Beschreibung des Oberamts Laupheim/Dorndorf

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Dorndorf.
Gemeinde III. Kl. mit 370 Einw., worunter 3 evangel.   a. Dorndorf, Pfarrdorf, 369 Einw.   b. Wochenau, Hof, 1 Einw. – Kathol. Pfarrei. Die evangel. Einwohner sind nach Unter-Balzheim eingepfarrt.

In einem Seitenthale des Weihung-Thales liegt, drei Stunden nordöstlich von Laupheim, still und abgeschieden das kleine Pfarrdorf, dessen unbeträchtliche Feldmarkung rings mit Waldungen umgeben ist, welche die Aussicht beschränken, und namentlich eine solche in das nur 1/4 Stunde entfernte, reizende Iller-Thal nicht zulassen. Die theilweise noch mit Stroh gedeckten Gebäude sind meist klein und lagern sich unregelmäßig an den ziemlich gut erhaltenen Ortsstraßen. Ein unbedeutender Bach, der jedoch bei starken Regengüssen und bei dem schnellen Abgange des Schnee’s häufig das enge Wiesenthälchen überschwemmt, fließt mitten durch den Ort; überdieß sind viele, gutes Trinkwasser liefernde Brunnen vorhanden, welche nur bei allzugroßer Trockenheit theilweise versiegen.

Beinahe in der Mitte des Dorfs steht, innerhalb des mit einem Bretterzaun umfriedigten Begräbnißplatzes, die Pfarrkirche zur heil. Dreifaltigkeit, welche von dem Kirchen- und Pfarrhaus-Baufonds unterhalten wird. An das aus neuerer Zeit stammende Langhaus schließt sich der noch alte, dreiseitige, mit Strebepfeilern versehene Chor an, dessen Fenster ebenfalls modernisirt wurden. Der massive, viereckige Thurm ist sehr alt und in seinen unteren Theilen mit Schußscharten – im Glockenhaus aber auf jeder Seite mit je zwei rundbogigen Fenstern versehen; er trägt ein Satteldach mit Lisenen an den Giebelseiten. Von den Glocken ist eine 1732 gegossen, die andere scheint sehr alt zu sein und trägt weder Zeichen noch Schrift. Das Innere der Kirche ist freundlich, hell und hat zwei an den beiden Chorseiten stehende, gut geschnittene Holzbilder, Johannes und Magdalena vorstellend; diese sehr alten Figuren sind in neuerer Zeit kunstlos angestrichen worden.

Das mit seiner nördlichen Seite an den Begräbnißplatz stoßende Pfarrhaus, im Jahr 1765 erbaut und 1836 erneuert, bildet mit seinen Öconomiegebäuden, Gärten und Hofräumen einen angenehmen Pfarrsitz.| Für die Volksschule, welche auch die schulpflichtigen Filialisten besuchen, ist ein Schulmeister angestellt, der in dem 1780 erbauten Schulhause seine Wohnung hat. Die Gemeinderathssitzungen werden in dem Gasthause abgehalten.

Die Einwohner haben bei der Abgelegenheit des Orts ihre einfachen Sitten noch mehr bewahrt, als andere, an frequenten Straßen gelegene Orte; mit großem Fleiße treiben sie hauptsächlich Ackerbau und Viehzucht, mehrere finden durch Holzmachen in den benachbarten Waldungen Verdienst, und weibliche Personen beschäftigen sich mit Flachsspinnen und Stricken. Ihre Vermögensumstände gehören zu den mittelmäßigen, und der ausgedehnteste Güterbesitz beträgt nur 37 Morgen Felder.

In Folge der nahe gelegenen, großen Waldungen, wie der ziemlich erhöhten Lage, ist das Klima rauh, naßkalt und die Luft häufig nebelig, daher Lungenkrankheiten, Wechsel- und Nervenfieber nicht zu den Seltenheiten gehören. Hagelschlag kommt selten vor und die Ernte tritt Ende Juli oder Anfangs August ein.

Der Boden ist im Allgemeinen mittelfruchtbar, lettig, die Feuchtigkeit nicht durchlassend, daher er in nassen Jahrgängen nur geringen Ertrag liefert.

