Beschreibung des Oberamts Rottweil/Kapitel A 3
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Erst seit 1842 hat der Oberamtsbezirk Rottweil seine jetzige Begrenzung. In diesem Jahr sind demselben nämlich durch das Gesetz vom 6. Juli 1842 die 4 bis dahin dem Oberamt Spaichingen zugetheilt gewesenen Gemeinden: Dormettingen, Dotternhausen, Hausen am Thann und Roßwangen und die weitere früher zum Oberamt Tuttlingen gehörige Gemeinde Schwenningen einverleibt worden. In die auf S. 60 folgende Übersicht über den Stand der Bevölkerung des Bezirks nach verschiedenen Zählungen, während der Periode 1812 bis 1871, ist daher die Bevölkerung jener 5 Gemeinden der Vergleichbarkeit wegen auch für die Zeit vor 1842 aufgenommen.
Wie aus dieser Übersicht hervorgeht, hat die Bevölkerung des jetzigen Oberamtsbezirks von 1812 beziehungsweise 1813 an bis 1846 fortwährend zu-, von da an aber bis 1852 und noch mehr bis 1855 erheblich abgenommen, so daß dieselbe, ungeachtet der seit 1855 wieder eingetretenen Zunahme, im Jahr 1871 den früheren| Stand von 1846 noch nicht wieder erreicht hatte. Und zwar beträgt die Zunahme bei der ortsanwesenden Bevölkerung in dem Zeitraum 1813–46 43,67 %, oder jährlich 1,32 %. Die Abnahme von 1846–52 dagegen berechnet sich auf 4,73 oder jährlich 0,79 %, von 1852–55 sodann auf 7,41 oder jährlich 2,47 % und im Ganzen von 1846–55 auf 11,78 oder 1,31 %, während die Zunahme von 1855 bis 1871 im Ganzen nur 7,81 oder jährlich 0,49 % ausmacht.Die Abnahme der Bevölkerung des Bezirks in der Periode 1846–55 und namentlich in den 3 Jahren 1852–55 war aber eine Folge des damaligen allgemeinen wirthschaftlichen Nothstandes, herbeigeführt hauptsächlich durch die Kartoffelkrankheit, die Kreditlosigkeit und den Mangel einer mehr entwickelten gewerblichen Thätigkeit. Dieser Nothstand hatte daher auch in den meisten übrigen Bezirken des Landes einen Rückgang der Bevölkerung zur Folge, äußerte sich aber besonders stark in unserem Bezirk, sowie in dem benachbarten Oberamt Oberndorf,[2] daher denn auch beide Bezirke für die 3jährige Periode 1850–53 unter denjenigen sich befanden, in welchen die meisten Gantfälle vorkamen, denn es traf damals durchschnittlich[3]
in Württemberg 1 Gantfall auf | 352 Einwohner | |
im Schwarzwaldkreis | 256 Einwohner | |
im Oberamt Rottweil | 184 Einwohner | O.Z. 59. |
im Oberamt Oberndorf | 137 Einwohner | O.Z. 64. |
Da die Landwirthschaft damals, wie sie es im Ganzem auch jetzt noch ist, der vorherrschende Erwerbszweig der Bevölkerung war, so ist anzunehmen, daß die Verhältnisse, welche auf die ökonomische Wohlfahrt einer solchen Bevölkerung von großem Einfluß sind, wie z. B. die Ergiebigkeit des Bodens und die Vertheilung des Grundbesitzes, auch damals ihre Wirkung äußern mußten.
Die Abnahme der Bevölkerung war nämlich in den einzelnen Gemeinden des Oberamtsbezirks eine sehr ungleiche und bewegte sich in der 3jährigen Periode von 1852–55 zwischen 0,22 % in Zimmern ob Rottweil und 8,96 % jährlich in Dautmergen. Die größte, den Durchschnitt des Bezirks übersteigende, Abnahme von mehr als 2,47 % haben die folgenden 14 Gemeinden erlitten, und zwar:
Gemeinden. | |||||
1. November. | 15. December | ||||
Ortsangehörige. | Ortsanwesende. | Ortsangehörige. | Ortsangehörige. | Ortsanwesende. | |
353 | 345 | 451 | 499 | 475 | |
22.292 | 22.283 | 25.766 | 28.576 | 27.868 |
Gemeinden. | ||||||
3. December. | 15. December | 1. Decbr. | ||||
Ortsan- gehörige. |
Ortsan- wesende. |
Ortsanwesende. | ||||
647 | 593 | 568 | 521 | 519 | 493 | |
32.950 | 32.015 | 30.502 | 28.243 | 31.387 | 30.450 |
1. | Dautmergen mit | 8,96 % |
2. | Feckenhausen mit | 5,85 % |
3. | Neukirch mit | 5,09 % |
4. | Böhringen mit | 4,54 % |
5. | Wellendingen mit | 4,39 % |
6. | Zepfenhan mit | 4,34 % |
7. | Lackendorf mit | 4,08 % |
8. | Dietingen mit | 3,99 % |
9. | Hausen am Thann mit | 3,31 % |
10. | Dormettingen mit | 3,14 % |
11. | Schwenningen mit | 2,98 % |
12. | Zimmern unter der Burg mit | 2,76 % |
13. | Dotternhausen mit | 2,73 % |
14. | Irslingen mit | 2,58 % |
Wenn man den Oberamtsbezirk Rottweil dem Lauf der Prim und des Neckars entlang in zwei ungleiche Hälften abscheidet,[4] wovon alsdann die rechts der Prim und des Neckars gelegene die östliche, die links derselben sich erstreckende die westliche bildet; so gehören von den eben genannten Gemeinden nur Lackendorf und Schwenningen zur westlich gelegenen Hälfte des Bezirks, die sämtlichen übrigen aber der östlichen Hälfte des Oberamts an. Insbesondere sind von diesen wieder die 8 Gemeinden Wellendingen, Feckenhausen, Zepfenhahn, Neukirch, Dautmergen, Dormettingen, Dotternhausen und Hausen am Thann mit ihrem Ackerland auf dem höher gelegenen und rauheren Theil der längs dem Abfall und Fuß der Alb sich erstreckenden Gebirgsformationsgruppe des braunen und schwarzen Jura gelegen.
Auch von 1846–52 aber hat die Bevölkerung in den meisten Gemeinden schon einen, wenn auch nicht so starken Rückgang, wie von 1852–55 erlitten und wenn man diejenigen zusammenstellt, in welchen derselbe jährlich mehr als 1 % betrug, so erscheinen, neben den oben schon ausgeführten Orten Zepfenhan und Hausen am Thann, mit 3,63 und 1,91 % jährlichen Verlusts, noch die weiteren Gemeinden:
1. | Locherhof mit | 2,52 % |
2. | Dunningen mit | 2,07 % |
3. | Schömberg mit | 1,90 % |
4. | Gößlingen mit | 1,83 % |
5. | Lauffen mit | 1,30 % |
6. | Roßwangen mit | 1,07 % |
7. | Rottweil mit | 1,06 % |
Die Markungen Locherhof, Dunningen sodann gehören im westlichen Theil den weniger ergiebigen Wellengebilden an, während das Ackerland bei den sämtlichen übrigen Gemeinden des Bezirks, mit Ausnahme der zur Keuperformation zu rechnenden Markungen Zimmern unter der Burg, Göllsdorf, Neufra, in der fruchtbareren Muschelkalkformation liegt.[5]
Vergleicht man sodann die nach der Aufnahme von 1857 sich ergebenden Zahlen über die Vertheilung des Grundbesitzes,[6] so war dieselbe damals, insofern als nach jener Aufnahme durchschnittlich im ganzen Oberamt von 100 Besitzern 67,04 mit weniger als 5 Morgen gezählt worden sind, eine weitgehende und das Oberamt stand, weil das Landesmittel hiefür 63 % beträgt, mit der Ordnungsziffer 21 ziemlich weit obenan. Wenn man daher wieder diejenigen Gemeinden zusammenstellt, bei welchen 1857 mehr als 63 Grundbesitzer von weniger als 5 Morgen gezählt worden sind, so erhält man die nachstehende Ordnungsfolge.
Es waren in der Gemeinde | unter 100 Eigenthümern solche von weniger als 5 Morgen | |
1. Dautmergen | 88,29 | |
2. Hausen am Thann | 83,67 | |
3. Gößlingen | 81,98 | |
4. Neufra | 79,53 | |
5. Rottweil | 76,04 | |
6. Göllsdorf | 75,20 | |
7. Zimmern unter der Burg | 73,17 | |
8. Dotternhausen | 72,87 | |
9. Täbingen | 71,80 | |
10. Zepfenhan | 71,73 | |
11. Schömberg | 71,51 | |
12. Dunningen | 70,70 | |
13. Deißlingen | 68,50 | |
14. Lauffen | 66,19 | |
15. Locherhof | 65,65 | |
16. Zimmern ob Rottweil | 64,77 | |
17. Schwenningen | 64,59 | |
18. Roßwangen | 63,33 |
Schwenningen, Deißlingen, Lauffen, Zimmern ob Rottweil, Locherhof und Dunningen,
der links vom Lauf der Prim und des Neckars sich erstreckenden westlichen Hälfte des Bezirks an, doch erscheint gerade in den letzteren 6 Gemeinden die Theilung des Grundbesitzes etwas weniger groß als in den voranstehenden 10 Gemeinden zu 1–4 und 6–11, welche der östlichen Hälfte angehören.[7]
Zugleich sind aber 13 oder circa zwei Drittheile dieser Gemeinden (nämlich die zu 1. 2. 3. 5. 7. 8. 10. 11. 12. 14. 15. 17. 18. genannten) unter denjenigen begriffen, welche nach den vorangehenden Zusammenstellungen von 1846–52 oder auch von 1852–55 den größten Bevölkerungsrückgang erlitten haben, und es sprechen daher diese Zahlen im Ganzen dafür, daß es namentlich bei den Ende der 1840er und Anfangs der 1850er Jahre eingetretenen Mißernten theils die geringere Ergiebigkeit des Bodens, theils die größere Theilung des Grundbesitzes war, welche vornehmlich zur Zerrüttung des Wohlstands und daher auch zur Abnahme der Bevölkerung beigetragen haben, und daß ebendeßhalb der östliche rechts vom Lauf der Prim und des Neckars gelegene Theil des Bezirks, vermöge seiner im Ganzen weniger günstigen Verhältnisse bezüglich der Ergiebigkeit und der Vertheilung der landwirthschaftlichen Besitzungen, auch härter hievon betroffen worden sei. Die Verschiedenheit der Verhältnisse in diesen beiden ungleichen Hälften des Oberamts ergibt sich aber auch schon aus der ganzen Art und Weise der Vertheilung der Bevölkerung.
- Es entfallen nämlich:|
von der ganzen Bevölkerung des Bezirks bestehend aus: |
auf die 16 Gemeinden der westlichen Hälfte. |
auf die 18 Gemeinden der östlichen Hälfte. | |||
Gemeinden. | Einwohner. | Gemeinden. | Einwohner. | ||
13 Gemeinden von weniger als 500 Einwohnern | 5 | 8 | 3300 | ||
16 | 19.342 = 63,52 % |
18 | 11.108 = 36,48 % |
Während also der westlichen Hälfte des Bezirks gerade die beiden größten über 3000 Einwohner besitzenden Gemeinden des Bezirks, Rottweil und Schwenningen, angehören, und von der Einwohnerschaft der 19 Gemeinden von 500–2000 Personen auf beide Hälften des Oberamts nahezu gleichviel entfällt, ist in den östlichen Theilen des Oberamts die Gesamteinwohnerzahl der Gemeinden von weniger als 500 Seelen fast doppelt so groß als in den westlichen, so daß von der ganzen Bevölkerung der Orte von weniger als 3000 Einwohnern 11.108 Personen auf die östliche und nur 9893 auf die westliche Hälfte des Oberamts entfallen.
