Boetticher:Prell, Hermann
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[307] Prell, Hermann, Historienmaler, geb. zu Leipzig am 29. April 1854, bezog im 16. Jahre die Kunstakademie in Dresden, an der Prof. Th. Grosse sein Lehrer wurde, u. wandte sich einige Jahre später, nach Gussow’s Berufung auf den Berliner Lehrstuhl, dem jüngern Leiter zu. Sein in Berlin 1878 entstandenes erstes selbständiges Gemälde „Die letzte Jagd“ (ein berittener Jäger, der in Verfolgung eines Hirsches einem ungeahnten Abgrunde entgegensprengt) machte den Namen des jungen Künstlers bekannt u. ermutigte ihn, [308] sich am Wettbewerbe für Ausmalung des Berliner Architectenhauses zu beteiligen. Die Arbeit wurde ihm zuerkannt u. erst nach mühsamen, 1879–80 in Italien gewonnenen Erfahrungen in der Frescotechnik ging er an’s Werk. Die ausserordentlichen Schwierigkeiten, deren er während der Ausführung begegnete, liessen ihn jedoch nur die Wandgemälde al fresco, das grosse Deckengemälde des Festsaales dagegen in Oelfarben auf Leinwand malen, die nach Vollendung befestigt wurde. Gegenstand der Darstellung sind die Hauptepochen der Architecturgeschichte, deren erstes Bild auf der Südwand uns die „Vorzeit“ (Aegypten), das zweite das griechische „Altertum“, das dritte die „Blüte Griechenland’s“, das vierte die Kunstepoche des kaiserlichen „Rom“ schildert. Die gegenüber befindliche Nordwand zeigt uns im ersten ihrer vier Bilder einen Pfahlbau mit seinem Bewohner, im zweiten eine den Mariencultus u. das Rittertum feiernde Darstellung, im dritten eine Scene aus dem Klosterleben, im vierten eine Scene aus der gotischen Bauperiode. Während die westliche Schmalseite es Saales von grossen Fenstern eingenommen ist, bot die östliche Wand den Baum für folgende drei Compositionen aus den Perioden der Renaissance, des Rococo u. der Gegenwart. Das Gemälde der „Renaissance“ zeigt uns die drei Schwesterkünste in Renaissancetracht auf erhöhtem Sitz vor der Nische einer Parkmauer, während das Zeitalter des „Rococo“ durch ein an einem Springquell im Mondschein ruhendes junges Weib, die „Gegenwart“ durch einen über seinen Entwürfen sinnenden Baumeister (beide Bilder auf Goldgrund) dargestellt wird. 1882 war die Reihe dieser elf Wandgemälde vollendet, aber nach weiteren drei Jahren, 1885, erst erfolgte die Vollendung des auf Staatskosten gemalten Deckenbildes „Ars Victrix“, der „triumphirenden Kunst“, einer weiblichen Idealgestalt, die, auf einem Wolkengebirge thronend, zum Adler des Zeus emporblickt, der mit dem goldenen Lorbeerkranz in den Krallen vom Olymp emporschwebt. Zwei Genien mit Posaunen schwingen sich durch die Luft, den Sterblichen den Ruhm der Siegerin verkündend. Reproductionen der Fresken „Griechenland“, „Pfahlbau“, „Renaissance“ befinden sich in „Kunst unserer Zeit“ III. (1892), die Gruppe der bildenden Künste im Zeitalter der „Renaissance“ auch in Lützow’s „Zeitschr. f. bild. Kunst“ XX.
Den nächsten Auftrag erhielt er 1884 von der Stadt Worms, den ausgebauten Hauptsaal des alten Rathauses mit Darstellungen aus der Stadtgeschichte u. mit allegorischen Figuren zu schmücken. Prell wählte für’s Hauptgemälde die Darstellung eines Actes der Dankbarkeit Kaiser Heinrich’s IV., der auf dem Platz vor der Kaiserpfalz am 18. Januar 1074 den Wormsern, „des Reiches besten Bürgern“, für ihre unwandelbare Reichstreue wichtige Privilegien verlieh. Abb. in „Kunst unserer Zeit“ III. (1892).
Das Jahr 1886 stellte dem Künstler zwei Aufträge in Aussicht: die Ausmalung eines grossen Saales im Landesgebäude zu Danzig u. die Ausmalung des Rathaussaales zu Hildesheim mit Fresken aus der Geschichte beider Städte. Da bei der Danziger Wettbewerbung Stimmengleichheit herrschte, so musste das Loos entscheiden, das E. Röber die Ausführung übertrug, während die aquarellirten Skizzen Prell’s für die National-Galerie erworben wurden.
