Bloody News! Krieg im Heiligthume der Kunst!
Krieg im Heiligthume der Kunst!
Eine kleine Geschäftsreise nach L., welche mich in den ersten Tagen der diesjährigen Kunstausstellung von hier entfernte, ist Schuld, daß ich mein Versprechen, Ihnen über die interessantesten Produkte derselben einige Nachricht mitzutheilen, nicht eher erfüllen können; als ich nach drei Wochen wieder zurückkam, sah ich mich durch die öffentlichen Berichterstatter in fliegenden Blättern und [314] Zeitschriften für diesmal der Mühe überhoben. Und wenn ich die Sache recht erwäge, so möchte ich beinahe glauben, daß mein Schutzgeist mich gerade zur rechten Zeit von hier entführt habe, um eine Gefahr von mir abzuwenden, der ich sonst vielleicht nicht entgangen wäre; denn hätten Sie meine freimüthigen Urtheile und Bemerkungen, wie ich fast nicht zweifle, unserm Freunde B. für sein Journal mitgetheilt, wer weiß, ob ich nicht durch einen handfesten Antikritikus so widerlegt worden wäre, daß ich mich jetzt außer Stand befände, die Feder anzusetzen. Wenn Sie mich nicht verstehen, so bitte ich nur weiter zu lesen, und alles wird Ihnen klar werden.
Die besondere Theilnahme, welche die diesjährige Ausstellung durch mehrere vorzügliche Beiträge hier lebender, mit der Akademie in keiner Verbindung stehender Künstler, eines Hartmann, von Kügelchen, Kaaz u. a. im hiesigen kunstliebenden Publikum erregt hatte, ist durch einige über dieselben erschienene Kritiken noch mehr belebt worden, und so wie im gewöhnlichen Leben das Volk sich versammelt und einen Kreis schließt, wo ein Paar Boxer ihre Kräfte gegen einander versuchen, so sind auch wir jetzt über den Ausgang eines sonderbaren Zwistes, der sich hier zwischen der Kunst und der Kritik entsponnen hat, in gespannter Erwartung. Wenn dieser Zwist, und besonders die Art, wie er verhandelt wird, auch dem besseren Theile des Publikums als unwürdig und unanständig mißfällt, so gereicht er doch dem größeren Theile desselben, besonders aber denen, die dabei zunächst interessirt sind, zu großem Vergnügen; wenigstens muß man dies glauben, weil die Herren ihn sonst nicht begonnen hätten. So viel mir von diesem Handel zur Kunde gekommen ist, will ich Ihnen davon erzählen. Die erste Recension der diesjährigen Ausstellung [315] erschien im Dresdner Anzeiger, deren Verfasser, ein hier lebender junger Schöngeist F. P., ein rüstiges, thätiges Männlein voll Kenntniß, Geist und jugendlicher Keckheit, seine Urtheile nach Recensenten Weise dreist hinter dem Schirme der Anonymität hervorgerufen hatte; da nun sein Lob und Tadel nicht nach der Meister und Gesellen Weise war, deren Arbeiten darin gelobt und getadelt worden, so verursachte seine Kritik, die höchstens als ein Produkt ziemlich unreifen und anmaßenden Kennerdünkels, belacht zu werden verdient hätte, einen gewaltigen Lärm unter dem reizbaren Völkchen der hiesigen Künstlerrepublik; und wenn der Verfasser, dem man indessen auf die Spur gekommen war, sich in Dresden gegenwärtig befunden hätte, so würde man ihn wahrscheinlich genöthigt haben, seine Urtheile durch ein Paar Duelle oder Faustkämpfe zu verfechten; aber nachdem er die brennende Lunte ans Pulverfaß gelegt, hatte er sich klüglich von hier entfernt und eine kleine Reise unternommen, von der er wohl nicht eher zurückkommen wird, bis mit der Ausstellung auch die Explosion verhallet ist. Da man den Verfasser nun nicht in Person habhaft werden konnte, so wollte man wenigstens an seiner Kritik die gebührende Rache nehmen und das gereizte Müthchen kühlen. Sie ward, zur heilsamen Warnung aller kritisirenden Schöngeister, die nur zu tadeln wissen, wo sie loben sollten, in dem Ausstellungssaale angenagelt, so wie der Jäger einen erlegten Raubvogel an den Thorweg seines Gehöftes, oder der Kaufmann einen falschen Gulden auf seinen Ladentisch zu nageln pflegt. Eigentlich aber sollte dieser Annagelungsproceß wohl eine Execution in effigie vorstellen, und bedeuten, daß man den Kunstfrevler, wenn man ihn in Person bei der Hand gehabt, lieber mit den Ohren dahin genagelt hätte. Ein gleiches Schicksal traf auch No. 53. der Zeitung [316] für die elegante Welt, worin ein hier seit kurzem privatisirender Gelehrter über einige Hauptstücke dieser Ausstellung nach seiner Art und Ansicht gekunstrichtert hat. Diese Recension, in welcher der Verfasser besonders Hartmanns Marien und Grassi’s Porträts mit seiner kritischen Fackel beleuchtet, und wobei es denn freilich auch neben einigem süßklingenden Lobe nicht ohne etwelchen herben Tadel abgegangen ist, hat der letztere dieser beiden Künstler, um ein Exempel zu statuiren, daß man es hinfort nicht wage, einen auf den Beifall der großen und feinen Welt festgegründeten Ruhm anzugreifen, gleichfalls in dem Ausstellungssaale, und zwar unter seine Gemälde, festnageln lassen. Ueberdies hatte man auch den Namen des Frevlers, damit die Welt ihn kenne, dem angenagelten Zeitungsblatte hinzugefügt. Ein anderes böses Gerücht, welches ich gern nicht glauben möchte, wenn ich es nicht in mehrerer Personen Gegenwart aus dem Munde des Aufwärters im Ausstellungssaale vernommen hätte, ist daß diesem letzteren von einem der durch jene Recension schwer gekränkten Enkel des Apelles, den ich Ihnen nicht namentlich nennen werde, weil ich zur Ehre seiner Denkungsart glaube, es sey in einem Momente der Uebereilung geschehen, aufgegeben worden, den Hrn. L., Verfasser jener Recension in der Zeitung für die elegante Welt, wenn er sich wieder auf der Ausstellung sehen lasse, die Treppe hinunter zu werfen, und wo möglich, ein wenig zu prügeln; er der Committent werde mit Freuden alle Unkosten bezahlen. So stehen nun für jetzt die Sachen. Ob sie einen tragischen oder komischen Ausgang nehmen werden, ob Herr L., trotz des angedroheten Empfanges, wieder im Ausstellungssaale erscheinen wird, um den Stoff zur Fortsetzung seiner interessanten Nachricht, die er dem Publicum noch schuldig ist, einzusammeln; ob der [317] Aufwärter, kraft gegebenen Auftrages, Hand an ihn legen, und wie viel in diesem Falle dem gerächten Committenten dieser etwas unästhetische Spaß kosten werde, das ist, was wir nun erwarten, und wovon ich Ihnen zu seiner Zeit, wenn nicht, wie ich lieber wünsche, die Herren vorher in Friedensunterhandlung treten, und das obwaltende Scandalum vor dem Ausbruche hinwegräumen, den Erfolg melden werde. Wer hätte je geglaubt, daß die schadenfrohe Eris, nicht zufrieden ganz Europa in Flammen gesetzt zu haben, auch in das friedliche Heiligthum der Kunst ihren Zankapfel werfen würde ! Leben Sie wohl!