Vergleicht man diese beiden ungleichen Hälften hinsichtlich des landwirthschaftlich benützten Areals, so entfallen von diesem ganzen, 1857 zu 74.915 Morgen berechneten, Areal aus die
westliche Hälfte 42.373 Morgen oder 56,56 % |
östliche Hälfte 32.542 Morgen oder 43,44 % |
Das Oberamt Rottweil erscheint nämlich nach der Aufnahme von 1857, obgleich im Ganzen mit weit gehender Theilung des Grundbesitzes, doch zugleich mit der O.Z. 13 unter denjenigen Bezirken, welche die meisten landwirthschaftlichen Besitzungen erster Klasse von mehr als 200 Morgen aufweisen und da diese größeren Güter vorzugsweise in der östlichen Hälfte des Bezirks sich befinden, so ist die natürliche Folge davon, daß die Klasse der mittleren und ansehnlicheren Güter hier weit weniger stark, die Zahl der kleinen Besitzungen dafür aber verhältnißmäßig desto stärker vertreten ist.
Es entfallen nämlich nach der Aufnahme von 1857
auf die Besitzungen von | ||||
Hälfte des Bezirks | ||||
Eigenthümer. | in Procenten. | Eigenthümer | in Procenten. | |
3703 | 78,6 | 3240 | 83,9 | |
4712 | 100 | 3863 | 100 |
In der westlichen Hälfte des Bezirks sind also die mittleren und ansehnlichen Besitzungen zahlreicher und die kleineren relativ weniger häufig. Dazu kommt nun, daß hier zugleich ein verhältnißmäßig viel größerer Theil der Bevölkerung auf die größeren Gemeinden von über 1000 Einwohnern entfällt, wo neben einem lebhafteren Verkehr theilweise auch eine größere gewerbliche Thätigkeit (Uhrmacherei, Stickerei, Weberei etc.) sich mit der Landwirthschaft verbindet.
Der Rückschlag, welchen die Bevölkerung des Bezirks Anfangs der 1850er Jahre erlitten hat, und welcher, bei gleichzeitiger| Abnahme der Zahl der Trauungen und der Geborenen, mit einer größeren Sterblichkeit und Auswanderung verbunden war, ist in den über den Gang der Bevölkerung berechneten Proportionalen für die Decennien 1842–52 und 1846–56, gegenüber den vorangegangenen 10jährigen Perioden und den für die 8 Jahre 1858–66 sich ergebenden Verhältnißzahlen, erkennbar.Zwar sind die Verhältnißzahlen, von 1842–52 an, für den um 5 Gemeinden vergrößerten Bezirk berechnet, allein da dieser Zuwachs neben der gewerbsamen Bevölkerung Schwenningens noch denjenigen von 4 vorzugsweise ackerbautreibenden Gemeinden, also zugleich verschiedenartige Bevölkerungsbestandtheile enthält, so dürfte die Vergleichbarkeit der durchschnittlichen Verhältnißzahlen der späteren Perioden mit denen der früheren, in Folge der Vermehrung der Einwohnerzahl des Oberamts, nicht beeinträchtigt sein und die größeren Abweichungen, welche sich für die einzelnen Jahrzehnte ergeben, können im Ganzen als das Ergebniß der Verschiedenheit in der zeitweise günstigen oder ungünstigen Lage der wirthschaftlichen Verhältnisse betrachtet werden. Überdieß wäre eine Umrechnung dieser Verhältnißzahlen bei dem für die einzelnen Gemeinden nur noch lückenweise vorhandenen Material nicht mehr thunlich.
Der durchschnittliche natürliche Zuwachs der Bevölkerung durch den Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen auf je 1000 Einwohner, berechnet sich nämlich:
In der Periode von | im ganzen Land. |
im Schwarzwald- kreis. |
im Oberamtsbezirk Rottweil. |
OZ. |
nach dem Durchschnitt dieser sämtlichen Perioden |
8,14 | 9,54 | 9,59 | 16 |
Obige Übersicht zeigt also, daß in der Periode 1846–56 sowohl in ganz Württemberg, als namentlich im Schwarzwaldkreis und im Oberamt Rottweil der Überschuß der Geborenen über die Gestorbenen ein vergleichungsweise sehr geringer gewesen ist. Da nun andererseits schon in der Periode 1842–52 die Auswanderung eine sehr starke war, so daß auf je 203 Einwohner jährlich 1 Auswanderer kam[9] und Rottweil dabei mit der OZ. 5 gegenüber von den meisten Oberamtsbezirken voranstand; auch neben den zur Kenntniß der Behörden gekommenen Auswanderungen in Württemberg jederzeit noch sehr viele dauernd ins Ausland gingen, ohne förmlich auszuwandern, wie aus der größeren Zahl der Ortsangehörigen gegenüber den Ortsanwesenden hervorgeht,[10] so ist der nach obiger Übersicht von 1846–55 eingetretene Rückgang der Bevölkerung des Bezirks aus diesen Erscheinungen hinreichend erklärlich, wie denn auch die weiteren im folgenden Abschnitt gegebenen Zahlen über die Abnahme der Trauungen hiemit übereinstimmen.
Über den Überschuß der Geborenen in den einzelnen Gemeinden sind aus älterer Zeit keine Berechnungen vorhanden, dagegen liegen solche in dem unten von Oberamtsarzt Dr. Rapp gegebenen Beitrag für die Periode 1. Juli 1853 bis 31. December 1871 vor.
Von den 11 Gemeinden, welche in der hienach beigegeben Tabelle II. den größten natürlichen Volkszuwachs zeigen, gehören
a) der westlichen Hälfte des Bezirks an: | ||
b) sodann der östlichen Hälfte: |
Die 11 Gemeinden, welche den geringsten natürlichen Volkszuwachs oder keinen solchen oder sogar ein Mehr der Gestorbenen zeigen, sind dagegen
1) in der westlichen Hälfte des Bezirks: | ||
2) in der östlichen Hälfte des Oberamtsbezirks: | ||
Hausen am Thann | desgl. | 0,64 (OZ. 25) |
Mit Ausnahme von Herrenzimmern und Hausen am Thann haben alle diese Gemeinden nach der unten beigegebenen Tabelle II. innerhalb der Ordnungsziffern (24–34) eine relativ geringe Zahl Geborener und 5 derselben zeigen dabei innerhalb der Ordnungsziffern (1–11) auch noch eine große Kindersterblichkeit.
Zugleich sind sie mit Ausnahme von Herrenzimmern unter denjenigen begriffen, welche von 1846–52 oder 1852–55 den größten Abgang an der Bevölkerung erlitten haben und es ist dieß nunmehr diesen neueren Berechnungen zufolge um so erklärlicher, als hienach in der östlichen Hälfte des Oberamtsbezirks, wo die Landwirthschaft noch mehr als in der westlichen und zugleich unter weniger günstigen Bedingungen den vorherrschenden Erwerbszweig bildet, auch schon zu Erzeugung und Heranziehung eines größeren Überschusses an Geborenen im Ganzen weniger Neigung vorhanden| zu sein scheint. Denn auch bei den übrigen auf S. 68 u. 69 nicht aufgeführten 5 Gemeinden[11] der östlichen Hälfte des Bezirks ist der natürliche Volkszuwachs mit 0,67 bis 0,99 Geburten-Überschuß auf je 100 Einwohner ein geringerer als bei den nicht genannten 7 Gemeinden der westlichen Hälfte[12], in denen er sich zwischen 0,82 bis 1,01 bewegt, so daß die Mehrzahl der Bevölkerung der östlichen Hälfte des Bezirks einen mittleren bis geringen, die Mehrzahl von der Bevölkerung der westlichen Hälfte dagegen einen mittleren bis hohen natürlichen Zuwachs zeigt. Im Ganzen aber gehört der Bezirk, wie die oben S. 67 gegebene Übersicht zeigt, mit einem durchschnittlichen Überschuß von 9,59 Mehrgebornen auf je 1000 Einwohner und der Ordnungsziffer 16 unter diejenigen Oberämter, wo der natürliche Volkszuwachs das Landesmittel erheblich überschreitet.Es folgt zunächst eine Übersicht der in der 20jährigen Periode 1838–57 im Bezirk vorgenommenen Trauungen
Die fortwährende Abnahme der Trauungen von 1846 bis 1855 und daß dieselbe im Oberamtsbezirk Rottweil stärker war, als durchschnittlich im Schwarzwaldkreis sowohl als in Württemberg überhaupt, ist hieraus deutlich ersichtlich, sowie auch, daß die Zahl derselben nach 1855 zwar wieder etwas gestiegen ist, aber 1857 den Stand von 1845 nicht wieder erreicht hatte.
Nach den neuen auf Anordnung des Bundesraths stattfindenden Aufnahmen war die Zahl der Trauungen
in Württemberg. | im Schwarzwaldkreis. | im Oberamt Rottweil. | |
1872 | 19.533 | 4783 | 321 |
somit durchschnittlich | 20.148 | 4840 | 311 |
Es beträgt | I. In der 8jährigen Periode von1838/45 die durchschnittliche Zahl der jährlichen |
II. In der 5jährigen Periode von 1846/50 die durchschnittliche Zahl der jährlichen |
III. In der 4jährigen Periode von 1851/54 die durchschnittliche Zahl der jährlichen |
IV. In der 3jährigen Periode von 1855/57 die durchschnittliche Zahl der jährlichen |
V. in dem ganzen 20jährigen Zeitraum von 1838/1857 die Summe der Trau- ungen. | ||||||||
Trau- ungen |
ortsan- gehörigen Einwohner |
das Verhält- niß beider |
Trau- ungen |
ortsan- gehörigen Einwohner |
das Verhält- niß beider |
Trau- ungen |
ortsan- gehörigen Einwohner |
das Verhält- niß beider |
Trau- ungen |
ortsan- gehörigen Einwohner |
das Verhält- niß beider | ||
in Württemberg | 12.737 | 1.705.431 | 1:134 | 11.921 | 1.776.671 | 1:149 | 9077 | 1.803.066 | 1:199 | 9660 | 1.788.170 | 1:185 | 226.787 |
Durch die günstigere Gestaltung der volkswirthschaftlichen Verhältnisse[13] sowie in Folge der Niederlassungsfreiheit hat, wie in Württemberg überhaupt, so auch im Oberamt Rottweil die Zahl der Trauungen schon in den 1860er Jahren wieder bedeutend zugenommen; in den Jahren 1871 und 1872 aber sind solche häufiger gewesen als jemals in dem ganzen 20jährigen Zeitraum von 1838 bis 1857, doch berechnet sich der Durchschnitt für den Oberamtsbezirk Rottweil wie früher niederer, als der für den Schwarzwaldkreis. –
Nach den über den letzteren Zeitraum vorliegenden Tabellen war die Zahl sämtlicher getrauten Paare in diesen 20 Jahren 3676. Hierunter sind 2916 von der katholischen, 752 von der protestantischen und 8 von der israelitischen Geistlichkeit getraut worden und wieder 122 gemischte Ehen begriffen, wovon 88, bei denen der Bräutigam evangelisch und 34, bei denen er katholisch war. Nach dem Civilstand klassifiziren sich diese Trauungen folgendermaßen:
Es waren:
a. mit Jungfrauen. |
b. mit Wittwen. |
c. mit geschiedenen Frauen. |
Zusammen. | |
7 | 1 | – | 8 | |
3414 | 255 | 7 | 3676 |
Für die 20 Jahre von 1838 bis 1857 betrug |
1. die Zahl der getrauten Paare |
2. die Zahl der Trauungen, bei welchen | |||||||||
a) der Bräutigam alt war: | b) die Braut alt war: | ||||||||||
Weniger als volle 25 Jahre. |
25 bis 30 Jahre. |
30 bis 40 Jahre. |
40 bis 50 Jahre. |
Über 50 Jahre. |
Weniger als volle 20 Jahre. |
20 bis 25 Jahre. |
25 bis 30 Jahre. |
30 bis 40 Jahre. |
Über 40 Jahre. | ||
in Procenten | 100 | 8,39 | 44,04 | 33,24 | 9,76 | 4,57 | 5,06 | 33,37 | 31,57 | 23,08 | 6,92 |
Die bei Auszählung der ortsanwesenden Bevölkerung vom 3. Dezember 1861 und 1867 nach Altersjahren angestellten Berechnungen über das Lebensalter der Verheirathung und der Verheiratheten dagegen lieferten folgende Ergebnisse:
Das Lebensalter der mittleren Verheirathungswahrscheinlichkeit berechnete sich hienach für:
Württemberg bei | den Schwarzwaldkreis bei | das Oberamt Rottweil bei | |||
männl. | weibl. | männl. | weibl. | männl. | weibl. |
3,6 | 3,6 | 4 |
Bei der Häufigkeit der in den letzten Jahren (1871 und 1872) geschlossenen Ehen ist daher aus jenen für 1867 berechneten Zahlen auch keineswegs zu schließen, daß die Neigung zu frühzeitigen Heirathen damals geringer gewesen sei, welche sich, wie für den Schwarzwaldkreis überhaupt, so auch für Rottweil in den für 1838–57 berechneten Verhältnißzahlen kund gibt, und mit welcher auch der relativ bedeutendere Geburtenüberschuß des Bezirks zusammenhängt.
