,13

Zwar kommt Cretinismus des höchsten Grads nicht im Bezirke vor, wohl aber ergeben die damaligen Listen eine nicht unbeträchtliche Anzahl dem Cretinismus sich nähernder, nicht vollständig ausgebildeter Formen. So sind verzeichnet

Individuen mit Stumpfsinn und Taubstummheit 014
Individuen mit Stumpfsinn ohne Taubstummheit 046
Individuen mit Übelhörigkeit bei bedeutender Schwäche der Intelligenz 009
Individuen mit Übelhörigkeit und minder bedeutender Schwäche
      der Verstandeskräfte      
005
Individuen mit angeborener Übelhörigkeit 010
Individuen mit stammelnder Sprache 029
Individuen mit beiden zusammen 002
115
Elf Ortschaften mit einer Bevölkerungszahl von 7982 Einw. sind es, in deren jeder mehrere oder im Verhältniß zur Bevölkerung auffallend viele Fälle von Cretinismus vorkommen; 7 Orte mit zusammen 7606 Einw. haben sehr wenige, und 12 Orte mit 8529 Einw. haben gar keine dem Cretinismus verwandte Krankheiten. Von Eibensbach heißt es in einer Beschreibung aus jener Zeit: „Hier befinden sich 5 Personen mit angeborner Taubstummheit, mehrere Übelhörige, 1 Stammelnder, viele mit schwerer Zunge, und der Kropf ist so häufig, daß keine Familie davon frei ist. Dabei| zeigt sich ein gewisser, jedoch nirgends bis zu Blödsinn gesteigerter Grad von Verkümmerung des geistigen und leiblichen Lebens an den Einwohnern dieses Orts überhaupt. Sie sind im Allgemeinen klein, unansehnlich, mager und von blasser Gesichtsfarbe. Einige Knaben sollen sich daselbst befinden, deren Kopf unverhältnißmäßig groß, andere, bei denen er auffallend platt gedrückt ist. Die intellektuellen Kräfte sind im Allgemeinen gering, und bei Vielen zeigt sich ein solches Hinbrüten und eine so geringe Kapazität, daß sie kaum in 8 Jahren in der Schule so weit gebracht werden können, daß man sie aus der Schule entlassen kann.“

Spätere, über Zu- oder Abnahme der Zahl solcher Individuen einverlangte Berichte erwähnen wenigstens einer Vermehrung nicht: die kurze, für diese Arbeit gestattete Frist ließ eine Revision obiger Ziffern im Sinne des dermaligen Standes nicht zu. Es scheint indeß auch von einem detailirten numerischen Nachweise des letzteren um so eher Umgang genommen werden zu dürfen, als denn doch auf anderem Wege ziemlich sichere Anhaltspunkte hiefür zu erlangen sind, sofern auf die dießbezüglichen Anfragen Schullehrer und Geistliche der gravirtesten Gemeinden sich in der Lage sahen, die Erklärung abzugeben, daß sie in den letzten Jahren kein Kind als gänzlich unfähig zum Lernen vom Schulbesuche zurückzuweisen sich genöthigt sahen.

Wo solche Zahlen reden, wie die in den obigen Tabellen über Musterungsergebnisse, Kindersterblichkeit, Cretinenzahl, da muß denn doch Manches faul sein oder doch gewesen und dieß begriffen worden sein. Wenigstens ist von Staatswegen in verschiedenen Beziehungen eine Verbesserung von Zuständen und Verhältnissen angestrebt und angeordnet, auch theilweise zur Ausführung gebracht worden, deren wesentliche Mitwirkung bei der Genesis der leiblichen und geistigen Entartung des Menschen nicht anzuzweifeln ist. So ist darauf Bedacht genommen worden, daß in den Ortschaften regelrechte, gewölbte Straßen, daß Kandeln angelegt wurden, und dadurch das sich sammelnde Wasser zum raschen Abfluß gelangte. Bei Erbauung neuer Häuser wurde darauf gehalten, daß solche weder auf feuchtem Grunde, noch in den Weg hineingebaut wurden, im Fall der Einrichtung von Wohngelassen im unteren Stockwerke wurde eine mindestens 3′ über den Boden herausstehende Grundmauer vorgeschrieben. Gegen das Branntweintrinken geschahen Schritte, soweit solche irgend ausführbar waren, besonders wurde in dieser Beziehung auf die Jugend zu wirken gesucht. Die Errichtung von Kleinkinderschulen ward den Gemeinden aufgegeben. Heirathen cretinischer, d. h. taubstummer und halbtaubstummer, schwach-, stumpf- und blödsinniger, mißgestalteter, zwergartiger, mit monströsem Kropfe behafteter Individuen wurden verboten, Zusammenheirathen zweier selbst nicht cretinischer, aber| beiderseits aus kranken Familien stammender Personen sind möglichst zu verhindern gesucht worden. – In Stockheim wurde der Cretinismus übrigens schon damals nur noch unter Erwachsenen, dagegen unter Kindern gar nicht mehr angetroffen, und es wurde dieß als wahrscheinlich zusammenhängend betrachtet mit der guten Verwaltung des Orts unter dem damaligen Ortsvorstande; die Straßen daselbst waren gute, der ökonomische Zustand der Gemeinde wie der einzelnen Familien war ein besserer geworden, Ordnung und Fleiß an die Stelle früherer Unordnung und Trägheit getreten, die Schule eine gute gewesen.

