Beschreibung des Oberamts Wangen/Kapitel B 21
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21. Gemeinde Ratzenried,
bestehend aus 24 (35) Parzellen auf 21 Markungen, mit 646 Einw., darunter 1 Evangel. Dieser Bezirk liegt zum größten Theil hoch und fällt steil nach dem Thal der untern Argen ab, die ihn nördlich begrenzt. Einige unbedeutende Waldbäche und Weiher bewässern das unebene Gelände; Boden und Klima sind der Kultur nicht sehr günstig, gleichwohl beweist das Beispiel der gutsherrlichen Verwaltung (s. oben S. 57), was eine rationelle Bewirthschaftung auch bei minder vortheilhaften Verhältnissen zu leisten vermöge. Die Vereinödung wurde im Jahr 1768 eingeleitet und 1779 vollendet.| Wie auf die Beförderung der Landwirthschaft, so ist der Gutsherr, Graf von Beroldingen, auch auf die Verbesserung des Gewerbsbetriebs bedacht. Derselbe hat neuerdings eine sogenannte Kunstmühle (s. unten Parz. 14) und eine sehr vervollkommnete Sägmühle mit Maschinerien für Fournire u. dergl. eingerichtet. Auch bestehen hier 4 Sennereien. Im Ganzen ist der ökonomische Zustand der Gemeindeangehörigen befriedigend; die Gemeinde besitzt ein Armenhaus mit einem Fonds von gegen 4000 fl., allein beinahe keinen Armen, der öffentlicher Unterstützung bedürftig wäre. – Grundherr ist der Graf von Beroldingen. Die ganze Gemeinde bildet zugleich auch die Pfarr- und Schulgemeinde Ratzenried, zu welcher außerdem noch Schlichten (Gem. Eisenharz) und Dürren, Oberamt Leutkirch, gehören. Den Zehntbezug hat durchgängig die Pfarrei, und zwar seit länger als 100 Jahren in einem fixirten Geldsurrogat. Nur von Schwenden, das bis 1753 zur Pfarrei Meratzhofen, Oberamt Leutkirch, gehörte, bezieht die diesseitige Pfarrei bloß den Großzehnten.Dieser Gemeindebezirk bildet zugleich das Territorium der ehemals reichsritterschaftlichen Herrschaft Ratzenried, welche ihren Namen von dem unter Parzelle 16 zu beschreibenden Schlosse trug. Ein altes Geschlecht der Ratzenriede scheint schon im vierzehnten Jahrhundert ausgestorben zu seyn.[1] In diesem Jahrhundert finden wir Ratzenried als Lehen des Kl. St. Gallen, welches 1369 Ratzenried die Feste mit dem Schlosse Bütz (?) und dem Dorfe Wetzelried an Hans von Molbrechtshausen, später an die Sirgen von Sirgenstein, 1419 an Walther von Königsegg, darauf an Hartmann von Praßberg, 1423 an Wilhelm Stüdli verlieh. Im Jahr 1453 besaß Walther von Hirnheim Schloß und Herrschaft Ratzenried, der sie in diesem Jahre ohne Erwähnung des Lehensherrn als freies Eigenthum an den Junker Johs Humpiß (Hundbiß) von Ravensburg verkaufte. Als Inhaber von Schloß und Herrschaft Ratzenried erneuerte letzterer 1460 sein Bürgerrecht in der Stadt Ravensburg. Seine Nachkommen nahmen nun den Namen und das Wappen der alten Ratzenrieder an, indem sie das letztere mit ihrem Familienwappen vereinigten.