Das Verhältniß der Geborenen einschließlich der Todtgeborenen zur Bevölkerung berechnete sich
für die Periode | in Württemberg | im Schwarzwaldkreis. | im Oberamt Rottweil | O.-Z. |
endlich nach der unten von Oberamtsarzt Dr. Rapp beigefügten Übersicht berechnet sich für die 181/2 Jahre 1. Juli 1853 bis 31. Dezbr. 1871 das Verhältniß für den Oberamtsbezirk Rottweil wie 1:26,11.
| Die Zahl der Geborenen ist nach den oben beigesetzten Ordnungsziffern im Ganzen eine mittelmäßige und nur in der Periode 1832–42 sowie auch noch für das Jahrzehent 1842–52 stand der Bezirk hierin (OZ. 16) gegenüber der großen Mehrzahl anderer Oberämter voran.Dabei ist die Zahl der hierunter begriffenen unehelich Geborenen nicht unerheblich. Das Verhältniß der unehelich Geborenen überhaupt war nämlich:
für die Periode | in Württemberg |
im Schwarzwaldkreis |
im Oberamt Rottweil |
O.-Z. |
1842–52 wie | 1:8,35 | 1:9,11 | 1:8,75 | 36 |
Für die neuere Zeit fehlen fortlaufende Berechnungen hierüber. Nach den zufolge der Anordnungen des Bundesraths vorgenommenen neuesten Aufnahmen, deren Ergebnisse für die beiden Kalenderjahre 1871 und 1872 im Jahrgang 1872 der württ. Jahrbücher S. 9 ff. publicirt sind, berechnet sich
im Durchschnitt der Jahre 1871 und 1872. |
für Württemberg |
für den Schwarzwaldkreis |
für das Oberamt Rottweil |
und es zeigt sich also in diesen beiden Jahren gegenüber der früheren Zeit eine nur unerheblich kleinere Verhältnißzahl unehelich Geborener.
Was das Geschlecht der Geborenen anbelangt, so kommen nach| den für das Jahrzehnt 1842–52 hierüber vorliegenden Berechnungen einschließlich der Todtgeborenenin Württemberg |
im Schwarzwaldkreis |
im Oberramt Rottweil | |
auf 100 unehelich weiblich Geborene unehel. männl. Geborene |
104,57 | 107,38 | 97,94 |
Nach diesen Berechnungen macht sich die für Württemberg im Ganzen sich ergebende Regel, daß unter den ehelich Geborenen die Knaben häufiger sind als bei den unehelich Geborenen, für Rottweil in verstärktem Maße geltend, indem bei den unehelich Geborenen hier sogar ein Überschuß an Mädchen erscheint.
Auch die im Jahrgang 1856 der Jahrbücher über Zahl und Verlauf der Geburten in den 10 Jahren 1846–56 veröffentlichte Zahlen zeigen, hinsichtlich des Verhältnisses der männlich Geborenen zu den weiblich Geborenen überhaupt, ein übereinstimmendes Ergebniß, denn es kamen hienach einschließlich der Todtgeborenen auf 100 weiblich Geborene männlich Geborene
wogegen nach den von Professor Dr. Rapp beigegebenen Übersichten über die Bewegung der Bevölkerung in dem Zeitraum 1853 bis 1871 sich (einschließlich der Todtgeborenen) die Zahl der Mädchen zu der der geborenen Knaben verhält, wie 100:104,58.
Unter den 100 Geborenen waren in dem Decennium 1. Juli 1846–56 Todtgeborene
und nach der Berechnung von Professor Dr. Rapp in der Periode 1853–71 3,69.
| Was die Fruchtbarkeit des weiblichen Geschlechts anbelangt, so verhielt sich pro 1. Juli 1846–56 die Zahl der Geburten zu der Zahl der über 14 Jahre alten Personen weiblichen Geschlechtsin Württemberg | im Schwarzwaldkreis | im Oberamt Rottweil | |
wie | 1:9,39 | 1:9,27 | 1:9,52 |
Weitere Angaben bezüglich der Zahl und Art der Geburten in der Periode 1. Juli 1846–56 enthält der Jahrgang 1856 der württembergischen Jahrbücher und für den Zeitraum 1853–71, sowie zugleich für die einzelnen Gemeinden des Bezirks die von Professor Dr. Rapp unten S. 92–95 beigegebenen Tabellen.
Das Verhältniß der Gestorbenen zur Bevölkerung einschließlich der Todtgeborenen berechnet sich
für die Periode | in Württemberg |
im Schwarzwaldkreis |
im Oberamt Rottweil |
O.-Z. |
endlich für die 181/2 Jahre 1853–71 nach der unten von Oberamtsarzt Dr. Rapp beigegebenen Tabelle für das Oberamt Rottweil auf 1:32,79.
Wie nach oben S. 75 durch die geringste Verhältnißzahl für die Geborenen, so kennzeichnet sich hier die Periode 1846–56 zugleich durch eine hohe Verhältnißzahl Gestorbener, welch’ letztere zwar von derjenigen für die Periode 1832–42 noch übertroffen| wird, jedoch nur weil diese zugleich von sämtlichen Perioden die höchste Zahl Geborener aufweist, womit dann in der Regel auch die Zahl der in den ersten Lebensjahren gestorbenen Kinder und der Gestorbenen überhaupt eine gesteigerte ist.In Beziehung auf das Geschlecht der Gestorbenen ergeben sich für die beiden Perioden 1842–52 und 1846–56 folgende Verhältnißzahlen:
Es kamen: | 1. in Württemberg |
2. im Schwarzwaldkreis |
3. im Oberamt Rottweil | |||
von 1842–52 |
von 1846–56 |
von 1842–52 |
von 1846–56 |
von 1842–52 |
von 1846–56 | |
3. Auf 1 männl. Gestorbenes männl. Einwohner |
30,46 | 30,18 | 31,66 | 29,70 | 31,17 | 29,68 |
Da der Bezirk Rottweil nach unten S. 85 zu denjenigen gehört, in denen das weibliche Geschlecht bedeutend vorwiegt, so erscheint hier dem entsprechend auch die Anzahl von Todesfällen beim männlichen Geschlecht zu 1 etwas geringer als nach dem Durchschnitt des Schwarzwaldkreises und des ganzen Landes.
Von 100 Gestorbenen incl. Todtgeborene starben ferner nach den im Jahrgang 1862 der Jahrbücher veröffentlichten Tabellen über die Periode 1. Juli 1846–56 in den Monaten
April bis Juni |
Juli bis September |
October bis December |
Januar bis März | |
im Oberamt Rottweil | 22,38 | 25,62 | 25,45 | 26,55 |
Was die Benützung des ärztlichen Beistands anbelangt, so ergab sich für 1846–56 Folgendes.
Von 100 Gestorbenen excl. Todtgeborene haben
in Württemberg |
im Schwarzwaldkreis |
im Oberamt Rottweil | |
2. keine solche genossen | 54,64 | 55,65 | 54,97 |
Nach der hinten von Oberamtsarzt Dr. Rapp beigefügten Tabelle berechnen sich die entsprechenden Zahlen für die Periode 1852–71 beim Oberamtsbezirk Rottweil auf
- 51,23 ad. 1 und
- 48,77 ad. 2
und der Gebrauch ärztlichen Beistands scheint also hienach zugenommen zu haben.
Nach den für 1. Juli 1846–56 angestellten Berechnungen waren ferner
in Württemberg |
im Schwarzwaldkreis. |
im Oberamt Rottweil. | |
1 Selbstmord auf | 9270 | 9134 | 8757 Einw. |
Hinsichtlich des Alters der Gestorbenen ergibt sich ferner für die genannte Periode Folgendes:
| Unter 100 Gestorbenen excl. Todtgeborene standenin Württemberg |
im Schwarzwaldkreis |
im Oberamt Rottweil | |
über dem 70. Lebensjahr | 12,01 | 11,36 | 11,01 |
Die Sterblichkeit des Oberamtsbezirks war hienach für die Zeit vom 2.–7. und 15.–45. Lebensjahr bedeutender als der Durchschnitt des Schwarzwaldkreises und des ganzen Landes, während solche für das 1. Lebensjahr dagegen zurückblieb.
Auch nach der von Oberamtsarzt Dr. Rapp hienach beigegefügten Tabelle berechnet sich für die Zeit von 1853–71 die Procentzahl der im 1. Lebensjahr Gestorbenen an der Gesamtzahl der Gestorbenen nicht viel höher, als für die Periode 1846–56 nämlich auf 38,47 Procent excl. Todtgeborene. Wie in anderen Bezirken des Schwarzwaldkreises scheint aber dafür namentlich die Procentzahl der im 2.–7. Lebensjahr sterbenden Kinder um so bedeutender zu sein.
Von 100 Gestorbenen excl. Todtgeborene starben nämlich von 1846–56
im Oberamt | im 1. Lebensjahr | im 2.–7. Lebensjahr | O.-Z. |
Freudenstadt | 33,44 | 14,53 | 2 |
Hinsichtlich der Verhältnißzahl der lebend geborenen und im ersten Lebensjahr wieder gestorbenen Kinder nimmt der Bezirk daher nach den vorliegenden Berechnungen gegenüber von anderen Oberämtern eine günstige Stellung ein, denn von 100 Lebendgeborenen starben
in der Periode | in Württemberg |
im Schwarzwaldkreis |
im Oberamt Rottweil. |
O.-Z. |
33,99 | 31,43 | 30,04 | 17 |
Nach der unten von Oberamtsarzt Dr. Rapp gegebenen Übersicht beträgt die Zahl der im 1. Lebensjahr Gestorbenen für die Periode 1853–71 auf 100 Lebendgeborene im Oberamt Rottweil 31,84. Über die Kindersterblichkeit in den einzelnen Gemeinden fehlen für die zuerst angeführten älteren 3 Perioden Zusammenstellungen und Berechnungen.
