Beschreibung des Oberamts Heilbronn/Kapitel B 11

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Kirchhausen,
Pfarrdorf (seit 2. Sept. 1833 in der) II. Classe, mit 1201 katholischen und 20 evangelischen Einwohnern (letztere nach Biberach eingepfarrt).

Kirchhausen liegt an beiden Seiten der Landstraße, welche von Heilbronn über Fürfeld und Sinzheim nach Heidelberg führt, in einem von Hügeln umgebenen Thale. Mitten im Dorfe an dieser Landstraße steht die neue Kirche mit dem 1468 erbauten viereckigen Thurme, und nicht weit davon das Schloß, in welchem die Amtleute wohnten (s. unten), und das jetzt die Gemeinderathsstube, Schulen und Gefängnisse enthält.

Weiter unten liegt eine Mahlmühle mit 3 Gängen am Kehlenbach, der auf Kirchhausener Markung entspringt.

Der Namen eines Hügels zwischen Kirchhausen und Bonfeld „auf der Wart“ weiset darauf hin, daß hier einst ein Wartthurm stand.

Auf ursprünglich gräflich Calwische Herrschaft in diesen Gegenden weist hin der Besitz einer Nebenlinie dieser Grafen, der Grafen von Vaihingen. Solche hatten die Oberlehensherrlichkeit über einen Haupttheil, welcher im 14. Jahrhundert von ihnen an die Grafen von Württemberg überging.

Der hiesige Ortsadel, die Herren von Kirchhausen, trugen das adelige Hauptgut von diesen Grafen zu Lehen: von den Grafen von Württemberg bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts Eberhard von Kirchhausen und sein Bruder Beringer je die halbe hiesige Burg (Sattler Grafen 4 Beil. Nr. 61 S. 270) und es wurde in diesem Besitz – ersterer von seinen Söhnen Gerhard (welcher auch 1/3 der Burg Hohenstein als Lehen besaß) und Werner, letzterer von seinem Sohne Wilhelm beerbt.

Genannter Gerhard starb kinderlos und sein Bruder Werner | verkaufte die halbe Burg Kirchhausen an Kunz Otter. Dieser wurde 1370 damit belehnt und vererbte wenigstens einen Theil dieses Besitzes auf seine Nachkommenschaft bis zu Anfang des 14. Jahrhunderts.

Von obigem Wilhelm ging dessen Besitz auf die Steub von Thalheim über, aus deren Familie Hans von Stein zu Arneck die Tochter Gerhards von Thalheim, welcher zu Gunsten hiesiger Lehensbesitz 1403 zum Kunkellehen gemacht wurde, heirathete. Durch diese Verbindung gewann letzterer hier festen Fuß; bereits am 27. Dezember 1417 wurde er von Württemberg mit einem Vogteiantheil und mit Gütern belehnt (Scheffer 41), und im Jahre 1421 erkaufte er von Wolf Otter noch dessen Antheil.

Neben solchen Familien waren die von Münchingen und die von Helmstatt Theilhaber am Orte. (Peter von Helmstatt wurde 1392 als Träger seiner Hausfrau Margarethe von Thalheim mit mehreren Gütern, worunter 450 Morgen Ackers, von Graf Eberhard dem Milden von Württemberg belehnt.) Churpfalz hatte allhier Leibeigene, welche zur Burg Steinsberg bei Sinzheim dienstbar waren (Widder Churpfalz 2, 145). Den Besitz Aller überwuchs der des Deutschordens. Dieser Orden erkaufte 1426 von Eberhard von Angeloch und dessen Gemahlin Anna von Rosenberg 1/3 des Großzehnten und einen Antheil am Kleinzehnten, desgleichen einen Hof für 910 fl., 1432 den 17. Juni von Heinrich von Helmstatt und seiner Gemahlin Elisabeth von Wolmershausen ihren Antheil an der Burg und 1/2 des Gerichts im Dorf, auch 4 Höfe etc. für 215 fl., wozu Graf Ludwig von Württemberg die lehensherrliche Erlaubniß ertheilte, 1433 von Peter von Thalheim Edelknecht und Volmar Lemlins Kindern zu Wimpfen 1/3 am großen und einen Theil des kleinen Zehnten für 900 fl., 1448 von den Curatoren der Kinder Konrads von Weinsberg den Otterhof für 345 fl. Hans von Stein hatte dem Orden zunächst 1422 einen Hof, 1435 aber all seinen hiesigen Besitz, auch seinen Antheil an Burg und Burgstall für 1400 fl. unter Vorbehalt des Wiedereinlösungsrechtes verkauft und begab sich am Ende dieses Rechtes zu Gunsten Eberhards von Neipperg. Darauf verzichteten 1486 Eberhard und Wilhelm von Neipperg gegen ihren Bruder Reinhard Deutschordensmeister auf eben dasselbe Recht. Auf solche Weise kam der Ort völlig in den Besitz des Deutschordens und blieb demselben; denn die Versuche Herzog Christophs von 1555 und Herzog Ludwigs von 1570, das Lehen wieder einzulösen, blieben vergeblich.

