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Beschreibung des Oberamts Neuenbürg/Kapitel B 12

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Enzklösterle,
Gemeinde III. Kl. Enzklösterle, Pfarrdorf mit Birkenäckerle, Haus, Nonnenmiß, Weiler 348 Einw., worunter 3 Kath. Ev. Pfarrei vereinigt mit der Gemeinde Enzthal, O.A. Nagold.


Der 6 Stunden südwestlich von der Oberamtsstadt und 3 Stunden südlich von Wildbad, theils in dem tief eingeschnittenen Enzthal, theils in den Seitenthälern des Hirschbachs und des Rohnbachs gelegene Ort (Sitz eines Revierförsters), besteht aus vereinzelten Häusergruppen und Häusern, die sich entweder in den Thalebenen oder an den unteren Ausläufern der steilen, durchaus mit dunklen Nadelwaldungen bestockten Thalgehängen, meist malerische Ansichten bildend, gelagert haben. Die bedeutendste, theilweise in das Hirschbachthal hineinziehende Gruppe liegt an der Vereinigung des Hirschbachs mit der Enz und trägt vorzugsweise die Benennung Enzklösterle, weil hier an der Stelle des sogenannten Erblehenhofs das ehemalige Klösterlein (nämlich eine Kapelle s. unten) gestanden seyn soll. Überdieß werden zu dem Ort noch gezählt, die längs der Enz am Fuß des Hirschkopfs und der Rohnbachhalde vereinzelt stehenden 5 Häuser, und die an dem Ausläufer des Schneckenkopfs gelegene Gebäudegruppe, unter welcher sich auch die Wohnung des Revierförsters befindet. Zwischen dieser Gruppe und der zuerst beschriebenen stehen die Kirche und das Pfarrhaus, mit dem zunächst an der Landstraße stehenden, im städtischen Styl erbauten Gasthaus zum Waldhorn eine Gruppe bildend, die sich durch freundliche, den klimatischen Verhältnissen nicht angepaßte Bauart auszeichnet, während die übrigen Gebäude meist einstockig von Holz erbaut, zum Theil mit Schindeldächern versehen und auf der Wetterseite vertäfelt oder verschindelt sind.

Die im Jahr 1852, 16. November, feierlich eingeweihte Pfarrkirche wurde, wie auch das freundliche Pfarrhaus, in dem Jahre 1851/52 von dem Staat den unbemittelten, früher nach Simmersfeld eingepfarrten Gemeinden Enzklösterle und Enzthal erbaut, wogegen die Gemeinde die Unterhaltung der beiden Gebäude übernahm. Die Kirche ist in einem einfachen, übrigens ansprechenden, modernen | Rundbogenstyl massiv erbaut, und trägt auf der vorderen Giebelecke ein ebenfalls massives Glockengestell, in welchem in 2 rundbogigen Öffnungen die beiden Glocken frei hängen; die Spitze des den Thurm vertretenden Aufbaues ziert ein Kreuz. Die Uhr ist unterhalb desselben in der Giebelseite angebracht. Der Begräbnißplatz liegt in der Nähe der Kirche. Das Material zur Erbauung der Kirche wurde am sogenannten Franzosenstein gewonnen, einer Felsmasse am Wege nach Gernsbach.

Das Schulhaus mit Thürmchen steht auf der rechten Seite der Enz in dem Orte Enzthal, das mit Enzklösterle eine Schulgemeinde bildet, und enthält außer dem Lehrzimmer noch die Wohnung des Schulmeisters und des Lehrgehilfen. Seit dem J. 1849 besteht mit Staatsunterstützung eine Industrieschule, in der die Knaben mit Strohflechten, die Mädchen mit Stricken und Nähen beschäftigt werden. Die Gemeinderathssitzungen werden in einem gemietheten Privathause gehalten. An Quellwasser hat der Ort Überfluß, dagegen sind nur zwei eingerichtete, laufende Brunnen, der eine am Försterhaus, der andere am Pfarrhaus, vorhanden; das Wasser ist von ausgezeichneter Güte, besonders das der Hirschquelle und das der Quelle bei der Lappach-Sägmühle, welches zuweilen als Heilmittel gebraucht wird. Überdieß fließt die noch jugendliche Enz raschen Laufs durch den Ort und erhält auf der Markung namhafte Seitenzuflüsse, wie den Rohnbach, Hirschbach, Dietersbach und Lappach. Sämmtliche Gewässer laufen bei starken Regengüssen und namentlich bei dem Schneeabgang schnell an und verursachen nicht selten erheblichen Schaden, namentlich wird der sonst unbedeutende Rohnbach zum reißenden Gebirgsfluß, der Felsblöcke mit sich führt und auf den Wiesen große Verwüstungen anrichtet.

