Beschreibung des Oberamts Ludwigsburg/Kapitel B 18

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Poppenweiler,


Gemeinde II. Cl. mit 1301 Einw., worunter 10 Kath. – Evang. Pfarrei; die Kath. sind nach Ludwigsburg eingepfarrt.
Oben an dem ziemlich steilen, westlichen Abhange gegen das Neckarthal, theilweise an dem Abhange selbst, liegt das große, etwas enge zusammen gebaute, reinlich gehaltene Dorf, dessen größtentheils mittelgroßen, gut aussehenden Gebäude aus Holz erbaut und nicht selten mit steinernen Unterstöcken versehen sind. In mäßiger Entfernung vom Ort liegt die Ziegelhütte, um die sich eine Gruppe kleiner Wohnungen lagert. Von dem obern, eben gelegenen Theile des Orts, namentlich von dem Kirchthurme, genießt man eine sehr freundliche und ziemlich ausgebreitete Aussicht, die sich in das| anmuthige Neckarthal, an den Schurwald, in das Stuttgarter Thal, an die Winnender und Löwensteiner Berge, an den Wunnenstein und Stromberg erstreckt.

Am südöstlichen Ende des Orts steht die Pfarrkirche, deren Langhaus nach einer über den Eingang angebrachten Jahreszahl ohne Zweifel schon im Jahr 1601 verändert, im Jahr 1838 aber durchgreifend restaurirt wurde. Bei der letzten Veränderung verlor sie nicht nur das Maßwerk aus den spitzbogigen Fenstern, sondern auch den Triumphbogen zwischen Chor und Schiff. Das früher mit Wandgemälden geschmückte Innere der Kirche erhielt eine weiße Tünchung an Wänden und flacher Decke. Außer der im germanischen Geschmack gefaßten, im Jahr 1844 von Walker in Ludwigsburg gefertigten Orgel enthält die Kirche nichts Bemerkenswerthes. Der hohe, massive Thurm mit einem schlanken, spitzen Zeltdache trägt über dem spitzbogigen Eingang, der zugleich in die Kirche führt, die Inschrift anno domini 1428. Auf dem Thurme hängen 3 Glocken, von denen die größte 1782, die mittlere 1699 und die kleinste 1782 gegossen wurde. Um die Kirche läuft noch die starke Mauer des ehemaligen Begräbnißplatzes, der längst aufgegeben, und durch einen außerhalb des Orts an der Straße nach Hochdorf angelegten ersetzt wurde. Die Unterhaltung der Kirche steht der Stiftungspflege zu.

Das zunächst der Kirche gelegene, ansehnliche Pfarrhaus ist Eigenthum des Staats, der es auch im Bau zu unterhalten hat.

Das gut erhaltene Schulhaus enthält neben 3 Lehrzimmern noch die Wohngelasse der an der Schule angestellten Lehrer (ein Schulmeister, Unterlehrer und ein Lehrgehilfe).

Eine Industrieschule, an der 3 Lehrerinnen unterrichten, besteht seit 1821.

Das freundliche, etwas kleine Rathhaus befindet sich in ganz gutem Zustande.

Von den zwei vorhandenen Gemeindebackhäusern wurde das eine, welches zugleich ein Waschhaus enthält, im Jahr 1837, das andere 1838 erbaut. Eine sehr große Gemeindekelter steht am östlichen Ende des Orts und zeugt von dem früher in weit größerer Ausdehnung betriebenen Weinbau. Eine Zehntscheuer mit Fruchtspeicher hat die Gemeinde im Jahr 1851 um 1200 fl. erkauft; überdieß befindet sich im Ort ein Armenhaus und ein Schafhaus.

Sehr gutes Trinkwasser liefern hinreichend 2 laufende und 3 Pumpbrunnen. Nordöstlich vom Ort befindet sich eine sehr reichhaltige Quelle, der sog. Bächlesbrunnen. Außer dem unfern des Orts vorbeifließenden Neckar, berührt die Markung noch der von| Schwaigheim herkommende nächst dem Ort in den Neckar mündende Zipfelbach, welcher 1/8 Stunde südlich vom Ort eine Mühle mit 3 Mahlgängen, einen Gerbgang, einem Hirsengang und einer Hanfreibe treibt. Der Neckar, über den hier eine Fähre für Fußgänger führt, tritt öfters aus, schadet übrigens den Wiesen nicht bedeutend, dagegen den am Fuß der Steinhalde gelegenen Weinbergen. Das Fischrecht in demselben hat der Staat, welcher es verpachtet.

Die im Allgemeinen sehr fleißigen und sparsamen Einwohner beschäftigen sich hauptsächlich mit Ackerbau, Viehzucht, Obstzucht, weniger mit Weinbau.