| Im J. 1805 im Kriege Napoleons und seiner Verbündeten gegen Östreich nahm Württemberg im November von den Besitzungen des Deutschmeisters, Erzherzogs Anton von Östreich, im Lande Besitz, und durch den Preßburger Frieden vom 26. Dezember 1805 fiel das Neckaroberamt Hornegg mit den Ämtern Gundelsheim, Heilbronn, Kirchhausen u. s. w. Württemberg zu. So wurde im November auch von Kirchhausen und Biberach Besitz genommen, und Kirchhausen der Sitz eines am 18. Juni 1807 neu gebildeten Oberamts, zu welchem die genannten zwei Orte und Großgartach, Sontheim, die Patrimonialämter Thalheim, Massenbach, Fürfeld, Bonfeld und Schweigern mit Massenbachhausen, Neipperg und Klingenberg gehörten. Durch Dekret vom 7. Juli 1807 wurde das Oberamt Kirchhausen dem Oberamte Heilbronn als Souverainetätsbeamtung untergeordnet (Reg.-Bl. von 1807 S. 105 u. 251), und durch Verordnung vom 26. April 1808 wurde das Oberamt Kirchhausen aufgelöst und der größte Theil, worunter Kirchhausen, dem Oberamt Heilbronn völlig zugetheilt.

Die hiesige Kirche war dem heil. Albanus geweiht. Pfarrsatz und zugehörige Güter wurden um 1333 dem Kloster Adelberg einverleibt, von diesen aber den 21. März 1393 ausgetauscht an den Grafen Eberhard den Milden von Württemberg (Steinhofer 2, 504), welcher an demselben Tage den Ritter Raban von Helmstadt und die Edelknechte Raban von Thalheim und Konrad Münch, genannt Rosenberg, in diesen Besitz einwies. Frühzeitig kam übrigens auch dieser Pfarrsatz an den Deutschorden (Schannat Ep. Worm. 2, 35), von dem er erst mit dem Dorfe selbst an Württemberg gelangte. – Der Verband der Pfarrei mit dem Bisthum Worms hörte 1817 auf, solche wurde damals vom Landcapitel Schweigern getrennt und jenem von Neckarsulm einverleibt. – Die Capelle zur heil. Dreifaltigkeit oberhalb der Mühle wurde von Joan Debatia, Beisitzer in Kirchhausen († 1718), gestiftet und am Dreikönigsfeste bis 1838 in Procession besucht; noch heut zu Tage ist sie Wallfahrtsort.

Außer dem obigen Kloster Adelberg erscheint von geistlichen Stiftungen das Stift Wimpfen im 13. Jahrhundert allhier begütert. Letzteres verlieh 1314 dem Helfrich von Thalheim, Ritter, Vogt in Kirchhausen, zwei Höfe in hiesiger Markung (Urk. in Darmstadt) und kaufte 1414 von Gerhard von Thalheim ein hiesiges Gut, welches später auch an den Deutschorden kam.

Das Dominicanerkloster in Wimpfen hatte hier einen Gülthof.

| Unter dem Adel der Umgegend besaßen die von Gemmingen einen solchen.

Eine Viertelstunde von Kirchhausen, nahe an der Hipfelhofer und Großgartacher Markung, steht ein viereckiger Pfeiler, den man das „Annenkreuz“ nennt. Nach der Sage solle an dieser Stelle eine Kapelle von Juliana, Gemahlin des Ritters Ralf von Kirchhausen, der heiligen Anna geweiht gewesen sein. Die Stifterin solle einige Morgen Acker auf Großgartacher Markung geschenkt haben, von welchen die Besitzer den Meßwein zum täglichen Gottesdienste und alljährlich auf den Annentag sechs Wachskerzen von der Höhe eines Mannes zu liefern hatten, die bei der Feier des Stiftungstages in der Kapelle angezündet wurden. Bald nach der Kirchenreformation sollen die Großgartacher Gültleute Wachskerzen geliefert haben, die innen hohl und mit Schießpulver gefüllt waren, so daß während des Hochamtes am St. Annentage das Pulver sich entzündet und Meßpriester und Wallfahrer unter den Trümmern der Kapelle begraben haben solle.

1568 starb Emmerich Biegel, der letzte derjenigen Ordenspriester in Kirchhausen, welche die Pfarre und das weltliche Amt zugleich versehen haben. Von da an setzte der Deutschmeister besondere Pfarrer und besondere Amtleute ein.

1841 21. Juni wurde die alte St. Albankirche, deren Thurm im Jahre 1468 erbaut gewesen war, abgebrochen, zu einer neuen größeren an deren Stelle am 5. Oktober 1841 der Grundstein gelegt, und diese 1844 eingeweiht.

Die Kosten betrugen mehr als 30.000 fl., wozu die Gemeinde 4000 fl., und für Naturalprästationen 1300 fl. beitrug, das übrige vom Staat bezahlt worden ist. Die Plane wurden von dem Kgl. Kreisbaurath Abel in Ludwigsburg gemacht. Die Kirche ist im Rundbogenstyle erbaut.