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Es scheint, daß bei uns dermalen jene traurige Entartung des Menschen, wenigstens für die Entwicklung ihrer höheren Grade und einer größeren Procentzahl, nicht mehr die erforderlichen Bedingungen finde, was, wenn wir nicht irren, parallel geht den allgemeinen Erfahrungen hierüber an andern, gleichfalls früher durch ihre Cretinen in Mißkredit gekommenen Orten, und hier wie dort – bei doch unläugbar im Wesentlichen gleich gebliebenen lokalen terrestrischen, meteorologischen Wohnungs- und andern Verhältnissen, Trinkwasser u. s. w. – unzweifelhaft nur in Veränderung, resp. Verbesserung von Zuständen, welche überhaupt einen Wechsel zulassen, also wohl nur ökonomischen, sozialen und Culturverhältnissen, gefunden werden kann. Verfasser dieses hat (seit seinen in Langenargen ums Jahr 1850 begonnenen Untersuchungen und Studien über den auch dort repräsentirten Cretinismus und seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der dort und später in Möckmühl betreffs der auch in und um diesen Ort vorkommenden Fälle fortgesetzten Arbeit im Jahr 1867 im Corresp.-Blatt des württemb. ärztlichen Vereins Nr. 22 u. 23 und wieder Nr. 41–44) keine Ursache gehabt, seine dabei gewonnene Überzeugung als unhaltbar fallen zu lassen, daß zwar die körperlichen Bedingungen, d. h. die nächsten Ursachen des Zustandekommens des Cretinismus stets dieselben bleiben und jederzeit noch überall in Wirksamkeit treten und die Formen des sporadischen Cretinismus produziren können, so lange die Welt steht, daß aber die entfernteren Ursachen, welche diesen nächsten körperlichen Ursachen, z. B. der Rhachitis (englischen Krankheit) zu Grunde liegen, unter dem günstigen Einfluß veränderter, resp. verbesserter sozialer u. s. w. Verhältnisse ganz oder theilweise aufhören können, daß u. A. auch namentlich der Auffrischung der Race, durch Aufhören von früher verbreiteten Verwandtschaftsheirathen, ein Haupteinfluß auf das Verschwinden der höheren Grade und der lokal größeren Zahl von Entartungen des Menschen zuzuerkennen ist. Handel und Wandel ist heutzutage anders als früher; die ungemeine Erleichterung des Verkehrs, welche eine fast krankhaft zu nennende Reiselust und Unstetigkeit bis in die untersten Gesellschaftsschichten erzeugt hat, mußte auch| den geistigen Horizont des gemeinen Manns erweitern, der z. B. nunmehr um eine Lebensgefährtin nimmer verlegen zu sein braucht, wenn ihm eine solche im Geburtsorte nicht ansteht. So findet immer mehr eine Vermischung des Bluts durch Einheirathen Fremder statt, wo früher Alles mit einander verwandt und wohl oft ein Heirathen außerhalb der Verwandtschaft unmöglich oder verpönt war, und es vollzieht sich auch am Menschen, was als naturgesetzliche Beobachtung an Thieren längst wahrgenommen, theilweise durch direkte Versuche nachgewiesen worden ist, daß ohne Kreuzung der Race die Produkte der Ehe immer mehr entarten.

