Beschreibung des Oberamts Horb/Kapitel B 29
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Der freundliche, in die Länge gedehnte, gleichsam nur eine Straße bildende Ort, besteht meist aus Wohlhabenheit verrathenden, ansehnlichen Bauernwohnungen und hat zwei Stunden südöstlich von der Oberamtsstadt auf der Hochebene zwischen dem Neckar- und dem Starzelthale eine hohe, freie Lage, die eine sehr schöne Rundsicht weithin gestattet.
Der Ort ist der südlichst gelegene im Bezirk und die Ortsmarkung wird auf drei Seiten von Hohenzollern’schem Gebiet und nur an der nördlichen Seite von der Markung Mühringen umlagert.
Beinahe in der Mitte des Orts steht die 1727 in einem ganz einfachen modernen Rundbogenstyl erbaute Pfarrkirche zum h. Stephan, deren flach gedecktes Innere freundlich und weiß getüncht ist; der mit einem halben Achteck schließende Chor hat eine gewölbte Decke. Altäre, Kanzel etc. sind im Rococogeschmack gehalten und haben wenig Kunstwerth. Der viereckige, im oberen Stockwerk achteckige Thurm trägt ein einfaches Zeltdach. Die Kollatur zur Pfarrstelle hat der Bischof je im dritten Fall, in je zwei Fällen der Freiherr von Münch.
Die Unterhaltung der Kirche, wie auch die des Pfarrhauses, steht dem Freiherrn von Münch zu.
Der Begräbnißplatz liegt außerhalb (östlich) des Orts.
Das bei der Kirche gelegene Pfarrhaus befindet sich in gutem baulichen Zustande.
Das etwas erhöht gelegene Schulhaus enthält ein Lehrzimmer und die Gelasse für den Gemeinderath; der Schulmeister wohnt in einem abgesonderten, der Gemeinde gehörigen, 1763 erbauten Gebäude, in welchem auch eine öffentliche Backküche eingerichtet ist. Überdieß sind noch zwei öffentliche Waschhäuser vorhanden.
Der Ort erhält sein Trinkwasser aus neun Ziehbrunnen, die jedoch in trockenen Sommern so sehr nachlassen, daß der Wasserbedarf auswärts geholt werden muß. Eine Wette ist im Ort angelegt.
In Folge der hohen Lage des Orts ist die Luft rein und gesund, daher trifft man auch bei den Einwohnern im allgemeinen einen kräftigen Körperbau und eine dauerhafte Gesundheit; die Lebensweise | derselben ist geordnet und die Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau und Viehzucht, während die Gewerbe mit Ausnahme von zwei Schildwirthschaften nur den nöthigsten örtlichen Bedürfnissen dienen. Die Vermögensverhältnisse gehören zu den besseren des Bezirks und der größte Grundbesitz einer Familie beträgt 88 Morgen Feld und 10 Morgen Wald, der mittlere 18 Morgen Feld und 1 Morgen Wald und der geringste 1–2 Morgen.Die mittelgroße, von kleinen Thälchen und Einteichungen durchzogene Markung hat im allgemeinen einen ergiebigen Boden, der vorherrschend aus Lehm, theils aus den Verwitterungen des Muschelkalkdolomits (Malmboden) und zuweilen aus den Verwitterungen der Lettenkohlengruppe besteht. Muschelkalk- und Dolomitsteinbrüche sind vorhanden. Lehm wird allenthalben gewonnen. Die Ortsbürger besitzen noch gegen 100 Morgen Felder auf Empfinger Markung.
Der Zustand der Landwirthschaft ist gut und Einzelne gehen in derselben mit gutem Beispiel und Rath voran; es haben verbesserte Ackergeräthe Eingang gefunden und die Düngerstätten sind zweckmäßig angelegt. Zur Verbesserung der Felder kommen außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln noch Gips und Compost in Anwendung.
Der Ackerbau, welcher im Dreifeldersystem mit beinahe ganz eingebauter Brache fleißig betrieben wird, beschäftigt sich mit den gewöhnlichen Getreidearten, besonders mit Dinkel und in der Brache mit dem Anbau von Kartoffeln, Futterkräutern, wenig Flachs und viel Hanf, Erbsen, ziemlich viel Reps etc. Der Hopfenbau liefert in günstigen Jahren einen Ertrag von etwa 8–10 Centnern, der, wie auch das Repserzeugniß meist an Händler verkauft wird. Bei einer Aussaat von 8 Simri Dinkel, 3 Simri Gerste, 3 Simri Weizen, 3 Simri Roggen und 41/2 Simri Haber, wird der durchschnittliche Ertrag eines Morgens zu 8–10 Scheffel Dinkel, 5 Scheffel Gerste 4–5 Scheffel Weizen, 41/2 Scheffel Roggen und 5–6 Scheffel Haber angegeben. Die höchsten Ackerpreise betragen gegenwärtig 800 fl., die mittleren 500 fl. und die geringsten 300 fl. per Morgen. Über die Befriedigung des örtlichen Bedürfnisses können jährlich gegen 500 Scheffel Getreidefrüchte nach Außen verkauft werden.