Wenn man aber nach der unten S. 94 u. 95 von Oberamtsarzt Dr. Rapp für den Zeitraum 1853–71 beigefügten Übersicht diejenigen 11 Gemeinden herausgreift, welche die größte Procentzahl im 1. Lebensjahr Gestorbener aufweisen und mit der Zahl der Geborenen vergleicht, so zeigt sich, daß 9 von diesen Gemeinden zugleich solche sind, welche in Beziehung auf die Zahl der Geborenen, in Vergleichung mit den übrigen Gemeinden des Oberamts, innerhalb der Ordnungsziffern 1–11 und 24–34 entweder sehr hohe oder sehr niedere Verhältnißzahlen zeigen.
Auch andere Zusammenstellungen und Berechnungen für das ganze Land liefern das gleiche Ergebniß, daß eine größere Kindersterblichkeit häufig mit sehr hohen, nicht selten aber auch mit sehr niederen Geburtsziffern verbunden ist.
| Es starben nämlichin der Gemeinde | Von 100 Lebendgeborenen im ersten Lebensjahr |
|||||
1–11 | 24–34 | |||||
Gößlingen | 34,21 | 11 | – | – | 3,33 | 25 |
Die Dichtigkeit der Bevölkerung des Oberamts nähert sich dem Landesmittel und bleibt noch mehr hinter derjenigen des Schwarzwaldkreises als hinter ersterem zurück.
Es kamen nämlich auf die Quadratmeile Einwohner
in Württemberg |
im Schwarzwaldkreis |
im Oberamt Rottweil | |
1871 | 5133 | 5169 | 4992 |
den Eisenbahnbau zugeführten Arbeiterbevölkerung war.
Die Bevölkerung des Bezirks wohnt vorherrschend in geschlossenen Orten. Zu den 34 Hauptorten des Bezirks gehören nämlich 48 Parzellen, so daß auf eine Gemeinde durchschnittlich nur 2,41 Parzellen oder einzelne Wohnorte kommen, im Durchschnitt des Schwarzwaldkreises dagegen kommen auf eine Gemeinde 2,56, im Landesdurchschnitt 4,30 Parzellen.
Von der Einwohnerschaft der 34 Gemeinden entfallen sodann nach der neuesten Zählung von 1871 insbesondere auf
1) die beiden Gemeinden von mehr als 3000 Einwohner Rottweil und Schwenningen |
9449 Einw. oder 31,03 % |
2) auf 4 Gemeinden mit 1000–2000 Einwohnern | 6129 Einw. oder 20,13 % |
3) auf 15 Gemeinden mit 500–1000 Einwohnern | 9786 Einw. oder 32,14 % |
4) auf 13 Gemeinden mit 2–500 Einwohnern | 5086 Einw. oder 16,70 % |
Zusammen | 30.450 Einw. oder 100 % |
Der Bezirk gehört zu den vorherrschend katholischen in dieser Landesgegend, und enthält nach den Oberämtern Spaichingen und Horb die relativ größte Zahl von Katholiken. Deren Procentzahl an der ganzen Bevölkerung berechnet sich nämlich nach der Zählung von 1871 für das Oberamt
Tuttlingen | auf 39,65 % |
Spaichingen | auf 90,75 % |
Rottweil | auf 77,00 % |
Oberndorf | auf 68,47 % |
Horb | auf 84,95 % |
Rottenburg | auf 59,83 % |
in den übrigen 11 Oberämtern des Schwarzwaldkreises dagegen auf weniger als 13 %.
Die absoluten Zahlen über die Vertheilung der Konfessionen im Bezirk sind nach verschiedenen Aufnahmen folgende.
Es wurden gezählt
|Protestanten | Katholiken | Von anderen christlichen Konfessionen |
Israeliten | Zusammen | ||
am 3. Dec. 1871 | 6873 | 23.445 | 1 | 131 | 30.450 |
Die Zahl der Katholiken hat somit seit 1846 ab-, die der Protestanten und Israeliten zugenommen.
Was die Vertheilung der Geschlechter anbelangt, so gehört das Oberamt Rottweil, wie schon oben bemerkt, zu denjenigen Bezirken, in welchen das weibliche Geschlecht am meisten vorherrscht.
Es betrug nämlich nach den letzten 6 Zählungen
von | das Verhältniß der männlichen zu den weiblichen Personen war | ||||
Personen im Oberamt Rottweil |
in Württemberg. |
im Schwarzwaldkreis |
im Oberamt Rottweil. | ||
1871 | 14.182 | 16.268 | 108 | 111 | 115 |
Es wurden gezählt:
am 3. Dec. | Unverheirathete | Verheirathete | Verwittwete | Geschiedene | ||||
männl. | weibl. | männl. | weibl. | männl. | weibl. | männl. | weibl. | |
1871 | 8734 | 10.176 | 4753 | 4880 | 684 | 1185 | 11 | 27 |
Die vorgenommene besondere Auszählung der ortsanwesenden Bevölkerung am 3. Dezember 1861 und 1867 lieferte bezüglich der Besetzung der verschiedenen Altersklassen folgendes Ergebniß:
Im Alter von Jahren |
Am 3. Dec. 1861 war die Zahl der | Im 3. Dec. 1867 war die Zahl der | ||||||
Ledigen | Verheiratheten oder verheirathet Gewesenen |
Ledigen | Verheiratheten oder verheirathet Gewesenen | |||||
männl. | weibl. | männl. | weibl. | männl. | weibl. | männl. | weibl. | |
– | 1 | – | – | 1 | – | 2 | 2 | |
29.283 | 31.445 |
von Jahren |
und auf je 1000 Einwohner kamen Personen nach der Zählung vom | |||||||
3. December 1861 | 3. December 1867 | |||||||
in Württemberg |
im Oberamt Rottweil |
in Württemberg |
im Oberamt Rottweil | |||||
1028 | 1100 | 906 | 804 | |||||
1244 | 1206 | 1277 | 1326 | |||||
0,6 | – | 2 | 2 | |||||
2810 | 2790 | 2909 | 2859 | |||||
10.000 | 10.000 | 10.000 | 10.000 |
Die Stärke der meisten Altersklassen bietet gegenüber dem Landesmittel keine sehr großen Abweichungen. Die größte Abweichung zeigt durch eine besonders schwache Anzahl die Klasse der 5–10jährigen im Jahr 1861 und der 10–15jährigen im Jahr 1867, was als eine Folge des Anfangs der 1850er Jahre so sehr geringen Überschusses der Geborenen (s. oben S. 67) angesehen werden kann; sowie umgekehrt die Altersklasse der 15–20jährigen durch ihre starke Anzahl im Jahr 1861 auf den Anfangs der 1840er Jahre noch stärkeren Geburtenüberschuß hinweist.
Bei der 1864 angeordneten Zahlung der ortsanwesenden Bevölkerung nach Familienverhältniß und Beruf wurden 6142 Haushaltungen gezählt, während die Zollvereinszählung 6442 Familien ergibt, so daß hienach nicht selten mehrere Haushaltungen in einer Familie vereinigt gewesen sein mußten.
Unter jenen 6142 Haushaltungen sind begriffen:
in Procenten | ||
1. Solche, die nicht mehr als 5 Personen umfassen | 4062 | 66 |
2. Solche, deren Vorstände verheirathete Männer sind | 4289 | 70 |
in Procenten | ||
3. Haushaltungen mit Kindern unter 14 Jahren | 3576 | 58 |
4. Haushaltungen mit nicht mehr als 2 Kindern unter 14 Jahren | 2224 | 36 |
5. Haushaltungen mit Personen über 14 Jahren, ausgenommen den Hausherrn und die Hausfrau |
4453 | 72 |
6. Haushaltungen mit nicht mehr als zwei solchen Personen | 2897 | 47 |
7. Haushaltungen mit Dienstboten | 1123 | 18 |
8. Haushaltungen mit nicht mehr als 2 Dienstboten | 989 | 16 |
Was die Haushaltungen mit Dienstboten anbelangt, so steht der Bezirk ziemlich gegen den benachbarten Bezirk Oberndorf zurück, welcher ad 7 und 8 26 und 22 Procent aufweist. Es kamen ferner nach dieser Zählung auf 100 Haushalte
Personen überhaupt |
OZ. | Vorstände nebst Ehefrauen |
Kinder (Personen unter 14 Jahr) |
OZ. | Erwachsenen Hausgenossen (Personen über 14 Jahr) |
OZ. | und auf 100 Kinder erwachsene Hausgenossen |
OZ. |
und die Verhältnisse des Bezirks nähern sich also in dieser Beziehung dem Landesmittel.
Schließlich ist noch der im Jahr 1853 veranstalteten Aufnahme der Irren, Kretinen, Taubstummen und Blinden zu erwähnen. Es kam nach dieser Aufnahme
in Württemberg |
im Schwarzwaldkreis |
im Oberamt Rottweil |
OZ. | |
auf Einwohner | ||||
1 Blinder | 1194 | 1221 | 1044 | 18 |
Nach der mit der Zollvereinszählung im Jahr 1861 verbunden gewesenen Aufnahme wurden gezählt Irrsinnige 9, Blödsinnige 43, Taubstumme 36, Blinde 22.
Im Jahr 1853 war die absolute Zahl derselben im Oberamt Rottweil: Irrsinnige 22, Blödsinnige 61, Taubstumme 36, Blinde 32.
Die Bewohner des Oberamts Rottweil erscheinen hauptsächlich als Abkömmlinge der Alemannen, die gegen das Ende des vierten Jahrhunderts das Land vom Bodensee bis an die Lahn innehatten. Das Herzogthum Alemannien erstreckte sich später vom Gotthard bis zur Murg und vom Jura bis zum Lech. Die Alemannen wurden zuletzt von den Franken besiegt und unterworfen, aber nicht vertrieben oder ausgerottet, sondern nur beherrscht. Das spätere sogenannte Schwabenland gehörte zu Alemannien. Die Alemannen fanden in diesem Lande Abkömmlinge von Celten und Römern, und indem sie sich mit ihnen vermischten, entstand bezüglich der Abstammung ein gemischtes Volk. Die Bewohner des Oberamts erweisen sich aber durch Sprache, Körperbildung und Sitten vorzugsweise als Nachkommen der Alemannen.
Die Hauptbeschäftigungen der Bezirkseinwohner bilden Ackerbau und Viehzucht, zum kleinen Theile auch Waldarbeiten; die Industrie nimmt nur eine kleine Anzahl von Arbeitskräften in Anspruch: Rottweil hat die kgl. Saline Wilhelmshall, eine Pulverfabrik, eine Zündholzfabrik und eine größere Shirtingweberei, welch’ letztere über hundert Arbeiter aus den Gemeinden Bühlingen, Lauffen, Deißlingen und Göllsdorf beschäftigt; Schwenningen bedeutende Uhrenfabriken, Dunningen eine Strohhutfabrik; im Übrigen aber ist in den Landgemeinden des Bezirks nur das Kleingewerbe vertreten, welches sich meist auf das örtliche Bedürfniß beschränkt und neben der Landwirthschaft betrieben wird.
