Beschreibung des Oberamts Oberndorf/Kapitel B 2
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Am westlichen Rande der Hochebene, gerade an der gegen das Schiltachthal tief und wild einbrechenden Thalschlucht des Aichhalder Bachs, liegt hoch und frei auf und um einen Hügel der ansehnliche, weithin sichtbare Ort; Kirche und Pfarrhaus stehen imponirend auf der Kuppe des Hügels.
Das unebene, jedoch freundliche Dorf, das mit seinen im Schwarzwaldstil oder im gewöhnlichen Dorfstil gehaltenen, zuweilen noch strohgedeckten Bauernhäusern nicht so weitläufig gebaut ist, wie die übrigen Orte der Umgegend, besteht aus einigen mehr geschlossenen Straßen und wird nur gegen Norden hin zerstreuter und von Feldungen unterbrochen. Aichhalden hatte früher Stadtgerechtigkeit und war mit| Mauern umgeben, von denen sich beim Nachgraben Spuren finden, und immer noch trägt der Ort gewissermaßen ein etwas städtisches Gepräge.Die Straßen sind nicht gekandelt, aber gut gehalten und macadamisirt. Weil der Ort auf der höchsten Stelle der Markung liegt, so hat man von ihm aus auch die schönste Aussicht: man sieht über die tief eingerissenen, tannenwalddunklen Schwarzwaldthäler hinweg an die blaue Kette der Vogesen; gegen Südosten erblickt man die Alb und den Heuberg.
Die dem heil. Michael geweihte, inmitten des Dorfes stehende Kirche verspricht von außen nicht viel und ward im Jahre 1832 in modernem Rundbogenstil mit vieleckig geschlossenem Chor erbaut, an dessen Ostseite der aus älterer Zeit stammende dreistockige Thurm sich erhebt; er ist unten ganz einfach, hat im dritten Geschoß rundbogige Schallfenster und darüber ein Satteldach mit 2 Renaissancegiebeln.
Das flachgedeckte, geräumige Innere ist freundlich, und den Hochaltar schmückt ein modernes, großartiges Tafelgemälde, die Himmelfahrt. Im großen halbrunden Triumphbogen hängt ein Krucifix; ein anderes aus älterer Zeit an der Südwand des Schiffes. Schön gemalte Rouleaux in den Chorfenstern und die hübschen Bilder der Stationen an den Wänden vollenden den ansprechenden Eindruck der Kirche. Von den 3 Glocken hat die größte die Umschrift: Meinrad und Benjamin Grüninger gossen mich in Villingen; auf der zweiten schön mit Gewinden und dem Relief, Christus am Kreuz mit Maria und Joseph, verzierten steht: Campana ista superis sacrata in terris sonet in aure Dei vivi. Meinradus Ant. Grieninger fecit Villingae. Die dritte ist gegossen von Meinrad Grüninger in Villingen 1794. Die Kirche wurde von der vereinigten Stiftungspflege in Schramberg erbaut und ist auch von ihr zu unterhalten.
Der neue Begräbnißplatz wurde 1842 östlich am Ort angelegt.
Das hochgelegene, sehr freundliche Pfarrhaus mit hübschem Garten wurde 1740 von der Gemeinde erbaut und 1819 und 1837 auf Kosten der Stiftungspflege in Schramberg wesentlich ausgebessert; es ist von genannter Stiftungspflege zu unterhalten.
Schul- und Rathhaus sind in einem zweistockigen mittelmäßigen Gebäude vereinigt, das 1780 erbaut ward und neben den Gelassen für den Gemeinderath 3 Lehrzimmer, wovon eines als Wohnung des Unterlehrers dient, enthält; der Schulmeister wohnt gegen Mietheentschädigung in einem Privathause.
Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 3 laufende Brunnen, von| denen der im Hinterdörfle nie versiegt, ferner 2 Schöpf- und 12 Pumpbrunnen. Auch die Markung ist quellenreich; eine halbe Viertelstunde vom Ort am Abhang laufen 3 große Brunnquellen, von denen die bedeutendsten der Schrondel- und der Braischenbronnen sind; mit diesen 3 Quellen werden große Strecken Wiesen gewässert; ferner entspringt auf der Grenze zwischen hiesiger und Röthenberger Markung die Eschach und gegen Südwesten hin fließen der Aichhaldergrundbach und der Alterbaurenbach.Vicinalstraßen führen am Zollhaus vorbei, nach Winzeln, nach Sulgau und nach Waldmössingen.
Die Einwohner, ein gesunder Menschenschlag, sind sehr thätig, gewerbsam, meist geordnet und sparsam; 4 Ortsangehörige zählen gegenwärtig über 80 Jahre.
Haupterwerbsquellen sind neben Ackerbau und Viehzucht vorzugsweise Leineweberei und Strohflechten; 120 Personen beschäftigen sich mit Strohflechten und setzen ihre Fabrikate, meist Hüte und Taschen, hauptsächlich in die Rheingegenden ab, was dem Ort eine jährliche Einnahme von etwa 40.000 fl. sichert. Die Leineweberei steht in noch größerer Blüthe; 4 Leinwandfabrikanten, die ihr Geschäft ins Große treiben, beschäftigen 150 Personen; 8 weitere Personen treiben Handel mit verfertigter Leinwand. Um die Hebung der Industrie hat sich der gegenwärtige Ortsvorstand Braitsch besonders verdient gemacht. Außerhalb des Ortes sind 2 Getreidemühlen, eine mit 2 Mahlgängen und mit 1 Gerbgang, die andere mit 1 Mahl- und 1 Gerbgang; 5 Schildwirthschaften, 2 Kauf- und 1 Kramladen bestehen.
