Brünn (Meyer’s Universum)
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Nicht stolze Triumphbögen und Palläste, nicht Wasserleitungen, die sich von einem Hügel zum andern schwingen, nach Römerart und Römersinn, verkündigen die Nähe der Hauptstadt einer der reichsten Provinzen des österreichischen Kaiserthums: – ein Kranz von Gärten und Rebenhügeln mit freundlichen Landhäusern umschließt sie, breite Heerstraßen, vom Handel belebt, ziehen ihr zu, und als Wahrzeichen blickt ernst der gefürchtete Spielberg von seiner Höhe auf sie und die köstliche Gegend hinab. Brünn ist eine wohlhabende, menschenwimmelnde Stadt, wo Gewerbe, Handel und Bildung ihren Sitz vereint aufgeschlagen haben; eine Stadt der Neuzeit, denn nicht der Vergangenheit, sondern der Gegenwart gehört ihr schönes Gedeihen und ihre Blüthe. Noch im vorigen Jahrhunderte hatte Brünn nur 20,000 Einwohner; jest übersteigt die Bevölkerung die Zahl von 50,000. Eine Gränze seines Wachsens ist nicht abzusehen, und noch in neuester Zeit haben ihm die schaffenden Götter der Jetztwelt ein neues, mächtiges Element des Gedeihens zugeführt. Die Kaiser Ferdinands-Eisenbahn macht Brünn gewissermassen zu einer Vorstadt Wien’s, und schüttet die tausend Vortheile über sie aus, welche die Nähe der Hauptstadt eines großen Reichs gewährt.
Heute nichts über die Urgeschichte dieser Gegenden, über welche die höchste Kultur ihre Segnungen breitet; nur die Sage sey erwähnt, ein heidnischer Mährenkönig, Magomir, habe im Jahre 800 die Stadt erbaut. Zunächst an seine Zeit erinnert der ehrwürdige Dom, den die Landesapostel, Cyrill und Methard, gegründet; [19] nach ihm die Jakobskirche, ein vortreffliches Monument altdeutscher Kunst. Das Rathhaus trägt ebenfalls alterthümliches Gepräge und besitzt mancherlei Schmuck. Sein Aufbau fällt noch in das 15. Jahrhundert. Bei weitem die meisten der schönern Gebäude gehören der Neuzeit; so der Palast des Landesgouverneurs, das Franzensmuseum, – dieses mit den schön geordneten Sammlungen von Allem, was Natur und Kunst, Fabriken und Manufakturen Bedeutendes im reichen, fleißigen Mähren erzeugen. Im Gouvernementspalaste sieht man Etwas, was wohl in der ganzen Welt nicht zum zweitenmale gefunden wird. Wer kann’s errathen? Ein Pflug ist’s, mit dem ein Kaiser ackerte. Joseph der Zweite – der Reine, Edle, Große, so viel Verkannte, – der ackerte damit eines Bauern Feld, welchen er bei seinen einsamen Spaziergängen zufällig bei’m Pflügen traf. Er wollte des Landmanns Stand nicht blos ehren, er wollte auch seine saure Arbeit kosten, und der Vorsatz, dem Bauer die tausend Fesseln allmählich abzunehmen, die seinen Fleiß verkümmern, war die Frucht. Daß keine Herkuleskraft damals ausgereicht, den Vorsatz zur vollen That zu machen, ist Joseph’s Schuld nicht.
Brünn ist reich an wissenschaftlichen Anstalten aller Art; seine Schulen – obenan stehen das Gymnasium und die polytechnische Schule – sind ausgezeichnet, und der Wohlthätigkeitssinn der Einwohner führt den älteren Instituten für Unterstützung Armer und Leidender, für Arbeit und Unterrichtbedürftige, immerfort neue zu. Hauptgewerbe ist die Tuchmanufaktur, welche, seit lange blühend und von großem Rufe, mit großer Capitalkraft und eben so großer Intelligenz betrieben wird. Baumwolle- und Seiden-Weberei gedeihen ebenfalls, nicht minder andere verwandte Gewerbe.
Die Umgebungen von Brünn gleichen einem Parke, den die Kunst, im Schwesterbunde mit der Natur, verherrlichte. Der Franzensberg und der Augarten sind Lieblingsnamen für den naturfrohen Brünner und an schönen Tagen das Ziel für Tausende. Großartige Szenerien bietet das Adamsthal dar mit seinen Höhlen und seinen Burgruinen auf den grauen Felsen.