[2] Sie vereinigten die Herrschaft Arnsberg (Ansberg) mit Ratzenried, tauschten 1589 und 1590 mehrere Güter ein, die in der Nähe von Ratzenried lagen, und erkauften Schwenden. Dagegen veräußerte Ludwig von Ratzenried die fünfzehn Jahre zuvor von den Truchsessen erkaufte Herrschaft Bellamont (Oberamts| Biberach) wieder an das Kl. Ochsenhausen um 25.000 fl. Der letzte männliche Sprosse dieses Hauses, Frhr. Franz Konrad von Ratzenried, erwarb noch im Jahr 1810 mehrere Güter, Gefälle und Rechte in den jetzigen Oberämtern Ravensburg und Leutkirch von Nassau-Oranien durch Kauf,[3] überließ aber 1811 sämmtliche Besitzungen verkaufsweise seinem Vetter, dem Grafen Paul Joseph von Beroldingen, und starb den 3. Jan. 1813. Der gegenwärtige Besitzer ist Graf Paul Ignatius von Beroldingen, k. Kammerherr, dritter Sohn des verstorbenen Grafen Paul Joseph. Die Herrschaft Ratzenried war zum Ritterkanton Hegau-Bodensee kollektabel, und hatte hohe und niedere Jurisdiktion. Im Jahr 1806 kam sie unter k. bayerische, 1810 unter k. württemb. Souveränität. Noch jetzt ist sie mit allen ihren Rechten, Kirchensatz, Vogtrecht etc. Mannlehen. Zu dem Schloßgut gehören: Garten 1 M., Äcker 1104/8 M., Wiesen 1032/8 M., Waldungen 949 M., Weiher 98 M., der jährliche Reinertrag berechnet sich auf ungefähr 3000 fl.
- 1) Ratzenried, kath. Pfarrdorf mit 155 Einw. (darunter 1 Evang.), nebst a) Bendel, Hof mit 6 Einw., b) Fischer, Hof mit 13 Einw., c) Fricks, Hof mit 7 Einw., d) Ihrles, Hof mit 17 Einw., e) Meister, Haus mit 8 Einw.
- 2) Alperts, Weiler mit 40 Einw. Einen Hof tauschte Wangen 1564 gegen ein Gut in Bürsten von einem Matth. Motz aus.
- 3) Ansberg (Arnsberg), Hof mit 7 Einw., am Rand der steilen Argenthal-Wand. Hier stand in alten Zeiten eine Ritterburg, zu deren Füßen eine Brücke über die Argen führte. Edle von Arnsberg erscheinen 1196 (Weißenauer Trad. Buch) und 1241 (Weing. Urk.). Auch diese Burg mit dem Brückenzoll war St. Gallisches Lehen, und wurde 1413 dem Heinrich Sürg, 1419 dem Hans Humpiß verliehen, später aber mit Ratzenried vereinigt. Der Burghügel ist jetzt mit Gebüsch und Wald überwachsen; doch lassen sich die Fundamente der 120 Schritte in Umfang betragenden Ringmauer noch verfolgen. Die Brücke befindet sich jetzt etwas weiter unten bei Dürren.
- 4) Argenmühle, Mahlmühle mit 9 Einw.
- 5) Artisberg, Weiler mit 28 Einw. Bemerkenswerth ist eine schöne Insel in dem benachbarten See.
- 6) Berfallen, Weiler mit 31 Einw., nebst Brietschneider, Hof mit 16 Einw. Die Stadt Wangen besaß in Berfallen, Schwenden, Reute, Zumberberg (Zimmerberg) und an der Argen mehrere Höfe und Güter, die von ihren sogenannten freien Ausbürgern bewohnt und benützt wurden. Diese überläßt die Stadt 1589 dem Ludwig von Ratzenried gegen andere Güter bei Niederwangen und Deuchelried.
- 7) Berg, Hof mit 11 Einw., nebst Maurers, Hof mit 8 E. Berg wurde 1590 von Wangen gegen andere Güter ausgetauscht.
- 8) Buchen, Weiler mit 37 Einw.
- 9) Burkardts, Hof mit 10 Einw.
- 10) Eggen, Hof mit 2 Einw. –
- 11) Hochstetten, H. mit 7 E. – beide auf der Markung Ratzenried
- 12) Kögelegg, Hof mit 6 Einw., höchste Kuppe des Landrückens zwischen beiden Argen, s. oben S. 6.