Der Gemeindebezirk wird an der westlichen Seite von dem Weihung-Thale – an der östlichen von dem Iller-Thale berührt und überdieß von dem Dorndorfer-Thälchen durchzogen, so daß derselbe, mit Ausnahme der Illerthalebene, ziemlich uneben sich herausstellt.

Im Dreifeldersystem werden von den gewöhnlichen Getreidearten vorzugsweise Dinkel und Hafer gebaut; in der zur Hälfte augeblümten Brache zieht man Kartoffeln, dreiblättrigen Klee, Flachs, Kohlraben etc. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens wird zu 5 – 6 Scheffel Dinkel, 4 – 5 Scheffel Hafer, 3 – 4 Scheffel Gerste und ebenso viel Roggen angegeben; die Preise eines Morgens bewegen sich von 100 – 200 fl. Der Verkauf an Getreide nach Ulm und Dietenheim ist nicht unbeträchtlich.

Auf der Markung sind viele, durchgängig zweimähdige Wiesen, deren durchschnittlicher Ertrag zu 25 Centner Heu und 12 Centner Öhmd pr. Morgen angegeben wird. Die höchsten Preise eines Morgens betragen 400 fl., die mittleren 300 fl. und die geringsten 200 fl.

Die Obstzucht, der schädliche Nebel und Frühlingsfröste entgegenwirken, ist unbedeutend.

Eigentliche Weiden sind nicht vorhanden, dagegen verpachtet die Gemeinde die Brach- und Stoppelweide an einen Schäfer und | bezieht dafür neben 100 fl. Pachtgeld noch jährlich 60 – 70 fl. aus der Pferchnutzung.

An Waldungen besitzt die Pfarrei 127/8 Morgen, die wenigen Privatwaldungen, welche vorhanden waren, sind in neuerer Zeit zu Felder ausgestockt worden.

Der aus einer kräftigen Landrace mit Simmenthaler Kreuzung bestehende Viehstand bildet eine namhafte Erwerbsquelle; die Züchtung desselben geschieht durch zwei sehr tüchtige Farren, von denen einer in neuerer Zeit von Seiten des landwirthschaftlichen Bezirksvereins den zweiten Preis erhielt. Die Zuchtstiere (ein Schweizer- und ein Landfarren) schafft die Gemeinde an und gibt sie einem Bürger in Verpflegung. Die Gemeinde hat das Triebrecht in die Wiblingen- und Kirchberg’schen Waldungen, welches sie noch benützt.

Pferde und Schafe werden nicht gezüchtet, auch ist die Schweinehaltung ganz unbeträchtlich; ebenso hat die Bienenzucht sehr abgenommen.

Vicinalstraßen gehen nach Illerrieden, Steinberg und Beuren.

Über den Haushalt der Gemeinde und den der Stiftungspflege s. Tabelle III.

Unter der Scheune des Schultheißen Hegele wurden vor zehn Jahren namhafte Grundreste römischer Gebäudesubstructionen aufgedeckt und dabei eine Menge römischer Ziegel, Heizröhren etc. ausgegraben; auch findet man zuweilen in der Nähe des Orts römische Münzen. Nach der Volkssage soll Dorndorf eine Stadt gewesen sein. Eine Römerstraße (gegenwärtig Waldstraße genannt) führt, von Ober-Kirchberg herkommend, etwa 1/4 Stunde östlich am Ort vorüber.

An der Stelle des gegenwärtigen Gasthauses stand eine Burg der früheren adeligen Besitzer des Orts.

