Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt/Kapitel B 9

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Harthausen,
Gemeinde III. Kl. mit 596 Einw. Pfarrfilial von Bonlanden.
Das freundliche Dorf mit meist kleinen Häusern liegt 4 Stunden südöstlich von Stuttgart auf der freien Filderebene an einem sanft geneigten, südwestlichen Abhange gegen das hier beginnende Weiherbachthal und ist mit gutem Quellwasser reichlich versehen. Seine durch einen Bergrücken gegen rauhe Nord- und Ostwinde etwas geschützte Lage ist gesund und die Luft etwas milder als in manchen andern Filderorten. Hagelschlag trifft die Markung nur selten. Mitten im Ort, auf einem freien Platze, an der Stelle der früheren Kapelle, steht die 1836/37 von der Gemeinde, welche hiezu von mehreren Seiten beträchtliche Beiträge erhielt, mit einem Aufwand von 7600 fl. styllos erbaute Kirche, in welcher eine Orgel noch fehlt. In dem eben so schmucklosen Thürmchen, das auf dem Westgiebel der Kirche sitzt, hängen zwei Glocken, die kleinere, worauf die Evangelistennamen stehen, gegossen im Jahre 1511 von Pantlion Sydler zu Eßlingen, und von der früheren Kapelle hierbei | versetzt, – die größere im Jahr 1837 von J. G. König in Langenburg. Ein Gebäude, welches das Rathszimmer, die Schule, die Lehrerswohnung und das Gefängniß in sich begreift, wurde mit einem Aufwande von 4221 fl. 51 kr. von der Gemeinde erbaut. An der Schule unterrichtet ein Schulmeister. Eine Industrieschule, die sich hauptsächlich nur durch die Unterstützung der Centralleitung des Wohlthätigkeitsvereines hält, besteht schon seit 1838. Die Zahl der Vermöglichen in Harthausen ist gering; das Grundeigenthum der 4 größten Gutsbesitzer besteht in 18–20 Morgen, wenige erfreuen sich eines Besitzes von 8–10 Morgen, der größte Theil nährt sich kümmerlich. An versicherten Kapitalien lasten auf den Ortsangehörigen nahezu 60.000 fl. So viel auch die Gemeinde thut, welche ein Armenhaus unterhält und an 25 arme Familien 40 Länder von je 1/8 Morgen als Baufeld unentgeldlich abgibt, so werden doch die benachbarten Orte häufig durch den Bettel der Harthäuser belästigt, bei welchen nicht selten der Müßiggang Hand in Hand mit der Armuth geht, wie es denn auch verhältnißmäßig viele Waldfrevler hier gibt. Bei dem Allem verdient die Mehrzahl der Ortsbewohner das Zeugniß des Fleißes und der Ordnungsliebe, und auch ihr religiöser Sinn hat sich durch die Opfer, welche sie gebracht, um einen eigenen Gottesdienst zu erhalten, erfreulich bekundet. Die Markung besteht meist aus Ackerland, das hier nicht so eben liegt, wie bei den übrigen Filderorten. Der Boden ist im Allgemeinen leicht, mit thonigem Untergrund, und in Folge dessen naßkalt. In nassen Jahrgängen fällt daher die Ernte nicht zum Besten aus, dagegen wird in trockenen Jahren durch eine musterhafte Bebauung dem Boden das Möglichste abgewonnen. Es wird hauptsächlich Dinkel, weniger Gerste und etwas Roggen gebaut; von den Bracherzeugnissen ist außer den gewöhnlichen der Flachs zu nennen, der hier sehr gut gedeiht und einen Haupterwerbszweig der Einwohner bildet. Die Preise der Äcker gehen von 200–400 fl. pr. Morgen. Der Obstbau ist nicht beträchtlich und überdieß der Ertrag verhältnißmäßig gering. Der Ertrag der Wiesen ist nur mittelmäßig; ihre Preise sind denen der Äcker gleich. Da Harthausen keine Schafe hält, aber das Weiderecht auf den Markungen Aich, Sielmingen und Grötzingen besitzt, so wird das Vieh in günstigen Jahrgängen nach dem Öhmden auf die Wiesen getrieben. Die Farrenhaltung liegt seit 1813 der Gemeinde ob und wird verpachtet. Mit Vieh wird einiger Handel getrieben und die Milch kaufen zum Theil die Bonlander. Neben den gewöhnlichsten Gewerben befinden sich hier viele Leineweber und zwei Schildwirthe. Durch ein 1/4 Stunde langes Sträßchen, welches 1842 kunstgerecht angelegt wurde, ist der Ort mitder Stuttgart–Uracher Landstraße in Verbindung gesetzt. Weitere Straßen führen | von Harthausen einerseits nach Aich und Grötzingen, andererseits nach Neuhausen, von welcher Straße sich eine Zweigstraße nach Wolfschlugen zieht und nach Sielmingen. Es sind jedoch nur die Straßen nach Aich und Grötzingen, und auch diese nur theilweise chaussirt. Die Gemeinde hat außer 66 Morgen schlecht bestockten Waldes, welchen sie im Jabr 1820 als Abfindung für ihre Schönbuchsgerechtigkeiten erhielt, und welcher jährlich etwa 80 fl. einträgt, nur 29 Morgen Gemeindegut. Demnach sind die Ausgaben meist durch Umlagen zu bestreiten, und der Gemeindeschaden beträgt oft dreimal so viel als die Staatssteuer. Das Vermögen der Gemeindepflege nach Abzug der Passiven war im J. 1849 731 fl., und es fehlten zur Ergänzung der vorgemerkten Grundstockssumme noch 1159 fl. Die Stiftungspflege besaß im Jahr 1849 blos 752 fl., während das Grundstockssoll 855 fl. beträgt.