Was den physischen Charakter der Einwohner anbelangt, so ist derselbe im Ganzen ein kräftiger und ausdauernder zu nennen; nach einer Durchschnittsberechnung aus den Jahren 1853 bis 1871 erreichten 11 Proc. sämtlicher Gestorbenen ein Alter von 70 Jahren| und darüber; nicht selten sind unter den Gestorbenen Personen von 80 bis 90 Jahren verzeichnet, sechsmal kommt in der genannten Periode ein Alter von über 90 Jahren vor.Die Körpergröße der Bezirkseinwohner steht über dem Mittel des Landes, namentlich trifft man in einzelnen Gemeinden, welche auf der Liashochebene liegen, fast durchaus hochgewachsene und dabei kräftige Gestalten. Die mittlere Größe der Rekrutirungspflichtigen vom Jahre 1866 und 1867 betrug nach den württ. Jahrbüchern von 1867 Seite 263 5′ 8″ 1‴, womit Rottweil unter 64 Oberämtern des Landes die 28te Stelle einnimmt; von 601 in den genannten Jahren gemessenen Rekruten maßen:
3 unter 5′; | |
41 unter 5′ | bis 5′ 4″ 9‴; |
153 unter 5′ | 5″ bis 5′ 6″ 9‴; |
304 unter 5′ | 7″ bis 5′ 9″ 9‴; |
100 unter 6′ | und darüber. |
Über die Ergebnisse der Musterung der conscriptionspflichtigen Jugend des Oberamtsbezirks enthält das „medicinische Correspondenzblatt“ vom Jahre 1865 folgende Notizen: in den 12 Jahren von 1853 bis 1864 waren von 100 Pflichtigen im Durchschnitt
44,73 | tüchtig, |
1,52 | unter dem Meß, |
51,97 | wegen Gebrechen untüchtig. |
Mit der Zahl der Tüchtigen nimmt Rottweil unter 17 Oberämtern des Schwarzwaldkreises die 11te, unter 64 Oberämtern des ganzen Landes die 46te Stelle ein. (Das günstigste Ergebniß weist Saulgau auf mit 61,79 Tüchtigen, das ungünstigste Freudenstadt mit 33,09.)
Nach der Zahl der unter’m Meß Gefundenen zeigen im Schwarzwaldkreis nur 3, und im ganzen Lande nur 6 Oberämter ein günstigeres Resultat als Rottweil; die ungünstigsten Zahlen hat Oberndorf mit unter 10,59, die günstigsten Rottenburg mit 0,42.
Nach der Procentzahl der wegen Gebrechen Untüchtigen haben im Schwarzwaldkreis nur 3, im ganzen Lande nur 7 Oberämter ungünstigere Zahlen als Rottweil; die meisten Untüchtigen hat Freudenstadt, nämlich 58,73, die wenigsten Stuttgart-Amt, nämlich 30,97. Das ganze Land hat im Durchschnitt unter 100 Pflichtigen:
48,61 | Tüchtige, |
4,26 | unter’m Meß, |
46,91 | Untüchtige. |
Ein günstigeres Ergebniß weist jedoch die von Sekretär Retter verfaßte Zusammenstellung der Musterungsresultate in den Jahren 1866 und 1867 (württ. Jahrbücher von 1867 Seite 227) auf; nach denselben waren im Oberamtsbezirk Rottweil unter hundert Visitirten:
Im Jahre | 1866 | 1867 |
Tüchtige | 54,87 | 55,31 |
Untaugliche und zwar: | ||
a) wegen mangelnder Körpergröße | 0,92 | 1,10 |
b) wegen mangelnder Körpergröße und Gebrechen zugleich | 6,40 | 6,23 |
c) wegen Gebrechen | 37,81 | 37,36 |
zusammen | 45,13 | 44,69 |
Die durchschnittliche Procentzahl der Untauglichen betrug aber:
im Schwarzwaldkreis | 51,20 | 48,55 |
im ganzen Lande | 49,00 | 47,50 |
Die Zahlen des Bezirks Rottweil sind somit günstiger, als die Durchschnittszahlen des Schwarzwaldkreises und des ganzen Landes.
Die Ordnungszahlen Rottweils in Betreff der Untauglichen waren unter:
17 Oberämtern des Schwarzwaldkreises | 6 | 6 |
64 Oberämtern des ganzen Landes | 24 | 25 |
Die in den 6 Jahren 1859 bis 1864 am häufigsten vorgekommenen Untauglichkeitsgründe sind:
allgemeine Schwächlichkeit in | 318 Fällen = | 16,7 Proc. |
Mißbildung des Thorax in | 122 Fällen = | 6,5 Proc. |
Kropf in | 110 Fällen = | 5,8 Proc. |
Herinen in | 50 Fällen = | 2,6 Proc. |
Narben in | 38 Fällen = | 2,0 Proc. |
der Gesammtzahl von 1905 visitirten Pflichtigen.
Über die Geburts- und Sterblichkeitsverhältnisse des Oberamtsbezirks im Ganzen, sowie der einzelnen Gemeinden in den Jahren 1853 bis 1871 geben nachstehende Tabellen I und II Aufschluß.
| Tabelle I.Gemeinde. | Durch- schnitt- liche Einwoh- nerzahl. |
Geburtsverhältnisse. In dem Zeitraum 1. Juli 1853 bis 31. Dez. 1871 war die durchschnittliche | ||||||||
Zahl der Ge- bärenden. |
Zahl der künstlich Ent- bundenen. |
Zahl der Zwillings- Geburten. |
Gesamtzahl der Geborenen. |
Zahl der Geborenen |
Zahl der Todtgeborenen | |||||
Knaben. | Mädchen. | bei natürlichen Geburten |
bei künstl. Geburten | |||||||
Zimmern unter der Burg | 527 | 15,24 | 0,37 | 0,05 | 15,29 | 8,27 | 7,02 | 0,27 | 0,27 | |
u. 0,16 Drill |
Gemeinde. | Sterblichkeitsverhältnisse. In dem Zeitraum 1. Juli 1853 bis 31. Dezember 1871 war die durchschnittliche |
Es sind mehr | ||||||
Zahl der Gestorbenen überhaupt. |
Zahl der darunter begriffenen Todt- geborenen. |
Zahl der im ersten Lebensjahr Gestorbenen. |
Zahl der Selbst- mörder. |
Zahl der ärztlich Behandelten. |
Zahl der nicht ärztlich Behandelten. |
geboren als gestorben. |
gestorben als geboren. | |
Zimmern unter der Burg | 14,37 | 0,54 | 4,59 | 0,05 | 4,59 | 9,24 | 0,92 | – |
Im ganzen Oberamtsbezirk: | 906,49 | 42,00 | 348,76 | 3,62 | 442,87 | 421,62 | 230,97 | – |
Gemeinde. | Auf 100 ortsanwesende Einwohner kamen im Durchschnitt jährl.: |
Von 100 Gebärenden wurden künstl. entbunden. |
O Z |
Auf 100 Geburten kamen Zwillings- geburten |
O Z |
1 todtgeborenes Kind kommt bei | ||||||||
Gebo- rene |
O Z [s 1] |
Gestor- bene |
O Z |
Mehr bezw. weniger Geborene als Gestorbene [s 2] |
O Z |
natür- lichen Geburten auf Geborene |
O Z |
künstl. Geburten auf Geborene. |
O Z | |||||
Zimmern unter der Burg | 2,90 | 33 | 2,73 | 27 | 0,17 | 30 | 2,48 | 31 | 0,35 | 31 | 55,00 | 22 | 1,40 | 1 |
Im ganzen O.-A.-Bezirk: | 3,83 | 3,05 | 0,78 | 6,02 | 1,30 u 0,014 Drill. |
42,71 | 3,91 | |||||||
In der Oberamtsstadt excl. Altstadt |
3,17 | 3,29 | [0,12] | 8,88 | 0,55 | 49,23 | 3,57 | |||||||
In den übrigen Bezirksorten, incl. Altstadt |
3,93 | 3,01 | 0,92 | 5,66 | 1,39 | 42,02 | 3,98 |
Gemeinde. | Unter 100 Geborenen befinden sich: |
Von 100 lebend geborenen Kindern starben im ersten Lebens- jahre. |
O Z |
Unter 100 Gestorbenen befinden sich: | ||||||||||
Kna- ben. |
O Z |
Mäd- chen. |
Todtge- borene. |
O Z |
Todtge- borene Kinder. |
O Z |
Im ersten Lebensjahr gestorbene Kinder. |
O Z |
Ärztlich Be- handelte. |
O Z |
Nicht ärztlich Be- handelte. | |||
Zimmern unter der Burg | 54,06 | 4 | 45,94 | 3,53 | 21 | 31,14 | 19 | 3,76 | 22 | 31,95 | 30 | 31,95 | 31 | 64,29 |
Im ganzen O.-A.-Bezirk: | 51,12 | 48,88 | 3,69 | 31,84 | 4,63 | 38,47 | 48,86 | 46,51 | ||||||
In der Oberamtsstadt excl. Altstadt |
49,74 | 50,26 | 4,31 | 38,74 | 4,14 | 35,68 | 79,98 | 15,88 | ||||||
In den übrigen Bezirksorten, incl. Altstadt |
51,29 | 48,71 | 3,62 | 30,98 | 4,72 | 38,95 | 43,56 | 51,72 |
Die Zahl der Gestorbenen schwankt zwischen 3,97 und 2,09, und beläuft sich im Durchschnitt aus 3,05 Procent der Einwohnerzahl.
Der Überschuß der Geborenen über die Zahl der Gestorbenen beträgt 0,78 Proc. im ganzen Oberamtsbezirk; 32 Gemeinden des Bezirks haben einen solchen Überschuß aufzuweisen, der sich im Einzelnen zwischen 1,89 und 0,17 Proc. bewegt.
Drei Gemeinden aber haben mehr Gestorbene als Geborene: Zepfenhan 0,22 Proc., die Oberamtsstadt und die Gemeinde Dormettingen je 0,12 Proc. der durchschnittlichen Einwohnerzahl.
Künstlich entbunden wurden im ganzen Oberamtsbezirk 6,02 Proc. aller Gebärenden; in den einzelnen Gemeinden schwanken die Zahlen zwischen 18,27 und 1,18 Proc.
Zwillingsgeburten kamen in allen Gemeinden mit Ausnahme von Stetten und Roßwangen vor; im ganzen Oberamtsbezirk 1,30 Proc. aller Geburten, in den einzelnen Gemeinden von 0,33 bis zu 4,55 Proc.
Drillinge wurden dreimal geboren: in Rottweil, Schwenningen und Zepfenhan; im Durchschnitt kommt eine Drillingsgeburt auf 6 Jahre.
Ein todtgeborenes Kind kommt im ganzen Oberamtsbezirk auf:
- 42,71 Geborene bei natürlichen Geburten,
- 3,91 Geborene bei künstlichen Geburten;
in den einzelnen Gemeinden bewegen sich die Zahlen zwischen:
- 19,58 und 145,50 bei natürlichen Geburten,
- 1,40 und 11,66 bei künstlichen Geburten.
In 24 Gemeinden des Oberamts werden mehr Knaben als Mädchen geboren:
- 60 Proc. bis 56,14 Proc. aller Geborenen;
in 11 Gemeinden mehr Mädchen als Knaben;
- 53,87 Proc. bis 50,22 Proc. aller Geborenen;
im ganzen Oberamtsbezirk kommen 51,12 Procent Knaben und 48,88 Proc. Mädchen zur Welt.