Die Fresken in der etwa 100 Fuss langen u. 30 Fuss breiten Rathaushalle zu Hildesheim, welche von einem hölzernen Tonnengewölbe überspannt wird, entnahmen ihre Motive sowol der Geschichte der Stadt Hildesheim als auch den Beziehungen derselben zum Reich, wobei Sage u. Allegorie nicht ausgeschlossen blieben. Als Gehilfe bei der Ausführung stand ihm der Maler H. Mittag aus Hannover zur Seite, dem der ornamentale Teil übertragen ward, dessen Kosten die Stadt bestritt.
Die im Auftrage des preussischen Staats im grossen Saal des kürzlich vollendeten Rathauses zu Hildesheim hergestellten sieben Wandgemälde aus der Geschichte der Stadt sind der Reihe nach folgende:
- 1. Der Hildesheimer Silberfund. Hermann der Cherusker übergiebt den Priestern den Silberschatz des Germanicus. Abb. „Kunst unserer Zeit“ III. (1892).
- 2. Die Gründung des hildesheimer Bistums. Ludwig der Fromme u. seine Gemahlin Irmengard verleihen dem Bischof Guntar das Bistum Hildesheim, 814. Abb. „Kunst unserer Zeit“ III. (1892).
- 3. Bischof Bernward empfängt den Besuch Kaiser Heinrich’s II. am Palmsonntage 1002. Abb. „Kunst unserer Zeit“ III. (1892); „Moderne Kunst“ VIII. (1894); „Zeitschr. f. bild. K.“, Oct 95.
- 4. Rückkehr der Bürger Hildesheim’s u. ihres Bürgermeisters Henning v. Brandis nach der siegreichen Schlacht bei Bleckenstedt gegen Braunschweig, 1493. Abb. „Kunst unserer Zeit“ III. (1892).
- 5. Einführung der Reformation in Hildesheim. Bürgermeister Sprenger mit Rat u. Gemeinde geleiten den Prediger Buggenhagen zur Einführung der Reformation in die Andreaskirche, 1542. Abb. (2 Ausschnitte) „Moderne Kunst“ VIII. (1894); „Daheim“ 95.
- 6. Die Stadt Hildesheim in allegorischer Darstellung der Hildesia huldigt dem Kaiser Wilhelm I. 1872.
- 7. Die Sage vom tausendjährigen Rosenstock.
Die Bilder 1–6 befinden sich an der Nord- u. Südwand, das Bild 7 an der Westwand des Saales. Die Ausführung sämmtlicher hildesheimer Fresken hatte die Sommermonate von fünf Jahren in Anspruch genommen, sie wurden 1892 vollendet. Eine Lichtdruckausgabe in 13 grossen Tafeln nach Orig.-Aufnahmen von Otto Troitzsch erschien bei Hessling & Spielmeyer in Berlin. (1894).
Beim Wettbewerb deutscher Maler um den Auftrag eines grossen Deckengemäldes im Albertinum, dem Sculpturen-Museum Dresdens, 1889, hatten Prell’s Farbenskizzen den Preis errungen u. wurde die Ausführung des Werkes ihm übertragen. Der von ihm gewählte Gegenstand ist der Sturz der Titanen u. Giganten [309] durch die olympischen Götter. In einem der beiden Seitenfelder ist Aphrodite, umgeben von Amoretten, im andern der mit dem himmlischen Feuer herabsteigende Prometheus, über dem hoch in den Wolken die Parzen, dargestellt.
Im selben Jahre 1889 wurde dem Meister vom Provinzialausschuss in Breslau die Ausführung der Wandgemälde im Treppenhause des Schlesischen Museums, dessen Kuppel vor mehreren Jahren der bereits verstorbene Schaller ausgemalt, endgiltig übertragen. Während das Schaller’sche Deckenbild um einen blumenstreuenden Eros Darstellungen der Culturanfänge gruppirt, componirte Prell in die sich ihm darbietenden zwei je drei Nischen enthaltenden Wandflächendes quadratischen Raumes (die beiden anderen Wände sind durch je drei Türen durchbrochen) auf der Ostwand ein Bild der classischen, auf der Westwand ein Bild der christlichen Kunstepoche. Als Mittelpunkt der einen Wand erscheint Apollon, der die Menschen durch Gesang erhebt, während zur Linken Paris der Göttin der Schönheit den Siegespreis reicht, zur Rechten ein Jüngling den Pegasus bändigt, der ihn zum Olymp emportragen soll. Als Mittelpunkt der andern Wand erscheint in leuchtenden Wolken die Gestalt Christi über dem von Engeln und heilsbedürftigen Menschen umringten Paradiesesbrunnen, in den Seitenfeldern aber der heil. Georg als Besieger des Drachens u. Dante mit Beatrice als Führerin zur Seligkeit. (Vgl. Hermann Prell’s Fresken im Treppenhause des Schlesischen Museums der bildenden Künste zu Breslau. 9 Tafeln in Heliogravüre. Text von Julius Janitsch. Berlin 1895).