Ihre Vermögensumstände sind ziemlich gut, jedoch fehlt es nicht an Unbemittelten, indem neuerlich 25–30 Personen Gemeindeunterstützung genießen. Der ausgedehnteste Güterbesitz beträgt 60 Morgen und der mittlere 18–20 Morgen, während die minder Bemittelten immer noch 1–2 Morgen Grundeigenthum haben. Die häufigste Größe einer Parcelle ist 1/4 Morgen. Von Volksbelustigungen findet außer der Kirchweihe, am Ostermontag noch das Eierlesen statt.

Die natürlichen Verhältnisse der ziemlich großen Markung sind sehr günstig, indem dieselbe mit Ausnahme des Lembergs, der Gehänge gegen die Thäler des Neckars und des Zipfelbachs meist eine ebene Lage und durchgängig einen sehr fruchtbaren, tiefgründigen Diluviallehmboden hat, der größtentheils von dem Hauptmuschelkalk unterlagert wird, während in der Thalebene Sand und Gerölle als Unterlage vorkommt. Die Thalgehänge bestehen namentlich an den steilen Partieen, aus Verwitterung des Muschelkalks, der nicht selten in schroffen Felsen zu Tage geht. Das Klima ist mild und entspricht auch dem Gedeihen feinerer Gewächse. Hagelschlag kommt höchst selten vor, indem der Asperg und der Lemberg Wetterscheiden bilden.

Außer vielen, Straßenmaterial liefernden Muschelkalkbrüchen befinden sich auf der Kuppe des Lembergs bedeutende Keuperwerksteinbrüche, aus denen vorzügliche Bau- und Werksteine gewonnen werden. Am Fuß des Lembergs kommt Töpferthon vor und in der Nähe des Orts wird Lehm für die bestehende Ziegelei gegraben; auch gewinnt man Flußsand in der Nähe des Neckars.

Die Landwirthschaft wird mit Anwendung verbesserter Ackergeräthe sehr umsichtig und fleißig betrieben; man pflanzt die gewöhnlichen Getreidearten (vorherrschend Dinkel und Hafer, letzteren häufig mit Wicken vermischt) und in der zu 3/4 angeblümten Brache Kartoffeln, Futterkräuter, Ackerbohnen, Hirsen, Zuckerrüben, Angersen, Mohn, Hanf für den eigenen Bedarf und in neuerer Zeit| ziemlich viel Reps. Der durchschnittliche Ertrag eines Morgens wird zu 9–10 Schfl. Dinkel, 6–7 Schfl. Hafer und 5 Schfl. Gerste angegeben. An Dinkel werden jährlich ungefähr 3000 Schfl. und an Hafer 1500 Schfl. nach Außen und zwar größtentheils auf die Schranne nach Winnenden abgesetzt. Die Preise eines Morgens Acker bewegen sich von 100–800 fl.

Die Wiesen, von denen die Hälfte bewässert werden kann, liefern ein mittelmäßiges, mit ziemlich viel Schmellen gemengtes Futter; sie sind durchgängig dreimähdig und ertragen im Durchschnitt 30 Centner Heu und 15 Ctr. Öhmd, während der dritte Schnitt grün verfüttert wird. Die höchsten Preise eines Morgens betragen 600 fl., die mittleren 300 fl. und die geringsten 250 fl.

Der früher in größerer Ausdehnung betriebene Weinbau beschränkt sich gegenwärtig auf etwa 100 Morgen; er liefert ein vorzügliches, meist rothes, sehr lagerhaftes Erzeugniß. Man pflanzt Trollinger, Elblinge, weniger Silvaner und Affenthaler. Der Morgen erträgt 4, höchstens 6 Eimer und der Eimer kostete in den Jahren 1846 60–77 fl., 1847 28–35 fl., 1848 20–28 fl., 1849 13–25 fl., 1850 13–20 fl., 1851 16–24 fl., 1852 28–46 fl., 1853 24–40 fl., 1854 61–64 fl., 1857 40–64 fl. und 1858 28 bis 50 fl. Die Preise eines Morgens bewegen sich von 200 bis 1000 fl. Der Wein wird meist nach Ludwigsburg, Marbach und Stuttgart abgesetzt.

Die Obstzucht, welche sich vorzugsweise mit Mostsorten beschäftigt, ist bedeutend, besonders hat die Gemeinde schöne Baumpflanzungen und besitzt gegenwärtig 750 Äpfel- und Birnbäume, 242 Kirschenbäume, 120 Nuß- und Zwetschgenbäume, was ihr vorerst 300–500 fl. jährlich einträgt. Das Obst verwendet man größtentheils für den eigenen Bedarf. In günstigen Jahren werden etwa 20.000 Sri. Kernobst auf der Markung erzeugt.

Die Gemeinde ist im Besitz von 280 Morgen Laubwaldungen, von denen etwa 100 Morgen auf der Markung Erdmannhausen, O.A. Marbach, liegen. Die Waldungen werden im 16jährigen Umtrieb bewirthschaftet; von dem Ertrag derselben erhält jeder Bürger jährlich 3–4 Stück Wellen, auch werden jährlich etwa 800 fl., besonders auch Eichenoberholz und Eichenrinde erlöst, welche in die Gemeindekasse fließen. Die an den Fluß- und Bachufern gepflanzten Erlen und Weiden liefern ebenfalls einigen Brennholzertrag.