Die Einwohner sind im Allgemeinen gesunde Leute, obgleich bei ihnen eine hohe Altersstufe zu den Seltenheiten gehört; in Sitten und Dialect sind sie etwas abgeschliffener, als die übrigen Bewohner der nächsten Umgegend, was von dem häufigen Verkehr mit fremden Holzhändlern herrühren mag. Ihre Vermögensumstände sind ganz gering und ihre Haupterwerbsquelle bildet die Waldarbeit und zwar das Holzfällen wie die Beischaffung des Scheiterfloßholzes an das Wasser etc. Außer den vorhandenen nöthigsten Handwerkern ist eine am Hirschbach gelegene Mühle mit 3 Mahlgängen und einem Gerbgang und eine Sägmühle zu nennen. Mehrere weibliche Personen treiben einen Handel mit Obst, Gemüsen, welche sie im badischen Murgthal aufkaufen und im Ort, wie in der Umgegend wieder absetzen.

| Die Langholzflößerei macht den Ort während der Zeit vom 15. März bis 11. November sehr belebt, indem sich hier eine Einbindstätte an dem Berührungspunkt der Forstreviere Enzklösterle, Hofstett und Simmersfeld, aus denen sehr viel Langholz zugeführt wird, befindet; auch die meisten Holzversteigerungen, zu denen sich Käufer aus Wildbad, Calmbach, Höfen, Neuenbürg, Pforzheim etc. einfinden, werden hier abgehalten.

Die Scheiterholzflößerei, wie das Ausziehen und Aufsetzen des Holzes beschäftigt im Frühjahr viele Hände; das vom Poppelsee an geflößte Holz wird etwa 1/2 Stunde unterhalb Enzklösterle auf dem sogenannten Dieterswasen, einem Hauptlagerplatz (durchschnittlich 4000 Klafter) aufgestellt und in dem folgenden Jahre nach den Holzgärten weiter geflößt. Der nöthige Wasservorrath wird durch Anschwellung der Floßseen und der Wasserstuben verschafft.

Die Luft ist rein und trockener als man bei der Nähe so vieler fließender Gewässer vermuthen sollte, jedoch neblichter als auf den Höhen; die Nächte sind auch im hohen Sommer kühl und schädliche Frühlings- wie auch Herbstfröste sind häufig. Der Frühling und die Ernte treten um 8 Tage später als in Wildbad und in Calmbach, um 2–3 Wochen später als im Gäu und um 3–4 Wochen später als im Murgthal, dagegen der Herbst beinahe um eben so viel früher ein. Hagelschlag kommt selten vor.

Die nicht große Markung, von der nur die Thalebenen und die untersten Ausläufer der Thalgehänge für den Feldbau benützt werden, hat im Allgemeinen einen leichten Sandboden (Verwitterung des bunten Sandsteins), in welchem hauptsächlich nur Kartoffeln gut gedeihen; die Thalebene ist zuweilen etwas moorig. Feldbau ist daher unbedeutend und die Landwirthschaft, mit Ausnahme des Wiesenbaus, in geringem Zustande, woran auch die Mittellosigkeit der Einwohner Schuld trägt. Die Äcker werden theils willkürlich, theils in folgendem Fruchtwechsel gebaut: ein Jahr Hafer oder Kraut, das zweite Jahr Kartoffeln und das dritte Jahr Roggen oder Flachs. Auch Erbsen und etwas Reps kommen zum Anbau. Im Allgemeinen fällt der Ertrag an Kartoffeln am günstigsten aus, während bei den Halmfrüchten öfters nicht viel mehr als die Aussaat erzielt wird. Beinahe alle Brodfrüchte müssen von Außen aufgekauft werden. Die Ackerpreise sind unverhältnißmäßig gesteigert und der Morgen wurde schon mit 400–420 fl., übrigens auch mit 60–70 fl. bezahlt; der wahre Werth dürfte 100–200 fl. sein.

Der Wiesenbau erstreckt sich nicht nur über die Thalebenen der Seitenthäler, sondern hauptsächlich über das Enzthal, das hier an | mehreren Stellen eine Breite von beinahe 1/8 Stunde hat. Wässerung wird übermäßig benützt, so daß an einzelnen Stellen, besonders an moorigen, saures Futter erzeugt wird. Die Wiesen sind zwei- bis dreimähdig, ertragen durchschnittlich 45–50 Cent. Heu und kosten 100–800 fl. pr. Morgen.

Die Obstzucht ist unbedeutend, übrigens im Zunehmen begriffen und gewährt bei geeigneter Wahl der Sorten, einen mehr als mittelmäßigen Ertrag. Am allgemeinsten ist die Kirsche, welche in günstigen Jahren, so spät sie reift und so klein sie bleibt, dennoch sehr süß wird und reichen Ertrag gewährt. Eine Baumschule wurde im Jahr 1852 aus den Mitteln des Staatsbeitrags für die Industrieschulen angelegt.

Als Weiden werden die Staatswaldungen, soweit ihr Zutritt erlaubt ist, benützt.

Pferdezucht besteht nicht, jedoch werden einige Pferde gehalten; die Zucht des Rindviehs und der Schweine ist unbedeutend. Ziegen halten mehrere Unbemittelte.