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Seit Pettenkofer’s Untersuchungen über den Grundwasserstand, seine wechselnden Verhältnisse, seine Beziehungen zur Entstehung von Krankheiten u. s. w. die Aufmerksamkeit auf diesen Gegenstand gelenkt, seit Elsäßer in den Wohnstätten ebener Erde, feuchten Wohnräumen überhaupt, vorzugsweise jene Form und jenes Anfangsstadium der englischen Krankheit (Rhachitis), beginnend mit dem sog. weichen Hinterkopfe (Craniotabis) gefunden hat, seit man in neuester Zeit den schädlichen Folgen der Überfütterung der Kinder – selbst mit der besten Muttermilch – noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken und deren Tragweite besser zu würdigen sich veranlaßt gesehen hat, als dieß früher der Fall war: – darf man in Sachen des Cretinismus auch die Controversen über den Einfluß eines harten Trinkwassers, eines Gehalts oder Mangels gewisser Bestandtheile des Bodens in den Nahrungsmitteln u. dergl. fallen lassen und vielmehr in denjenigen lokalen Verhältnissen, welche zu letzterer Krankheit der Kinder (Rhachitis) und zu Hirnentzündungen und Wasserergüssen in der Schädelhöhle hauptsächlich führen, den Hauptgrund der Entstehung einer Entartung des Menschen an so vielen Orten erkennen. – Fast überall sieht man die menschlichen Ansiedlungen den Wasserläufen folgen, da eben das Wasser eines der nothwendigsten Lebensbedürfnisse bildet. Das führt aber gewisse gesundheitsfeindliche Potenzen mit sich, zumal wo die Bauart der Wohnungen oder das Bewohnen tief gelegener Wohngelasse den Einflüssen des Untergrunds direkter aussetzt, wie z. B. in ebenerdigen, einstockigen Häusern mit kleinen, finstern, zu vielen Menschen, ja oft noch kleinen Thieren zum gleichzeitigen Aufenthalt angewiesenen, Stuben. Milne Edwards erwähnt, daß Personen, welche in Kellerwohnungen oder in sehr dunkeln, engen Straßen wohnen, sehr häufig mißgebildete Kinder bekommen, und daß Menschen, welche in den Bergwerken arbeiten, Krankheiten und Mißbildungen mehr unterworfen sind, als durch eine abgeschlossene stagnirende Atmosphäre allein zu erklären ist. Watson (Direktor der großen Taubstummenanstalt in London) hat berichtet, daß unter übrigens gleichen Verhältnissen mehr taubstumme Kinder aus dunkeln als aus hellen Wohnungen kommen. Sir James Willie hat berichtet, daß auf der| Schattenseite einer Kaserne in St. Petersburg dreimal mehr Erkrankungen vorkommen, als auf der Lichtseite desselben Gebäudes.

Die Berücksichtigung derartiger, in jeder Gemeinde wieder anders sich verhaltender Momente gibt denn auch den Schlüssel zur Erklärung der, auf den ersten Blick oft so auffallenden Verschiedenheit des physischen und psychischen Zustands der Bewohner von anscheinend unter ganz gleichen äußeren Verhältnissen befindlichen, verschiedenen Ortschaften, und so legte sich z. B. auch im Bezirke Br. die Frage nahe, wie es kommt, daß in den beiden, am nördlichen Fuße des Strombergs befindlichen, offenbar in den meisten der mit dieser Lage zunächst zusammenhängenden Beziehungen ganz gleich situirten Dörfern, in Cleebronn keine, in Eibensbach aber zahlreiche entartete Menschen gefunden wurden. Luft, Licht, Wasser, Untergrund u. s. w. werden bei beiden Orten gleich sein; aber der soziale Untergrund ist ein anderer; man hatte und hat in Cleebronn besser zu leben, die Mütter konnten sich ihren Kindern eher widmen – ihre Verhältnisse gestatteten es, der bleierne Druck der Armuth zwang sie nicht, ihre Kinder zu vernachlässigen, daheim liegen zu lassen und der Arbeit, dem Verdienste nachzugehen, ihnen schlechte, ungeregelte Nahrung zu geben; die größere Bevölkerungszahl des Orts forderte in Cl. eher Vergleichung mit andern Haushaltungen und deren Kindern heraus, eine gewisse gegenseitige Eifersucht auf den Besitz gesunder, kräftiger Kinder wurde wach erhalten, man befragte sich, warum da und dort die Kinder besser aussehen, man wollte nicht hinter jenen zurückstehen u. s. w. Auch schon bezüglich der Heirathen waren in Cl. günstigere Chancen: die Gemeinde war größer, die Auswahl für Ehestandskandidaten bedeutender: Cleebronner kamen mehr mit der Außenwelt in Berührung, schon wegen der Verwerthung ihrer entbehrlichen Produkte, als das kleine, kaum auswärts den Käufern bekannte, von der Hand zum Mund lebende, Eibensbach; Fremde zogen herein nach Cl., Cleebronner hinaus, – so wurde immer die Race etwas aufgefrischt, gemischt, während in E. eine Stagnation herrschte, Niemand herein, Niemand hinauszog, in der Lebensweise, in der Art zu wohnen u. s. w. Alles sich gleich blieb, es mochte so schädlich sein, als es wollte: es fehlte an der Vergleichung mit Zuständen anderwärts, an Beispielen besserer Verhältnisse.

