Zum Inhalt springen

Beschreibung des Oberamts Kirchheim/Kapitel B 8

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« Kapitel B 7 Beschreibung des Oberamts Kirchheim Kapitel B 9 »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
8. Gemeinde Jesingen,
ev. Pfarrdorf mit 977 ev. und 1 kath. Einw., liegt frei in der Kirchheimer Thalebene, an der Straße nach Göppingen und wird von der Lindach durchflossen. Kirchheim, Weilheim, Ohmden und Holzmaden sind ganz nahe und durch gute und ebene Straßen mit Jesingen verbunden. Der Ort gehört zum Kameralamt Kirchheim und in die III. Klasse. Der große Zehente und ein Theil des Heu-Zehentens gehört dem Staate; den andern Theil des letztern und den | kleinen Zehenten bezieht die Pfarrei. Die Zehentrechte des Staats rühren größten Theils von der Kellerei und geringern Theils von Adelberg, St. Peter, dem Kloster Kirchheim und der geistlichen Verwaltung her. Seit 1818 hat die Gemeinde für 5987 fl. 4 kr. grundherrliche Rechte, worunter alle Laudemien, dem Staat abgekauft. Außer diesem beziehen noch einige Körperschaften Grundgefälle. Das Fischrecht steht der Gemeinde zu.

Der Ort liegt eben, hat geregelte Gassen, ordentliche Gebäude und gutes Wasser. Er zählt 165 Haupt- und 29 Neben-Gebäude, worunter 1 Kelter, 1 Armenhaus und 1 Gemeindebackhaus, dieses 1840 mit einem Kosten von 1000 fl. erbaut. Die Kirche, welche die Stiftungspflege zu erhalten hat, ist alt und aus einer Capelle entstanden. Sie steht neben dem Pfarrhaus, dessen Baulast dem Staat obliegt. Die Einwohner sind wohlhabend und von offenem, geradem Charakter. Der Ort zeichnet sich durch geringere Sterblichkeit, aber auch durch eine kleinere Zahl der Geburten, aus. S. oben S. 43. Feldbau, Rindvieh- und Schaf-Zucht sind die Nahrungsquellen. Der meist aus schwarzer Erde bestehende Boden ist sehr fruchtbar, besonders an Dinkel, Sommergerste und Futterkräutern, und wäre auch andern Fruchtgattungen zuträglich. Die Nähe von Kirchheim macht die Verwerthung der Produkte und die Arbeiten im Taglohn leicht.

Die 48 Morgen Weinberge geben in guten Jahren einen angenehmen, aber nicht lagerhaften Wein. Der Weinbau ist, wie wir sogleich finden werden, sehr alt. Der Durchschnittspreis von 1 M. Acker ist 200 fl., Wiesen und Gärten 250 fl., Weinbergen 280 fl. Die Schweinszucht ist nicht unbedeutend. Die Stallfütterung ist auf die Hälfte des Tages beschränkt, und von den 1415/8 Morgen sind nur 108 nicht angebaut. Mit Ausnahme von 18 Leinewebern sind nur die unentbehrlichsten Handwerker, 1 Mahlmühle und 2 Schildwirthschaften vorhanden. Doch finden die beliebten, von Schultheiß Esenwein und Ochsenwirth Speißer bereiteten Schinken und Salamiwürste auch außerhalb des Bezirkes Nachfrage. – | Im Jahr 1838/39 waren die Einnahmen der Gemeindepflege 2111 fl. 54 kr. und die Ausgaben 1922 fl. 7 kr. –

Die Pfarrei ist ohne Filialien. Das Patronatrecht steht dem Staate zu. Zu den eigenthümlichen gottesdienstlichen Handlungen gehört die 1825 eingeführte Feier des Jahresschlusses, welche je am letzten Abende des Jahres bei beleuchteter Kirche stattfindet. An der im Rathhaus untergebrachten Schule stehen 1 Schulmeister und 1 Provisor, und an der Industrieschule 1 Lehrerin.

Jesingen ist einer der ältesten Orte des Bezirkes. Schon 769 wird er genannt. S. oben S. 97 und bei Bissingen S. 170. Auch dieser Ort gehörte den Zähringen.