- 13) Mittelried, Weiler mit 15 Einw., nebst Knobel, Hof mit 4 Einw.
- 14) Neumühle, Mühle mit 2 Einw., auf der Markung von Burkardts, an der Argen und an der Straße nach Kißlegg und Leutkirch, dem Gr. von Beroldingen gehörig. Die Hälfte dieser Mühle hat amerikanische Einrichtung mit eisernem Triebwerk, und wird ausschließlich auf den Mehlhandel betrieben.
- 15 Oberried, Hof mit 6 Einw.
- 16) Platz, Hof mit 9 Einw. Wenige Schritte südlich von diesem, an sich schon hoch gelegenen, Hof zieht sich ein tiefer Zwinger| um den halben Burgberg, der die ausgezeichnet schönen Ruinen der alten Veste Ratzenried trägt. Diese Trümmer gehören unstreitig zu den ausgedehntesten und sehenswürdigsten des Landes; durch Veranstaltung der Gutsherrschaft sind sie bequem zugänglich gemacht worden. Mächtige Thürme befestigten die Ecken der Umfangsmauer; in der Mitte des weiten Hofraums erhob sich das gewaltige Schloßgebäude, von welchem nur noch Kellergewölbe vorhanden sind. Von den Thürmen aber und der äußern Mauer steht zum Theil noch die Hälfte. Ein Wäldchen von schlanken Tannen hat den innern Burgraum eingenommen und macht diese Stätte der Zerstörung zum angenehmsten Spaziergang. Das Malerische des Bildes wurde durch den großen Schloßweiher erhöht, der sich um die steile Südseite des Burgberges herumzog, gegenwärtig aber in nutzbares Kulturland verwandelt ist. Die Schweden richteten hier und in den benachbarten Wohnplätzen den 8. Mai 1633 die vollständigste Verwüstung an und brannten das Schloß nieder, das in der Folge nicht wieder aufgebaut wurde.
- 17) Rehmen, Hof mit 7 Einw.
- 18) Reute, Weiler mit 19 Einw., s. Nr. 6.
- 19) Schwenden, Weiler mit 39 Einw., nebst Schwenderhof, mit 8 Einw., s. oben Nr. 6. Schwenden hatte eigene adelige Besitzer, von welchen Heinrich und sein Bruder 1309 dem Kl. Weißenau ein Gut verkauften. Einige Überbleibsel ihrer Burg sind noch auf einer gegen Norden etwas steilen Höhe zu sehen.
- 20) Sechshöf, Weiler mit 29 Einw., nebst a) Neckeler, Hof mit 12 Einw., und b) Reutemann, Hof mit 8 Einw. Auf der Wangenschen Landtafel und ältern Karten führen diese Höfe den Namen Ratzenried oder Ratzenrieder Weiler.
- 21) Thal, Weiler mit 26 Einw.
- 22) Vallerey, Hof mit 7 Einw., ehemals auch Falleraich geschrieben. Östlich über dem Hof stand auf einem ungefähr 70′ hohen Hügel eine Burg, deren ehemalige Besitzer unbekannt sind. Man fand hier mehrere, einem kleinen Schmelztiegel nicht unähnliche Gefäße von graulicher Erde.
- 23) Weihers, Weiler mit 18 Einw.
- 24) Zimmerberg, Weiler mit 19 Einw., s. Nr. 6.
- ↑ So viel wenigstens, daß es alt war, ist aus der berüchtigten St. Emeramer Urkunde zu schließen erlaubt.
- ↑ Das Wappen der Humpiß-Ratzenried ist geviertheilt; auf 2 Feldern sind 3 laufende Hunde übereinander; auf den beiden anderen eine Rose. Die Pfarrkirche in Ratzenried enthält mehrere Monumente dieser Familie.
- ↑ Siehe Oberamtsbeschreibung von Ravensburg S. 157. Anmerk.