Beschreibung des Oberamts Calw/Kapitel B 34

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Kapitel B 33 Beschreibung des Oberamts Calw Kapitel B 35 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
Simmozheim,
Gemeinde II. Kl.[1], mit Büchelbronn, Hs., 1016 Einw., wor. 28 Kath. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Weil der Stadt, O.A. Leonberg, eingepfarrt.


Das ziemlich große, unregelmäßig und meist gedrängt gebaute Pfarrdorf liegt 2 Stunden nordöstlich von Calw am Anfang des Thalacherthals, das mit mehreren ziemlich tief eingeschnittenen, zusammenlaufenden Thälchen beginnt und bei Weil d. Stadt in das Würmthal eingeht. Der Ort ist theils in die schmale Thalebene, theils auf einen zwischen 2 Thälchen hinziehenden flachen Terrainausläufer hingebaut und gegen Norden durch ziemlich hohe, steile Berge, den sog. Hundsrücken, geschützt. Auch gegen die Westwinde gewähren vorliegende Berge Schutz, dagegen gestattet das gegen Südosten geöffnete Thal den Zutritt der Sonne und der Ostwinde, so daß die Lage des Orts eine gesunde genannt werden darf. Durch den Ort fließt der Schwarzbach, der nur einige 100 Schritte nordwestlich vom Dorf beginnt und gleich bei seinem Ursprung eine Mühle mit einem Mahlgang und einem Gerbgang in Bewegung setzt. Unterhalb des Dorfs nimmt derselbe den Klettenbrunnen, den Büchelbrunnen und den Eichelbrunnen auf, welche dann gemeinschaftlich den Thalacherbach bilden. Eine Wette besteht im Ort.

Vicinalstraßen sind nach Merklingen, Weil d. Stadt, Ottenbronn und Alt-Hengstett angelegt.

Die Gebäude sind meist klein, unansehnlich aus Holz erbaut und nur die neueren Häuser mit steinernen Unterstöcken versehen; die Bedachung besteht durchgängig aus Ziegelplatten.

Die etwas erhöht am nördlichen Ende des Orts gelegene Kirche ist mit dem im Jahr 1841 erweiterten Begräbnißplatz umgeben; sie ist der heil. Dreifaltigkeit geweiht und wurde im Jahr 1748 neu erbaut; in den alten, zu jener Zeit stehen gebliebenen Thurm schlug später der Blitz, so daß derselbe in den Jahren 1758/66 ebenfalls neu erbaut werden mußte. Die in einem ganz einfachen Styl gehaltene Kirche enthält ein gut geschnittenes Bild des Gekreuzigten, einen germanisch gehaltenen Taufstein und eine Grabplatte vom Jahr 1472; an der Sacristei ist ein von der ursprünglichen Kirche herstammender Schlußstein eingemauert, der einen Bischof mit der Jahreszahl 1497 darstellt. Auf dem vierstockigen, mit einem Zeltdach versehenen Thurm hängen 2 Glocken, von denen eine auffallend groß ist und folgende | Inschrift trägt: in sant Clementz Er, s. Lux, s. Marx, s. Johannes und in s. Matheus Er gos mich Bastion Sydler zu Eßlingen als man zalt 1525 Jar. Die kleinere enthält die 4 Evangelistennamen und ist von dem gleichen Meister im Jahr 1524 gegossen worden.

Unfern der Kirche liegt das im Jahr 1804/5 ansehnlich erbaute Pfarrhaus nebst Ökonomiegebäuden, Hofraum und ausgedehntem Garten; dasselbe wird von der Stiftungspflege unterhalten, während den Neubau der Staat besorgt.

Zwischen dem Pfarrhaus und der Kirche steht das im J. 1833 mit einem Gemeindeaufwand von 5304 fl. ansehnlich erbaute Schulhaus; es enthält 2 geräumige Lehrzimmer und die Wohnungen des Schulmeisters und Unterlehrers.