Ums J. 1112 schenkte dem Kloster St. Peter »quidam nobilis homo de Houkenberg Bertholdus nomine talem vineam qualem apud uillam, quae dicitur Vosingen, sitam habebat.« Um dieselbe Zeit schenkte demselben H. Konrad von Zähringen »quicquid allodii in eadem uilla Vosingen habuit« und bald darauf übergab ihm »Razo de Chilcheim partem predii sui Vosingen siti.« Nicht lange hernach verkaufen ihm »libera femina Reginlinde dicta« und ihre 2 Töchter ein Gut, und »quidam liber homo de Vosingen, Geroldus uocatus, duo prata apud eandem uillam sita.« So gelangte St. Peter bald zu einem bedeutenden Besitz, dessen Verwaltung einer eigenen Propstei übertragen war. Im J. 1284 ist Zeuge »Dominus Cuno praepositus de Vesingen« und 1293 kommt derselbe mit dem Beinamen dictus Kizzi vor. S. auch Bissingen S. 170. Das Kl. Kirchheim kaufte 1293 von dem Grafen Ulrich v. Aichelberg »curiam nostram apud Vesingen sitam cum omnibus agris etc. dominio et juribus, omne etiam jus, quod nobis in dicta curia ratione advocatiae aut quovis alio jure vel consuetudine competiit« um 70 Pfd. Heller. Der »Colonus dictus Phlüger«, der den Hof gebaut, habe ihn ad manus sanctimonialium pure et libere zurückgegeben. Auch von andern Grundherrn erwarb dasselbe Güter; so 1296 eine Gülte aus einem Hof von Wolframus miles de Altensteige und 1393 von Heinrich Schilling 2 Weinberge. Eine Hube, welche Johann v. Rechberg 1337 für frei und eigen verkauft hatte, kam später auch an dasselbe, und 1384 kamen von Dietrich v. Halfingen ebenfalls Güter an das Kl. St. Peter trat aber 1453 an Württ. „den Hof vnd Güter zu J. so fern vnd weit als der Zehente und das Kirchspiel des Hofes in sich begreift, vnd das Gut, der Kaltenwang genannt, ab mit allen Gütern, Gülten, Zehenten“ u. s. w. wogegen Graf Ulrich v. Württ. | das Kloster hinsichtlich aller seiner in Württ. gelegenen Güter von den Vogtrechten, Hundlegen, und allen andern Beschwerden befreite. Auf diesen Gütern saßen bei 40 Menschen. Ihr Ertrag war angeschlagen zu 308 Moden 6 Sri. Korn, 30 Eimer Wein und 94 Pfd. 2 Schilling Hellerzinse. Im J. 1610 bestanden die Rechte St. Peters in J. nur noch in einigen Sch. Frucht von Zehenten und Landgarben. Auch waren damals Georg Späth v. Sulzburg, Junker Heinrich v. Stein zu Emerkingen und die Klöster Marchthal und Salmannsweil am Bezuge von Landgarben betheiligt.

Wie wir vorhin sahen, kam die Vogtei von Aichelberg, das sie von Teck ererbt hatte, theilweise an das Kloster Kirchheim und so an Württemberg, das mit Weilheim die übrigen Theile nebst der Hoheit erwarb. Die Vogtei wird 1420 als Reichslehen und Zugehör von Aichelberg aufgeführt. (Steinhofer II. 706). Wie Holzmaden, so gehörte auch Jesingen in älteren Zeiten in den Gerichtszwang Weilheim; das Gericht in Jesingen wird 1524 erstmals genannt. – Wegen des alten Erbrechtes s. oben S. 102.

Wie in den umliegenden Orten, so hausten auch hier die Truppen des schwäbischen Bundes sehr arg; im September 1519 brannten sie 29 Gebäude und die mit Früchten angefüllte Zehentscheune ab.

Bis 1419 waren die Parochialrechte zwischen den Pfarreien Kirchheim, St. Peter in Weilheim und Holzmaden getheilt. In die Parochie Weilheim gehörte namentlich der 1453 von St. Peter an Württemberg verkaufte Hof. Ebendahin gehörte der Hof Niederweiler (s. hienach.) Wegen der damaligen Caplanei entschied das Ruralkapitel 1419: jeder Caplan oder Verweser zu Jesingen soll für den kleinen Zehenten und Opfer jährlich geben dem Pfarrer zu Kirchheim 1 Pfund 8 Schilling, dem Pfarrer zu Weilheim 31/2 Pfund Heller und dem Kirchherrn zu Holzmaden 35 Schilling. Auch soll der Propst von St. Peter dem Caplan jährlich 3 Fuder Heu von des Klosters Wiesen zu Jesingen reichen „was 4 Hengste von Statt wohl führen vnd ziehen mögen;“ und am 8. Januar 1421 gestatten die Gräfin Henriette von Württemberg und der Abt von St. Peter die Stiftung einer Messe, welche | die Gemeinde in der Ehre der heil. Maria de novo fundaverunt et dotaverunt in capella sua in J. consecrata in honorem S. Petri sanctorumque Cosmi et Dampniani. Wann die Caplanei Parochialrechte erhalten, ist nicht bekannt; doch wird die Pfarrei schon 1458 genannt und das Patronat stand bereits 1560 Württemberg zu.

Der hier vorübergezogenen Römer-Straße ist oben S. 110 gedacht. Auf der Markung scheint ein nun abgegangener oder mit J. verbundener Ort, Niederweiler, gestanden zu haben, welcher 1434 im Besitze von St. Peter war.


« Kapitel B 7 Beschreibung des Oberamts Kirchheim Kapitel B 9 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).