1891 beteiligte sich Prell, infolge Aufforderung, an der Concurrenz für die Ausschmückung des Stadtverordnetensaales im Rathause zu Danzig. Von den sechs Wandgemälden (aus den Mitteln einer Stiftung der Gebrüder Jüncke) fiel die Ausführung von 2 Bildern ihm zu, während die übrigen vier von E. Röber in Ddf., C. Röchling in Berlin u. A. gemalt wurden. Da die Ungunst der Beleuchtung des Saales die Ausführung al fresco ausschloss, so mussten alle 6 Bilder in Temperafarben auf Leinwand hergestellt werden. Die von Prell gemalten aus der Blütezeit Danzig’s sind:
- 1) Der Polensturm auf Weichselmünde: Die Danziger Bürger schlagen den Sturm des Polenkönigs Stephan Bathory 1577 heldenmütig ab u. vernichten durch brennende Schiffe das in Kähnen vordringende Heer. Bez: H. Prell 1895. (Dresd. ak. KA. 1895, Abb. im Kat.)
- 2) Die Uebergabe eines von Danziger Handelsherren nach Venedig gebrachten Bildes an den Dogen Marino Grimani 1601. Bez: H. Prell 1892. (Abbildungen beider Bilder, deren spitzbogige Form durch die Wandflächen bestimmt war, in „Zeitschr. f. bild. Kunst“ VII. Jahrg., Heft 7 vom April 1896).
Nach dem Tode Theodor Grosse’s (gest. 10. Oct. 1891) wurde Prell zu dessen Nachfolger berufen. Seit Anfang 1892 wirkt er nun als Lehrer an der Oberclasse der Dresdner Kunstakademie, Vorstand eines Ateliers für Geschichtsmalerei mit dem Professortitel und Mitglied des akad. Rates. Ehrenh. Erw. Berl. Jub.-A. 86; Gr. gold. Med. Berl. 93.
Die neueste Aufgabe Prell’s ist, den nach den Plänen des Reg.-Baumeisters Prof. Alfred Messel völlig umgestalteten Thronsaal der deutschen Botschaft im Palazzo Caffarelli zu Rom mit Wandgemälden aus der deutschen Mythologie zu schmücken. Der Inhalt ist die Geschichte der Liebe Freyr’s, des Sonnengottes, zu Gerda, der Naturkraft der Erde. In drei allegorischen Compositionen, die dem Frühling, Sommer u. Winter entsprechen, erblicken wir auf der ersten Wand den jugendlichen Sonnengott, dem die Schwanenjungfrauen von der in der Felsenhöhle schlummernden Gerda berichten; auf der zweiten Wand die aus der Erde befreite Gerda, um deren Besitz Freyr mit den Berg- u. Winterriesen kämpfen muss; auf der dritten Wand die Trennung der Liebenden, als Allegorie auf den Winter. Die Winterriesen haben Gerda geraubt u. tragen sie in ihre Felsenhöhle zurück. Der Sänger Bragi aber singt von der verlorenen Liebe.
I. Oelgemälde.
[Bearbeiten]- 1. Die letzte Jagd. Ein Zehnender, von zwei Rüden gepackt, stürzt mit ihnen in den Abgrund. Den verfolgenden Reiter ereilt das gleiche Geschick. Abb. „Gartenlaube“ 1881; „Kunst unserer Zeit“ III. (1892). – Berl. ak. KA. 78.
- 2. Studienkopf. Junges blondes Landmädchen mit Blumenstrauss in der Rechten. Holzschn. „Zeitschr. f. bild. K.“ 1883. – Berl. ak. KA. 83.
- 3. Abendgang. Eine j. Frau mit einem Kinde in den Armen durch eine Landschaft wandelnd. Ein geflügelter Genius läutet den Abend ein. Bez: H. Prell 1885. Abb. „Illustr. Z.“ 1887; „Kunst unserer Zeit“ III. (1892).
- 4. Erster Frühling. Liebespaar aus der Renaissancezeit unter alten Buchen, von deren einer ein kl. Eros auf dasselbe herabschaut. Bez: H. Prell 1885. Holz. h. 0,45, br. 0,61. Abb. „Gartenlaube“ 1888; „Kunst unserer Zeit“ III. (1892). – Gurlitt’s Berl. Herbst-A. 86; Bangel’s Frankf. K.-Auct, 14. Nov. 87; Berl. ak. KA. 89.