Das schon alte, ziemlich unansehnliche Rathhaus hat eine freie Lage in der Mitte des Orts. Überdieß sind von öffentlichen Gebäuden ein Waschhaus, ein Schafhaus und ein Armenhaus vorhanden; eine herrschaftliche Zehentscheuer wurde im Jahr 1852 um 300 fl. erkauft.

Gutes, übrigens etwas hartes Wasser liefern 4 laufende und 5 Pumpbrunnen, die in trockenen Jahrgängen nachlassen, jedoch nicht in dem Grade, daß Wassermangel entstünde. Auf der Markung, insbesondere in dem Thale bestehen mehrere Quellen, von denen einzelne nur periodisch fließen.

Die Einwohner sind im Allgemeinen von kräftigem Körperbau und erfreuen sich nicht selten eines hohen Alters; im Jahr 1848 starb hier ein 99 Jahre 2 Monate alter Mann (Joh. Georg Müller, Bauer und Geometer), der 66 Jahre in einer Ehe lebte.

Die Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau und Viehzucht; viele Einwohner suchen sich durch Arbeiten in den Waldungen und Taglohnen in Weil der Stadt Verdienste zu verschaffen. Unbemittelte müssen etwa 20 von der Gemeinde unterstützt werden. Überhaupt sind die Vermögensumstände der Einwohner mittelmäßig; der begütertste Bürger besitzt etwa 40 Morgen und der sogen. Mittelmann 5–6 Morgen; einzelne haben gar keinen Grundbesitz. Die Gewerbe beschränken sich, mit Ausnahme einer Ziegelhütte, auf das örtliche Bedürfniß. Schildwirthschaften sind 3 und Krämer 3 vorhanden.

Allhier ist als Sohn des Pfarrers den 5. Juni 1765 geboren Johann Gottlieb Friedrich (v.) Bohnenberger. Ein Zögling der württembergischen Seminarien, wurde er 1796 bei der Sternwarte in Tübingen angestellt, 1798 Professor der Mathematik und Physik allda und starb als solcher den 19. April 1831. Er erwarb | sich ungemeine, weithin anerkannte Verdienste als Lehrer und Schriftsteller im Gebiet der Mathematik und Astronomie und durch die Herausgabe der 55blättrigen Charte von Schwaben, welche zunächst von ihm ausging und deren größter Theil von ihm selbst bearbeitet wurde. (Schwäb. Chronik vom 29. Juni und 1. Juli 1831.)

Die nicht große, meist unebene, von mehreren Thälchen durchzogene Markung hat im Allgemeinen einen mittelfruchtbaren Boden, der größtentheils aus den Verwitterungen des Muschelkalks (Wellenmergel, Wellendolomit, Anhydritgruppe und Hauptmuschelkalk) besteht; der rothe Schieferletten kommt nur in den tieferen Partien, jedoch in nicht großer Ausdehnung vor. Übrigens erzeugt der Boden, wenn ihm tüchtige Düngung zukommt, gute und reichliche Früchte. Am östlichen Ende der Markung befindet sich ein bunter Sandsteinbruch, der gute Bau- und Werksteine liefert; Muschelkalk wird zu Straßenmaterial allenthalben gewonnen. Eine Lehmgrube ist vorhanden und Töpfererde wird im Simmozheimer Gemeindewald gegraben.

Die klimatischen Verhältnisse sind sowohl für den Gesundheitszustand als für die Vegetation günstig und erlauben einen ausgedehnten Obstbau, der sich nicht allein auf Mostsorten und viele Zwetschgen, sondern auch auf feinere Kernobstsorten ausdehnt und in günstigen Jahrgängen einen namhaften Verkauf nach Außen (im Jahr 1847 16.000 Sri.) erlaubt. Die Jungstämme werden meist im Ort selbst gezogen. Hagelschlag kommt selten vor, dagegen schaden Frühlingsfröste zuweilen dem Obst und den feineren Gewächsen, wie Bohnen etc.

