Beschreibung des Oberamts Heidenheim/Kapitel B 10
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Zehentbar ist die hiesige Markung mit dem großen Zehenten dem Staat, und (von dem Felddistrikt Vorderweiler) dem Grafen von Rechberg; mit dem kleinen der Pfarrei Gussenstadt, der Pfarrei Gerstetten (von dem Distr. Wallbach), der Pfarrei Söhnstetten (von dem Distr. Taubenlauch und Hagenhülb), der Pfarrei Böhmenkirch (vom Vorderweiler), und von einigen Parzellen dem Staat. Die Lehenabgaben und Frohnen (letztere in einem durchschnittl. Jahresbetrag von 50 fl.) sind gegen den Staat alle abgelöst. Eben so von Privaten jährl. Gebäudeabgaben an den Staat 1 fl. 20 kr., an die Ortsstiftungspflege 2 fl. 20 kr., von der Gemeinde an den Staat für Pförchkäse 30 kr.
1) Gussenstadt, 41/2 geom. St. westsüdwestl. von Heidenheim entfernt, hat eine hohe, rauhe, nach keiner Seite von Bergen geschützte Lage. Das Aussehen und die Bauart des Orts ist zum Theil sehr verbessert worden, indem neuerlich viel gebaut worden ist. Vorherrschend sind aber noch immer die Strohdächer. In 134 Wohnhäusern leben 1046 Menschen. Die Pfarrkirche ist ein altes, unfreundliches, auch räumlich unzulängliches Gebäude, auf welchem sich ein Fruchtkasten des Staates befindet. Die Baulast der Kirche ruht auf dem Heiligen, der ungefähr 260 fl. Einkünfte hat. Das Pfarrhaus unterhält der Staat. Das Schul- und Rathhaus erbaute 1823 die Gemeinde. Die Schule hat zwei Abtheilungen; eine Näh-Schule besteht nur im Winter. Eigene Schulstiftungen sind nicht vorhanden. Ein neuer Begräbnißplatz außerhalb des Ortes ist 1835 angelegt worden. Der Ort hat, wie schon gesagt, kein Quellwasser, sondern muß sich mit Cisternen behelfen. Außer der ziemlich unbedeutenden Vicinalstraße nach Eybach und Geislingen führt keine Straße durch den Ort. Eine halbe Stunde westlich | zieht die „Heerstraße“ vorüber, welche in der Oberamts-Beschreibung von Geislingen S. 117 weiter nachgewiesen und für eine Römerstraße angenommen worden ist.Auf diesseitiger Markung lagen die längst eingegangenen Weiler oder Höfe Hagenhülb (an der westlichen Gränze der Markung und an der Straße nach Eybach) und Taubenlauch (Toubenloch in der Stift. Urk. v. Anhausen, Besold p. 331, eine starke Viertelst. nördlich von Gussenstadt). Sie waren nach Söhnstetten eingepfarrt; daher das oben angegebene Zehentverhältniß. Vorderweiler (s. oben) das auch den Namen Goldweiler geführt zu haben scheint, zwischen hier und Böhmenkirch, ist ohne Zweifel ebenfalls ein abgegangener Ort.
Als Gussunstat erscheint der Ort schon im J. 1147 bei Ausstattung des Kl. Anhausen, welches allda Güter erhielt. Im J. 1326 schenkten die Grafen Johann und Ulrich von Helfenstein dem Kl. Anhausen den Kirchensatz und das Eigenthum dieses Dorfes, was im J. 1358 Graf Ulrich der jüngere erneuerte (Gabelkh). Dieser Kirchensatz wurde von P. Martin V. durch den Abt Sifried von Ellwangen den 13. Nov. 1427 dem Kloster vollkommen einverleibt (Braun Not. cod. 1, 143). Das Kloster und dessen Rechtsnachfolger Württemberg hatten eine eigene Pflege in Gussenstadt und zählten das Dorf unter ihre Orte. Der jeweilige Klosteroberamtmann war zugleich Stabspfleger in Gussenstadt. „Ain Herr des Kl. Anhausen ist rechter Herr zu Gussenstadt,“ sagt das Lagerbuch von 1588 (Reyscher, Statutarrechte 93).
Zoll und Geleit in Gussenstadt verkauften die Grafen Ulrich und Conrad von Helfenstein den 12. April 1446 an Ulm (Helfenst. Deduct. S. 57), welches ein Zollhaus allda errichtete. Mit dieser Reichsstadt, deren Gebiet südlich an die Markung von Gussenstadt anstieß, schloß Württemberg den 17. Septbr. 1596 einen Grenzberichtigungsvertrag (Reyscher 95).
Auf der Gränze des ulmischen und kl. anhausischen (württembergischen) Gebiets, eine Viertelstunde von Gussenstadt auf dem ulmischen Platze Bahnholz im Sackenthal auf Bräunisheimer Markung wurde alljährlich den 1. Mai der sogenannte Bahnholztanz abgehalten, welchen im J. 1746 die württembergische Regierung im Einverständniß mit dem Bürgermeister und Rath der Stadt Ulm abzustellen für gut fand, weil er zu vielen Unordnungen Veranlassung gegeben. Ein Bericht des Klostervogts von Anhausen und Pflegers von Gussenstadt gab folgende Beschreibung: „Die ledigen Bursche von Gussenstadt hatten dabei den Vorzug. Sie zogen mit klingendem Spiel auf, erwehlten allezeit zwei Platzmeister, und machten mit ihren mitgebrachten ledigen Weibspersonen mit dem Tanz den | Anfang, worauf sodann die ulmischen ledige Leute, wann vorher jede Partie den Platzmeistern eine Landmünz gegeben hatte, mittanzten. Als Zuschauer fanden sich dabei ein allerhand benachbarte geistliche und weltliche Beamte und andere Personen; es wurden zugleich von den Landkrämern allerhand geringe Waaren, gleich als an einem öffentlichen Jahrmarkt, feilgehabt, auch sowohl von württembergischen als ulmischen Wirthen und Bäckern, Wein, Bier, Branntwein und Brod, ausgeschenkt und verkauft, ohne daß jemand weder Zoll noch Accis gegeben hätte, und wann, wie bei dergleichen Gelegenheiten nicht selten zu geschehen pflegt, Schlägereien oder andere strafbare Händel vorgefallen, so strafte der Beamte zu Gussenstadt dasjenige ab, was solchergestalt auf dem hochfürstlichen – Ulm hingegen auf diesseitigen Territorio passirte“ (Reyscher Statutarrechte S. 95).Im J. 1633 kam hier der nachmalige württemberg. Hofprediger Joh. Barthol. Haage als Sohn armer Bauersleute zur Welt, die bald darauf bei einem Einfall kaiserl. Truppen von Haus und Hof vertrieben wurden. In dieser Rathlosigkeit wurde das Kind von der 16jähr. Schwester vor die Schwelle des Waisenhauses in Ulm gelegt, wo es Aufnahme und Erziehung fand. Haage starb den 11. Juli 1709 als Prälat zu Adelberg.
2) Heutenburg, Hof auf eigener Markung (s. Gerstetten), mit 15 Einw., Filialisten von Gerstetten, vor 1823 von Gussenstadt, 11/4 St. östlich von letzterem Orte, zuerst im J. 1143 genannt bei Stiftung des Kl. Anhausen, welches Hitenburc ex toto erhielt. In Folge eines neuerlich geschlossenen Vertrags soll diese Parzelle auch in politischer Beziehung der Gemeinde Gerstetten zugetheilt werden.
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