Den großen, den kleinen und den Heuzehenten bezieht fast ganz der Spital Nürtingen und hat solche an die Gemeinde verpachtet. Für 62/8 Morgen der Staatsfinanzverwaltung großzehentpflichtige und für 8 Morgen der katholischen Pfarrei Neuhausen groß- und kleinzehntpflichtige Äcker wird ein Surrogat bezahlt. Grundgefälle an Gülten, Hellerzinsen etc., welche an die Spitale zu Nürtingen und Eßlingen, und an die Staatsfinanzverwaltung zu bezahlen waren, sind mit einem Capital von 3464 fl. abgelöst worden.

Auf dem sogenannten Brand, 1/4 Stunde westlich vom Ort, wurden Grundmauern römischer Gebäude und eine Menge römischer Ziegel, Heizröhren u. s. w. ausgegraben; die von Aich herkommende Römerstraße führt durch den Ort und weiter nach Unter-Sielmingen, Kemnath u. s. w.

Das Dorf gehörte zu derselben Grafschaft, wie die andern Filderorte. Die Vogtei stand den Herren von Bernhausen zu. Im Jahr 1338 Februar 11 verkaufte Heinz, Sohn des Herrn Johannes von Bernhausen, die hiesige Vogtei sammt Zugehör und dem Habergeld zu Ober-Sielmingen an seinen Bruder Wolf von Bernhausen und an Johannes Wilperg, Bürger zu Eßlingen, um 70 Pfd. Heller (Reg. Boic. 7, 208). Später erscheinen die Herren von Stammheim im Besitz des Ortes; im Jahre 1514 verkaufte Wolf von Stammheim an seinen Bruder Konrad seinen Antheil (Gabelk.), und im Jahr 1554 gelangte der Ort von Johann Konrad von Stammheim an Württemberg (Crusius Paral. 92). Bezüge allhier hatten der Eßlinger Spital seit 1304, das dortige St. Clarakloster seit der Mitte des 14. Jahrh. Güter verlieh das Kloster Hirschau in den Jahren 1341–1453 an die von Schilling. Ursprünglich war Harthausen Filial von Plattenhardt (Gabelk.), nach der Reformation wurde es Filial von Unter-Sielmingen und 1838 kirchlich mit Bonlanden verbunden.


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