In dreizelglicher Eintheilung und unter Anwendung des Suppinger Pflugs wird die Landwirthschaft ziemlich gut und fleißig betrieben; zur Besserung der Felder wendet man außer dem gewöhnlichen Stalldünger hauptsächlich die Gülle, den Pferch und beim Futterkräuterbau den Gyps an. Man baut vorzugsweise Dinkel, Hafer, Gerste, Einkorn und Ackerbohnen; in der zu 1/3 angeblümten Brache werden Futterkräuter, Kartoffeln, Angersen, etwas Hanf und Reps gezogen. Der Morgen erträgt 6–10 Scheffel Dinkel, 4–8 Scheffel Hafer, 3–6 Scheffel Gerste und Einkorn, welches meist in geringeren Feldern gebaut wird, 3–6 Scheffel. Die geringsten Äcker werden mit 40 fl., die mittleren mit 250 fl. und die besten mit 500 fl. per Morgen bezahlt. Von den Getreideerzeugnissen werden jährlich gegen 1000 Scheffel auf der Schranne in Calw abgesetzt.

Der Wiesenbau ist nicht sehr ausgedehnt und erzeugt mit Ausnahme | der Thalwiesen zuweilen ein mittelmäßiges, sogar saures Futter. Ein Morgen Wiese erträgt durchschnittlich 40–50 Centner Futter und die Preise bewegen sich von 150 fl.–500 fl. per Mrg.

Früher wurde auch an einem gegen Süden geneigten Abhange etwas Weinbau getrieben.

Die Gemeinde besitzt 7631/8 Morgen, meist mit Nadelhölzern bestockte Waldungen, welche in 80 und 120jährigen Umtrieben jährlich 200 Klafter und 10.000 Stück Wellen ertragen; der Ertrag wird verkauft, was der Gemeindekasse etwa 2000–2500 fl. einträgt und sie in den Stand setzt, die Ausgaben ohne Gemeindeschadensumlage zu bestreiten.

Die Rindviehzucht ist ziemlich gut; man hält meist eine rothe Landrace, welche durch 3 Zuchtstiere (veredelte Landrace) nachgezogen wird; die Farren hat der Widdumhofbesitzer zu unterhalten. Der Handel mit Vieh auf benachbarten Märkten ist beträchtlich.

Die Brach- und Stoppelweide, wie die Wiesenweide den Winter über, ist an einen Schäfer um 212 fl. verpachtet, der gegen 300 Stücke hält und die Wolle meist in der Umgegend absetzt; die Pferchnutzung trägt überdieß der Gemeinde jährlich gegen 200 fl. ein.

Eigentliche Schweinezucht besteht nicht, indem sämmtliche Ferkel von Außen bezogen und theils für den eigenen Bedarf oder zum Verkauf gemästet werden.

Die Ziegenzucht ist von einigem Belang, dagegen ist die Zucht des Geflügels unbedeutend; die Bienenzucht hebt sich in neuerer Zeit wieder.

Über den Gemeinde- und Stiftungshaushalt s. Tabelle III.

Auf der Gemeindemarkung liegt Büchelbronn, ein unbedeutender Hof, 1/4 Stunde südöstlich von dem Dorf an einem Bergabhange. Der Hof wurde im Jahr 1802 von einem Simmozheimer Bürger angelegt und hat seinen Namen von dem daselbst entspringenden Büchelbrunnen erhalten.

Auf dem Hörnle, wie überhaupt auf dem sogen. Hundsrücken bei Simmozheim genießt man nicht nur eine ausgebreitete Aussicht über den Schwarzwald, sondern auch an die Alp und bis in die Gegend des Remsthals.

Zunächst am Ort hinter der Kirche findet man römische Ziegel, Gefäßefragmente und ausgedehnte Überreste von Gebäudesubstruktionen, die sich namentlich zur Zeit der Fruchtreife deutlich wahrnehmen lassen, indem das auf den Mauerresten stehende Getreide früher gelb wird. Die Gebäude standen oberhalb einer Terrasse und vor dieser lief ein tiefer Graben, der theilweise noch sichtbar ist.

| Über die Markung zieht von Weil d. Stadt herkommend ein alter Heerweg durch das Immenthal auf die alte Landstraße von Ostelsheim nach Alt-Hengstett.