Was die Kindersterblichkeit betrifft, so sterben von 100 lebend geborenen Kindern im ersten Lebensjahre durchschnittlich im ganzen Bezirk 31,84; in den einzelnen Gemeinden bewegen sich die Zahlen zwischen 38,74 und 12,79 Proc. der lebend Geborenen;| am größten ist die Kindersterblichkeit in der Oberamtsstadt, am kleinsten in Täbingen.Werden auch die todtgeborenen Kinder eingerechnet, so beträgt die Sterblichkeit 34,35 Proc. aller geborenen Kinder.
Unter 100 Gestorbenen befinden sich 4,63 Procent todtgeborene Kinder (in den einzelnen Gemeinden 10,43 bis 2,47 Proc.), 38,47 lebend geborene und im ersten Jahr gestorbene Kinder (in einzelnen Gemeinden 50,70 bis 18,72 Proc.), im Ganzen also 43,10 Kinder im Alter bis zu einem Jahr.
Ärztlich behandelt wurden 48,86 Proc. aller Gestorbenen; in den einzelnen Gemeinden zwischen 79,98 (in der Oberamtsstadt) bis zu 28,15 Procent; ohne ärztliche Hilfe blieben 46,51 Proc.
Die Zahl der Selbstmörder betrug von 1853 bis 1871 im ganzen Oberamtsbezirk 67, im Durchschnitt jährlich 3,62, gleich 0,4 Proc. aller Gestorbenen; sie vertheilten sich auf 23 Gemeinden, worunter Rottweil mit 15, Deißlingen mit 9 in erster Linie stehen.
Nach einer Berechnung aus der Zeit vom 1. Juli 1854 bis 30. Juni 1874 zählt der Bezirk in diesen 20 Jahren 85 Selbstmörder; davon haben ihrem Leben ein Ende gemacht:
durch Erhängen | 70 | |
durch Ertränken | 10 | |
durch Halsabschneiden | 2 | |
durch Erschießen | 1 | |
durch Bauchaufschneiden | 1 | |
auf die Eisenbahnschienen legte sich | 1 | . |
Von den 85 Selbstmördern | ||
waren Säufer | 36 | |
wegen Krankheit incl. Geistesstörung entleibten sich | 28 | . |
Verbrecher, die sich theils aus Scham, theils aus Furcht vor der erkannten bezw. in Aussicht stehenden Strafe entleibten |
7 | |
Lebensüberdrüssige waren es | 3 | |
wegen Schulden entleibten sich | 2 | |
aus Geiz | 1 | |
aus unbekannten Gründen | 8 | . |
Epidemien kamen auf dem Schwarzwald nicht häufig vor; in den letzten 20 Jahren wurden nur drei ausgesprochene Epidemien im Bezirk beobachtet: Ruhr (1854 und 1855), Diphteritis (1864) und Pocken.
| Der Typhus abdominalis kommt wohl sporadisch in sämtlichen Gemeinden des Bezirks vor, von Petechial-Typhus aber wurde in den letzten 20 Jahren kein Fall beobachtet. Die Typhusformen verlaufen immer unter der Form der Abdominaltyphen.Im Jahre 1865, in welchem in verschiedenen Gegenden Deutschlands der sogenannte Genickkrampf epidemisch auftrat, kam auch diese Form der Erkrankung nicht selten im Bezirke vor, jedoch nicht in perniciöser Weise. Auch die Cholera hat während ihrer Herrschaft Fuß im Bezirke gefaßt. Die hohe Lage und reine Luft kompensiren manche Schädlichkeiten, welche bisher aus Mangel allgemeiner Hygieine in den einzelnen Gemeinden und besonders in Rottweil sich noch geltend machen. Epidemien, welche zur Winterszeit auftreten, verlaufen im Bezirk immer ungünstiger, als die Sommer-Epidemien; auf den Grund dieser ungewöhnlichen Erscheinung kommen wir weiter unten zurück.
Unter den Affectionen des Nervensystems kommen sehr häufig Apoplexie und Rückenmarksaffection vor, Neuralgieen der verschiedensten Natur von der Cephalalgie und Migraine bis zur Ischiadik kamen sehr oft zur Beobachtung und hängen diese mit der rheumatischen Diathese zusammen.
Die rheumatischen Affectionen selbst vom einfachsten fieberlosen Rheumatismus bis zum heftigen Gelenksrheumatismus finden ihren Hauptgrund in der durch die hohe Lage bedingten rasch eintretenden Temperaturdifferenz zwischen Morgen- und Abend-, Tag- und Nachtzeit. Epilepsie und Chorea sind im Bezirk auffallend häufig und zwar in Verbindung mit Herzleiden. Die Diphteritis nimmt gern einen sehr rasch verlaufenden Charakter an, verbindet sich oft mit Albuminerie und hat als Nachkrankheiten häufig Lähmungen der Extremitäten, besonders aber Lähmung des weichen Gaumens im Gefolge. Angina tonsillaris gehört zu den alltäglichen Krankheiten.
Struma kommt häufig in denjenigen Orten vor, welche auf dem Muschelkalk liegen, daher auch Rottweil hiezu ein großes Kontingent liefert.
Unter den Lungenkrankheiten kommt die Bronchitis und Pneumonie sehr oft zur Beobachtung; letztere verlauft meistens als croupose Form. Sehr gern gehen die Lungenaffectionen über in Emphysem und Bronchialerweiterung, daher Fälle von Jahre lang dauernder sogen. Schleimschwindsucht häufig vorkommen.
Die eigentliche Lungentuberkulose trifft man auf dem Schwarzwald selten und hängt das Auftreten derselben nebst der hereditären Anlage meist mit schlechten Wohnungs- und Ernährungsverhältnissen der Kranken zusammen. Wenn Einzelne von| tuberkuloser Schwindsucht befallen werden, so haben solche die Krankheit meist in andern Gegenden acquirirt. Die acute Miliar-Tuberkulose wurde seit 20 Jahren nicht ein einziges Mal beobachtet; so selten die Miliar-Tuberkulose, so häufig sind die Rippenfellentzündungen mit exsudativem Charakter.Herzkrankheiten in Verbindung mit Klappenfehlern treten wegen der häufigen acuten Rheumatismen oft zu Tage, besonders gern kommt bei Leuten der besseren Stände nach Jahre lang vorausgegangener Unterleibsstörung die fettige Degeneration des Herzens vor.
Magenleiden und zwar chronische Magenkatarrhe mit den Übergängen zu krebsiger Degeneration kommen täglich zur Behandlung.
Milzaffectionen sind selten; die Wechselfieber fehlen im Bezirk vollständig oder kommen nur als importirte zur Behandlung. Individuen, welche durch veraltete Wechselfieber ganz herabgekommen sind, erholen sich auf dem Schwarzwalde sehr rasch.
Leberaffectionen sind häufig von den einfachsten Störungen quantitativer und qualitativer Gallensecretion bis zum acuten und chronischen Ikterus, der Cirrhose und zum Leberkrebs. Gallensteine sind keine Seltenheit.
Darmaffectionen kommen hauptsächlich im Sommer vor vom einfachen Darmkatarrh bis zur Cholerine; letztere liebt besonders die Kinder im ersten Lebensjahre stark heimzusuchen.
Ein Hauptkontingent der herrschenden Krankheiten bieten auf dem Schwarzwald die Nieren.
Harnsäureinfarkte der Nieren Neugeborener gehört zu den täglichen Vorkommnissen; solche geben später Veranlassung zur Bildung von Blasensteinen.
Wohl in Folge der so leichten raschen Abkühlung der Hautoberfläche treten acute Nierenleiden gerne auf, daher Eiweißgehalt des Urins zu allen acuten Processen sich gern hinzugesellt.
Morbus Brightii in allen Stadien ist daher eine häufige Krankheit und nimmt dieselbe sehr gern den chronischen Charakter an, so daß vollkommene Nierenatrophie bei Sectionen oft gefunden wird, sowohl bei ganz jungen als bei älteren Individuen.
Von Diabetes mellitus kommen jedes Jahr mehrere Fälle zur Behandlung.
Unter den Hautkrankheiten treten die acuten Exanthemen häufig hervor, besonders ist es der Scharlach, der manche bösartige Epidemie unter den Kindern hervorruft und unter denselben viele Opfer fordert. Unter den chronischen Hautkrankheiten findet man besonders oft die Schuppenflechte, – psoriasis s. lepra Villani –| die über den ganzen Körper verbreiteten Eczema sind seltener, dagegen lokale Bläschenflechten oft gesehen werden; Fälle von Lupusform sind sehr selten. Die vor 20 Jahren so sehr verbreitet gewesene Krätze wird immer seltener.Unter den Dyscrasien ist die Syphilis fast nur als eingeschleppt vertreten und ist die blennorrhagische Form die häufigste.
Die häufigste Dyscrasie im Bezirk und auf dem ganzen Schwarzwalde ist die Scrophulosis in allen ihren Formen – von den Ausschlägen und der Augenentzündung bis zur tiefgehenden Knochenaffection und Verbiegung der Wirbelsäule. Man darf wohl sagen, daß die weit verbreitete Scrophulosis sehr vielen acuten Processen ein gewisses Gepräge giebt.
Unterleibsbrüche nebst Prolapsen kommen in Schwenningen bei dem weiblichen Geschlecht auffallend häufig vor, weil hier Mädchen und Frauen bei dem ausnehmend fleißig betriebenen Ackerbau oft in zu früher Jugend für Arbeiten verwendet werden, welche eigentlich nur für das männliche Geschlecht passen.
Fragen wir nun nach den Ernährungsverhältnissen des Bezirks, so sind dieselben – entsprechend dem ausgezeichneten Bodenertrag – ganz günstige; wenn auch die Hauptnahrung in Kartoffeln, Brod, Gemüse, namentlich Sauerkraut, Milch und Käse besteht, so ist doch das Fleisch nicht ausgeschlossen; im Durchschnitt kommt in jeder besseren Haushaltung, selbst auf dem Lande, wöchentlich zweimal Fleisch auf den Tisch, wenn auch nur als Schweinefleisch und geräucherter Speck.
Wenn demnach die Ernährungsmomente keinen Grund zu allgemein verbreiteter fehlerhafter Blutmischung abgeben können, so müssen noch andere Umstände vorhanden sein, welche die häufigen scrophulösen Affectionen veranlassen. Hier treffen wir im Bezirke Rottweil, wie auch in anderen Bezirken und auswärtigen Ländern auf die mangelhafte Kenntniß der Einwohner über die ersten und nothwendigen Bedingungen eines gesunden Lebens, auf die mangelhafte Kenntniß der allgemeinen Bedingungen einer öffentlichen Gesundheitspflege. Die hohe Bedeutung von Luft, Licht und Wasser für die Gesundheit ist zu wenig bekannt und es ist sehr zu beklagen, daß die Jugend nicht schon in der Schule auf diesen wichtigen Gegenstand aufmerksam gemacht wird. Die Hautkultur mit Hilfe des Wassers gehört auf dem Lande zu den Ausnahmen, wiewohl es an gutem und gesundem Wasser im Bezirke nicht fehlt. Die auf dem Lande übliche Bauart bringt es mit sich, daß die Wohnungen durchgehend an Licht und besonders an frischer Luft Mangel leiden, und es trifft dieser Vorwurf in vielen Fällen auch die| Schullokale. Die Nothwendigkeit einer Ventilation der Wohnungen ist bis jetzt noch nicht eingesehen und dieß auch der Grund, warum alle Krankheiten im Winter einen schlimmeren Verlauf nehmen als im Sommer.Der Mangel der Hautpflege, an Licht und Luft sind aber drei Momente, welche zu tief in die Säftemischung des Menschen eingreifen, auch bei den besten Nahrungsverhältnissen.
