Beschreibung des Oberamts Tübingen/Kapitel B 25

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Rübgarten,

Gemeinde III. Klasse mit 470 Einwohnern, worunter 2 Kath. – Ev. Dorf und Filial von Gniebel; die Kath. sind nach Tübingen eingepfarrt. 21/2 Stunden nordöstlich von Tübingen gelegen.

Auf der Hochfläche über den linken Neckarthalgehängen, von der man eine schöne Aussicht an die Alb und besonders in die Gegend von Reutlingen genießt, liegt frei zwischen dem Thälchen des Reichenbachs und des Gnieblerbachs der mittelgroße, meist aus kleinen Häusern bestehende, freundliche Ort.

Im obern Theil des Dorfes steht das dem Grafen Dillen, früher dem Freiherrn von Kniestädt gehörige Schloß, das im Verein mit Ökonomiegebäuden, der Kirche und einer Mauer den Hofraum und einen kleinen Garten umschließt; im Rücken des Gebäudekomplexes liegt der ansehnliche Schloßgarten. Das Schloß, ein einfaches, zweistockiges, im Spätrenaissencestil gehaltenes Gebäude ist im oberen Stockwerk nicht bewohnt, im unteren hat sich ein Forstschutzwächter eingemiethet. An dem malerischen Schloßeingang steht 1710. In der| Hausflur sind schöne Hirschgeweihe angebracht. Über dem rundbogigen Eingang in den Schloßhof befindet sich das v. Kniestädt’sche Wappen und die Jahreszahl 1706.

Die an das Schloß angebaute, 1811 eingeweihte Pfarrkirche, welche mit Hilfe einer im Land veranstalteten Kollekte erbaut wurde, hat die Gemeinde zu unterhalten; sie ist im einfachen Stil und von rechteckiger Grundform erbaut und hat eine flache Decke; die 1837 gefertigte Orgel steht auf der westlichen Empore. An der Nordwand hängt ein spätgothischer Altar, der zu den best erhaltenen und schönsten Werken aus dieser Zeit gehört. Er ist 4′ hoch und breit und hat zwei Flügel, auf denen außen der englische Gruß dargestellt ist; unten steht: Hans Syrner maler, oben: Gott allein die Chr. 1505. Auf den Innenseiten der Flügel ist links die h. Barbara, rechts die h. Ottilia angemalt; im Altarschreine stehen, aus Holz geschnitzt, in prächtigen Gewändern, in der Mitte der h. Wendel, ihm zur Seite Maria mit dem Kinde und der h. Jakob. Den Hintergrund bildet ein herrlicher gepreßter Goldgrund. Die Ornamente spielen schon etwas in die Rennaissence hinüber.

Auf dem hölzernen Dachreiter hängen zwei Glocken, die eine ist von 1811, die andere alt und hat die Umschrift: Maria hilf uns us noeten.

Der Begräbnißplatz wurde 1837 außerhalb (nordwestlich) des Dorfs angelegt; früher mußten die Verstorbenen in Walddorf, und in ganz alter Zeit in Weil im Schönbuch beerdigt werden.

Das vereinigte Schul- und Rathhaus ist mit Hilfe eines Beitrags von 1000 fl. aus der Karl von Kniestädt’schen Stiftung im Jahr 1830 von der Gemeinde erbaut worden; es enthält ein Lehrzimmer, die Wohnung des Schulmeisters und die Gelasse für den Gemeinderath.

Überdieß sind ein öffentliches Waschhaus, ein Armenhaus, ein Schafhaus und ein Spritzenhaus vorhanden.

Gutes Trinkwasser liefern hinlänglich drei laufende und drei Pumpbrunnen und wenn auch in ganz trockenen Sommern in einigen Brunnen das Wasser ausbleibt, so hilft der nahe am Ort gelegene vortreffliche Kromerbrunnen, wie auch eine auf der Markung Gniebel befindliche Quelle aus. Eine Wette ist vorhanden. Im allgemeinen ist die Markung nicht quellenreich.

Die Einwohner, ein sehr kräftiger, arbeitstüchtiger Menschenschlag, sind im allgemeinen fleißig, rührig, sparsam und finden ihre| Hauptnahrungsquellen in Feldbau und Viehzucht; viele arbeiten als Taglöhner, Maurer und Steinhauer.