Kein Wunder, wenn die allgemeine Erfahrung, daß so ziemlich überall, wo Armuth im Bunde mit schlechten, feuchten, unreinlichen Wohnungen, mit Unachtsamkeit der Bewohner zusammentrifft, die Folgen solcher Mißstände in einer Entartung des Menschen gipfeln, auch in E. zutraf, das war der fruchtbarste Boden für die Entwicklung der Rhachitis der Kinder, für die Entstehung von Kropf, und wenn die der englischen Krankheit eigenthümliche mangelhafte und fehlerhafte Knochenbildung schon im 1. Lebensjahre die Gehirnentwicklung häufig| aufs tiefste störte und oft bleibende Einbuße der geistigen Fähigkeiten erzeugte, schleichende Entzündungen des Gehirns veranlaßte, an dessen Stelle sich bei den elenden Verhältnissen öfters Wasser statt gesunder Hirnsubsanz bildete, so ist das endemische Auftreten von höheren oder niedereren Graden von physischer und psychischer Entartung des Menschen zunächst nur das Resultat eines Cumulus von Einzelfällen, welche durch die überall sich da und dort wiederholende Ungunst der Lebensverhältnisse jederzeit sporadisch hervorgerufen werden: wie denn selbst in den bestsituirten höheren Ständen die Bedingungen für die Entstehung von Rhachitis, von Hirnentzündungen nicht immer ganz ferne gehalten werden und werden können, in deren Gefolge blödsinnige und mehr oder weniger cretinische Kinder leider das Glück mancher Familie in allen Gesellschaftsschichten auch der größeren Städte stören und die Entartung des Menschen von Palästen und vom Reichthum nicht ganz ausgeschlossen ist. Wieviel aber im Großen und Ganzen – in ganzen Gemeinden wenigstens – trotz entschiedener Ungunst der auf eine größere Menschenzahl, auf alle Ortseinwohner wirkenden, an der Lokalität haftenden, Schädlichkeiten deren Einfluß auf die körperliche und geistige Entwicklung und Gesundheit entgegengewirkt werden kann, dafür finden sich auch im Bezirke Br. Beispiele. So liegt Nordhausen in einer feuchten muldenartigen Vertiefung, zählt viele ebenerdige Wohnungen, Verf. dieses beobachtete zumal vor einigen Jahren (in besonders feuchten Jahrgängen) daselbst eine Reihe von verschiedenartigen Krankheiten, die man gemeiniglich als mit einer Erkrankung der Gesamtblutmasse einhergehend oder von einer solchen herrührend annimmt, für deren Erklärung den vergiftenden Einfluß feuchter Wohnungen in Anspruch zu nehmen sich sofort nahe legen mußte. Und in dieser Gemeinde finden sich und fanden sich doch nie Cretinen: Craniotabis (Schädelrhachitis) hat Verf. dieses zum öfteren dort beobachtet – dieselbe Krankheit, die wohl in Eibensbach den Weg zur Entartung des Menschen hauptsächlich bildete – aber, während man in E. wohl zu lässig war, auf die Zeichen derselben, überhaupt krankhafte Erscheinungen, an Kindern zu achten, sich deßhalb Raths zu erholen, der Weiterentwicklung vorzubeugen zu suchen, lebt in Nordhausen eine rührige, intelligente, ihr südliches Blut nicht verläugnende Bevölkerung von Waldensern, die etwas vor sich bringen, trotz eines, wie in E., sehr beschränkten Grundbesitzes, die sich die Pflege ihrer Kinder angelegen sein lassen, Ärzte gebrauchen u. s. w. – und so dem schlimmen Einfluß einer feuchten Lage des Orts und feuchter Wohnungen die schlimmsten Spitzen abbrechen.