- 5. Judas Ischarioth, dem zwei Priester die 30 Silberlinge darbieten. Hinter einem Hügel geht der Vollmond auf. Fast lebensgr. Figuren. Bez: H. Prell pinxt 1886. Abb. „Zeitschr. f. bild. K.“ 1887; „Kunst unserer Zeit“ III. (1892). – Berl. Jub.-A. 86; Dresd. KV. Anfang 87; Wiener Jub.-A. 88; Münch. JA. (Glasp.) 89. Angek. f. die Dresd. Galerie 1894 aus den Zinsen der Pröll-Heuer-Stiftung.
- 6. Herbst. – Berl. ak. KA. 87.
- 7. Ruhe auf der Flucht. Die heil. Familie unter einem Baum am Wasser rastend, ein gr. Engel spielt die Geige. Bez: H. Prell 1888–90. Abb. „Kunst f. Alle“ 1890. – Berl. ak. KA. 88; Berl. int. KA. 91. Angek. vom Schles. Museum in Breslau 1892.
- 8. Leopold v. Dessau u. die Annelise. Der Prinz begrüsst nach seiner Heimkehr aus Italien seine Geliebte u. spätere Gemahlin. Abb. „Gartenlaube“ 1889; „Moderne Kunst“ IV. (1890); Kupferätzung roy. qu. fol. E: Commerz.-R. R. Roesicke, Berlin. – Berl. ak. KA. 89, Abb. im Kat.
[310]
- 9. Kaiser Wilhelm II. in Admiralsuniform mit dem Fernrohr in der Hand auf der Commandobrücke der Yacht Hohenzollern, ein Flottenmanöver befehligend. Die Kaiserstandarte wird gerade aufgehisst. 1889 vollendet. Ausgestellt in der Nische des Marinesaales der Berliner Ausstell. f. Unfallversicherung, Frühj. 89.
- 10. Kaiser Wilhelm II. in der Uniform seiner Hannov. Königs-Ulanen. Stehende ganze Figur. Für das Generalstabsgebäude im Auftrage des Kaisers gemalt. – Berl. int. KA. 91.
II. Cartons, Aquarelle.
[Bearbeiten]- 1.–3. Cartons:
- 1) Hermann der Cherusker übergiebt den Priestern den Silberschatz des Germanicus.
- 2) Gründung des Bistums Hildesheim durch Ludwig den Frommen.
- 3) Einführung der Reformation in Hildesheim durch Buggenhagen.
- 1–3 Cartons zu den Fresken im Rathause zu Hildesheim. – Grosse Berl. KA. 93, auf welcher sich auch 19 Bll. Lichtdrucke nach den Fresken befanden.
- 4.–9. Aquarelle:
- 4) Hermann der Cherusker übergiebt den Priestern den Silberschatz des Germanicus.
- 5) Ludwig der Fromme u. seine Gemahlin verleihen dem Bischof Gunthar das Bistum Hildesheim.
- 6) Bischof Bernward empfängt den Besuch Kaiser Heinrich’s II.
- 7) Einzug des Bürgermeisters Brandis in Hildesheim. Abb. im Kat. der Gr. Berl. KA. 93.
- 8) Einführung der Reformation in Hildesheim durch Buggenhagen.
- 9) Kaiser Wilhelm der Siegreiche, dem Hildesheim huldigt.
- 4–9 Aquarelle nach den Wandbildern in Hildesheim, angek. 1894 für die Berl. Nat.-Galerie.
Eine grosse Zahl von Studien, Skizzen u. Cartons zu den Wandgemälden Prell’s befanden sich auf der Ausstellung des Sächsischen Kunstvereins Januar 1896.
Vgl. die Schriften:
- Prof. Herm. Prell’s Wandgemälde im Rathaussaale zu Hildesheim. Berlin, Verlag von Hessling & Spielmeyer. –
- Pietsch, L., Hermann Prell. Mit 14 Bildern und dem Portr. des Künstlers. In „Kunst unserer Zeit“. III. (1892). –
- Gurlitt, C., Hermann Prell. Mit 8 Bildern. In „Moderne Kunst“. VIII. (1894). –
- Janitsch, J., Hermann Prell’s Fresken im Treppenhause des Schles. Museums der bild. Künste zu Breslau, mit 9 Tafeln in Photogravure. Berlin 1895. –
- Rosenberg, Ad., Hermann Prell. In „Daheim“ 1895. –
- Rosenberg, Ad., Neue Monumentalmalereien in Preussen. In „Zeitschr. f. bild. Kunst“. VII. (1896). –
- Rosenberg, Ad., Hermann Prell’s neueste Wandgemälde. In „Zeitschr. f. bild. Kunst“. VII. (1896).