Was die Vermögensumstände betrifft, so besitzen etwa 6 Bürger 20–50 Morgen, der sogen. Mittelmann 15 Morgen und die ärmere Klasse gar nichts als Allmandstücke, oder nur ganz wenig Grundeigenthum. Auf angrenzenden Markungen besitzen die Ortsbürger etwa 50 Morgen. Das dem Grafen v. Dillen gehörige, auf der Markung zerstreut gelegene Gut umfaßt 483 Morgen, wovon 111 Morgen Äcker, 80 Morgen Wiesen, 17 Morgen Gärten und Länder, 275 Morgen Wald. Die Felder samt 1/3 der Ortsschafweide und Pferchgerechtigkeit sind an 16 Ortsbürger verpachtet; die Waldungen stehen in eigener Bewirthschaftung. Die Gewerbe beschränken sich, außer den schon genannten, nur auf die gewöhnlichsten Handwerker, worunter ein Zimmermann, der auch nach außen arbeitet. Schildwirthschaften sind zwei und Krämer drei vorhanden. Linnenspinnerei und das Stricken wollener Kittel wird in mäßiger Ausdehnung betrieben.

Die nicht große, meist ebene Markung hat zu 2/3 einen ziemlich guten, zu 1/3 einen geringen Boden, der auf der Hochfläche größtentheils aus einem nicht tiefgründigen, naßkalten Lehm, zuweilen auch aus stark gebundenen Letten besteht. Dinkel gedeiht am besten; übrigens sind im allgemeinen die Früchte etwas leicht.

Wegen der Nähe des Waldes ist das Klima etwas rauh und warme Sommernächte sind selten, auch schaden kalte Nebel und Frühlingsfröste öfters, namentlich in den tiefer liegenden Partieen. Hagelschlag gehört zu den Seltenheiten.

Die Landwirthschaft wird mit Anwendung des Brabanterpflugs gut betrieben und der Boden durch kräftige Düngungsmittel (neben dem Stalldünger viel Jauche, Gips, Asche und etwas Kompost) zu verbessern gesucht. Außer den gewöhnlichen Getreidearten pflanzt man Kartoffeln, Futterkräuter, Angersen, Kohlraben, nur ganz wenig Reps und Flachs, dagegen mehr Hanf, der auch auf dem Reutlinger und Tübinger Markt in ziemlicher Ausdehnung verkauft wird. Von den Getreidefrüchten kommen etwa 100 Scheffel jährlich zum Verkauf.

Der Wiesenbau ist ausgedehnt, liefert aber mit Ausnahme der im Neckarthal gelegenen Wiesen nur mittelmäßiges, theilweise sogar saures Futter.

Die Obstzucht, welche sich hauptsächlich mit grünen Mostbirnen, Luiken, Fleinern, Brunnäpfeln und Zwetschgen beschäftigt, ist bedeutend| und erlaubt in günstigen Jahrgängen einen namhaften Verkauf nach außen. Zur Pflege des Obstbaues ist ein besonderer Baumwart aufgestellt.

Eigentliche Weiden sind nicht vorhanden und nur die Stoppelweide wird an einen fremden Schäfer, der 200 Stück Bastardschafe hält, um 50–100 fl. jährlich verpachtet; die Pferchnutzung trägt der Gemeindekasse etwa 100 fl. ein. Das Weidrecht hat zu 2/3 die Gemeinde, zu 1/3 der Gutsherr Graf v. Dillen.

Die an Bürger verliehenen Allmanden sichern der Gemeinde eine jährliche Rente von 30 fl. und die verpachteten Gemeindegüter etwa 200 fl.

Die Rindviehzucht ist gerade nicht besonders ausgedehnt, jedoch in gutem Zustande und beschäftigt sich mit einer tüchtigen Landrace, die durch zwei Simmenthaler Farren gekreuzt und veredelt wird. Der Handel mit Vieh ist wenig bedeutend.

Eigentliche Schweinezucht besteht nicht, indem beinahe alle Ferkel von außen eingeführt und meist für den Verkauf aufgemästet werden.

Geflügelzucht wird für den eigenen Bedarf in ziemlicher Ausdehnung betrieben; Eierverkauf findet statt.

Bienenstöcke befinden sich ungefähr 40 im Ort.

Ein Stiftungsvermögen von etwa 1550 fl. ist vorhanden, außerdem kommt alljährlich aus der allgemeinen K. v. Kniestädt’schen Stiftung, welche in Klein-Bottwar verwaltet wird, die Summe von etwa 60 fl. nach Rübgarten, um unter die Ortsarmen vertheilt zu werden.

Die vor einigen Jahren gut angelegte Vicinalstraße von Kirchentellinsfurth nach Walddorf berührt die Markung und ist mit dem Ort durch eine Zweigstraße in Verbindung gesetzt.