Durch den Ort führt die Landstraße von Neuenbürg nach Freudenstadt; überdieß sind Vicinalstraßen nach Simmersfeld, O.A. Nagold, und nach Gernsbach im Großherzogthum Baden angelegt. Über die Enz bestehen eine steinerne Brücke, 3 hölzerne Brücken und 2 Steege.

Eigentliche Steinbrüche sind nicht vorhanden, dagegen findet sich aller Orten ein großer Reichthum an Trümmern des bunten Sandsteins, von denen vortreffliche Bau- und Werksteine gewonnen werden; an einer Stelle am Fuß des Dietersberg steht das Todtliegende an, welches zu Straßenmaterial benützt wird. Am Fuß des Hirschkopfs kommt eine weiße Abänderung des bunten Sandsteins vor, die guten Fegsand liefert.

Über den Gemeinde- und Stiftungshaushalt siehe Tab. III.

Die zu der Gemeinde gehörigen Parcellen sind:

Birkenäckerle, ein einzelnes, 1/4 Stunde südwestlich vom Mutterort im Rohnbachthal gelegenes Haus.

Nonnenmiß[1], ein Weiler, der unterhalb des Mutterorts am Einfluß des Dietersbachs in die Enz liegt, übrigens zum größeren Theil der Gemeinde Wildbad angehört, dagegen ganz nach Enzklösterle eingepfarrt ist.

Enzklösterle war mehr bloß eine reich dotirte Kapelle und trotz | des Namens, welchen es führte, erwuchs es nicht zu einer größeren geistlichen Genossenschaft von Mönchen oder Nonnen. Eingeweiht wurde allhier ein Gotteshaus bereits am 5. Sept. 1145[2]. Mit dem Namen „Klösterlein“ erscheint der Ort urkundlich erstmals den 1. Febr. 1323, als die Gebrüder Heinrich, Berhtolt, Volmar und Dietrich von Hornberg an den Grafen Eberhard von Württemberg verkauften, „was sie und ihr Vater sel. Recht gehabt haben an dem Klösterlein ze der Entz.“ Hauptbesitzer blieben damals noch die Vögte von Wöllhausen, Blutsverwandte der von Hornberg; hatten ja die gemeinschaftlichen Ahnen beider Familien die geistliche Stiftung gemacht. Aber bereits den 1. Nov. 1330 verlor letztere ihre Selbstständigkeit, indem sie mit ihren ansehnlichen Einkünften (zu Aichelberg, Ettmannsweiler, Hochdorf, Mindersbach, Monhardt, Rohrdorf, Vollmaringen, Warth, Weitingen) dem Kloster Herrenalb durch die Vögte von Wöllhausen incorporirt wurde[3]. Später ging mit der Kapelle Enzklösterle (capella in E.) eine Besitzveränderung vor. Im J. 1443 stund sie unter dem Patronat des Grafen Ludwig von Württemberg und wurde auf dessen Bitte den 12. April d. J. mit ihren Einkünften durch das Basler Concil nach geschehener Verzichtleistung des damaligen Inhabers, Hugo Kreyg, dem neu errichteten Herrenberger Stift einverleibt. Nach der Reformation verlieh Herzog Ulrich den 16. Mai 1546 für 6 Pfd. Heller jährlich das Klösterlein als Erblehen an Mich. Bestlin, Bürger in Wildbad, mit Haus, Scheune, Sägmühlen und | andern Zugehörungen, wie es Ambrosius Holzinger hatte; 1599 aber kaufte es Herzog Friedrich und errichtete eine Holzfaktorei.
  1. Misse ist Moorgrund, Sumpf im Walde, s. Schmid, Schwäb. Wörterbuch 387.
  2. Freilich nach dem erst 1521 schreibenden Tubingius (in seiner Blaubeurer Chronik bei Sattler Grafen 4, 317), dessen ältere Quelle man nicht kennt. Seine Worte sind: anno 1145 nonis sept. dedicata est ecclesia in loco qui dicitur Enza in nigra sylva ab Hermanno Constantiensi episcopo in honore S. Isicii Laurentii Georgii Udalrici et Fausti.
  3. In der Urkunde vom 1. Nov. 1330 sagen Alberus de Berneck Hainricus de Vogtsperc et Cuonradus de Wellehusen communi cognacionis nomine advocati de Wellehusen appellati, ihre Voreltern hätten angefangen in loco zuo der Entz vulgariter nominato monasterium instaurare et fundare, in quo capellam construi et in honore b. Marie et b. Johannis evang. et bb. Petri et Pauli ap. et b. pontificis Nicolai dedicari procurantes dotarint, und incorporiren dann dem Kloster Herrenalb diese capellam, bona, possessiones etc. mit Gutheißen Graf Ulrichs von Württemberg und ihrer consanguinei Hainricus, Bertoldus, Volmarus et Dyetricus fratres dicti de Hornberc. Kloster Herrenalb soll immer unum ex suis monachis sacerdotem ibi bestellen.
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