Auf der verpachteten Schafweide laufen im Vorsommer 350 – im Nachsommer 550 feine Bastardschafe; der Pacht trägt der Gemeinde| jährlich 365 fl. und die Pferchnutzung etwa 400 fl. ein. Die Wolle wird nach Kirchheim abgesetzt.

Der aus gemischten Racen bestehende Rindviehstand ist mittelmäßig; 4 tüchtige Farren hält ein Ortsbürger im Namen der Gemeinde gegen eine jährliche Unterstützung von 140 fl. Es wird hauptsächlich auf Zugvieh gesehen und mit diesem auch einiger Handel getrieben.

Die Zucht der Schweine ist unbeträchtlich, indem die meisten Ferkel, seit neuerer Zeit viele von englischer Bastardrace, auf dem Ludwigsburger Schweinemarkt aufgekauft und theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf gemästet werden.

Von Geflügel werden hauptsächlich viele Gänse aufgezogen und an Händler verkauft.

Außer der schon angeführten Mühle sind an Gewerben noch zu nennen: 3 Schildwirthschaften, eine Bierbrauerei, ein Kaufmann und eine von Ochsen getriebene Ölmühle; unter den gewöhnlichen Handwerkern sind die Schuster am häufigsten vertreten, von denen übrigens nur einer seine Waaren auf Märkten in der Umgegend absetzt.

Durch den Ort führt die Vicinalstraße von Marbach nach Winnenden und überdieß ist eine Vicinalstraße nach Affalterbach angelegt. Die Entfernung bis zur nächsten Eisenbahnstation Ludwigsburg beträgt 11/2 Stunden.

Die Gemeinde besitzt außer ihrem Grundvermögen 19.000 fl. Kapitalien; das Vermögen der Stiftungspflege beträgt 3000 fl., unter diesen befinden sich etwa 860 fl. Armenstiftungen. Die jährliche Gemeindeschadensumlage belauft sich auf 1400 fl. (s. Tab. III.).

Auf der nördlich vom Ort gelegenen Burghalde, ein felsiger Vorsprung, soll eine Burg gestanden sein.

Das Gasthaus zur Krone, ein sehr altes, massives Gebäude soll der Sitz eines adeligen Geschlechts gewesen sein.

Am nordwestlichen Ende des Orts befindet sich ein alter, nicht überbauter Keller, der sog. Poppen-Keller.

Den 17. April 1816 wurden durch eine Feuersbrunst 17 Familien ihrer Wohnungen beraubt.

Der Ortsname ist von dem Mannsnamen Poppo abzuleiten. Bei seiner erstmaligen Nennung den 5. März 1122 wird er Bobbenwilare geschrieben; damals beschenkte der Erzbischof Bruno von Trier (ein Graf von Laufen) das Kloster Odenheim mit hiesigen Gütern. (Wirt. Urk.Buch 1, 352).

Der Ort gehörte zum altwürtt. Amt Marbach, mit welchem er im Jahr 1463 von dem Grafen Ulrich von Württemberg, als dieser| in pfälzische Gefangenschaft gerathen war, dem Pfalzgrafen Friedrich zu Lehen aufgetragen werden mußte (s. Benningen).

Auch die Grafen von Löwenstein, Calwer Stammes, hatten Besitzungen; Gottfried von Löwenstein z. B. gab im Jahr 1275 seine oberherrliche Zustimmung, als hiesige Güter an das Kloster Steinheim verkauft wurden.

Im Jahr 1303 erwarb Graf Eberhard von Württemberg der Erlauchte einen hiesigen Hof von Diepolt von Bernhausen mit allen den Rechten, wie ihn letzterer von Eberhart dem Tuse erworben hatte (Hanselmann Landeshoh. 2, 162).

Das Patronat der Kirche, an welcher der hiesige Pfarrer und Stuttgarter Stiftsherr im Jahr 1341 eine Priesterpfründe gestiftet hatte, überließen den 18. Sept. 1346 Graf Eberhard von Württemberg der Greiner und sein Bruder Gr. Ulrich an das Stift Stuttgart, welches es im Jahr 1347 sich einverleibte; Graf Ulrich brachte dagegen im Jahr 1451 die Güter und Rechte des Stiftes, eigentlich der Salve-Brüderschaft desselben, durch Kauf an sich (Scheffer 54), wie denn der Pfarrdienst auch heut zu Tage von königlicher Collatur abhängt.

Güter allhier hatte das Kloster Lorch bereits im Jahr 1323 (laut Urk. vom 20. Juli d. J.), Einkünfte der Eßlinger Spital im Jahr 1304, dessen hiesige Besitzungen im Jahr 1705 durch den württembergischen Oberststallmeister Levin von Kniestädt, welcher sie diesem Spital abgetauscht hatte, im Tausch an Württemberg übergingen.


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