In der Oberamtsstadt selbst tritt auch ein weiteres Moment hinzu, welches die allgemeinen Lebensbedingungen in schädlicher Weise beeinflußt. Vor Allem ist hier anzuerkennen, daß im verflossenen Jahre durch eine neue Wasserleitung für gesundes Wasser gesorgt worden ist; bei der dermaligen Leitung der städtischen Angelegenheiten darf man wohl auch mit Recht erwarten, daß, je nachdem es die Mittel erlauben, auch den Anforderungen für eine reine Luft in Zukunft die naturgemäße Rechnung getragen werde. Zu dem Bedürfniß einer neuen gründlichen Kanalisation tritt in Rottweil noch dasjenige eines veränderten Bauplans hinzu. Rottweil trägt als frühere freie Reichsstadt noch ganz das Gepräge des mittelalterlichen Städtebaues, hat also eine eng zusammengedrängte Bauart, welche die nothwendige Folge davon war, daß wegen der im Mittelalter auf dem flachen Lande herrschenden Unsicherheit die Bewohner des letzteren in zu großer Zahl in die befestigte Stadt zogen, und innerhalb ihrer Mauern sich niederließen. Da Rottweil zugleich von jeher Ökonomie treibende Stadt war, so finden sich hier sehr häufig im untersten Stockwerk des Gebäudes die Stallungen, welche den darüber befindlichen Wohnungen die schon verbrauchte Luft abgeben. Mit Vollendung der bereits begonnenen Auffüllung der alten Stadtgräben wird die Möglichkeit gegeben sein, auch diesem Übelstande durch eine veränderte, den jetzigen Anforderungen der allgemeinen Hygieine entsprechende Bauart abzuhelfen. Mit der Entfernung der erwähnten Mißstände, deren bisheriges Bestehen zum Theile in der Jugend der öffentlichen Gesundheitspflege als Wissenschaft seinen Grund hat, wird sich gewiß auch die Geburts- und Sterblichkeitsstatistik Rottweils günstiger als bisher gestalten.
Was die Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebensjahr betrifft, so stellt sich dieselbe, wie schon erwähnt, auf 31,84 Proc., mit Einrechnung der Todtgeborenen aber auf 34,35 Proc. der Geborenen, und auf 38,47 Proc., mit Einrechnung der Todtgeborenen aber auf 43,10 Proc. aller Gestorbenen, also annähernd auf dieselben Zahlen, welche eine Durchschnittsberechnung für ganz Württemberg ergiebt. Auch in andern Ländern ist man zu dem gleichen traurigen Resultate dieser schreckenerregenden Sterblichkeit unter den Säuglingen gekommen. In| der Abnahme der Zahl der säugenden Mütter kann die große Mortalität der Kinder – wenigstens im Bezirk Rottweil – nicht liegen, da hier nach einer Durchschnittsberechnung aus den 4 Jahren 1868 bis 1871 nur 8,68 Proc. Mütter ihre Kinder nicht gestillt haben.Der Hauptgrund der Hinfälligkeit der Säuglinge liegt gewiß nur darin, daß man das Wochenbett bisher im allgemeinen nicht als physiologischen, sondern als pathologischen Akt aufgefaßt hat und so die Behandlung der Wöchnerin sowie des Säuglings in seinen ersten Wochen eine naturgesetzwidrige geworden ist.
Kehren wir nach diesem Überblick über die Gesundheitsverhältnisse des Bezirks zur Schilderung der allgemeinen Eigenschaften und Gewohnheiten der Bewohner zurück.
Der Volkscharakter ist im allgemeinen gutartig und zeigt sich in Fleiß, Sparsamkeit, religiösem Sinn, Stetigkeit in der Sitte und Muth.
Die Lebensweise ist einfach in Speise und Trank. Die Speisen sind meistens aus Mehl, Kartoffeln und Kraut mit geräuchertem Schweinefleisch bereitet; neben Bier und neben wenigem Wein wird auch viel Branntwein konsumirt.
Von eigenthümlichen Gebräuchen und Volksbelustigungen,[16] die jedoch im allgemeinen seltener geworden sind, nennen wir: den sogenannten Fackelsonntag, d. i. am ersten Fastensonntag ziehen in einigen Orten die Jünglinge in langen Reihen mit brennenden Fackeln um den Samenösch und sprechen die Worte: „Soma, Soma reg di“ (Samen, Samen rege dich), auch werden nebenbei Gebete gesprochen; alsdann ersteigen die Fackeltragenden irgend einen Berg, und zünden dort große Feuer an; letzteres geschieht auch ohne den vorherigen Umgang um den Samenösch. Von Rottweil aus sieht man solche Feuer auf dem Hohenberg, Plettenberg, Hohenkarpfen, bei Neufra etc. etc. feierlich lodern. Da man von diesem Gebrauch am Funken- oder Fackelsonntag sagt: „dem Samen zünden“, so scheint sich derselbe auf die bevorstehende Sonnenwende, den Frühlingsanfang, auf die Wiedererweckung der erstorbenen Natur zu beziehen.
Die Faßnachtsbelustigungen, bei denen das sog. „Aufsagen“ eine Hauptrolle spielt, und Maskeraden, Vermummungen,| Faßnachtsspiele etc. aller Art vorkommen und viel getanzt wird, werden namentlich in Rottweil selbst, zum Theil auch auf den Dörfern noch eifrig gepflegt. Am Aschermittwoch wird in einigen Gemeinden noch die Faßnacht feierlich begraben. Tanzbelustigungen kommen an Kirchweihen, Hochzeiten und Märkten häufig vor.Das früher allgemein übliche Eierlesen an Ostern wird nur in Gößlingen zuweilen noch veranstaltet. Noch vor 50 Jahren wurde allgemein am Johannisfeiertag nach Weihnachten der vom Ortsgeistlichen gesegnete Jahanniswein in der Kirche mit dem Spruch: „Trink die Liebe des hl. Johannes“ ausgetheilt; diese Sitte besteht jetzt nur noch in Böhringen, Lauffen und Zimmern o. R., in den übrigen Orten wird der Johanniswein benedicirt nach Hause genommen und dort getrunken.
Die Hochzeiten werden meist öffentlich und feierlich gehalten. Vor dem Kirchgang versammeln sich die Zeugen und Verwandten mit dem Bräutigam im Hause der Braut, wo man ihnen die sog. Morgensuppe (jetzt meist Kaffee oder irgend ein Getränk) reicht; hierauf bewegt sich der Zug in die Kirche, voran die Braut mit dem Brautführer (Gesellen), ihr folgen der Bräutigam mit dem zweiten Brautführer, sodann die Verwandten und Freunde. Bei Vermöglicheren ist der sog. Vorgang in einigen Orten wie z. B. in Villingen noch üblich, wobei die Ledigen männlichen und weiblichen Geschlechts die Hochzeitsleute in die Kirche und nachher in das Wirthshaus begleiten. An einigen Orten wie z. B. in Dunningen bewegt sich der Hochzeitszug unter Musik in die Kirche und wieder zurück in das Wirthshaus, wo dann die Braut mit dem ersten Brautführer und die Brautjungfer (Gespielin) mit dem zweiten Brautführer den ersten Tanz aufführen. Während des allgemeinen Hochzeittanzes sind besondere Hochzeittänzer aufgestellt, die mit den weiblichen Gästen einigemal tanzen, wenn diese nicht schon mit Tänzern versehen sein sollten; auch singen diese zur weiteren Unterhaltung zuweilen ein lustiges Liedlein. Den letzten Tanz, den sog. Brauttanz, tanzen der Bräutigam mit der Braut und der Brautführer mit der Brautjungfer. Gewöhnlich führt man die Braut nach der Trauung in die Wohnung des Bräutigams, und hierauf findet dann in einem Gasthaus das Hochzeitsmahl statt, wozu auf dem Lande durch persönliches Erscheinen der Brautleute eingeladen wurde. Nach der Mahlzeit und Abends wird getanzt, wobei noch weitere Bekannte erscheinen und dem Brautpaare Geschenke bringen. Die Braut tanzt mit dem Rosenkranznuster (pater noster) in der Hand. Die Hochzeitbelustigungen dauern öfters zwei, zuweilen drei Tage; letzteres ist namentlich in Rottweil der Fall, wobei dann auch Ausflüge in die| Nachbarorte gemacht werden. In einigen Orten besteht die Sitte, daß ein aus dem Dorf oder in das Dorf fahrender Brautwagen mittelst einer quer über die Straße gespannter Schnur unter Hersagen des Spruchs:„Es gehen drei Gsellen über Land
I glaub si häben en guete Verstand.
I thät si bitten in Ehren
Si sollene au epes in d’Reiste verehren“,
so lange scheinbar angehalten wird, bis man den Anhaltenden ein Trinkgeld reicht. Auf dem Brautwagen muß die Nätherin sitzen und vorne auf demselben ist in der Regel die Wiege angebracht. Die Hochzeiten werden meistens am Dienstag gehalten, am Mittwoch dagegen niemals, weil sich an diesem Tage, nach dem Volksglauben, Judas gehängt hat; auch am Freitag finden keine Hochzeiten statt.
Bei Taufen wird in der Regel nach der Tauffeierlichkeit den Pathen und Anverwandten ein kleiner Taufschmaus oder eine sogen. Taufsuppe im Hause der Wöchnerin oder noch häufiger im Wirthshaus gegeben. In Böhringen nimmt der Pathe den Säugling auf die Arme und trägt ihn um den Hochaltar, vor dem er eine Zeitlang niederkniet.
Das Schießen von den ledigen Burschen an Taufen und Hochzeiten ist noch ziemlich allgemein, jedoch auch im Abnehmen.
Die Leichenbegängnisse werden mit Ernst und Würde nach der kirchlichen Vorschrift gehalten; in der Klage (Leichenzug) gehen die leidtragenden Männer voran, ihnen folgen die übrigen männlichen Personen, an welche sich alsdann die leidtragenden weiblichen Personen nebst den andern anschließen. Bei den Katholiken wird während des Gangs auf den Friedhof laut gebetet, und dann am Grabe von dem Ortsgeistlichen eine Rede gehalten; in dem protestantischen Schwenningen findet unmittelbar nach dem Leichenbegängniß ein Kirchgang statt, wo dann in der Kirche eine Predigt von dem Ortsgeistlichen gehalten wird. Die früher allgemein üblichen Leichenschmäuße nach dem Trauergottesdienst sind in den meisten Orten abgegangen oder sehr vereinfacht worden. In Böhringen besteht die Sitte, daß man bei Leichenbegängnissen auf jede Ecke des Sarges je ein Sechskreuzerstück legt, welche alsdann die Träger, bevor sie den Sarg aufheben, zu sich nehmen.
Von den Volksspielen ist das Kegelschieben allgemein, auch das Scheibenschießen wird nicht allein in der Oberamtsstadt, sondern auch in einigen Landorten gepflegt; dagegen ist das Kartenspiel seltener als in vielen Gegenden des Landes.
Am Nikolaustag geben die Eltern den Kindern Eßwaren und| am Vorabend dieses Tages wird „geklöpfelt“, d. i. Erbsen und kleine Steinchen an die Fenster geworfen zur Erinnerung der Kinder, daß der heil. Nikolaus in der Nacht einlegt, d. i. Geschenke bringt. Wenn die Eltern am Vorabende des Nikolaustag Geschenke auf den Markt in Rottweil kaufen, so heißt man dieß „den Klausen stören“. Wie im ganzen Lande, so erhalten auch hier die Kinder an Weihnachten, zum Theil auch am Neujahrsfest, Geschenke von den Eltern, an Ostern zuweilen gefärbte Eier.Am Neujahrsmorgen wird C. M. B. (die Namen der drei Könige) wieder frisch an die Stuben- und Stallthüren geschrieben. An Lichtmeß werden die Kerzen, und an Maria Himmelfahrt die Kräuterbüschel, in welche man gerne Johanniskraut bindet, geweiht.