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Wenn im Bezirke Br. die Bevölkerung in physischer und psychischer Hinsicht so ungünstige Verhältnisse zeigt, wenn die Kindersterblichkeit eine so auffällige ist, wenn die durchschnittliche Militärtüchtigkeit sich als eine so geringe erweist, so legt sich die Vermuthung| nahe, daß territoriale Einflüsse, zusammenhängend mit Clima, Lage, Boden u. s. w. der Wohnplätze, im Allgemeinen der Gesundheit nicht zuträglich seien und demgemäß zahlreiche Erkrankungen produziren. Dem ist aber nicht so. Hier, wie anderwärts, pflegten die Menschen im Thale sich anzusiedeln, um das zum Leben nothwendige Nahrungs- u. s. w. Mittel, das Wasser möglichst nahe zur Hand zu haben. Wenn aber dessen Nähe allerlei, der Gesundheit nicht förderliche, Folgen nach sich zog, so kann man doch nicht sagen, daß dieß im Bezirke Br. in höherem Grade als in andern Gegenden der Fall wäre. Man darf als Beleg hiefür offenbar die Thatsache anführen, daß in unserem Bezirke wirklich nicht auffallend viele Krankheiten vorkommen, daß zumal keine Krankheiten dem Bezirke oder einzelnen Orten eigenthümlich wären, in ihnen besonders häufig oder anhaltend oder hochgradig sich zeigten. Dieß gilt von akuten, wie von chronischen Krankheiten. Wenigstens werden andere Bezirke und Ortschaften nicht minder als bei uns ab und zu von akuten Exanthemen durchseucht, Diphtheritis hat die Runde im ganzen Lande gemacht, der Immunität gegen Typhus haben sich gar manche Orte ebensowenig zu erfreuen. Zudem ist es wiederholt gelungen, da, wo letztere Krankheit in ungewöhnlicher Verbreitung auftrat, einen unwiderleglichen Causalzusammenhang mit dem Genuß eines, durch faulige Stoffe vergifteten Trinkwassers nachzuweisen, einer Schädlichkeit, deren Bedeutung interessante Beobachtungen in Stuttgart im letzten Jahre gelehrt haben (wo in den Häusern, welche ihr Trinkwasser aus einer Brunnenleitung bezogen, in welche von einer Wiese in der Nähe des sog. Vogelsangs Kloakenflüssigkeit eingedrungen war, Typhuserkrankungen vorkamen, während solche nicht beobachtet wurden in andern Häusern desselben Stadttheils, die ihr Wasser anderswoher bezogen). So hat sich vor einigen Jahren in dem Dorfe Meimsheim aufs Evidenteste gezeigt, daß in dem sonst gesunden Orte, wo zumal in einem bestimmten Theile Haus für Haus Typhusfälle, zum Theil schwerer Art und mit tödtlichem Ausgange, innerhalb kurzer Zeit aufzuweisen hatte, diese nur die Anwohner eines bestimmten Brunnens betrafen, welcher bei der Besichtigung sofort ergab, daß Jauche aus einer, auf der andern Seite der Straße befindlichen Dunglege in ihn eingedrungen war. Der Oberamtsarzt, der hier in Meimsheim diese Wahrnehmung gemacht und die Beseitigung des Übelstandes veranlaßt hatte, war kurz darauf in der Lage, auch in Cleebronn für dieselbe, dort gleichfalls Fuß fassende, Krankheit das nämliche ätiologische Moment festzustellen und nach Reinigung u. s. w. hauptsächlich von ein paar dortigen Brunnen die Krankheit aufhören zu sehen. Wenn seit ein paar Jahren das Sterbregister von Hausen b. M. ziemlich regelmäßig unter der Rubrik: „Krankheit oder Todesursache“ den Eintrag: „Typhus oder Nervenfieber“ mehrfach bringt, so haben| Erkundigungen an Ort und Stelle die Thatsache des, seit genannter Zeit unbestreitbar fort und fort sich wiederholenden, doch nie bis zur Höhe einer eigentlichen Epidemie oder Endemie sich steigernden Vorkommens dieser Krankheit bestätigt, jedoch bis jetzt einen klaren Einblick in die Ursache dieses Umherschleichens jener Krankheit im Orte nicht gestattet. Übrigens muß auch hier bemerkt werden, daß ein zur Zeit der Abfassung dieser Schilderung vom Oberamtsarzt zu H. in anderer Absicht gemachter Besuch benützt wurde, den Zustand der dortigen Brunnen zu untersuchen, wobei dieser der Art erfunden wurde, daß auch hier, wie in Meimsheim und Cleebronn, recht wohl daran zu denken ist, es sei auch hier der Verderbniß des Brunnenwassers die Hauptschuld an dem häufigeren Auftreten von Typhusfällen beizumessen.

Den verhältnißmäßig wenig zahlreichen und nicht sehr vielerlei Krankheiten im Bezirke gegenüber kann die Vertretung des Heilpersonals keineswegs als eine zu dürftige bezeichnet werden.

In 3 (von den 4) Städten des Bezirks, Kleingartach ausgenommen, befinden sich zusammen 4 Ärzte, (Mediko-Chirurgen), auf den Landorten Nordheim, Hausen a. Z., Hausen b. M., Cleebronn, in den Städten Schwaigern und Kleingartach zusammen 6 Wundärzte, meist zugleich Geburtshelfer. Auch Ärzte benachbarter Bezirke werden in Gränzorte geholt, Heilbronner nach Klingenberg und Nordheim, ein Arzt von Kirchhausen nach Massenbach und Hausen b. M., einer von Kürnbach nach Ochsenberg, Leonbronn, Zaberfeld u. s. w., ein Bönnigheimer nach Cleebronn, Botenheim, Meimsheim, Eppinger Ärzte nach Kleingartach, Niederhofen, Stethen, ein Kirchardter (badisch) in die ihm benachbarten Orte. Es mögen auf 1 Arzt und Wundarzt durchschnittlich 1400 Personen kommen. Hülfe bei Geburten leisten 50 Hebammen, deren in jeder Gemeinde (Spielberg ausgenommen), je 1–2 sich finden, in Brackenheim 3. – In 7 Jahren (1865–1871) hatten (laut d. Kirchenschauregistern, deren Zuverlässigkeit hierin freilich keine sehr große ist) von 5556 Gestorbenen 2897 ärztliche Hülfe gebraucht, 2504 nicht. Zieht man von diesen 5556 Gestorbenen 2468 nicht über 1 Jahr alt gewordene Kinder ab, welche nahezu der Summe der ohne ärztliche Hülfe Gestorbenen gleichkommen (ohne natürlich damit ganz gleichbedeutend zu sein), und durchschnittlich wenig ärztliche Hülfe bekommen, während auch manche der Erwachsenen „ohne Arzt“ gestorben sind, so spricht dieß doch wohl dafür, daß im Bezirke bei Krankheitsfällen ärztliche Hülfe ziemlich oft in Anspruch genommen wird, für solche aber auch wohl hinlänglich gesorgt ist.

