Beschreibung des Oberamts Leonberg/Kapitel B 9

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Heimerdingen,
Gemeinde III. Kl. mit 957 Einw. a. Heimerdingen, Pfarrd. 949 Einw., wor. 3 Kath.; b. Haldenwaldmühle, 8 Einw. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Weil der Stadt eingepfarrt.

Heimerdingen ist der Sitz eines Revierförsters und 11/2 Stunden nordwestlich von der Oberamtsstadt gelegen. Der ansehnliche, ziemlich regelmäßig gebaute, mit reinlichen, gekandelten Straßen versehene Ort hat eine sehr hohe, freie, nicht ganz ebene Lage (1418,6 württ. Fuß über dem Meere), am Saume des Strohgäu’s. Vermöge dieser hohen Lage ist die Luft gesund und Frühlingsfröste wie Hagelschlag sind selten; dagegen fehlt es dem Ort an laufenden Brunnen, so daß die Einwohner an 2 Pumpbrunnen innerhalb des Orts und an 3 ziemlich entlegene Ziehbrunnen außerhalb desselben gewiesen sind, welche beinahe jedes Jahr versiegen und das Wasser alsdann aus dem 1/2 Stunde entfernt gelegenen Strudelbach beigeführt werden muß. Auf den Fall der Feuersgefahr sind mehrere Wetten angelegt.

Die am westlichen Ende des Orts gelegene Pfarrkirche mit weithin sichtbarem Kirchturme wurde 1777 in einfachem Style erbaut und ist ohne allen architektonischen Schmuck. An der Südseite derselben befindet sich das Grabmal eines Schultheißen Zeller († 16..), auf welchem der Verstorbene in der Tracht jener Zeit gut in Stein gehauen dargestellt ist. Der massive Thurm, welcher unten ein Viereck bildet, gegen oben aber in ein Achteck übergeht, trägt ein pokalförmiges Dach; auf ihm hängen drei Glocken, welche 1777 von C. F. Blüher in Stuttgart gegossen wurden. Die Aussicht von dem Thurme gehört zu den ausgebreiteteren des Bezirks. Die Baulast der Kirche hat die Stiftungspflege. Der Begräbnißplatz liegt hinter (westlich) der Kirche.

Das 70 Schritte von der Kirche frei und angenehm gelegene Pfarrhaus, welches der Staat zu unterhalten hat, steht auf der Stelle der ehemaligen Burg (s. unten). Das zweckmäßig eingerichtete Schulhaus mit Lehrerwohnung wurde 1836 neu erbaut; an der Schule unterrichten 1 Lehrer und 1 Lehrgehilfe. Ein Gemeindewaschhaus besteht schon längst, ein öffentliches Backhaus seit 1843.

Die Feldmarkung bildet eine wellenförmige Hochebene und hat im Allgemeinen einen sehr fruchtbaren Diluviallehmboden, in welchem besonders Dinkel gut gedeiht; im westlichen Theile der Markung, wo sich der Muschelkalkdolomit geltend macht, tritt ein etwas minder ergiebiger sogenannter Malmboden auf.

Die körperlich gesunden und kräftigen Einwohner sind sehr fleißig, | sparsam und kirchlich gesinnt; auf ihre Wohlhäbigkeit, deren Quellen hauptsächlich in Feldbau und Viehzucht bestehen, sind Manche etwas einbildisch. Die mit vieler Umsicht betriebene Landwirthschaft steht auf einer blühenden Stufe; zweckmäßigere landwirthschaftliche Betriebsmittel, wie der Brabanter Pflug, das einfache Joch u. s. w. finden geneigte Aufnahme, und gut angelegte Düngerstätten mit Güllenlöchem sind allgemein. Zur Besserung des Bodens bedient man sich, neben dem gewöhnlichen Dünger, dem Pferch, der Jauche und dem Kompost, auch des Gypses.

Im System der Dreifelderwirthschaft werden von den Cerealien hauptsächlich Dinkel, Hafer und Gerste gebaut; in der zu 2/3 angeblümten Brache, neben Kartoffeln, Ackerbohnen und Angersen, sehr viele Futterkräuter gezogen; von Handelsgewächsen pflanzt man Reps, Mohn und ziemlich viel Hanf. Auf den Morgen kommt Aussaat: 41/2–5 Sri. Dinkel, 4 Sri. Hafer, 3 Sri. Gerste, 4 Sri. Einkorn, 2 Sri. Roggen und 2 Sri. Weizen; der durchschnittliche Ertrag wird zu 9–10 Schfl. Dinkel, 4–5 Schfl. Hafer, 3 Schfl. Gerste, 7 Schfl. Einkorn, 3 Schfl. Roggen und 3 Schfl. Weizen angegeben. Dinkel, Hafer und Gerste wird sehr viel nach Außen – besonders an Bäcker nach Stuttgart verkauft. Die Preise der Äcker bewegen sich zwischen 200–700 fl. per Morgen.