Wenn am Vorabend vor Micheli in Rottweil das erstemal die kleine Glocke auf dem Kapellenthurm Abends 7 Uhr geläutet wird, „Micheliläuten“, so nimmt man einander an den Ohren. Bei verdächtigen Gängen zur Nachtzeit wird noch zuweilen dem Verdächtigen Sägmehl oder Sand gestreut.
Wenn Jemand im Haus stirbt, soll man alle beweglichen Gegenstände, namentlich die Bienenstöcke, anders stellen.
Eine Grille im Haus soll Glück bedeuten. Beim Auseinandergehen aus Gesellschaften sagt man „zürnet nüütz“.
Die Volkstracht beginnt auch im diesseitigen Bezirk wie beinahe in allen Gegenden des Landes allmählig zu weichen, und einem geschmacklosen Gemenge von ländlicher und städtischer Mode den Platz zu räumen; namentlich gilt dieß bei der Jugend beiderlei Geschlechts, während ältere Leute häufig noch der ehrbaren Tracht ihrer Voreltern treu geblieben sind. Bei den Männern ist der lange blaue Tuchrock mit stehendem Kragen, kurzer Taille und schwarzen, zuweilen auch metallenen Knöpfen, die am Rücken weit auseinander gesetzt sind, immer noch der allgemeinste. Das Brusttuch besteht meist aus schwarzem oder braunem Manchester, zuweilen noch aus rothem Scharlachtuch mit platten Metallknöpfen, seltener Rollknöpfen. Die schwarzen kurzen Lederhosen trifft man noch sehr häufig, seltener sind die gelben, auch die langen Tuchhosen machen sich allmählig etwas geltend. Die Fußbekleidung besteht aus sog. Rahmenstiefeln, die bis über die Waden hinauf reichen oder aus Bundschuhen, und die Kopfbedeckung vorherrschend aus dem niederen, breitkrämpigen Schlapphut, an einigen Orten aus dem hohen Filzhut (Schlosser), und in Villingen aus der pelzverbrämten Mütze. Der dreispitzige Hut wird hauptsächlich noch in Täbingen getroffen und erinnert dort schon an die Tracht der Unterländer.
Bei den weiblichen Personen unterscheiden sich die Trachten im| allgemeinen nach den Konfessionen; während die Katholiken mehr bunte Farben lieben, kleiden sich die protestantischen Frauen und Mädchen in dunkle Farben, und sind am Beharrlichsten in ihrer Volkstracht. Die sog. Radhauben und die glatt auf dem Kopfe anliegende schwarzen Hauben (Kappen), von denen breite Bänder über den Rücken herab hängen, sind die allgemeinsten; in Täbingen sind die sogen. Backenhauben üblich. In mehreren Orten findet man bei den Mädchen eine ganz eigenthümliche Kopfzierde, die sogen. Schappel; es ist dieß eine Art Krone, die auf einen kleinem Reif, der aber das Haupt nicht umschließt, sondern künstlich auf demselben befestigt werden muß. Auf diesem Reif erhebt sich ein Drahtgeflecht, das mit Flittergold und allerlei glänzenden beweglichen Gegenständen, wie farbiges Glas, Metallstücken etc. besetzt und behängt ist. Die Schappel wird von den Mädchen nur bei kirchlichen Feierlichkeiten, z. B. bei Taufen, Hochzeiten und kirchlichen Festen getragen. Die jüngere Generation hat jedoch schon angefangen, diesen gut kleidenden Kopfschmuck durch künstlich gemachte Blumenkränze zu ersetzen. Der übrige Anzug besteht bei dem weiblichen Geschlecht vorherrschend aus einem schwarzen, auch grünen oder rothen vielgefältelten Wilflingrock, schwarzem Spencer von Tuch, Taft oder Sammt, der meist offen über den Koller getragen wird, größtentheils farbige, seidene Schürze, die in einigen dem Schwarzwalde näher gelegenen Orten sehr groß getragen, und mit den unteren Ecken (Zipfel) rückwärts zusammen gebunden wird. Das seidene Halstuch wird meist bunt – und in einzelnen Orten so getragen, daß es das Kinn noch bedeckt. Die Strümpfe sind weiß und in Schwenningen roth, in Flötzlingen theilweise blau. In einigen Orten, wie z. B. in Herrenzimmern und Irslingen, flechten die Jungfrauen rothe, in Deißlingen grüne Bänder in die Zöpfe. In Flötzlingen tragen die Jungfrauen Leibgürtel, die aus 3–5 silberähnlichen Metallketten bestehen. Die schönste und namentlich bei dem weiblichen Geschlechte am reinsten erhaltene Volkstracht trifft man in Schwenningen, wo die Tracht der Baar noch in den Bezirk hereingreift; hier tragen die Männer schwarze Schlapphüte, dunkelblaue Tuchröcke mit kurzer Taille und schwarzen Knöpfen, schwarze kurze Lederhosen, scharlachrothe oder schwarzmanchesterne Brusttücher, weiße Strümpfe und Bundschuhe. Die weiblichen Personen tragen anliegende schwarze Kappen, von denen breite schwarze Bänder über den Rücken hinabhängen, reichgefältelte glänzendschwarze Zeugkleider, die gegen unten mit schwarzem Tuch, sog. Belege, besetzt sind und je nach Vermögen schmäler oder breiter angebracht werden. Auch die Brust und der Rücken ist von feinem schwarzen Tuch und mit schwarzem Seidedamast oder Orleans besetzt, die Brust| überdieß mit seidenen oder wollenen Nesteln geschnürt. Über das Kleid wird ein Spencer von schwarzem Manchester offen getragen, im besonderen Putz mit schwarzen Tuchärmeln. Die Unterröcke sind von rothwollenem Tuch und die vielgefältelten Schürzen von schwarzglänzendem Baumwollzeug; letztere werden mit den unteren Ecken gegen hinten zusammengeknüpft. Die Strümpfe werden von rother Wolle und die Schuhe weit ausgeschnitten getragen.Die Mundart ist im allgemeinen ein Gemenge von schwäbisch und alemannisch, letzteres macht sich im Westen des Bezirks gegen den Schwarzwald hin allmählig geltender und gewinnt im Süden bei Schwenningen sogar die Oberhand. Mit den sich häufenden Anklängen an die alemannische Mundart wird der Dialekt der Bezirksbewohner wohlklingender und gemüthlicher. Das dem Schwarzwald eigenthümliche veil statt viel, leigen statt liegen, dringt auch in den diesseitigen Bezirk theilweise ein. Von eigenthümlichen Ausdrücken und Redensarten nennen wir ferner: Gutterlochen (Rumpeln im Magen), Bollenfidle (trocken gewordener Schmutz an den Kleidern), hollaus (heillos), er bhebt se (er klagt über ein Leid), kopös (empfindlich), Triäpel (Fieber), jo moredli (ja führwahr), grausig (gar arg), sänd er bald gröa? (seid ihr bald fertig), trimmelig (schwindlig), nabgrauseln (hinabrollen), knörig (geizig), der Ungenannte (Fingerkrankheit), hännen und dänen (hier und dort), zäschen (streuen, z. B. Gras, Heu etc.), Mockel (Stück, z. B. ein Stück Brot, „Brotmockel“), Fetzen und Bletz (ein kleines Stück Feld), Heubel (Ameisenhaufen), Schibbel (Scholle, Ackerscholle), Murkel (altes Weibchen), es dottert mir, dir etc. (Ahnung von etwas Unglücklichem), Schütte, auch Kratte (Korb), es blangt mi (ich kann’s nicht erwarten), Gsundheit mi freits (Zuspruch beim Trinken), d’Leut keits (die Leute ärgerts), Bauken (Roßkümmel), dappik (ungeschickt), Närschegori (närrischer, lustiger Mensch), Sucht (Epidemie oder Endemie), vom Frost angestaußen (von Krankheit befallen etc.) etc.
Die Vermögensverhältnisse der Bezirksbewohner gehören mit Ausnahme der unbemittelten Orte Gößlingen, Hausen a. Th., Locherhof und Zimmern u. d. B., theils zu den mittelmäßigen, theils zu den guten, bis sehr guten. Die vermöglicheren Orte sind: Rottweil, Bösingen, Deißlingen, Dietingen, Dunningen, Flötzlingen, Hausen o. R., Herrenzimmern, Irslingen, Lackendorf, Neufra, Schömberg, Schwenningen, Stetten o. R., Täbingen und Villingen (siehe auch die Ortsbeschreibungen).
- ↑ Von Finanzrath Kull.
- ↑ siehe auch die Landesbeschreibung von 1863 S. 316.
- ↑ siehe den Jahrgang 1854 der Tübinger Zeitschrift für Staatswissenschaft S. 361 und 362.
- ↑ Vergl. auch die beigegebene Karte.
- ↑ s. Jahrgang 1869 der württ. Jahrbücher S. 172. 173.
- ↑ s. Jahrgang 1857 der württ. Jahrbücher S. 100.
- ↑ Anmerkung. Die im Jahre 1873 stattgehabte neue Aufnahme des Grundbesitzes, deren Ergebnisse noch nicht vollständig vorliegen, liefert zwar theils der faktischen Änderung der Verhältnisse, theils der Verschiedenartigkeit der Gesichtspunkte wegen, nach denen beiderlei Aufnahmen durchgeführt worden sind, andere Ergebnisse, indem die entsprechende Klasse der Grundbesitzer von 11/2 Hektaren und weniger nicht so stark besetzt erscheint, stimmt aber nach vorläufiger Berechnung insofern mit der Aufnahme von 1857 überein, als 13 von obigen 18 Gemeinden gleichfalls wieder als solche erscheinen, die innerhalb der Ordnungsziffern 1–18 die meisten kleinen Grundbesitzer, bis zu 11/2 Hektaren aufweisen, sowie auch wieder 10 von letzteren 18 der östlichen Hälfte des Bezirks angehören.
- ↑ s. auch Amman, die Hofgüter Württembergs.
- ↑ s. Jahrgang 1853 der württ. Jahrbücher II. S. 162.
- ↑ vgl. den Jahrgang 1867 der Jahrbücher S. 12 und 13.
- ↑ Nämlich Böhringen, Göllsdorf, Neukirch, Roßwangen und Schömberg.
- ↑ Nämlich Bösingen, Bühlingen, Deißlingen, Dunningen, Lauffen, Stetten, Zimmern ob Rottweil.
- ↑ S. Jahrgang 1863 der Württembergischen Jahrbücher S. 41 ff. und von 1867 S. 209.
- ↑ Siehe die Beschreibung des Oberamts Oberndorf S. 61.
- ↑ Von Oberamtsarzt, Professor Dr. Rapp in Rottweil.
- ↑ Von hier an vom Verfasser Finanzrath Paulus unter Benützung der von Pfarrer Dr. Glatz gelieferten Beiträge.
- ↑ Korrigiert nach Fußnote 9 in Beschreibung des Oberamts Spaichingen: Beschreibung des Oberamts Rottweil S. 74 Zeile 9 von unten lies anstatt „C. verheirathet unter“ – „C. unverheirathet etc.“
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