Für den Bedarf an Medikamenten sorgen 3 Apotheken im Bezirke ausreichend, nämlich in der Oberamtsstadt, in Güglingen und in Schwaigern.

| Zur Vervollständigung dieses Abschnitts über die Sanitätsverhältnisse und das betreffende Personal im Bezirke sei hier noch erwähnt, daß der Behandlung kranker Thiere sich 9 Thierärzte im Bezirke widmen, welche ihren Sitz hauptsächlich in den Städten und größeren Landgemeinden haben.

Was die Sitten und Gebräuche der Einwohner betrifft, so gehört, wie schon oben berührt wurde, die Bevölkerung mit Ausnahme der Waldenser in Nordhausen und einiger anderer Eingewanderten, wie den wenigen, hauptsächlich in Massenbach, Hausen b. M. und Zaberfeld wohnenden Israeliten, dem niederschwäbischen Volksstamm an und theilt mit diesem seine Eigenthümlichkeiten, Mundart und Tracht. Im Westen und Norden des Bezirks machen sich dagegen wegen der Lage an der badischen Grenze und dem häufigen Verkehr mit den Grenznachbarn einige Anklänge an den pfälzischen Charakter geltend, auch bei den Stockheimern findet man pfälzische Färbung. Die Leute sind in diesem Theil des Bezirks etwas gewandter im Umgang wie in der Sprache. Die Nordhauser können den Charakter und die körperliche Beschaffenheit ihrer aus Piemont eingewanderten Voreltern nicht verläugnen; ihr Körperbau ist meist von mittlerer Größe, vorherrschend schlank, – ovale, etwas magere, bräunliche Gesichter, die Haare und Augen schwarz.

Der Volkscharakter der Bezirksbewohner ist im allgemeinen gutartig und spricht sich hauptsächlich durch Rechtlichkeit, großen, öfters übergroßen Fleiß, Sparsamkeit und religiösen Sinn aus, obgleich nicht zu läugnen ist, daß der Luxus und die Genußsucht der Neuzeit auch in unserem Bezirk, namentlich bei der jüngeren Generation, Eingang gefunden haben. Was den religiösen Sinn der Bezirksbewohner betrifft, so geht dieser häufig in Pietismus und Sektirerei über, wie denn auch die Methodisten sich in neuerer Zeit immer mehr ausbreiten und namentlich in Güglingen, Haberschlacht, Massenbach, Neipperg und Schwaigern Eingang gefunden haben. Die Bewohner von Klingenberg arbeiten häufig in den Fabriken des nahe gelegenen Heilbronn und haben deßhalb manches städtische angenommen. Bei den Waldensern in Nordhausen trifft man immer noch Eigenthümlichkeiten in Sitten und Gebräuchen, welche ihre Voreltern mitbrachten; im allgemeinen sind sie aufgeweckt, betriebsam, häuslich, gewandt und religiösen Sinnes. Auswärtigen gegenüber halten sie zusammen und ihre Rechte, wie ihr Herkommen pflegen sie mit Eifer zu bewahren. Ihr Dorf ist regelmäßig angelegt und sauber gehalten, wie denn auch ihre Wohnhäuser meist ein freundliches Aussehen haben.

Die Lebensweise der Bezirksbewohner ist eine ziemlich einfache. Die Nahrung der minder bemittelten Klasse besteht hauptsächlich in Kartoffeln, Kraut und Mehlspeisen. Vermöglichere genießen ziemlich viel Fleisch, hauptsächlich Schweinefleisch, das häufig geräuchert| verspeist wird. Die oft zu sehr beliebten Getränke sind Wein, Most und Bier; auch der Genuß des Branntweins ist ziemlich verbreitet und dessen schädliche Folgen gehören nicht zu den Seltenheiten.

