Beschreibung des Oberamts Gerabronn/Kapitel B 19

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Kapitel B 18 Beschreibung des Oberamts Gerabronn Kapitel B 20 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
19. Gemeinde Michelbach an der Lüke,


aus dem evang. Pfarrdorf dieses Namens mit 723 Einwohnern, wovon 5 Katholiken (Fil. von Groß-Allmerspann) und 184 Israeliten, bestehend wurde bis zum Anfang des 15. Jahrhunderts Weideners Michelbach geschrieben. Den Unterscheidungsnamen „an der Lücke“ früher „vor der Lücke“ erhielt das Dorf von der unfern davon in der rothenburgischen Landheeg auf der Straße nach Brettheim[b 1] befindlich gewesenen Öffnung. Ort und Markung liegen eben und frei an der bayerischen Grenze, auf der die waldbedeckten Höhen der Grimmschwinder Wildflur hinziehen, vom Oberamtssitz 33/4 St. entfernt. Die Verbindung mit der Nachbarschaft ist durch die Vicinalstraße von Wallhausen nach Brettheim und durch die von Michelbach nach Leitzweiler und nach Gailroth hergestellt.

Das unreinlich gehaltene, aus 114 Haupt- und 58 Neben-Gebäuden bestehende Dorf ist genügend mit Quellwasser versehen; an sonstigen Gewässern finden sich aber nur die Anfänge des nach Wallhausen fließenden Weidenbachs, den die Einwohner Brettach nennen. Ansehnliche Gebäude sind das Schulhaus und die Synagoge, im Übrigen sind die meisten, theilweise mit Stroh bedeckten, Gebäude klein und schlecht beschaffen. Der Begräbnißplatz liegt außerhalb des Orts. Von Mineralien hat der Ort Sand- und Kalk-Steine, Letten und Lehm.

Die geringen Gemeinde-Nutzungen stehen den vorhandenen| Gemeinderechten zu, die politische Gemeinde dagegen hat gar kein Vermögen, sondern 2287 fl. Schulden. Bei den geringen Einnahmen derselben berechnete sich die Communkostens-Umlage auf 1000 fl. Der nicht vermöglichen Kirchenpflege liegt die Baulast an Kirche und Schule ob. Die Kirchen- und Schul-Stelle besetzt der Grundherr, der Fürst von Schwarzenberg. Das Alter der Kirche ist unbekannt, die Pfarrei wird jedoch schon 1471 genannt. Zum Pfarrsprengel gehörten bis 1812 noch Leitzweiler und Gailroth, seither sind diese (bei Bayern gebliebenen) Orte aber getrennt und wird von da an auch die Pfarrei wegen des verringerten Einkommens nicht mehr besetzt, sondern von einem jeweiligen Pfarrer in Reubach versehen. Die früher hier zahlreicheren Katholiken hatten noch 1807 eine eigene Capelle, welche die Klostergeistlichen von Schillingsfürst versahen. Die jüdische Kirchengemeinde ist zusammengesetzt aus den Israeliten hier, zu Hengstfeld und zu Wiesenbach, und dem Rabbinatsbezirke Braunsbach zugetheilt.

Die Einwohner des Orts sind der Mehrzahl nach in dürftigen Umständen. Neben dem großen, kleinen und Blut-Zehenten bezieht die Gutsherrschaft auch die meisten Gefälle, nämlich von dem Grundeigenthum 559 fl. Gülten und neben solchen Sterbfall und Handlohn. Der Zehente wird von Jahr zu Jahr an die Gemeinde verpachtet. Die dem Staat gehörige Jagd auf der Markung ist an die Gemeinde Hengstfeld verpachtet.