Der Wiesenbau ist ausgedehnt, übrigens erlauben die Wiesen, denen durchgängig Wässerung fehlt, nur in günstigen Jahren einen doppelten Schnitt und ertragen dann durchschnittlich 25 Centner Heu und 10 Ctr. Öhmd. Ein Morgen kostet 200–400 fl.

Auf den kalkhaltigen Böden des Abhanges gegen das Strudelbach-Thal wird auf etwa 10–15 Morgen Weinbau betrieben, welcher ein mittelmäßiges, jedoch nicht auf das Lager geeignetes Erzeugniß liefert. Der Morgen kostet 400 fl. und erträgt 2–3 Eimer Wein, der im Jahr 1846 um 30–40 fl., im Jahr 1849 um 20 fl. verkauft wurde.

Die Obstzucht, welche sich hauptsächlich mit Mostsorten beschäftigt, ist bedeutend und bildet, da viel Obst nach Außen verkauft wird, eine besondere Erwerbsquelle der Einwohner; das Steinobst gedeiht wegen der hohen Lage nicht. Eine Baumschule befindet sich innerhalb des Orts.

Die Gemeinde besitzt etwa 750 Morgen Waldungen, welche meist mit Laubhölzern gut bestockt sind und im 30jährigen Umtrieb, mit Ausnahme eines auf 70 Jahre gestellten Distrikts, bewirthschaftet werden. Sie ertragen nach dem gefertigten Nutzungsplan jährlich 380 Klafter und 18.128 Stück Wellen; hievon erhält jeder Bürger 1/2 Klafter und 50 St. Wellen, der Rest wird verkauft und gewährt der Gemeindekasse einen Erlös von 1800–2000 fl.

Eigentliche Weiden befinden sich nur noch etwa 4 Morgen auf der | Markung, welche nebst der Brach- und Stoppelweide dermalen an einen Schäfer, der 400–500 Stück Bastardschafe hält, um 460 fl. jährlich verpachtet sind; überdieß erträgt die Pferchnutzung der Gemeinde jährlich 400–600 fl.

Der namhafte Rindviehstand besteht in einer gelblichen und röthlichen, starken Landrace, welche durch 3 Farren, deren Haltung der Gemeinde zukommt, gezüchtet wird; mit gemästetem Vieh wird bedeutender Handel nach Stuttgart, Pforzheim u. s. w. getrieben. Die Zucht der Schweine ist unbedeutend und die des Geflügels dient nur für den eigenen Bedarf; Bienen werden, da sie nicht gern fortkommen, nur wenig gehalten.

Was die Gewerbe betrifft, so beschränken sich diese auf die nöthigsten Handwerker, welche mit Ausnahme eines Zieglers nur den örtlichen Bedürfnissen dienen. Es bestehen 3 Schildwirthschaften, 1 Bierbrauerei, 2 Kaufleute und 1 Krämer im Ort. Durch gut angelegte, mit Obstbäumen besetzte Vicinalstraßen nach Hirschlanden, Hemmingen, Eberdingen und Weissach ist dem Ort der Verkehr nach allen Richtungen erleichtert.

Außer den beträchtlichen Einnahmen aus Wald, Weide u. s. w. besitzt die Gemeinde noch etwa 15.000 fl. zinstragende Kapitalien; sie hat daher weder Amts- noch Gemeindeschaden umzulegen. Das Stiftungsvermögen beträgt 5000 fl., woneben noch 1200 fl. Stiftungen, aus deren Zinse den Armen Brod angeschafft wird, und an Schulstiftungen 60 fl. vorhanden sind.

Dem Staat, welcher Grundherr ist, stand früher auch der große Zehenten zu, bis ihn im Jahr 1711 Herzog Eberhard Ludwig seinem Kreisgesandten und nachherigen Regierungs-Präsidenten v. Reischach zu Lehen übertrug. In den kleinen Zehenten theilten sich der Staat zu 1/5 und die Pfarrei zu 4/5. Der Heuzehente außerhalb Etters stand früher dem Cameralamt allein zu, ist übrigens längst abgelöst; innerhalb Etters gebührten dem Staat 1/4 und der Pfarrei 3/4. Aus hiesigen Meiereigütern, dem Burghof und dem Schafhof, bezog der Staat Dritttheilgebühren, welche in den Jahren 1822 und 1835 mit 2013 fl. 20 kr., beziehungsweise 7902 fl. 11 kr., abgelöst wurden.

Die Haldenwald-Mühle, mit 3 Mahlgängen und 1 Gerbgang, liegt am Strudelbach, nordwestlich vom Dorfe, innerhalb der Markung desselben.