Die solide Volkstracht weicht in den verschiedensten Übergängen täglich mehr einem geschmacklosen Gemengsel von ländlichem und städtischem Anzug. Die frühere Kleidung der Männer, bestehend in einem dunkelblauen Rock, dreispitzem Hut, gelber Lederhose und Scharlachbrusttuch mit Rollknöpfen trifft man nur selten noch bei älteren Männern, am häufigsten noch in Hausen a. d. Z.; an die Stelle der gelben Lederhose ist die einfache lange Tuchhose und an die des Scharlachbrusttuchs die Manchester- oder Tuchweste getreten, dagegen haben sich der dreispitze Hut und der blaue Tuchrock bei den älteren Männern am meisten noch erhalten, während bei den jungen Männern und ledigen Burschen die tuchene Stülpkappe den dreispitzen Hut und die pelzverbrämte Sammtmütze beinahe ganz verdrängt hat; auch der blaue Tuchrock hat häufig dem tuchenen Wamms weichen müssen. Bei dem weiblichen Geschlecht ist die moderne Tracht noch allgemeiner geworden, doch trifft man immer noch, namentlich in Hausen a. d. Z., Schwaigern etc., das solide dunkle Tuchkleid, das schwarzseidene Mieder, das kleidsame deutsche Häubchen und als Schmuck die Granatenschnur (sog. Granatennoster). In Frauenzimmern tragen die Weiber meist dunkle, vielgefältelte Tuchröcke, seidene Schürzen und Florhauben. In Stockheim zeichnet sich das weibliche Geschlecht durch einen buntfarbigen Anzug besonders aus.

Eigenthümliche Gebräuche und allgemeine Volksbelustigungen werden immer seltener und das früher übliche Eierlesen besteht nur noch in Güglingen; daselbst werden einige Tage vor dem Ostermontag, an dem diese Volksbelustigung stattfindet, von den ledigen Burschen Eier bei den Bauersleuten der Umgegend gesammelt und diese alsdann am Tage des Festes auf einer freien Wiese je einige Schritte von einander entfernt in gerader Linie fortgelegt. Ein lediger Bursche sammelt alsdann die Eier und während der Zeit des Sammelns muß ein anderer Bursche nach Pfaffenhofen laufen und Bretzeln holen; wenn dieser zurückkehrt bevor der Sammler fertig ist, so hat er die Wette gewonnen, im andern Fall verloren. Nachdem der Wettlauf vorüber ist, werden die Bretzeln unter die Zuschauer geworfen, die Eier aber gebacken und von den jungen Leuten gemeinschaftlich verspeist; ein fröhlicher Tanz macht den Schluß des Festes (s. auch Klunzinger, Geschichte des Zabergäus III. S. 130). In Neipperg kam das Eierlesen in den 20ger Jahren das letztemal vor.

Der Tanz wird immer seltener und kommt hauptsächlich nur noch an Kirchweihen, weniger an Märkten und Hochzeiten vor; letztere werden meist still im Hause der Braut mit einem Mahl, wozu die Verwandten und Freunde geladen werden, abgehalten. In| Schwaigern halten nach dem Hochzeitsmahl die ledigen Hochzeitsgäste, voran das Brautpaar und die Schuljugend, unter Absingung von Volksliedern einen Umzug durch die Stadt; zugleich führt man einen großen Humpen Wein mit, aus welchem jeder Begegnende aufs freigebigste gelabt wird. Das Schießen bei Hochzeiten von Seiten der ledigen Bursche während des Zugs in die Kirche ist sehr allgemein und wird z. B. in Eibensbach von den Brautleuten bestellt und den Burschen das hiezu nöthige Pulver bezahlt. Auch an Taufen und in den Neujahrsnächten wird häufig geschossen.

Die Taufen werden in der gewöhnlichen Weise abgehalten und dabei wird den Angehörigen und den Taufpathen entweder ein Mahl oder, was häufiger vorkommt, Wein, Brot und Käse gereicht. In Nordhausen tritt bei der Taufe der Vater des Kindes mit den Pathen vor den Altar, daselbst wird auch bei dem heiligen Abendmahl Brot statt der Hostie gereicht.

Bei Leichenbegängnissen werden von der Schuljugend, während sich der Leichenzug zum Gottesacker bewegt und während der Einsenkung in das Grab geistliche Lieder unter Anführung des Schulmeisters gesungen; der sogenannte Leichentrunk ist noch in vielen Orten üblich und besteht entweder in einem Mahl oder in der Reichung von Wein, Käse und Brot. In Hausen a. d. Z. besteht die schöne Sitte, daß von dem sog. Leichentrunk, wie auch von dem Hochzeitsmahl, den Armen ein Theil zugeschickt wird.