Dorndorf (mit dem altwelfischen Derndorf bei Mindelheim nicht zu verwechseln) war ursprünglich ein Theil der Grafschaft Kirchberg. Am 23. April 1388 verlieh Vogt Ulrich von Matsch, Graf zu Kirchberg, seinem Püttel zu Kirchberg, Marquard dem Schwaimer, das Jägerlehen zu „Torndorf“ (Reg. Boic. 10, 223). Laut Urkunde von 1511 trug der Ulmer Bürger Symprecht Lyns das Dorf, welches schon an seine Vorfahren von dem gräflichen Hause Montfort verliehen gewesen war, von Hugo, Graf von Montfort und Rotenfels, als Geschlechtsältestem, zu Lehen. Nach derselben Urkunde hatte Montfort Eigenschaft über das Dorf mit Gericht, Zwing und Bänn. Der Gerichtsherr Lyns sollte jetzt einen Gerichtsamman und zwölf ehrbare Mann zu Richtern setzen. (Das| Gericht war eine Zeitlang ungeübt gewesen und wurde jetzt unter allerlei Strafbestimmungen reorganisirt.) Später wechselte das adelige Gut öfters seine Herren und kam z. B. im Jahr 1663 in den Besitz des Grafen Albrecht Fugger. Den 10. Juni 1674 verkaufte es Franz Benedict, Reichsgraf von Lodron, an Christoph Erasmus von Racknitz. Die Herren Philipp Wilhelm und Johann Friedrich von Racknitz veräußerten es im Jahr 1711 um 18.500 fl. (sammt dem Investiturrechte und andern Gerechtsamen) an das Kloster Wiblingen. Die Steuerbarkeit und niedere Gerichtsbarkeit, letztere mit Ausnahme eines Söldguts, hatte das Kloster Wiblingen auszuüben, die hohe und forsteiliche Jurisdiction sowie die Jagd hatte die Grafschaft Kirchberg. Mit dem Kloster Wiblingen ist das Dorf an Württemberg gelangt.

Der Kirchensatz gehörte im Anfang der 1380er Jahre dem Ulmer Bürger Peter Ehinger; am 1. Februar 1387 erkaufte von ihm denselben der Rath der Stadt Ulm, um damit das Patronatrecht über die Pfarrkirche zu Ulm von dem Kloster Reichenau, dem bisherigen Besitzer des letzteren, einzutauschen. Abt Heinrich von Wiblingen, welcher von Pabst Bonifaz IX. unter dem 9. Dezember 1389 mit Untersuchung dieses Tausches beauftragt war, bewilligte solchen am 20. April 1395. Nachher kam das Kirchenpatronat wie der Ort selbst an die Grafen von Fugger, diese erhielten noch von Pabst Paul III. eine Bulle vom 9. September 1536, worin ihnen, weil sie die durch die Herren von Rackniz in Dorndorf verdrängte katholische Religion wiederum eingeführt hätten, dieses Patronat zugestanden war (Braig 281). Freilich geriethen sie darüber mit dem Kloster Wiblingen im Jahr 1726 in einen heftigen zehnjährigen Streit, in Folge dessen das Kloster das hiesige Patronatrecht zugesprochen erhielt.

Heut zu Tage ist das Patronat landesfürstlich.

Im 16. Jahrhundert wurde von Ulm aus in dem Orte für die Reformation gewirkt, dagegen von den Grafen von Fugger erfolgreicher Widerstand entgegengesetzt.

Der zur Gemeinde gehörige, mit eigener Markung versehene Hof Wochenau liegt an der Ulm–Leutkircher Landstraße, 1/2 Stunde nordöstlich von dem Mutterort, am Fuß der steilen, bewaldeten Illerthalgehänge. Er besteht aus einigen sehr ansehnlichen Gebäuden nebst 8 Morgen Gärten, 211 Morgen Äcker, 625/8 Morgen Wiesen etc., ist Eigenthum des Grafen von Fugger-Kirchberg und wird durch einen Pächter rationell bewirtschaftet.

Die Lage ist sehr angenehm und erlaubt eine äußerst freundliche| Aussicht nicht nur in das Illerthal, sondern auch in das jenseits der Iller gelegene bayerische Hügelland.

Die natürlichen, wie die landwirthschaftlichen Verhältnisse sind denen von Illerrieden ziemlich gleich (s. die Ortsbeschr. von Illerrieden); der Rindviehstand ist mittelmäßig, dagegen wird die Schafzucht in großer Ausdehnung betrieben. Eine Käserei besteht auf dem Hof.