Westlich von Heimerdingen wird eine sehr hoch gelegene Flur, von der man eine ausgebreitete Aussicht genießt, die „Hohwart" genannt; nach dieser Benennung, wie nach der Lage, läßt sich vermuthen, daß hier ehemals eine Warte stand.

| Heimerdingen erscheint zuerst im Jahr 798 in dem Kloster Lorscher Schenkungsbuch als Heimradingen in pago Glemisgowe (Cod. Laur. Nr. 3562.).

Der Lehensadel dieses Orts, die Herren von Heimerdingen, kommen häufig vor; ihr Wappen waren zwei kreuzweise gelegte Heurechen. Der erste bekannte ist Schwigger, welcher am 1. Februar 1258 Güter in Wiernsheim, welche er von Konrad von Straubenhard zu Lehen trug, weggab. Im Jahr 1283 erscheint ein jüngerer Schwigger und Heinrich, deßgleichen Helfrid. Im 14. Jahrhundert blühten in dieser Familie Rüdiger, Hans, Ulrich; im Jahr 1392 trugen diese Herren das später von Hiller’sche Gut in Gärtringen zu Lehen (Sattler, Topogr. 129). Nach Aussterben dieses Geschlechts im Jahr 1483 verlieh Graf Eberhard im Bart seinen zwei unehelichen Söhnen, Ulrich und Ludwig, das unbedeutende Lehen, welches den letzten Herren von Heimerdingen geblieben war.

Neben dem Ortsadel hatten auch noch benachbarte Edelleute ansehnlichen, zum Theil durch Heirath und Erbe überkommenen Besitz, namentlich die Truchseßen von Höfingen und die Herren von Nippenburg. Heinrich Truchseß von Höfingen wurde im Jahr 1360 mit einem Theile des hiesigen Zehenten, Hans Truchseß von Höfingen, Landvogt von Mömpelgart, ausdrücklich mit 1/5 des Zehenten belehnt (Gabelk.). Hans von Nippenburg empfing im Jahr 1404 seinen Theil an der Burg in Heimerdingen zu Lehen, und im Jahr 1417 gleichfalls Hans von Nippenburg, genannt Schlegel, 3/4 an der Burg zu Heimerdingen, als Träger für seine Gemahlin Margaretha von Heimerdingen. Am 7. August 1449 wurde Ludwig von Nippenburg von Graf Ludwig von Württemberg mit der Burg sammt Zugehörungen belehnt.

Württemberg, welchem die Lehensoberherrlichkeit frühe zustund, machte hier folgende Erwerbungen: im Jahr 1435 erkauften die Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg von Hans Truchseß von Höfingen um 2150 fl. seinen Theil an dem Dorf Heimerdingen, welchen er theils von seinem Vater ererbt, theils von Wolf von Nippenburg gekauft hatte (Sattler, Grafen 2, 116); im Jahr 1442 erwarb Graf Ludwig von Württemberg von Burghard von Nippenburg dessen hiesiges Haus, seinen Theil an der Badstube, 1/8 am Umgeld u. a. (das Haus trat der Graf aber bald wieder ab, Steinhofer, Württ. Chronik 2, 845); im Jahr 1462 erkaufte Graf Eberhard von Ludwig von Nippenburg einen Antheil am Dorfe für 750 fl. Sonst erhielt Württemberg im Jahr 1423 hiesige Leibeigene durch Kauf von Heinrich von Gärtringen. In den Jahren 1463 und 1497 belehnte es Heinrich von Dürmenz mit der Hälfte des Schlosses.

Im 15. Jahrhundert bestunden hier eine Pfarr- und zwei Frühmesserstellen.

| Auf das Patronat der Kirche verzichteten am 21. Januar 1316 die Gebrüder Herter von Herteneck zu Gunsten Graf Eberhards von Württemberg (Scheffer 16), und am 17. November 1355 gab Fritz Sturmfeder der junge seine Ansprüche an die hiesige Kirche auf. So steht auch jetzt noch die Nomination zur Pfarrstelle sowie die Confirmation der Krone Württemberg zu.

Von Klöstern waren hier begütert: 1) Kloster Lorsch; dieses erhielt 798 fünf Tagwerke Ackerlandes, 2) Kloster Weissenburg; solches besaß, nach einer im 13. Jahrhundert gemachten Aufnahme, mehrere Güterstücke, die Kirche nebst Zehenten (Trad. Wizenb. ed. Zeuss 290; hier heißt der Ort Heimmortinga), 3) Kloster Hirschau; dieses bekam um 1110 11/2 Huben von Cuno von Hurningen und seiner Gemahlin Uta, und bald darauf Güter von Reginhard von Berg und seiner Gemahlin Sigeburg (Cod. Hirs. 97. 100.).

Im November 1733 verbrannten hier 42 Gebäude.


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