Von Volksspielen ist hauptsächlich das Kegelspiel beliebt. Liederkränze bestehen in mehreren Orten und auch die Lichtkärze (Vorsitze) sind noch nicht ganz abgegangen. In Ochsenbach ist die sog. Weiberzeche noch üblich, daselbst wird am Pfingstmontag (früher auf Invocavit) den Weibern Wein und Brot gereicht, die alsdann nach Herzenslust ihr Krüglein leeren und auch ihren Männern zu bieten nicht versäumen. Diese Sitte bestand früher in mehreren Orten des Bezirks. In Güglingen wurden von 1563–1611 Schützenfeste und von 1673–1681 Maientage alljährlich abgehalten, welch letztere Sitte seit 1844 wieder eingeführt ist.

Das Gaugericht und der sog. Rebstock wurden 1556 in Pfaffenhofen aufgehoben; bei dem Gaugericht (sog. Faulheitsgericht) versammelte sich die Bürgerschaft vor dem Rathhaus, um einen Schultheißen und einen Büttel zu wählen, sodann zu Gericht zu sitzen und die Ämter zu vertheilen. Wenn unter den jungen Bürgern einer war, der seiner Haushaltung und seiner Arbeit nicht gut vorstand, so wurde er vor dem Gaugericht zu einem Amt ausgerufen, das man das „Faulamt“ nannte; war einer des Morgens nicht zur rechten Zeit bei der Arbeit, so wurde ihm das „Schlafamt“ übertragen. In dieser Weise wurden für den Lauf des Jahrs mehrere Ämter ausgetheilt. Wenn aber ein Bürger Geschäfte verrichtete, die sich| nur für Weiber schickten, so mußte er zwei Maas Wein auftischen oder in die Lade schwören.

Der sog. Rebstock war eine Art Frühlingsfeier, wobei der Bürgerschaft ein Eimer Wein aus dem Gemeindekeller zum Besten gegeben wurde. Die Festlichkeit bestand darin, daß von der ganzen Bürgerschaft in Procession eine Weinflasche an einer Stange in die Weinberge getragen und nachdem jeder Bürger seinen Hut mit Rebenlaub geziert hatte, wurde die ebenfalls damit geschmückte wieder unter das Rathhaus zur offenen Zeche zurückgebracht. Von den ledigen Burschen und Töchtern wurden indessen auf besonders gezierten Rossen zwei große Mühlkuchen aus der Mühle abgeholt und einer davon der Bürgerschaft überbracht, der andere beim Tanz von den jungen Leuten, denen ebenfalls ein Trunk aus dem Gemeindekeller gereicht wurde, im Wirthshause verzehrt.

An den Johannisfeiertagen arbeiten die Schmide und Nätherinnen nicht, damit der Blitz nicht einschlage. Der h. Johannes war früher der Patron der ehrsamen Schmidezunft.

Die Mundart bildet einen leichten Übergang von der niederschwäbischen in die pfälzische. Das Breite des schwäbischen Dialekts ist im ganzen Bezirke durch den Übergang in den pfälzischen etwas gemildert und verliert sich gegen die westliche und nördliche Bezirksgrenze immer mehr. Das harte schwäbische noi, noa (nein) wird hier ein gedehntes nai, wie überhaupt ei meistens als ai gesprochen wird, z. B. haim statt heim etc. Auffallend ist die kurze Aussprache sonst langer Silben, z. B. Gawwel statt Gabel, Wäggele statt Wägele, Stüwwle statt Stüble etc. Als besondere Ausdrücke sind anzuführen: a woll statt ach nein! ällbott statt manchmal, ällritt statt gar oft, die Bach statt der Bach, Bluest statt Blüthe, deihen statt gedeihen, deut sagen statt deutlich sagen, Dochel statt Hund, nicht ein Dusenöhrle statt nicht das mindeste, hanken statt hängen, kaafen statt kaufen, knütz statt spaßhaft, Kopfhaus statt Küchekasten, die Leidenschaft statt das Leiden, das Leitseil statt die Nabelschnur, räthig werden mit einem statt einig werden mit einem, stritzen statt spritzen, fein wird häufig für gut, angenehm gebraucht etc. In Nordhausen wird neben dem Deutschen noch Patois gesprochen, jedoch verliert sich letzteres immer mehr.


  1. Von Finanzrath Kull.
  2. a b Die Verhältnißzahlen für 1846–1866 sind auf die ortsanwesende, die für die früheren Perioden auf die ortsangehörige Bevölkerung berechnet.
  3. Berichtigung. In der Beschreibung des Oberamts Gmünd, Nr. 51 S. 67 Zeile 14 von unten fehlt hinter b) das Wort „unverheirathet“. Ferner lies in der Beschreibung des Oberamts Neresheim Nr. 54 S. 72 Zeile 19 von unten anstatt verheirathet „unverheirathet“.
  4. Nach reichhaltigen Notizen von Oberamtsarzt Dr. Vötsch.
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