Das Schloß (derzeit bloß noch in einem unbedeutenden Wohnhaus mit zugehöriger Zehentscheune und einigen Ökonomiegebäuden in dem ehemaligen Schloßhof bestehend) bildet mit den bemerkten Einkünften in Michelbach und mit Gefällrechten in Ampfrach, Kühnhart, Weikersholz und Schönbrunn und mit etwa 20 Morgen Waldungen auf bayerischem Territorium, ein vormals zum Ritterstift Comburg lehenbares Rittergut, welches bis zum Jahr 1796 unmittelbar,[1] von da an aber dem preußischen Staat, zum Fürstenthum Ansbach, einverleibt war, und von 1806 bis 1810 zu Bayern gehörte. Die Gefälle des Ritterguts läßt das fürstliche Rentamt zu Schwarzenberg durch einen Gefälleinbringer in Michelbach erheben; im Übrigen aber wird die Besitzung von Schwarzenberg aus verwaltet.

Im J. 1302 verkaufte Diether von Hornberg der Johanniter-Commende in Rothenburg Einkünfte in Michelbach; 1367 findet sich ein Edelknecht Karl Weidner von Michelbach als Zeuge unterschrieben, und 1409 hat ein Hans Weidner von Michelbach an| Weihbrecht von Crailsheim, genannt Gaymann, Güter in dem nur 1/4 Stunde entfernten Gailroth verkauft, die hohenlohesche Lehen waren. Weiteres kommt von diesen Edelleuten, denen damals diese Besitzung gehört haben dürfte, nicht vor. Vielmehr finden wir schon 1417 Comburg, unter der Schutz- und Schirm-Herrschaft der Markgrafen von Brandenburg im Besitz; von Comburg wurde das Gut 1423 für 1300 rheinische Goldgulden an Götz von Berlichingen als Rittermannlehen überlassen, und blieb bei der Familie von Berlichingen, bis es 1601 Hans Georg von Berlichingen für 29.000 fränkische Gulden an Christoph von Crailsheim verkaufte. Von diesem kam es an seinen Sohn Veit, wurde aber demselben 1631, weil er im schwedischen Heer Dienste genommen hatte, auf kaiserlichen Befehl in Folge der zugleich ausgesprochenen Achtserklärung entzogen und dem Grafen Georg Ludwig von Schwarzenberg für seine ersprießlichen, dem Kaiser geleistete Dienste überlassen. Besitz ergriffen wurde jedoch erst 1642, das Recht dazu aber später sowohl von der Lehensherrschaft Comburg, als von den Erben des 1632 verstorbenen Veit von Crailsheim angefochten, bis die Prätendenten durch nicht unerhebliche Entschädigungen für ihre Forderungen abgefunden wurden. Als 1796 Preußen die von seinem Gebiete umschlossenen Rittergüter in Franken unter seine Oberherrschaft brachte, geschah dieses auch mit Michelbach, wo ohnedieß von dem Fürstenthum Ansbach die hohe Obrigkeit längst angesprochen, von Seite Schwarzenbergs aber nicht anerkannt war. Von da an trafen den Ort und das Gut, so weit es nun zu Württemberg gehört, dieselben politischen Veränderungen, wie den Ort Gerabronn.

An dem Zehenten, der nun ganz Schwarzenberg zuständig ist, hatte früher auch die Deutschordens-Commende in Rothenburg Theil. Eine Urkunde von 1425 besagt nämlich, „ein Zehentlin von etlichen Wiesen und Äckern, in Weideners Michelbach gelegen,“ sey von Albrecht von Hohenlohe dem gedachten deutschen Haus zur Stiftung eines Jahrtags überlassen worden. Von den sonstigen Schicksalen des Orts findet sich aus dem dreißigjährigen Krieg die Nachricht, daß bei dessen Schluß nur noch 5 Häuser hier gestanden, aber auch diese noch lange unbewohnt geblieben, und daß auch das Schloß damals zerstört worden sey.


  1. In den Listen der fränkischen Rittercantone findet sich dieses Gut nicht aufgeführt.
Berichtigungen
  1. Berichtigung in Beschreibung des Oberamts Gerabronn S. 313–314: S. 168. L. 17. v. u. l. Brettheim statt Crailsheim.
« Kapitel B 18 Beschreibung des Oberamts Gerabronn Kapitel B 20 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).