Der Hochaltar ist von Kempter in Neckarsulm, das Altarblatt noch von der älteren Kirche.

Von Carl Rauth in Heilbronn sind die 2 Seitenaltäre mit Ölgemälden, eine Maria mit dem Christuskinde und den heil. Sebastian, von Pfeilen durchbohrt, darstellend, verschönert worden, wofür er aus der Ortsstiftungskasse 500 fl. erhielt.

1846 ward das Pfarrhaus mit einem Aufwande aus der Staatskasse von 3780 fl. erbaut.

Aus der Ortsgeschichte heben wir folgende Einzelnheiten hervor:

| 1525, kurze Zeit vor Ostern, als Jacob (Jäkle) Rohrbach aus Böckingen viele Unzufriedene und Beutegierigen in Flein, Sontheim u. s. w. um sich geschaart und Zuzug von allen Dörfern der Umgegend in einem Umkreise von 10 Stunden ausgeschrieben hatte, so gesellten sich aus Kirchhausen nur sehr wenige Unzufriedene zu ihm.

Jäklein und seine Bauern schrieben zuletzt noch an die Gemeinde, „sie sollen zu ihnen ziehen, oder sie würden verursacht, gegen ihren Leib, Leben, Hab und Güter zu handeln, wollen auch das Dorf in Boden verbrennen und was unter 7 Jahren erwürgen.“ Dieses Schreiben hatte jedoch keinen Erfolg, 10 Kirchhauser, die zu den Aufrührern gegangen waren, kamen bald wieder nach Hause. Nach der Aussage eines Zeugen in dem großen Prozesse, den man später den Aufrührern machte, hatten die Drohbriefe, die man nach Kirchhausen geschickt, darum ihren Zweck verfehlt, weil sich Niemand in Kirchhausen gefunden, der sie lesen konnte, man habe sie deshalb nach Großgartach schicken müssen, so daß sie durch ihre verspätete mündliche Verdolmetschung ihr erstes Feuer verloren (Jäger 2, 30. 31).

Der Deutschordensmeister Walther von Cronberg stellte aber in Kirchhausen selbst am 25. April 1527 einen Gnadenbrief aus. In demselben belobt er die Kirchhäuser wegen ihrer im Bauernkrieg bewiesenen Treue und Anhänglichkeit, und ertheilte ihnen folgende mehrere Vorrechte: Bei einem Auszug ins Feld sollten sie z. B. allerwegen den Vorzug haben. An drei Fastnachtstagen sollten jährlich Schmäuse die Männer und Weiber halten und hiezu von den Deutschordensgefällen in Neckarsulm und Gundelsheim ein Beitrag erhalten (Pfau 10–13). Noch vor wenigen Jahren bis zur Ablösung reichte auch das Kameralamt Heilbronn jedem neuvermählten Bürgerssohn und Bürgerstochter 6 Maas Wein, und jeder Bürgersfrau, wenn sie einen Knaben geboren, 6 Maas, wenn sie ein Mädchen geboren, 4 Maas Wein.

1570–1576 wurde das Schloß von dem Deutschmeister Heinrich von Bobenhausen erbaut, welches bis 1808 auf den Grund einer alten Wasserburg Sitz des Amtmanns war.

1799 im August war ein Scharmützel bei Kirchhausen zwischen den Franzosen unter General Ney und Czeklerhusaren und östr. Infanterie. Bald darauf bildete C. P. E. Freiherr von Nordegg zur Rabenau, Comthur und Oberamtmann zu Hornegg, einen Landsturm aus seinen untergebenen Förstern und Bauern, wozu Kirchhausen, Biberach, Sontheim u. s. w. Mannschaft zu stellen hatten. Die | Kirchhauser drangen unter Anführung eines krummbeinigten Schreibers bis zum Kirchharder Wald vor, ergriffen aber die Flucht, als sie Soldaten sahen. Es waren Östreicher, die sie in der Ferne für Feinde hielten. General Ney traf am Tage nach der Heimkehr der Bauern bei Kirchhausen ein, ließ auf der Warte Kanonen aufführen, und mehrere Kanonenkugeln über den Ort hin pfeifen. Eine Deputation der Ortsvorstände bat den General um Gnade, die er ihnen auch zürnend über den Commenthur, der die Bauern verhetzt habe, ertheilte, worauf er einige Stunden im Schlosse ausruhte, während seine Soldaten nach Heilbronn marschirten.

1832 kaufte die Gemeinde die Schäferei vom Staate um 17.000 fl. und den Hausener Wald, 1833 das Schloß, welches nach Auflösung des Oberamts im Kauf durch mehrere Privathände gegangen war, um 6500 fl. Für die Schäferei zahlt ein Beständer, der 500 Schaafe hält, 1200 fl. jährlich.

Bis zur Ablösung hatte der Staat den Zehnten aller Art auf der ganzen Markung, mit Ausnahme der zur Pfarrei Kirchhausen gehörigen Besoldungsäcker und der zehntfreien Güter des Biberacher Wittumshofs.

Das Wappen von Kirchhausen ist eine Pflugschaar und die Buchstaben K. H.


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