Die durchgängig zweimähdigen Wiesen, denen keine Wässerung zukommt, ertragen nahrhaftes Futter und zwar vom Morgen 25–30 Centner Heu und 12–15 Centner Öhmd; ihre Preise bewegen sich von 500–1200 fl. per Morgen.
Mit vielem Fleiß wird die Obstzucht, welche sich vorzugsweise | mit Mostsorten, Zwetschgen und Kirschen beschäftigt, gepflegt; sie ist ausgedehnt und besonders in der Nähe des Orts, das gleichsam in einem Obstwäldchen versteckt liegt. Eine Baumschule ist vorhanden. Das Obst wird theils gemostet, theils gedörrt und nur wenig gebrannt.Von den durchgängig aus Nadelhölzern bestehenden Waldungen besitzt die Gemeinde 39 Morgen, die jährlich etwa 19 Klafter ertragen, welche für Gemeindezwecke verwendet werden.
Die Pferdezucht ist unbedeutend und beschränkt sich nur auf einige Nachzucht für die eigene Benützung; die Stuten kommen zur Bedeckung auf die Beschälplatte nach Horb und die Fohlen werden im dritten Jahre zum Zuge verwendet.
In sehr gutem Zustande ist die mit einer tüchtigen Landrace sich beschäftigende Rindviehzucht, welche durch 2–3 von der Gemeinde beaufsichtigten Landfarren immer mehr zu verbessern gesucht wird. Ein nicht unbeträchtlicher Verkauf von Vieh, besonders auch von gemästetem, findet nach Frankreich statt.
Schafzucht wird nicht betrieben und die Schafweide an einen fremden Schäfer um etwa 300 fl. jährlich verpachtet, überdieß sichert die Pferchnutzung der Gemeinde eine jährliche Einnahme von 500 fl.
Die eigentliche Schweinezucht ist nicht bedeutend, dagegen werden viele Ferkel, meist von halbenglischer Race, eingeführt und gemästet; Mastschweine kommen in namhafter Anzahl zum Verkauf.
Von Geflügel werden, jedoch nicht in großer Ausdehnung, Gänse gezogen, die man meist an Israeliten in Mühringen absetzt.
Die Bienenzucht wird von wenigen Bürgern mit gutem Erfolg betrieben.
Vicinalstraßen bestehen nach Immnau, Empfingen, Mühringen und Dettensee.
In dem Walde Bernloch auf der Spitze gegen das Eyachthal soll ein Gebäude gestanden sein.
Zu der Gemeinde gehört:
Dommelsberg, beinahe 1/2 Stunde nordwestlich vom Ort am Anfange eines kleinen Thälchens gelegen. Der Weiler besteht aus meist minder ansehnlichen Häusern, hat eine Gastwirthschaft und eine Ziegelhütte. Der Freiherr von Münch besitzt hier ein aus etwa 160 Morgen Felder und 3 Morgen Waldungen bestehendes Gut, das er umsichtig bewirthschaftet.
| Der Ort ist hinreichend mit Wasser versehen und zunächst desselben bestand früher ein jetzt in Wiesengrund umgewandelter Weiher. Der Boden ist ziemlich fruchtbar und besteht theils aus Lehm, theils aus den Zersetzungen des Muschelkalkdolomits und der Lettenkohlengruppe. Eine Sandgrube ist vorhanden. Die Einwohner sind meist Taglöhner.Wiesenstetten wird (als Wisunstat) erstmals 774 genannt, als das Kloster Lorsch hiesige Besitzungen erhielt. Im Jahr 1314 kommt vor Heinrich Lutold von Wiesenstetten (Schmid Mon. Hohenb. 195). Widdum und Zehnten verpfändeten die von Geroldseck mit andern Gütern und Rechten an Berchtold Schilling, genannt Gerstlin. Nach dessen 1433 erfolgtem Tode wurde seine Gläubigerin Adelheid Pfeffingerin, Klosterfrau zu Oberndorf, von dem Hofgerichte zu Oberndorf darin immittirt; sie cedirte ihre Rechte an Sophia von Melchingen, auch Klosterfrau zu Oberndorf, und diese 1438 an die Herrschaft Württemberg oder deren Diener Wolf von Bubenhofen (Steinhofer 3, 804).
Vom Anfang des 16. Jahrhunderts hatte der Ort dieselben Wechsel der Besitzer, wie Mühringen (s. d.). Gleich diesem steuerte er zur Ritterschaft Kantons Neckar-Schwarzwald. Dasselbe war mit Dommelsberg der Fall.
Im Jahr 1790 wurde allhier eine eigene (katholische) Pfarrei errichtet und größtentheils von der Gemeinde fundirt. Im Jahr 1813 wurde derselben der vormals Kloster kirchbergische Hof Weiherhaus, bisher Filial des hohenzollern’schen Dorfes Heiligenzimmern zugetheilt.
Ursprünglich war Wiesenstetten Filial der hohenzollern-sigmaringischen Pfarrei Empfingen gewesen.
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