In dem 1/2 Stunde westlich von Simmozheim gelegenen Gemeindewald „großer Stall“ befinden sich 7 sehr gut erhaltene Grabhügel.

Die ältesten bekannten Schreibweisen des Namens, welcher von dem Mannsnamen Simont = Sigimont (Förstemann Altdeutsches Namenbuch 1, 1096) abzuleiten ist, sind: Simontesheim (Craphto de Simontesheim Zeuge Markgraf Rudolphs von Baden † 1288, Bader Rudolph 32), Simotesheim (1275), Simortzhain (1277).

Der Ort kam von den Grafen von Calw an die Nebenlinie Vaihingen, von welcher ihn die Herren von Kröwelsau mit Vogtei, Gülten, Bann und Forst zu Lehen trugen, wie dann später von Württemberg. Von ihnen kaufte Hans Spenlin „die 3 Theile des Dorfes zu Simmozheim“ und wurde 1359 damit belehnt, ebenso 1364 seine Söhne Hans und Günther. Agnes Spenlin brachte diese Güter ihrem Gatten, Ulrich Ungelter, Bürger in Ulm, zu und dieser verkaufte 1431 für 1555 fl. an das Kloster Herrenalb 3/4 des Dorfes und der Mark Simmozheim nebst einem Hof in Merklingen; Württemberg aber eignete alles den 25. Juni 1431 dem Kloster (Steinhofer Wirt. Chr. 2, 757). Das letzte Viertel erwarb das Kloster Herrenalb 1442 von Ulrich von Kröwelsau und Graf Ludwig von Württemberg eignete es ihm 1443 (Steinhofer 2, 852).

Das Kloster Hirschau besaß in Simmozheim einen Hof, das Raithlehen genannt, den es 1461 für 3 Pfund Heller und 14 Malter Frucht jährlich verlieh.

Adelheid von Howenstein, Gattin Konrads des Waldvogts von Waldeck, verschaffte den 31. Mai 1324 dem Kloster Reuthin einen Hof zu Simmozheim zu ihrem Jahrestag.

Was die hiesige Kirche betrifft, so kommt der älteste bekannte Leutpriester Heinrich im Jahr 1275 vor (Heinricus plebanus in Simotesheim Mone Zeitschrift 1, 488, vgl. eb. 3, 325). Es bestund hier neben seinem Amt noch eine Frühmesserei (Würdtwein Subs. 10, 340).

Kirchensatz, Frohnhof und Zehnten trugen die Herren von Kröwelsau von den Grafen von Vaihingen, dann von Württemberg zu Lehen. Pfaff Heinrich Kirchherr in Simmozheim bekannte den 29. Juni 1344, daß von Alters her und seit ihm Ulrich von Kröwelsau die Kirche lieh, der Zehnte an Frucht, Heu, Öhmd, Wicken, | Hühnern, Gänsen, Enten, Lämmern und Kälbern dem Pfarrer gehörte (Kausler O.A. Neuenbürg 157).

Am 15. Jan. 1391 resignirten Konrad und Peter Gebrüder die Kirchherren von Weil das Patronatrecht über die hiesige Pfarrkirche dem Stuttgarter Stift, welchem 1446 diese Kirche einverleibt wurde. Später erscheint Weilderstadt im Besitz; diese Stadt verkaufte im Jahr 1532 den Kirchensatz und die Kastvogtei der Kirche sammt dem Zehnten an das Kloster Herrenalb, welches außer den oben angeführten Haupterwerbungen auch 1320 (Mone Zeitschr. 6, 65) und 1436 (Steinhofer Wirt. Chr. 2, 796) und 1482 allhier Besitzungen bekommen hatte.


  1. 1846 in diese Klasse aus der dritten versetzt.
« Kapitel B 33 Beschreibung des Oberamts Calw Kapitel B 35 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).