Über den Reichenbach und Gnieblerbach sind eine steinerne Brücke, zwei hölzerne Brücken und zwei Stege angelegt; die steinerne hat Rübgarten gemeinschaftlich mit Pliezhausen, und eine der hölzernen Graf v. Dillen zu unterhalten; die übrigen unterhält Rübgarten.

Im Staatswald Süßenwasen liegt eine viereckige, ohne Zweifel römische Schanze, in deren Nähe römische Bildwerke gefunden wurden (s. den allgem. Theil Abschn. „Alterthümer“), auch befinden sich daselbst drei auffallend große altgermanische Grabhügel.

In dem südlich vom Ort gelegenen Burgwald stand die beinahe ganz verschwundene Burg Wildenau und ein abgegangener Ort gleichen| Namens, unterhalb dessen am Reichenbach die Reichenbacher Mühle lag.

Die Volen von Wildenau waren die Besitzer des Orts Rübgarten, welcher – später entstanden – im 14. Jahrhundert „das Dorf im Rübgarten“ hieß; sie waren Dienstmannen der Pfalzgrafen von Tübingen und wohl stammverwandt mit den Herren v. Lustnau, mit welchen sie ein und dasselbe Wappen, den Hirschkopf, führten (vergl. Lustnau).

Diese Familie erscheint häufig in Urkunden der Pfalzgrafen von Tübingen und des Klosters Bebenhausen, wo sie ihr Erbbegräbniß hatte. Der erstbekannte ist H[einricus] de Wildenowe, in einer Adelberger Urkunde von 1232 (Wirt. Urk.-Buch 3, 301). Sonst kommen Namen vor wie Konrad, Hans, Albert, Wilhelm, Adam. Hans Wendel v. Wildenau, genannt Vol, † 76jährig 1579 Juni 16., jung Hans Wendel † 45jährig 1577 Aug. 20 (nach Bebenhauser Grabsteinen).

Im Jahr 1406 (erzählt eine Reutlinger Chronik bei Gayler 104) waren zwei Brüder die Volen von W. gar wider einander, der ältere hatte das Schloß und wollte dem jüngeren nichts geben, sondern meinte, er soll sich mit Kriegen unterhalten. Der jüngere Bruder verklagte nun zwar den älteren beim Hofgericht in Rottweil, aber der ältere achtete nicht auf das Gebot; hierauf rief jener die Stadt Rottweil um Hilfe an, und erhielt von ihr Mannschaft und Geschütz, womit er den älteren vertrieb und das Schloß gänzlich zerstörte.

Mit Tübingen kam 1342 die Oberlehensherrlichkeit über die von Wildenau an Württemberg; die hohe Jurisdiktion über W. und R. und ein Theil der niedern gehörte dieser Herrschaft.

Adam Vol, württembergischer Jägermeister, und Johann Ludwig, Gebrüder, waren die letzten ihres Geschlechts, welches 1643 ausstarb; ein Sohn Adam Vols war damals wenigstens verschollen. Da belehnte Herzog Eberhard III. von Württemberg mit Rübgarten den Grafen Karl Philibert von Candel, Obervogt in Nagold und Altensteig, doch unter der Bedingung, daß, wenn der Verschollene wieder käme (was nicht der Fall war), diesem sein Recht auf das Gut unbenommen bleiben sollte. Der Sohn des Grafen, Karl Eberhard, kurbrandenburgischer Kämmerer und Oberst, verkaufte 1678 Gut und Dorf Rübgarten mit aller Zugehör und von ihm theils erkauften, theils neu aufgeführten Gebäuden für 7000 fl. an Württemberg. Der dortige Administrator Herzog Friedrich Karl aber belehnte| noch in demselben Jahre damit und mit der niedern Obrigkeit (die hohe vorbehalten) Philipp Friedrich Jäger von Gärtringen, welcher ihm dafür das Lehen Höpfigheim abtrat. Schon damals war wegen der Kollektation ein langwieriger Rechtsstreit mit der Ritterschaft des Kantons Neckarschwarzwald im Gange, welchen die letztere gewann, wie sie denn auch laut Vergleich mit Württemberg von 1769 bis zum Jahr 1806 im Besitz blieb.

Genannter Jäger verkaufte das Gut 1706 an Levin von Kniestädt, dessen Familie 1815 ausstarb, worauf König Friedrich von Württemberg solches Mannlehen dem Grafen von Dillen ertheilte.

Ehemals mit Gniebel ein Filial von Walddorf, wurde R. im Jahr 1842 bei der Errichtung der ständigen Pfarrverweserei in Gniebel dieser letzteren als Filial zugetheilt.


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