Früher wurde an drei Stellen Torf abgebaut und der gewonnene Torf an die Saline Rottenmünster abgesetzt. Auf der Markung finden sich viele los herumliegende Jaspise, die zuweilen als Feuersteine benützt werden.
Die Vermögensumstände der Einwohner gehören, mit Ausnahme der vermöglichen Fabrikanten, zu den mittelmäßigen; der begütertste Ortsbürger besitzt an Grundeigenthum 80 Morgen, worunter etwa 15 Morgen Wald, der sog. Mittelmann 15–20 Morgen, worunter 10 Morgen Wald, die minder bemittelte Klasse 3–6 Morgen, worunter 2–3 Morgen Wald. Zur Unterstützung der Armen verwendet die Gemeinde jährlich 5–600 fl.
Die ausgedehnte, gegen Westen an das Großherzogthum Baden grenzende Gemeindemarkung erstreckt sich zum größten Theil über die flache, von ganz mäßig eingefurchten Thälchen durchzogene Hochebene; der| kleinere Theil liegt an den meist bewaldeten, steilen und vielfältig getheilten Abhängen gegen das Schiltachthal.Der durchaus rothsandige Boden (Zersetzung des Buntsandsteins) ist nicht tiefgründig und unergiebig, überdieß ist das Klima rauh und wegen der hohen Lage die Luft meist bewegt, nicht selten stürmisch. Frühlingsfröste schaden häufig, dagegen kommt Hagelschlag weniger vor.
Bei diesen ungünstigen natürlichen Verhältnissen ist der landwirthschaftliche Betrieb, in Vergleichung mit anderen Orten, minder bedeutend und würde die Einwohner nicht ernähren, wenn sie nicht nebenbei durch Industrie ihr Auskommen zu sichern suchten. Zur Besserung des mageren Bodens benützt man außer den gewöhnlichen Düngungsmitteln noch Gips, Knochenmehl und Asche.
Das Vereinödungssystem ist ziemlich häufig und erstreckt sich hauptsächlich auf die Parzellen, wo nicht selten 40–80 Morgen zusammenhängendes Feld um die Bauernhöfe liegen, daher auch eine willkürliche Bewirthschaftung die allgemein übliche ist.
Man baut vorzugsweise Haber, weniger Dinkel und Roggen, ziemlich viel Futterkräuter, Kartoffeln und die gewöhnlichsten Handelsgewächse für den eigenen Bedarf. Die Getreideerzeugnisse befriedigen das Bedürfniß der Gemeindeeinwohner nicht, daher noch viele Früchte von außen bezogen werden müssen.
Die auf der Hochebene gelegenen Wiesen sind meist einmähdig und liefern ein geringes, häufig saures Futter; weit besseren Ertrag geben die Thalwiesen, von denen etwa 110 Morgen bewässert werden können.
Die Obstzucht, welche sich nur mit gewöhnlichen rauhen Obstsorten (Süßäpfel, Herbstbirnen, Langstielerinnen etc.) beschäftigt, ist unbedeutend und eigentlich erst seit 60 Jahren eingeführt. Eine kleine Gemeindebaumschule wird vom Ortsvorstand beaufsichtigt.
Die Gemeinde hat weder Waldungen noch Weiden und Allmanden, dagegen sind 1340 Morgen Privatwaldungen vorhanden.
Die Rindviehzucht ist ziemlich ausgedehnt, beschränkt sich übrigens meist auf kleines Vieh vom sog. Wälderschlage. Zur Nachzucht sind 2 Farren im Ort und einer auf den entlegenen Parzellen aufgestellt. Nach der Ernte findet noch Viehaustrieb statt. Handel mit Vieh wird nicht getrieben.
Schafzucht besteht nicht; ebenso wenig Schweinezucht, und die Schweine werden nur als Ferkel (englische, halbenglische und bayerische Race) von außen eingeführt und für den eigenen Bedarf gemästet.
Die Zucht der Ziegen ist unbedeutend, ebenso die der Bienen.
| Ein Armen- und Schulfonds im Betrag von 4400 fl. ist vorhanden.Von den auf der Gemeindemarkung zerstreut liegenden Parzellen nennen wir als die bedeutendste nur Hinter-Aichhalden, ein aus zerstreut liegenden, meist ansehnlichen, strohbedeckten Bauernhäusern bestehender Weiler, der an der Straße von Sulgau nach Aichhalden, in unbedeutender Entfernung (südöstlich) vom Mutterort liegt.
Zur Herrschaft Schramberg gehörend, theilte Aichhalden die Schicksale dieser Herrschaft. Das Patronat besitzt der Graf von Bissingen.
Vor der Reformation wurde Aichhalden vermuthlich vom Kloster Alpirsbach, welches den Groß- und Heuzehenten hatte, aber 1552 an den Besitzer der Herrschaft Schramberg austauschte, pastorirt. Nach der Secularisation dieser Abtei wurde Aichhalden Filial von Waldmössingen, später von Sulgen. Zur Pfarrei wurde es 1737 erhoben. Bis 1795 war Heiligenbronn ein Filial von Aichhalden.« Kapitel B 1 | Beschreibung des Oberamts Oberndorf | Kapitel B 3 » | |||
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